: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Sonntag, 3. August 2008

Der schwarze Weg

"Schwarze Bergwege sind schwierige Bergwege, sie sind lückenlos markiert, schmal, ganz oder zum Teil sehr steil angelegt, oft ausgesetzt und können bei schlechtem Wetter gefährlich sein. Diese Bergwege können auch längere versicherte Kletterpassagen aufweisen (das sind Stellen, die nur mit Gebrauch der Hände überwunden werden können) und sollten daher nur von absolut trittsicheren, konditionsstarken, absolut schwindelfreien, alpin erfahrenen Bergsteigern mit einer den Anforderungen des Weges entsprechenden Bergausrüstung begangen werden"



Wenn man vom Affenfelsen Rottach Richtung Schurkenstaat Österreich fährt, kommt man durch Kreuth. Links ist der schwarze Schlamm der CSU im Tal, rechts ein markanter, spitzer Berg, genannt der Leonhardstein, und mit 1461 Metern gar nicht mal so arg hoch.



Es ist eigentlich kein Berg, sonder ein Riff aus der Zeit, als sich hier noch ein Urmeer ausbreitete. Spätere Gletscher haben seine Form nicht beeinträchtigen können, und die letzten dreihunter Höhenmeter sind der schwarze Weg.



Das war heute für mich die Grenze, ich war nahe dran an der Aufgabe. Auf dem Hügel gleich rechts vom Gipfel ist die Neureuthalm, die 500 Höhenmeter über meiner Wohnung liegt. Es sind nur hundert Höhenmeter mehr auf den Leonhardstein. Aber kein Meter gleicht dem Waldboden weiter unten im Tegernseer Tal. Nur abgeschliffener Fels, Wurzeln, lose Steine, und alles ist noch glitschig und feucht.



Oben ist nur nackter Fels, eine sehr kleine Fläche und ein Abgrund hinunter nach Kreuth. Sonst nichts, keine Hütte, keine Kapelle. Es ist exrem einsam hier oben. Das alles sieht nachher sehr viel entspannter aus, als es tatsächlich war. Man merkt bei solchen Touren, was einem die restliche Welt teils gegen gutes Geld auszureden versucht: Dass man älter wird.



Warum man das macht, wenn man auch unten am See sitzen könnte, ohne Mühen und Rutschgefahr? Ich weiss es auch nicht. Der Berg ruft, sagt man, ich wollte da schon lang mal hoch, nur um dann zu sehen, dass da hinten von links nach rechts auch noch der Rofan ist, und der Unnütz, das Zugspitzmassiv und viele andere Berge, die noch etwas höher sind.

Aber meistens nicht so verdammt schwarz.

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Dienstag, 29. Juli 2008

180 Grad

Wie ich dann unten erfahren habe, erwartete man mich dringlich in München, aber ich hatte natürlich das Handy nicht dabei. Ich hatte es noch nicht mal am See. Und der Akku ist wohl auch leer. Da kann man nichts machen. Und er Abstieg hätte ohnehin zu lange gedauert, noch dazu, wenn man das Nickerchen - siehe ganz rechts - mit einrechnet.


Grossbild

Man sollte sich sowas wie da oben eben nicht von sowas wie da drüben vermiesen lassen. Nachdem man aber aufhören soll, wenn es am schönsten ist - war´s das erst mal mit dem See. Für mindestens drei Tage.

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Montag, 28. Juli 2008

Montag sind die Münchner weg

Gestern sprach mich auf dem Rückweg vom Berg ein Autofahrer an, ob ich, Zitat, Eingeborener wäre. Er sagte wirklich "Eingeborener" und suchte ein Zimmer. Ersteres ist eine Unverschämtheit, zweiteres dagegen verständlich.



Denn am Montag, wen die meisten Tagesausflügler weg sind, ist es auch am Strand wieder schön. Am Tegernsee. Ihr wisst schon, die übliche Immobilienwerbung. Dort wohnen, wo sich andere Profiblogger keinen Urlaub leisten können. Im Schatten sitzen dann zwei ältere Herren und telefonieren mit ihren Bankberatern, nein, wirklich, sie holen es nachher ab, ja, und verkaufen, so schnell wie möglich.

