: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Sonntag, 1. Mai 2005

Jetzt muss ich doch was sagen.

Wer mich kennt, weiss, dass ich so gut wie nichts für die FTD und ihren Hollywood-Stil übrig habe. Statt dessen mag ich das Handelsblatt mit seinen Berichten über Schraubenhersteller, Pinselproduzenten und kleine Weltmarktführer im Maschinenbau. Die FTD, aber auch WiWo und Manager-Magazin erfinden sich eine Wirtschaft, in der der Manager das omnipotente, schicke, saubere, berolexte Wesen ist, ohne den absolut nichts gehen würde. Das Handelsblatt schreibt über Wirtschaft so, wie sie ist: Langweilig, stupide mit vielen unübersichtlichen Zahlen, und wichtig ist nur, dass die am Ende schwarz sind.

Gut, da gab es ein paar Ausrutscher. Zum Beispiel die Tatsache, dass bei Handelsblatt.com allen Ernstes Lothar Späth Kommentare schreiben kann, obwohl der als Aufsichtsratschef von I-D Media un Herausgeber peinlichster Hype-Bücher bewiesen hat, dass sein Wissen über Wirtschaft nicht weit über dem Niveau eines Kleinkinds liegen kann, das zu Hause das Familiensilber klaut und im Kundergarten gegen Überraschungseier eintauscht. Aber gut, das ist dann ebenso eine Art Pausenclown. Ernster war dagegen die ECONOMY.ONE, die Dinge wie die Pre-IPO-Hype-Site GH100 verbrochen hat. Oder auch die unsagbar peinlichen Handelsblatt E-People, so eine Art Proto-OpenBC.

Das ist jetzt dicht, Gott sei Dank. Endlich. War ja lang und peinlich genug. Sollte man denken. Aber nein, was macht man dort ganz frisch? Handelsblatt.net, eine Community a la openBC, die auch die Software stellen. Und wie wird das beworben?

Handelsblatt.net ist die führende deutsche Wirtschafts-Networking-Plattform für professionelles und sicheres Kontaktmanagement.

Die führende deutsche, jaja. Kaum da, schon an der Spitze, wo denn sonst. Und das mit dem sicheren Kontaktmanagement kann ausgerechnet ich, Don Alphonso Porcamadonna, lesen. (Gut, der kriegt jetzt das alltime-high bei den Aufrufen, was soll´s, seid nett zu PRlern, die haben´s schwer genug in Zeiten wie diesen)

Liebes Handelsblatt: Das ist nicht Dein Stil. Das ist peinlich. Das ist grosskotzig, das stinkt, das ist Anja-Tanja im PR-Sandwichfick, und es untergräbt Deine Glaubwürdigkeit. Sei ehrlicher als Haffa und Falk. Zeig, dass Du was gelernt hast aus der Pleite. Hör auf, solchen Bullshit zu verbreiten. Glaubt Dir sowieso keiner. Du bist eine nette, alte Tante mit den korrekten Zahlen. In der Kuppel-Disco mit den NE-Versager-Netzwerk bist Du nur die alte Schachtel.

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Luzide

Nicht, dass es bei mir passen würde. Nicht, dass ich es haben wollte. Nicht, dass ich daran erinnert werden müsste. Es gibt sie ohnehin viel zu oft, die ihre Durchsichtigkeit ein- und ausknipsen, so wie Beziehungen, die nach Nutzen und Aufwand beurteilt werden.



Wenn man in den falschen Kreisen verkehrt, gewöhnt man sich daran, an diese binäre Nettigkeit, die Lichtschalterfreundschaften, die Geheimnisse in den Augen und das blankschimmernde Nichts dahinter. Man spielt damit und nimmt immer ein paar Münzen Verständnis dabei, mit denen man nach zwei Uhr Morgens bezahlen kann. Das ist die Währung, solange niemand mit BlueChip-Offers und Freunden in der HR den Markt kaputtmacht. Solange betrachtet man die eingebildeten Seelenmetastasen und findet alles sehr hübsch und angenehm.

Solang man nur genug geschlafen hat, und nicht über das nachdenkt, was dann hochkommt. Wenn man die Beliebigkeit der Optionslosen zu hassen beginnt, die Agonie auf höchstem Niveau und den auswechselbaren Smalltalk, wenn man die Wahrheit sagen müsste, dass wir alle weder nett noch hübsch noch freundlich sind, dass die Ideale nur dann akzeptabel sind, wenn sie valuekompatibel sind. Sie, wir, wenn man so 1. Person will, sind zu lebendig für die Schattenwelt, zu ahnungslos für die Verdamnis, bleibt also nur das innere Leuchten des Limbo. Leben ist auch nur ein Tod, der gerade keine Zeit hat.

