: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Freitag, 25. September 2009

Vielleicht ist es nicht dumm, nicht zu können

Prinzipiell halte ich Politiker nicht für dumm. Gerade, wenn es um den Machterhalt geht. Und daher halte ich es nicht für ausgemacht, dass es keine Obamastrategie im Internet für die Bundestagswahl gibt, weil sie es nicht könnten. Ich halte es für überlegenswert, dass sie es aus durchaus nachvollziehbaren Gründen einfach nicht wollen, von Westerwelle, der dafür aber zu schleimig ist, und dem Springerkonzern, dem es dafür an Hirn ebenso mangelt, wie er Poschardt und Dieckmann hat, mal abgesehen.



Denn Obama ist erkennbar auf dem absteigenden Ast. Der angebliche Held lässt gerade in Pittsburg Demonstranten mit Tränengas auseinandertreiben, um ungestört nach eigenen Angaben vorstellen zu können, wie weit man sich inzwischen aus der Krise herausgearbeitet habe (meines Erachtens hat man das Problem von den Bank- zu den Staatsbilanzen verschoben und aufgrund der bankkosten nochmal vergrössert, während alle Probleme von der Verbriefung über die Reglementierung bis zu den Konsumenten und Hauskrediten zumindest weiter bestehen). Obama hat die Gesundheitsreform in den USA wieder weitgehend von der Agenda und aus der öffentlichen Debatte genommen - das war ein zentrales Wahlversprechen. Statt sich von der vollversagenden Republikanerkreatur Bernanke zu trennen, erlaubt ihm Obama, weiter die Staatsfinanzen mit einem enormen Geldmengenwachstum zu ruinieren. Und der neueste Beweis dafür, dass "Change" und "Hope" auch nur Phrasen waren, wird bei der Frage sichtbar, ob Banken in Zukunft weiterhin ihre Kreditnehmer austricksen dürfen - sie dürfen natürlich.

Die ganze Messiasshow des Wahlkampfes hat nicht mehr als ein paar nette Reden und extrem fragwürdige Resultate hervorgebracht. Man muss kein Hellseher sein um zu erkennen, dass der Schwung, der Obama ins Amt brachte, inzwischen abgeebbt ist und ausgerechnet den Republikanern wieder auf die Beine hilft. Obama ist ein höchst abschreckendes Beispiel für das, was geschieht, wenn man vollkommen überzogene Hoffnungen auf einen Erlöser weckt, eine ganze Generation für sich entdeckt und anschliessend diese Leute vor den Kopf stösst. Obama ist sowas wie der verbriefte und mit AAA-Rating versehene Subprimekredit der amerikanischen Politik. Entsprechend begrenzt ist inzwischen die Bildchenschunkelei mit dem Präsidenten zu beobachten.



Die übertriebene Selbststilisierung kann in Amerika noch gehen, wo man nur die Wahl zwischen zwei Übeln hat und die Kandidaten auf Teufel komm raus gezwungen ist, Wahlkampfspenden zu sammeln. In Deutschland, wo es zu jeder politischen Richtung mindestens zwei Alternativen gibt und im Kern das Kreuzerl an der richtigen Stelle reicht, würde man eher Gefahr laufen, vergrätzte Wähler zu hoch motivierten Anhängern anderer Kräfte zu machen. Zumal es bei dieser Runde ohnehin nicht ohne sofortigen Wahlbetrug von welcher Partei auch immer gehen wird. Das Wecken vollkommen überzogener Hoffnungen würde da nur schaden; entsprechend wachsweich und nichtssagend sind auch die Parolen.

Und so wichtig ist das Internet nun auch nicht. Im Gegenteil, im Vergleich zu 2005 war diesmal erheblich weniger im Netz los, und die diversen Ideen, die im Angebot waren, wollte niemand haben. Die grosse "Blogger bringen Jungwählern die Politik nahe"-Plattform hat es ebensowenig gegeben wie die brillianten "Lass Dir von Twitter sagen wie Du Deine Politik machen musst"-Geschäftsmodelle. Man hätte massenhaft Leute kaufen können - es geschah nicht. Wahlen werden nichtg mit 10000 Freunden beim sozialen Netzwerk entschieden, sondern mit Millionen Wählern. Dieses Argument wird niemanden abhalten, am Sonntag nach der Wahl den Verlierern einzureden, es hätte mit einer Obamakampagne besser laufen können. Aber ich denke, die Parteien wussten schon, warum sie den Schwerpunkt nicht bei den überhypten Grossmäulern gesetzt und sich vielleicht noch von denen abgeängig gemacht haben.

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