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Montag, 28. Juli 2008

Der Berg und du.

Mein Onkel war Direktor eines Gymnasiums, das alpine Leistungssportler hervorbrachte, wie mein Gymnasium Ingenieure. Also sehr viele, sehr gute Leistungssportler. Es liegt inmitten einer Skiregion, und die Kinder können dort fast schon Hänge runterrasen, bevor sie laufen können. Man ist nicht an so einer Schule, wenn einem Berge nichts geben. Und man hat keine Neffen, um mit ihnen, sagen wir mal, Feldhockey zu spielen. Folglich hatte ich schon im zarten Alter von 6 Jahren Kinderrennski von Erbacher, einen blauen Helm mit weissen Sternen und intensive Erfahrungen im Durchbrechen von Liftschlangen mit Hilfe der Schwerkraft. Rennfahra Biberl, nennt man das in alpinen Regionen. Und weil ich um die Zeit auch Heuschnupfen der übelsten Sorte bekam, war ich auch im Sommer in den Bergen, und kletterte die Berge hinauf, die ich im Winter auf eine Art hinabfuhr, die ich meinen Kindern allerstricktestens verbieten würde, wie auch der Versuch, mit der Zeitfahrmaschine Nachts um 4 die Leopoldstrasse runterzufahren - ohne zu bremsen, egal was da kommt. Aber das ist eine andere Geschichte.

Wie auch immer, es ist nach dem Worten meines Onkels so: Entweder schafft man den Berg, oder der Berg schafft einen. Prinzipiell, selbst wenn man auf die Schnauze fliegt, in den Stacheldraht der Weiden greift oder sich an der Wurzeln die Sehnen zerrt, ist es dem Berg eigentlich egal. Der Berg ist, wie er ist, er ist schon sehr lange da, und er wird auch noch da sein, wenn man zu seinen Füssen verfault. Der Berg ist nie dein Freund, aber man darf ihn auch nicht als Feind ausmachen. Aber für mich, der ich etwas komplexer und verkopfter bin als die Bergfexe aus der Schule meines Onkels, ist der Berg dennoch sowas wie ein Freund, auf seine wurschtige und gleichzeitig gefährliche, nie verzeihende Art: Denn er ist extrem einfach und gleichzeitig komplex. Kein Meter ist identisch, man muss immer überlegen, wo man den Fuss hinsetzt, wenn man über die Grate und Bäume aufsteigt, statt den mit Steckerlgeher verseuchten Fussweg zu nehmen. Wenn man erst spät losgeht, um den Berg für sich zu haben, muss man schnell sein, um es wieder nach unten zu schaffen, man muss sich bei der Hatz über weichen Waldboden und rutschige Steine voll konzentrieren und genau in den Körper hineinfühlen, und alles nur wegen dieser simplen, die ganze Existenz während dieser Stunden vereinfachenden Formel: Entweder du schaffst den Berg, oder der Berg schafft dich.


Grossbild

Man sagt hier im Netz oft, andere sollten dann und wann mal rausgehen an die frische Luft. Ich versuche es mal andersrum: Der Berg ist eine Erfahrung, die einen voll beansprucht und auf die Körperlichkeit, das eigentliche Sein zurückwirft, das so intensiv zu erfahren bei vielen anderen Beschäftigungen nicht möglich ist. Schon gar nicht vor dem Kasten, den jeder gerade Lesende hier vor sich hat. Das mehr oder weniger gelangweilte Klicken mit der Maus ist eine ganz andere Tätigkeit, als sich in einen steilen Grat zu verbeissen, oder sich gerade noch soweit unter Kontrolle zu bringen, dass aus dem Sprung über die Felsen kein Unglück entsteht. Das ist nicht weiter tragisch, man muss das nicht immer haben, aber hin und wieder rückt so ein bezwungener Berg die persönlichen Dimensionen zurecht. Das erklärt vielleicht auch, warum viele oben erst mal nur sitzen und nichts sagen. Man muss das erst mal verdauen, die eigene Nichtigkeit angesichts der Masse, die ein Berg darstellt.