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Harpunieren bei OpenBC

Nein, nicht OpenBC selbst. OpenBC ist nur ein Stück Communitysoftware. Und ein Geschäftsmodell. Und eine Idee, wie man das "Netzwerk", auch bekannt als die Seilschaft ins Netz übertragen kann. Das ist so, wie es ist, das ist schon immer so, und es ist für dieses Blog egal.

OpenBC ist also nur eine Art Pool. Ein grosser Pool. Ein Pool, den die Nutzer selbst laufend erweitern. Da gibt es Nichtschwimmerbereiche und Arschbomben vom Beckenrand, da gibt es Sprungbretter, die manchmal ins tiefe Wasser führen und ein andermal auf die nur Millimeter tief liegenden Kacheln, da sind lange Bahnen für schnelle Schwimmer und Plantschbreiche für Wasserschlachten, ganz unten ziehen Haie und schleimige Quallen ihre Bahnen, und am Rand sind viele Schwimmtrainer und professionelle Rettungsringzuwerfer, die bei genauerer Betrachtung allerdings nur zu oft mit Mühlsteinen schmeissen. Manchmal erlebt man angestengtes Wasserballett, nebenan wird Wasserball gespielt, und zuviele erledigen ihr Bedürfnis hier, wo es keiner mitbekommt - hier bitte weiter

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Samstag, 30. April 2005

Ankündigung.

Demnächst gibt es hier eine neue Kategorie/Blog, die manche vielleicht überraschen wird: OhneOpenBC. Ich war da ein Jahr Mitglied, oder besser gesagt, jemand hat mir just for Fun seinen Account überlassen, weil er nach ein paar üblen Erfahrungen dachte, es könnte mal ganz witzig sein, so eine skrupellose Sau wie den Don als stinkreiches Blaublut auf die Schnullis da loszulassen. Der Name und die Identität war echt, aber der Inhalt...

Um es gleich zu sagen: Ja, ich habe gelogen, erfunden, getrickst und mich nicht gewehrt, als sie meine von und zu Zehen geleckt haben, bis dann - aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls war ich dabei kein Jota unehrlicher als das, was sich da sonst noch rumtreibt. Und damit das ganze kein Solo wird, gibt es auch noch Unterstützung von einem anderen Aussteiger.

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Angewandtes Mastdarmakrobatentum

OK, reden wir mal über meinen Beruf. Reder wir über Medien, und die Medienmacher. Nennen wir sie mal pauschal und fuckgerecht Ärsche. Dar typische Arsch hockt auf einem Stuhl und sieht darin seine Lebensaufgabe. Rausgehen und eine Story machen, das ist für sie Scheisse, das wollen sie nicht, das ist anstrengend, bringt wenig Kohle und noch weniger Anerkennung. Weil die Ärsche qua Definition ebensolche sind, halten sie es für überflüssig, darüber zu reden, solange sie alle ihren Stuhl haben. Da schreiben sie brav PR ab, freuen sich über vorgefertigte Zitate, die so ehrlich wie eine 45er Rede von Goebbels sind, und danken ihrem Schöpfer, der seine Welt offensichtlich hasste und im Bereich Journaille nach der Erfindung der Amöbe hat liegen lassen, für die Themenvorgaben von Bild, SPON und dpa.

Die Welt dieser Ärsche zerfällt neben ihren essentiellen Arschbacken und dem obligatorischen Loch zwischendrin in zwei Komplexe: Die Arschabwischer, auch bekannt als PR. Bevorzugen tun Arschlöcher dabei die Version Fuckle Extrafeucht mit monetärem Schmierzusatz, es geht aber auch SofTanja, oder irgendetwas, das dem Arschloch das Gefühl vermittelt, sauber genug auch noch für andere Stühle bei der Privatwirtschaft zu sein.

Und dann gibt es noch die Dinge, nennen wir es mal trendige Themenkissen, auf denen sich so ein Arsch richtig wohlfühlt. Da setzt er sich dann rein, egal wie dreckig, wackelt darauf rum und macht es schön platt. Am besten soll es dann auch noch nach Arsch riechen. Es gehört einfach dazu zum Arschtum, wenn es ein Arsch macht, tun es alle. Momentan hört man besonders viele dieser arschigen Flazgerausche beim Thema Blog. Da wollen sie gerade alle drauf, ist ja auch superbequem, weil es ja schon ein paar mal besetzt wurde. Es gibt da schon eine schmierigbraune Kuhle von Instapundit bis zu Scoble, in die man sich dann setzt, und am Ende heisst es: Das ist inzwischen auch Meines Arsches Traum, oder besser das amerikanische Buzzword: Mainstream. Und sicher auch was, was man an die alten Freunde von der Arschabwischergilde verkloppen kann.

