: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Sonntag, 18. August 2013

Über den Berg. Mit Rad und Blog.

Ich sage es einmal ganz höflich: Man kann Urlaub machen. Oder Bloggen. Beides zusammen geht vielleicht noch, wenn man vollkommen rücksichtslos sein kann: Also die Reise bezahlt bekommt, keinerlei finanziellen Folgen zu tragen hat, allein unterwegs ist und niemand einen drängelt, an den Strand, in die nächste Stadt, zur nächsten Veranstaltung zu gehen. Zeitnahes Bloggen mit der Reise ist schwierig, organisatorisch komplex und dazu geeignet, die Erholung zu ruinieren. Ich spreche hier nicht von Tweets über gesponsortes Essen und Instagram, ich spreche von Text schreiben und Bilder bearbeiten und publizieren, also Arbeit. Ich kann darüber ein Lied singen, ich hatte schon mal bei so einer Arbeit so ein "Ich will jetzt sofort nach Vicenza"-Gequengel im Ohr. Und ich kann das auch nachvollziehen. Was Bloggen bedeutet, wenn die Dame im Bett endlich mal kuscheln will oder Kinder ihren Teil verlangem, kann ich mir auch ohne Unterleib ausmalen. Das geht dann halt nicht.



Ich war dieses Jahr auch mit nicht bloggenden Leuten unterwegs: Wenn das Verhältnis gut bleiben soll, leidet das Bloggen sogar, wenn man ein Superschnellschmierer und Nachteule ist. Im Prinzip geht bloggen unterwegs leichter, wenn man ein wirklich interessantes Ziel hat, darum schreiben kann und sich keine Sorgen machen muss, dass dafür ein wie auch immer gearteter Urlaub drauf geht - idealfall ist die Mille Miglia, wenn man sie beruflich besucht. Will man das dennoch alles unter schwierigeren Bedingungen unter einen Hut bringen, muss man wirklich fit in allen Belangen sein, und es wird dennoch nicht leicht. Und am besten sollte man einen einzigen Standort haben, von dem aus man Arbeiten kann. Alles andere ist - schwierig. Unwägbar. Allein schon wegen der Zeit. Vielleicht sieht das jemand anders, der von einem Touristikunternehmen gezielt geschmiert wurde, oder als Journalist meint, einem Leser verpflichtet zu sein, aber davon weiss ich nichts. Ich reise selbst. Das erspart das Geschmiert werden.



Und würde ich mit jemandem nach Meran radeln, der diese meine Marotten nicht kennt und teilt, würde ich das auch nicht machen. Denn Nichtbloggen würde mir anderthalb Kilo Gepäck ersparen und den Zwang, nach 1200 Höhenmetern zum Jaufenpass hoch noch einen Gedanken aus meinem Hirn zu quetschen. Selbst unter den guten Bedingungen, die sicher im Leben der Massen eine deutliche Ausnahme darstellen, mit all meiner Erfahrung: Ich habe Zweifel, ob das gut wird. Und so gut, dass man es gern lesen möchte. Das jetzt noch auf ein normales Leben herunter rechnen, auf weniger gelesene Blogs und relativ hohe Kosten, und man hat eine Antwort, warum es nicht sonderlich viel Reisebloggerei gibt und geben wird. Oh, und ich glaube auch nicht, dass sich daran etwas ändert, wenn Supergeschmierte aus ihren Privilegien heraus dazu ein Blog beschmieren. Weder für den Leser, dem der Unterschied zu seiner Existenz deutlich sein dürfte, als auch für die Konzerne, die so etwas bezahlen. Das ist konstruierte Fiktion. Die kann auch ohne 1200 Höhenmeter.



Mich bezahlt keiner, das ist alles "private venture", und das macht auch den Reiz aus. Es wird sein wie jeder andere, die Höhenmeter des Jaufenpasses sind für Schreibende und Analphabeten gleich, und ich bin auch zuversichtlich, dort auf dem Rad keine Geschmierten zu treffen: Solche Momente würde man sowohl in der PR als auch im normalen Reisejournalismus eher gern vermeiden. Denn da oben ist alles unwägbar, vor einem Jahr hat es kräftig geschneit und natürlich sind wir auf uns allein gestellt. Finde ich kein Netz, kann ich nicht bloggen, bricht eine Speiche, muss ich weit, weit schieben. So ist das eben. Und so meine ich, darüber auch schreiben zu können. Weil ich gern wie ein Mensch lebe, und nicht wie ein Teil des Systems, das mir anbietet, für viel Geld von der FAZ in die Schweiz zu einem Konzern zu wechseln, was vermutlich der Weg vieler Leute wäre, stünde er ihnen offen. Man weiss ja, Zeitung, das ist im Moment auch so etwas wie mit dem Rad einen Pass hoch unter den Augen von zwangsgebührenprassenden Aasgeiern wie Sickstuss, da muss man die Augen offen halten nach Auswegen -ich nicht Ich will das um das kleine, begrenzte Risiko von 30 Kilometer schieben. Hinab. 1500 Höhenmeter. Und darüber schreiben, wenn es sein muss.



Dass ich gerade drei lockere Kurbelschrauben an meinem Transalp-Scapin entdeckt habe, ist nicht gerade ein gutes Zeichen. Diesen unfreiwilligen Abstecher in den Stacheldraht sollte ich auch vermeiden, wenn, ja wenn bis dahin überhaupt der Oberschenkel heil genug ist - im Moment sehen die Schnitte so aus, wie sie sich anfühlen. Da oben kann es richtig scheusslich sein und am Ende muss da dennoch ein feiner Text stehen. Es geht nicht nur um die Frage, ob ich einen Pass an einem Vormittag schaffe, den ich mit dem Auto in 10 Minuten fahre, sondern auch darum, ob dann in diesem Schädel noch etwas geht. Ich darf körperlich nicht zu alt für die Leistung sein, und gedanklich jung genug, das zu beschreiben.

Man wird sehen. Und wer dann noch einmal maulen will, dass Reiseblogger fehlen, soll es mir einfach nachtun oder die Klappe halten.

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