Real Life 6.8.2008 - Die Karpfen

Vielleicht, meint Iris, kommen sie nur an die Oberfläche, weil ihnen das Wasser zu warm ist und sie die Vorstellung mögen, so nass und glitschig an der Luft kalt wie ein Fisch zu werden.



Langsam schwimmen die Karpfen weiter, nach Luft schnappend und keine Flosse zu viel bewegend. Es ist heiss hier unten, drückend heiss, und auf ihrem rückenfreien Oberteil hat sich unterhalb rechten Brust ein kleiner, feuchter Fleck gebildet, so heiss, dass du beinahe gesagt hättest, dass es zu heiss für sie ist, so wie sie transpiriert, und es eigentlich besser wäre, diese Tageszeit woanders zu verbringen. Es wäre unschicklich und vielleicht sogar unentschuldbar gewesen, aber so ist das mit der Hitze, sie macht alles platt, dumm und gedankenlos.

Später erzählt sie von Italien, ausführlich vom Ungeziefer im Bad und von denen, die auch dort waren, vom übervollen Strand und chinesisch dominierten Venedig. Von einer Bekanntschaft, die sich als zudringliches Schwein herausgestellt hat, von der letzten Woche, die mit der Umgehung dieser Person vertan wurde. Und nun versuche er, unfähig die Zeichen zu deuten, hierher zu kommen. Ohne eingeladen zu sein. Ihr vielleicht auch auf der Strasse aufzulauern. Sie nimmt keine Anrufe mit unterdrückten Nummern mehr entgegen.



Er verstehe einfach nicht den Zweck solcher Bekanntschaften, die sich bitteschön mit Urlaubsende aufzulösen hätten und nicht weiter gehen; schon gar nicht, wenn sich zeigt, dass es nicht passt, dass Ansprüche nicht erfüllt werden und es einfach nicht vorgesehen ist, dass die Frau bezahlt und anschliessend auch noch fahren muss, die Gierpfote eines Besoffenen auf dem Schenkel und drittklassige Anmachsprüche im Fahrtwind. Und dann noch die neureichen Russen, eine weitere Belästigung zu all dem, was nicht mehr so ist wie vor 20 Jahren, und das ist praktisch alles.

Ausser die Szenen, die sie macht, beginnst du, die nächste Dummheit anzudenken, denn vor 20 Jahren klang es gar nicht unähnlich, als sie ins Zimmer kam und trocken bemerkte, dass er jetzt heule und sie das nicht erträgt, du solltest sie jetzt nach Verona fahren oder sonstwohin, wo sie sich amüsieren kann. Aber Iris redet weiter und erzählt von den fremdartigen Sexgeräuschen und Schnappsleichen am Strand, und was sonst noch immer zum Niedergang des Sommerurlaubs an der Adria nach alter Sitte beiträgt.

Donnerstag, 7. August 2008, 01:50, von donalphons | |comment

 
Aber es ist ja tatsächlich so, dass wohlerzogene, kultivierte Töchter immer wieder in solche Situationen geraten. Und man oft schwer einschätzen kann, ob der Mann Stalker-Qualitäten entwickelt hat, ob die Frau bewusst oder unbewusst ein dummes Spielchen gespielt hat, oder ob das Problem irgendwie im Umgang der Geschlechter insgesamt liegt.

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Nun, ich würde Iris jetzt eher nicht unter die Springbreak-Typologie der offensichtlich Willigen einordnen, und sie war auch nicht auf Malle, sondern dort, wo selbst das Stlking gesittete Formen hat. Ich denke, dass sie seit ihrer Ehe und der Scheidung eigentlich genug gelernt hat, um zu wissen, was gut für sie ist. Es gibt halt Situationen in diesem Leben, da entgeht man manchen Leuten einfach nicht.

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Joseph Brodsky, der einen wunderbaren Venedig-Essay geschrieben hat, sagte mal, er könne sich nicht vorstellen, jemals im Sommer nach Venedig zu fahren, auch mit vorgehaltener Pistole nicht.

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Ich war noch nie in Venedig, aber allein schon aus olfaktorischen Gründen soll das ja im Sommer unerträglich sein.

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Der wabernde Gestank von Touristenschweiß in San Marco...

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Ich mag Venedig im Sommer. Es riecht wirklich nach Pest und Verwesung. Es ist wirklich schmutzig, das Wasser ist eine Brühe, und es tut nicht so unergründlich, unerträglich schön wie Anfang November. Venedig im Sommer ist ehrlich.

Abgesehen davon mag ich Venedig eigentlich nicht besonders. Riva, Verona, Urbino gerne, aber nicht diese amerikanische Krimikulisse.

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Man sollte es aber schon mal gesehen haben. Es gehört zu Italien, wie die zu schüttelnde Hand der dummen alten Schachtel der besseren Gesellschaft.

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Ach so, eines noch: Angesichts der hygenischen Bedingungen der frühen Neuzeit des damaligen Hafens sollte man bedenken, dass Venedig gerade im Gestank und voller Touristen noch am ehesten dem Bild nahe kommt, das wir Canaletto verdanken und das natürlich die Legende massgeblich geprägt hat.

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indes der italienische karpfen die von der zeit enthüllte wahrheit eines grossen venezianers, sagen wir, verschleimbeutelt (p.m. stalking)

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Vielleicht trotzdem noch mal Italien anschauen, bevor Berlusconi die Kulturgüter an "Privatinvestoren" verscherbelt.

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ich fände es ja gut, wenn man Berlusconi auf Lebenszeit zum alleinigen Angestellten des Venezianer Kanalräumdienstes machen würe, zusammen mit einer Schaufel und einem Eimer. Wenn man für ihn schon keinen Ort zum Abhängen in, sagen wir mal Mailand, findet. Mailand ist bei italienischen Machthabern ja beliebt für solche öffentlichen Auftritte.

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Dann ist aber Beeilung angesagt, bevor Agrigent den Bach runtergeht

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