Und deshalb hätten sie gerne nette Blogger. Mit freundlichen Worten, korrekt in der Sache, ohne Aggressivität, ohne Hass auf Arsche, ohne den Wunsch, sie jeden Morgen und Abend und dazwischen zu stiefeln, und oh mein Gott das ist ja ein Skinwort das wollen sie natürlich auch nicht, weil es ja in ihre Arschträume passen soll und so nicht verwertbar ist. Und da sagen uns die Ärsche: Verhaltet Euch anders. Nehmt Euch nicht so wichtig. So viele seid Ihr nicht. Verhaltet Euch wie so einverficktes Furzkissen, wir wollen da drauf sitzen und brauchen das so. Wehe, wenn Ihr das nicht tut wie wir wollen, dann beachten wir Euch nicht. Seid nett, und wir sind bereit, das alles mit Euch zu bereden. Macht dieses Angebot ja nicht kaputt.

Alles Lüge. Sie werden jammern und schreien, sie werden ihrer Leserschaft sagen, dass Blogs doof, Müll, zu schlecht, zu niveaulos, zu unausgegoren und viel zu wenig im Vergleich zu Frankreich, zu schmutzig, zu schnell, zu unausgegoren, zu wenig bereit sie zu linken, wenn sie selbst sich am Blog versuchen, zu Wolf für die Pudel, zu laut, zu Punk, zu 3 Akkorde, kurz:

ZU WENIG ARSCH SIND.

Und noch nicht ma für die Publicity der Ärsche kriechen wollen, wie das eigentlich alle machen sollten.

Muss man auch nicht. Man kann in einen Arsch kriechen, man kann ihm aber auch einen Einlauf verpassen. Und es ist scheissegal, was sie dann hintenrum mainstreamen oder vornerum auskotzen, denn laut und Scheisse ist es so oder so. Es ist so oder so ein Drecksspiel, aber der Funfucktor ist beim Klistier wesentlich höher. Wem´s nicht gefällt, der kann ja gehen.

OK, das war mein Solo, Johnny, das Bass-Solo, bitte.

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Freitag, 29. April 2005

Und das zum Wochenausklang:

Gute Nachrichten und wie sie entstehen - Thomas Knüwer war beim Erstellen von PR vor Ort.

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Ein paar Worte an die Insight

Soso, man mag mich also bei der Journalistenzeitung Insight nicht. Zumindest nicht als Don Alphonso. Ist aber dann doch zu feige, hier her zu linken. Frau Skibowski - haben Sie Angst?

Der Autor des Blogs schrieb voller Stolz und Eigenlob darüber, dass es heute alle bei ihm lesen könnten und erst morgen in den großen Zeitungen. Er vergaß allerdings zu erwähnen, dass der Link, den er zu der Insolvenzmeldung setzte, für jeden erreichbar ist und man sich über alle (!) Insolvenzen in Deutschland, die bis zu zwei Wochen vor Anfrage angemeldet worden sind, informieren kann. So investigativ, wie er gerne gewesen wäre, war Don Alphonso also nicht – er hatte den richtigen Link und ein sehr schnelles Medium.

Nun, liebe Frau Skibowski, ich scheisse hier bekanntlich auf die Regeln des real existierenden klassischen Journalismus. Ich leiste mir diesen Luxus, und ob es Ihnen und Ihrer Zeitung behagt, ist mir egal. Hier ist alles erlaubt, ausser der branchentypischen Arschkriecherei, Demut und Anpassung. Aber, mit Verlaub: Wie grenzverblödet muss man eigentlich sein, wenn man sich beschwert, dass in meinem Text ein Hinweis fehlt, dass der Link öffentlich zugänglich ist? Und wo bitte sollte man denn sonst recherchieren? So viel Ahnung von Internet, wie Sir zu haben vorgeben, besitzen Sie wohl doch nicht.