Danach ist es gar nicht so schlecht, sich dem Netz vorsichtig zu nähern. Ich fremdel da wieder gerade etwas. Nach den Stunden am Berg muss man sich erst mal wieder einfühlen in das, was manche Menschen darin tun und treiben. Das mag durchaus funktionieren, für sich genommen, mehr oder weniger, je nach der Einstellung von denen, die das toll finden, aber


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Donnerstag, 24. Juli 2008

An der Wetterscheide

Schön. Aber kalt. Eisig kalt. Es kommt nicht oft vor, dass ich im Juli im Sonnenschein überlege, das Verdeck zu schliessen. Aber am Tegernsee war es dann wirklich kalt.



Die Strassen bei Dürnbach waren noch nass, die Wolken klammern sich auch jetzt noch am den Wallberg, die Blauberge und die Hirschspitze. Im Südosten, wo ich heute hinfahre, soll sich noch mehr gehalten haben.



Da kann hinter jedem Pass ein Schneeschauer warten. Unberechenbar. Aber schön.

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Mittwoch, 23. Juli 2008

Entschuldigt mich

Die kommenden Tage wird es hier etwas ruhiger - ich war peinlicherweise seit meiner Kindheit nicht mehr in Admont, und danach geht es ins Ennstal, mit einem Tortenintermezzo in Bad Ischl.



Es könnte ganz angenehm werden, wenn diesmal das Wetter mitspielt. Soundtrack: Missa Salisburgensis von H. I. F. v. Biber in dieser wunderbaren Aufnahme.

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Donnerstag, 17. Juli 2008

Nur durch Kurt Tucholsky kenne ich Heidelberg

Und zwar durch dieses Gedicht für achtstimmigen Männerchor.

Wenn die Igel in der Abendstunde
still nach ihren Mäusen gehn,
hing auch ich verzückt an deinem Munde,
und es war um mich geschehn,
Anna Luise!

Dein Papa ist kühn und Geometer,
er hat zwei Kanarienvögelein;
auf den Sonnabend aber geht er
gern zum Pilsner in'n Gesangverein
Anna-Luise!

Sagt' ich: "Wirst die meine du in Bälde?",
blicktest Du voll süßer Träumerei
auf das grüne Vandervelde,
und du dachtest dir dein Teil dabei,
Anna-Luise!



Und du gabst dich mir im Unterholze
einmal hin und einmal her,
und du fragtest mich mit deutschem Stolze,
ob ich auch im Krieg gewesen wär...
Anna-Luise!

Ach, ich habe dich ja so belogen!
Hab gesagt, mir wär ein Kreuz von Eisen wert,
als Gefreiter wär ich ausgezogen,
und als Hauptmann wär ich heimgekehrt
Anna-Luise!

Als wir standen bei der Eberesche,
wo der Kronprinz einst gepflanzet hat,
raschelte ganz leise deine Wäsche,
und du strichst dir deine Röcke glatt,
Anna-Luise - !

Möchtest nie wo andershin du strichen!
Siehst du dort die ersten Sterne gehn?
Habe Dank für alle unvergesserlichen
Stunden und auf Wiedersehn!
Anna-Luise!

Denn der schönste Platz, der hier auf Erden mein,
das ist Heidelberg in Wien am Rhein,
Seemannslos.
Keine, die wie du die Flöte bliese...!
Lebe wohl! Leb wohl.
Anna-Luise!

Was willst Du in Heidelberg?, fragte Susi heute Nachmittag am See. Ohne Tucholsky wird es abfallen, und du wirst unter lauten Burschenschaftlern und japanischen Touristen sein, oder gar Amerikanern, und ich muss allein zum baden.

Da hat sie leider recht.

