: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Samstag, 21. Februar 2004

Sie hassen den Kapitalismus

obwohl, oder weil sie ihn nicht verstehen. Er macht sie hilflos, er gibt ihnen nur Ramsch für 99 cent, und dafür müssen sie noch 10 Minuten an der Kasse anstehen. Sie hassen den Stillstand, sie werden agressiv und würden die Kassiererin mit ihren lahmen Bewegungen gern stiefeln.

Es geht nicht, und sie wissen es. Der Kapitalismus ist ihnen mit seinen Überwachungskameras und der Privatarmee im Nacken und passt auf, dass sie sich ordentlich aufführen. Dann gehen sie raus zur S-Bahn, die sie in die trostlosen Mietskasernen bringt.



Auf dem Weg dorthin, in der roten Klinkermauer, sind weiche Ziele. Niemand sieht hier, was sie tun. Sie schlagen das Plexiglas ein und zertrümmern die Neonröhren. Es wird dunkel im engen Gang vor dem Einkaufstentrum, das jertzt allein die Nacht über der Stadt bestrahlt.

Der Kapitalismus bleibt unbefleckt. Und morgen werden sie wieder kommen und neuen Ramsch für 99 Cent kaufen.

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Real Life 21.2.04 - John Henry´s Brunch

Colson Whitehead hat mit John Henry Days ein sehr schönes Erinnerungsbuch an die grossen Zeiten des Dotcom-Journalismus vorgelegt, in denen man sich auf Kosten der Veranstalter ein Jahr lang als Spesenritter durchschlagen konnte.



Das ist vorbei. 12.50 Euro für das Brunch selbst zahlen, bitte. Alk geht extra. Einlass trotzdem nur meit Einladung, für jemanden, den hier praktisch niemand kennt. Und bei der Einladungspolitik auch niemand kennen lernen wird. Wer es sich als Journalist leisten könnte, hat an dem Tag was Besseres zu tun. Und wer arbeitslos ist, hat nicht das Geld.

Für 12.50 Euro bekommt man schliesslich hinter der Schönhauser Allee genug Sroff, um sich eine Nacht nachhaltig zu bedröhnen.

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zittoyens

Es ist eine geschlossene, hermetische Welt, diese junge Stadtzeitung mit ihren leicht quietschig lachenden Reporterinnen und Photoabteilungsmädchen, die die jpegs verschludern und es erst kurz vor Druck merken, um dann panisch nachzufragen. Sie sehen aus wie die Kids , Models und Filmhalbgrössen auf dem Cover, kaufen bei Ikea und tragen H&M und Mützen, die nicht gerade vorteilhaft aussehen.

Eher, in meiner Jugend hätte man in der Tempo gesagt, gut dass uns der Türsteher vor sowas bewahrt. Leute wie Hansi & Inge Grandl zum Beispiel. Aber die Grandls dürften inzwischen schon auf die 70 zugehen. Ausserdem sind solche Türsteher eine nach Dekaden des Siechtums aussterbende Gattung. Letzte Woche war ich mit meiner kleinen Schwester im Greenwich, einem Lokal mit eingebauter Fischquälerei und Glaseimern voller Cocktailmantsche für Winterschlussverkaufs-Preise, für die man in München allenfalls einen Tee mit Rum bekäme. Die können sich derartiges Personal wohl auch nicht mehr leisten. Was wohl der Grund war, warum die Mädchen auch in extremen Formen des Downdressens reinkommen.

Passt aber auch zur Stimmung dieser Leute. Alles sehr reduziert, bar jeder Erwartung, ausser vielleicht, dass es den Job in einer Woche schon nicht mehr gibt. Kein Glaube, dass irgendwas jemals besser wird. Grosses Thema ist das nächste Praktikum, nicht der nächste Karriereschritt. 6000 arbeitslose Journalisten soll es in Berlin geben, und ein paar Dutzend sind bereit, für den Gegenwert einer vollen H&M-Tüte Groschenromane zu schreiben.

Nur Illies will irgendwann sein Hochglanzteil publizieren. Für die Altersstufe, die die Tempo noch aus eigener Ansicht kennen. Für die, die den zittoyens die verbrannte Erde hinterlassen haben. Und denen es ziemlich egal ist, dass die drei Topthemen der jungen Leute so aussehen: 1. Die Krise, 2. der Selbstmord, 3. das Hoffen auf ein Wunder, vielleicht doch entdeckt zu werden und was im Film zu machen wie Jana Pallaske das doch auch geschafft hat und inzwischen sogar singt und sowas wie Mia werden sie doch auch noch hinbekommen.

Klar. Dafür braucht man auch nicht den Trever Horn, und von "if ya wonna come" zu singen, würde ihnen nicht einfallen.

Niemand kommt in der ersten generation post hype. Sie gehen. Ein.

Nachtrag - Es war wohl Gedankenübertragung: Jens Thiel von den Minusvisionen, den ich in einem anderen Leben, glaube ich, beim First Tuesday kennengelernt habe, war in meiner geliebten und gehassten Heimat München und hat quasi im Vorraus schon den Berliner Stab knackiger gebrochen, als ich hier mein Frühstück angesichts des Marzahner Vororts Berlin a.d. Spree breche.

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