: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Dienstag, 27. November 2012

Grün sein

ich liebe den technischen Fortschritt. Man sollte immer das Allerneuste haben. Immer alle Verbesserungen mitnehmen. Am besten jedes Jahr. Nur keine Entwicklung auslassen!

Zum Beispiel 29er. Das sind diese Bergradl mit den grossen Reifen. Früher waren das Treckingradformate, heute werden darauf die Reifen breiter, und wie man früher ohne Scheibenbremsen überleben konnte, weiss auch keiner. Die 29er sind viel besser, wenn man durch einen Wald mit grossen Hindernissen fährt, dann rollen sie besser darüber hinweg, als die kleinen 26-Zoll-Laufräder. Sie 29er sind zwar auch instabiler, müssen deshalb robuster und schwerer sein, und das ausgerechnet ganz aussen, wo man besonders viel Kraft braucht, um Gewicht zu beschleunigen - aber 29er müssen heute sein. Kein Mensch will mehr 26er von 1999. Und zugegeben - die sind auch nicht wirklich elegant, mitunter.







Das ist ein Trek VRX 300. Eines der optisch gewöhnungsbedürftigsten Fahrräder, das man sich vorstellen kann, und es wurde auch nur 1999 und 2000 gebaut. Auch das mag dazu beitragen, dass es heute nicht mehr 3500 DM kostet. Und die neuere Ausstattungsdetails - Altherrensattel, hoher Vorbau und Stadtreifen - sind auch nicht ganz im Sinne des Erfinders. Eigentlich gehört dieses Rad in schwerstes Gelände, aber die meisten 26er fristen wie die 29er ein Dasein in Städten, wo sie zuschanden gefahren werden. Dieses Trek hatte Glück, wurde kaum benutzt, und staubte die letzten Jahre in einem Keller im Münchner Westend vor sich hin, und deshalb ist es, von ein paar Schrammen abgesehen, recht gut erhalten. Aber der Kaufpreis - 151 Euro - sagt so einiges über den Wandel unserer Marken- und Vorstellungswelten aus.







Warum? Nun, im letzten Winter hat man mir mein Steppenwolf geklaut, und weil es Winter wird, brauche ich ein robustes Rad aus rostfreiem Aluminium. Es ist die Zeit des Übergangs, 7 Wochen war das Wetter schön und sommerlich, und in einer Woche ist es tiefster Winter; der November dauert hier nur drei Tage. Zum Glück hatte ich alles, was ich brauchte, noch am See im Keller herumliegen: Ein normaler Sattel, ein Paar Reifen und ein flacherer Vorbau. Mit einem modischen Carbon 29er kann es optisch natürlich nicht mithalten, dazu ist es viel zu anders. Ausserdem ist es schwer und hält hoffentlich auch den ein oder anderen härteren Schlag aus. Und es ist grün. Sehr grün. So grün sind die Grünen schon lang nicht mehr, ein Metallic-Giftfrosch-Grün. So stelle ich mir Frösche in Fukushima vor.







Oh, und es fährt sich klar besser als das Steppenwolf, ein Ergebnis der ausgeklügelten Hinterradfederung. Ich gehöre ausserdem zu der seltsamen Sorte Mensch, die behaupten, dass man auch heute noch damit Dinge tun kann, die man schon 1999 damit tun konnte. Das Marin zum Beispiel, mit dem ich im Sommer Berge befahre, ist über 20 Jahre alt. Und das hier wird später auch noch umgebaut: Ich brauche einen Rodeltransporter. Die Rodelstrecke ist zu weit weg, um zu Fuss zu gehen, aber viel zu nah da, um jedesmal das Auto aus der Tiefgarage zu holen, und am Wochenende keinen Parkplatz zu finden. Also werde ich auf die hintere Schwinge irgendwas bauen, auf das ein Rodel passt.







Und ausserdem ist Herbst. November. Grau. Da ist es schön, etwas zum Basteln zu haben, die Schalthebel wieder zum Leben zu erwecken (exakt ein Tropfen Öl auf das Sperrklinkenlager, kleiner Effekt, grosse Wirkung, und wenn das mehr Leute wüssten, würden sie nicht alle zwei Jahre neue Schalthebel brauchen) und sich langsam an dieses Grün und diese Optik zu gewöhnen. Es schont im Vergleich zu neuen Rädern die Umwelt, und es war so billig, dass sich die ein oder andere Patina verschmerzen lässt. Und es ist grün. Es ist schön, etwas Grünes zu haben, wenn die Welt erst grau und das weiss sein wird.

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Ganz vergessen:

Die Kosten von Luxus und Niedergang

Mein neuer Beitrag in der FAZ. Ich bin inzwischen so vertegernseet, dass ich schon über Restaurierungsarbeiten im Hausgang und Goldkügelchen schreibe.

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Mir fallen zwei Gründe für das Leistungsschutzrecht ein

1. Die Steuervermeidungspraxis von Google. Wer einen Dieb bestiehlt...

2. Der Fall Mollath. Wer so etwas durchkämpft, hat mehr als nur Geld verdient.

Ansonsten halte ich das LSR für eine verdammt schlechte Idee, auf kurz oder lang dafür sorgen wird, dass die kleinen Aggregatoren wie Rivva schliessen müssen und die Grossen wie Google eigene Konzepte für Medien entwickeln.

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