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Donnerstag, 10. Juli 2008

Das Richtige tun

Indirekte Bestätigung für meine Thesen zum Urlaub bekomme ich gerade per Mail. Ich habe - unverlangt - den Newsletter eines auf Flugreisen spezialisierten Internetreisebüros, das mich wegen zweier Langstreckenflüge wohl für einen Global Jetter hält und mich alle zwei Wochen mit Flügen zu exotischen Destinationen unterhält, Tahiland, USA, Mittlerer Osten, Südamerika, Karibik - man kennt das. Dazu üblicherweise Leihauto, Party, Shuttle, Strand. Heute kamen die neuesten Angebote - bitte schliessen Sie die Gurte, stellen Sie den Sitz aufrecht und schalten Sie alle elektronischen Geräte ab, es wird ruppig bei der fliegenden Klasse:
Radeln Sie los! Entdecken Sie die Schönheiten der Landschaft vom Fahrradsattel aus und lernen Sie nach Lust und Laune Land und Leute kennen. Unsere Radtouren führen durch die grünen Hügel des Saarlandes, entlang der romantischen Weinberge im Breisgau und an den Ufern der Etsch entlang vom Vinschgau bis nach Verona. [...] Radeln Sie auf unserer Schlemmertour durch die reizvolle Hügellandschaft und genießen Sie die erstklassige Küche und die guten Weine des Saarlandes. [...] Am Oberrhein liegt Deutschlands sonnenreichste Region [...] Entlang der Etsch geht es durch die Obstgärten und Weinberge Südtirols, der Gardasee wird passiert und die Altstädte von Bozen, Trient und Verona können bestaunt werden.
Da ändert sich gerade was. Da brechen Strukturen auf, da werden ganz alte Regionen neu entdeckt. Und das finde ich nicht im Mindesten schlecht.



Diese Kirche hier steht an der Inntalautobahn, und jeden Tag fahren ein paar Zilliarden Autos daran vorbei. Dort gibt es einiges zu sehen, würde man nur mal anhalten wollen. Das kommt auch, früher oder später. Anhalten ist das neue Fortfahren.

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Montag, 7. Juli 2008

Benzin und Reise

Es gibt viele gute Gründe, die aktuellen Benzinpreise als unerfreulich zu erachten, angefangen bei der Unterstützung krimineller Machenschaften der beteiligten Wirtschaftszweige bishin zu den sozialen Ungerechtigkeiten, die daraus folgen. Andererseits finde ich es absolut nicht schlimm, wenn die Zeiten der Raserei auf der Autobahn zu Ende geht, Schlüsselindustrien gezwungen sind, ihre Geschäftsmodelle zu überarbeiten und andere transatlantische Regionen endlich mal einen Eindruck davon bekommen, wo sie mit ihren Verbrechern und Mördern an der Staatsspitze und deren Verschwendung hinkommen. Die Globalisierung stottert, Produktion kommt zurück zu Standortfaktoren, und man überlegt es sich gründlich, ob man das Licht brennen lässt. Kleine Läden mit grossen Fenstern haben ein paar kleine Vorteile gegenüber neonbestrahlten Shopping Malls. Sejtn a Schon, wo koa Nutzn dabei is, sagte meine Grossmutter immer, und sie hatte damit natürlich wie immer recht.



Dass sich die Zeiten ändern, erlebe ich gerade bei zwei mich ansprechenden Themenkomplexen. Der eine betrifft die Preisentwicklung von Immobilien in den Alpen. Mal abgesehen davon, dass ich für meine Wohnung nicht das bezahkt habe, was üblich ist: In den letzten Monaten ist das Angebot ausgetrocknet, bei gleichzeitig anziehender Nachfrage. Es macht den Anschein, als würde angesichts der kombinierten Kredit- und Energiekrise niemand Lust haben, seine Wohnung in inflationsgefährdetes Bargeld umzutauschen. Gleichzeitig wird nach Sicherheit gesucht, die ferne Gegenden wie Mallorca, die spanische Küste und andere südliche Regionen nicht mehr bieten. Sei es, dass man die Klimaerwärmung zu spüren bekommt wie der befreundeten Familie P., die in Tunesien war und es nur im Wasser oder unter der Klimaanlage ausgehalten hat. Oder wie Familie K. entdeckt, dass die Fluggesellschaften längst nicht mehr so viele Überkapazitäten in Richtung der Ferienwohnung am Mittelmeer anbieten, und der Spass inzwischen auch mit Billigflug richtig teuer wird.



