: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Dienstag, 19. November 2013

Die Herzchen und Pickelhauben der Niedlichkeit

Über die Frage, ob man irgendwann einfach zu alt ist, um mit jemandem das Zimmer zu teilen, diskutieren wir länger, und ich erzähle, dass ich früher, während der Studienzeit in München im Notfall auch in der Badewanne genächtigt habe. Man weiss ja, wie das im anderen Falle ausgeht. Ausserdem verleiht das mehr Schein der Courtoisie, als eigentlich angebracht ist. Wenn man jung ist und in München eine Wohnung hat, und auf Vermieter keine Rücksicht nehmen muss - Lieblicngsfrage damals Was zahlst Du Miete, Lieblingsantwort Was ist das und wofür braucht man es - dann erlebt man schon so einiges, was WG-Zimmer-Mietern erspart bleibt. Umgekehrt findet man auch selten die halbnackten Freundinnen anderer Leute im Bad vor. Was einen natürlich wieder zur Frage bringt: Kauft man mit der Bequemlichkeit der eigenen Wohnung und Räume nicht auch ein wenig Langeweile ein? Dann kommt das Gespräch auf den Exmann von Iris, und wir entscheiden: Langweile ist super. Meistens.





Es gibt in Innsbruck keine roten Mäntel, wie sie sich das eingebildet hat. Die Idee war ein anziehendes Rot und ein distanzierender Schnitt, ein Mantel, der schreit, man soll herschauen und Abstand halten. Dafür sahen wir güldene Christbaumkugelknöpfe und das Zurückschlagen der grünen Steppjackenmonster. Der Loden ist zurückhaltend und der Rest dafür um so knalliger, und das macht die Entscheidung schwer, sehr schwer. Was wir finden, ist ein Schladminger in Grau für Herren. Aber den bräuchte sie für Damen, in knielang, und eben Schwarz-Rot und das gibt es nicht. Was es gibt, sind Geweihe mit roten Strassherzen und wir kommen zum Schluss, dass es sicher auch passende Russen mit Chalet in St. Moritz gibt. Und es gibt Flauschmützen, die alles und jeden niedlich machen, nur Iris nicht, die sieht damit aus wie Cruela de Ville mit niedlicher Mütze und das wiederum sieht aus wie ein schrecklicher Unfall. Findet sie selbst und deshalb darf ich das schreiben. Ich finde ja, dass gerade Asiatinnen mit solchen Mützen besonders adrett wirken, aber manchmal beisst es sich halt.





Das macht aber nichts, statt dessen nehmen wir grosse Mengen Innsbrucker Süssspeisen, Torten, Kaffee und Pralinen mit und daheim sind genug Strickpullis, in die wir danach immer noch passen, da braucht es dann keine eng geschnittenen, roten Reitröcke mehr. Ich hole noch etwas anderes, das auch rot ist, weil ich das damals als junger Mann an einen ganz besonderen Tag am Gardasee gesehen habe. Seitdem treibt es mich um - eine bestimmte Frau war damals mit einem anderen und sehr falschen abgereist, ich ging radfahren und traf auf eine italienisch Squadra auf genau diesen Rädern, mit denen ich um den See fuhr. Und über zwei Dekaden später bekomme ich genau eines dieser Rennräder. Es ist eine Annäherung an die Lebensperfektion, Erfüllung überlasse ich vorerst anderen. Festlich erstrahlen die Lichter über Innsbruck ob dieser Vereinigung; verguckt habe ich mich in das Chesini im Sommer in Italien, jetzt fügt es sich in einer dunklen Strasse draussen am Flughafen. Iris mault übrigens fast überhaupt nicht. So wird sie nie eine literarische Figur.





50 Meter klare Luft trennen das Wasser des Tegernsees von den Wolken in den Bergen, aber das ist dann nicht mehr schlimm, denn wir haben den Platz direkt am Kamin, und ausserdem waren wir ja auch noch kurz vor der Grenze bei jenem Trachtennäher, der macht, was man möchte. Nur am Schaufenster natürlich, so spät war es, aber es eilt nicht, wir kommen wieder und dann wird Mass genommen, für einen strengen, roten Rock. In anderthalb Stunden könnte man nun auch nach Hause fahren, aber ich wohne hier, und diesmal bekommt sie ein Einzelbett und ein Einzelzimmer und mit dieser unfassbaren Stille, die so ganz anders ist als das Lärmen in den Städten, wo die vom Glühwein erhitzten Ital

Glühwein hast Du nicht hier, fragt sie bei der Gelegenheit. Dann inspiziert sie die schmale alkoholische Auswahl in der Küche, und der Abend mündet in die Feststellung, dass Assam-Grappa nun wirklich kein Mischgetränk ist, das hier und heute das Kronleuchterlicht dieser Alpenrandwelt hätte erblicken müssen. Widerlich. Wenn ich einen Wein aufmache, musst du ihn trinken, sage ich uncharmant. Nach dem zweiten Glas ist sie doch sehr betrunken und wir einigen uns darauf, dass ich den restlichen Wein beim Kochen von Tomatensuppe brauchen werde.

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