Die Menschen tun das, was sie in Krisen immer tun: Sie fliehen zurück in Bereiche, die sie kennen;von denen sie wissen, dass sie ihnen und dem staatlichen System dahinter vertrauen können, wo das Wasser nicht rationiert wird und man nicht mit Aussicht auf eine Algenpest im Meer fast krepiert, wenn die Klimaanlage wegen Überlastung der Stomnetze ausgefallen ist. Bei uns ist das Deutschland, oder genauer, die besseren Regionen. Zumal es schneller und einfacher zu erreichen ist. Sollte Benzin noch teurer werden, bliebe bei kürzeren Strecken immer noch die Bahn als Alternative. Bei Anlegern aus Ländern wie Italien oder Russland steht wegen ähnlicher Überlegungen amüsanterweise die gleiche Region hoch im Kurs, zumal es sich in Oberbayern leichter kaufen lässt, als in der Schweiz oder in Österreich.



Wenn es hier also anzieht, geht es andernorts steil nach unten. Seit ungefähr zwei Jahren überlege ich den Kauf eines alten Autos, und in der engen Wahl ist ein britischer MG B oder Sprite. Seit zwei Jahren gucke ich wöchentlich, wie sich im Heimatland dieser Wägen die Preise entwickeln. Solche Autos sind für viele ein überflüssiger Luxus gewesen, den sie sich leisten konnten. Früher las man so gut wie nie etwas über den relativ niedrigen Verbrauch, der diese Fahrzeuge auszeichnete, oder das Problem der anziehenden Kreditzinsen. Heute sind die Anzeigen häufig ein Spiegel einer Gesellschaft, der schlicht und einfach das Geld und der Sprit ausgeht, um mal eben grössere Roadstertouren zu machen. Eine Gesellschaft, in der kleine Roadster schon fast unverkäuflich sind und in 12 Moanten ein Drittel des üblichen Preises verloren haben. Das Problem betrifft uns in Deutschland etwas abgemildert auch: Früher gehörte es fast schon zum guten Ton, am Wochenende von München aus an den Gardasee zu rasen. Das ist selten geworden.



Natürlich sagen Marktforscher, dass der Urlaub das Letzte ist, woran die Deutschen sparen. Das mag stimmen, aber es wird nicht billiger. Es gibt wenige Länder, in denen die teuerungsrate so niedrig wie in Deutschland ist. Und viele klassische Urlaubsländer, die einen enorm hohen Energieverbrauch durch Tourismus haben, dessen Kosten auf die Besucher umgelegt werden. Die Toursimusindustrie verschweigt, dass es kein Grundrecht auf 4 Wochen Ibiza mehr gibt, aber der Markt wird es so einrichten, dass diese Botschaft mit dem Geldbeutel verstanden wird. Das Konzept Ferienbomber, beheizter Pool und klimatisierte Räume in kaputtbetonierter Landschaft hat seinen Zenit überschritten, und die hohen Transportkosten werden die Konsumenten zwingen, sich zu entscheiden: Wirklich noch Ballermann, dann aber nur für eine Woche, und der Rest auf dem eigenen Balkon, so vorhanden? Oder doch lieber ein wenig länger wegfahren, aber dafür nicht mehr so weit?



Vielleicht sogar das tun, was ich für den richtigen Weg halte, und das nach ein paar tausend Jahren Reiseerfahrung für die vergleichsweise kurze Periode des Massenflugtourismus von 1980 bis 2008 vergessen wurde: Die Reise als Reise zu betrachten, und nicht als verlorenen Tag für An- und Abreise. Ich habe hier das Itinerar einer Verwandten, die im laubfrosch/hellgrünen Käfer Cabrio einer Reise nach Pompeji zu Beginn der 50er Jahre gemacht hat, drei Wochen lang, davon 5 Tage in jede Richtung. Es gibt kein einziges Bild, das nicht interessant ist, kein genervtes Gschau, keine Hektik. Es gibt zweimal wunderschönes Tirol, atemberaubende Berge, oberitalienische Städte, Adria und thyrrenisches Meer, Rom, Neapel, Pompeji, es ist von vorne bis hinten Urlaub, vom ersten Tag an. Autofahren war damals, als der normale Bundesbürger froh um ein Fahrrad war, Luxus und sehr teuer - niemand wäre auf die Idee gekommen, diesen Luxus nicht angemessen zu zelebrieren.



Dieses Vergnügen an der Reise muss wieder entdeckt werden. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere auch noch an die Aufkleber, die man in den 70er Jahren auf der Reise nach Italien an jedem Pass erwerben konnte: Grossglockner, Felberntauern, Reschenpass, Sellajoch. An die Prägeautomaten, an denen man sich Erinnerungsplaketten drucken konnte. Und an die Aufregung von Frau Mama, wenn ihr Gatte die Kurven am Pordoji zu sportlich nahm. Die Reise ist von diesem Erlebnis an abgestürzt zu dem, was Kulturwissenschaftler als "gesunkenes Kulturgut" ansehen, ein Wegwerfartikel des modernen Lebens, mit austauschbaren Namen und immer gleichen Hotels. Das betrifft alle Schichten gleichermassen, egal ober Ferienbunker oder die Nobelhotels dieser Welt, die überall im gleichen pseudoklassischen Neostalinismus mit Antikmix entworfen werden, mit austauschbaren Wellnessangeboten und Thai-Chi-Molekularfrass, das Junkffod der Reichen und Gelifteten.



Diese Beliebigkeit zwischen Adlon und Ballermann, die sich fortsetzt bis in die immer gleichen Gated Communities, in die unsere Gesellschaft und Städte zerfallen, ist nur möglich durch billigen Transport von Menschen, Waren und Dienstleistungen. Nur so schafft es Tropenholz auf Dächer über alpine Pools, nur so kann man chinesischen Billiggranit für die Auffahrt verlegen, nur so kann man es sich überall leisten, das Dortige zu ignorieren und in einem substanz- und inhaltslosen Überall zu verweilen, das Reise nur als geschobene Kulisse für die Unfähigkeit begreift, das Naheliegende, oder gar das Selbst zu erkennen, zu schätzen und für sich als Erholung zu begreifen. Man kann, pauschal, all inclusive, 24/7, anything goes, es ist ganz leicht und erschwinglich - gewesen. Und jetzt ist es vorbei und kommt nie wieder. Entfernung ist teuer. Und die Nähe ist weniger schlecht, als man gemeinhin glaubt.



Wobei ich gerne zugebe, dass es mir durchaus wenig ausmachen würde, wenn eine Vielzahl von Leuten es lieber eine Woche ordentlich in den Tourismusgummizellen global krachen liesse, statt mir vier Wochen meinen hier gezeigten Radelweg zum Tortenholen nach Tegernsee mit ihrer Anwesenheit zu verpesten. Es wird wohl beides geben, manche werden kleinräumiger denken, handeln und es dennoch schätzen. Ich halte den Menschen für in Grenzen lernfähig, und das heisst umgekehrt auch, dass Grenzen beim lernen helfen können - sei es, sie zu überwinden, wenn es wichtig ist, oder sie auszufüllen, wo man sich mit ihnen abfinden muss. Es ist weniger schwer, als man glaubt - solange man nicht jetzt auf die Idee kommt, die PS-Schleuder verkaufen und noch schnell am See ein Schnäppchen machen zu wollen.

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Sonntag, 6. Juli 2008

Boote im Sonnenuntergang

Gestern Abend um kurz nach 9, etwas über Scholastica beim Achensee auf 1000 Meter über NN, ein ziemlich grandioser Sonnenuntergang



Grossbild hier

Danach über den Achenpass hinunter an den Tegernsee, im Ort selbst um 20 vor 10, Blick vom Park bei Kloster Tegernsee Richtung Norden.



Grossbild hier

Gar nicht so schlecht, das hier. Man könnte sich glatt daran gewöhnen.

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