Ich sage noch nicht mal, dass ich investigativ bin - ich bin nur schneller, was vielleicht daran liegt, dass ich nicht dauernd auf den Schleimpisten der traditionellen Medien schlittere. Ich darf das. Und alle Etepetete-Pseudomoralisten der Branche mit ihrem dauernden Qualitätsgebrabbel, das beim nächsten Werbekunden gleich wieder den Bach runtergeht, können hier gerne aufschlagen und den offenen Dialog suchen. Tun Sie nicht? Tja, dann kann ich Ihnen auch nicht direkt reinwürgen, dass ich in Ihrem Blatt als realer Mensch schon mal als leuchtendes Vorbild präsentiert wurde - lag aber vielleicht auch nur am Anschleimen einer bestimmten Randgruppe, so genau kann man das ja nie sagen.

Sie mögen es nicht, wenn wir den traditionellen Medien wie Bild und Focus bei der Blogbar eins reinwürgen. Das kann ich verstehen. Aber wir tun es zumindest mit einer guten Begründung. Irgendwelches Pack, das im Gegenzug dann versucht, jemanden über fehlende Linkerklärungen zu diskreditieren, hat keine Begründung oder Argumente, sondern nur Angst.

Kann ich auch verstehen. Vielleicht sollte man mal auf die "Themenvorschläge" zu sprechen kommen, die in Insight von PR-oleten angeboten werden. Das sind dann die wahren Gründe, warum Blogs gerne gelesen werden, und nicht, "weil sie einfach nur Spaß machen und auch manchmal einen mehr oder weniger guten Scoop landen. "

Die Leser haben schlichtweg genug von der Verarsche. Die Leser wollen Blut sehen, zumindest viele, die hierher kommen. Sie wollen das Blut der Heuchler und der Schleimis. Sollen sie haben.

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Berlins schönste Ecke:

Das alte Avus-Gebäude, bei knapp 100 km/h von der Innenstadt aus kommend in Richtung A9, Richtungs Süden, Richtung München und Berge und Heimat photographiert.



Man lernt in den Gründerschulen, vor einem entscheidenden Pitch gut und lang zu schlafen, damit man ruhig und locker in die entscheidenden Gespräche geht. Auf die Idee, dass man die Nacht zuvor 600 Kilometer abreissen könnte, Irgendwann gegen 4 Uhr eintrudelt und in diesem Zustand noch irgendwelche Visionen entwirft, kommen die Coaches erst gar nicht. Ist vielleicht ganz gut so.

Trotzdem würde mich mal interessieren, wieso ich kein einziges Mal in meinem Leben ganz normal arbeiten kann, wie alle anderen auch. Warum es immer auf den letzten Drücker, unvorbereitet und ohne Verstand abläuft. Weil ich es nicht gelernt habe, klar. Weil ich keiner von denen bin, auch klar. Aber seich ein ganz klein wenig geordnete Verhältnisse sollte man sich irgendwann angewöhnen. Sonst werden die Coaches bei solchen Vorbildern wie mir irgendwann arbeitslos. This is Punk Economy.

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Donnerstag, 28. April 2005

Heim als Fremder

Von den Leuten, mit denen ich mich in der New Economy in der Munich Area blendend verstanden habe - allesamt ein weinig zynisch, witzig, auch in schlimmen Stunden noch gelassen und menschlich - sind vier inzwischen nicht mehr da; drei davon sogar im Ausland. Die andere Seite ist noch da, verbissen, verbittert, voller selbstgerechtem Schmerz, und immer noch uneinsichtig.

Vielleicht sollte ich ganz aus den Metropolen wegziehen. Im Prinzip kann man das, was ich tun muss, mit DSLund Telefon überall machen. Nichts gegen Cluster, nichts gegen Areas, aber ich denke, dass die verbliebenen Reste in München keine besonders schöne Lebensumgebung sind. Ganz München ist nur noch ein grosser OpenBC-Stammtisch. Extreme Schulterklopfing ist das Zukunftsgeschäft. Auf allen Freiberuflerseiten wird "wir" stehen, auch wenn der Boss gleichzeitig die Putzfrau ist und das Office nicht besucht werden sollte, weil es daheim ist.

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Real Life 27.04.2005 - in Herrn Miris Reich

So ganz hast du die Microökonomie des Kellers noch nicht verstanden. Von Aussen sieht es nach absolut nichts aus, kaum jemand, der es nicht kennt, verirrt sich hierher. Über eine enge Treppe geht es in ein schlecht beleuchtetes Souterrain. Mit dem, was hier unten steht, könnte man fünf Antiquitätenläden in bester Lage Münchens füllen. Wer das wohl alles kauft? Aber Woche für Woche verschwindet ein dir bekanntes Stück, und ein neues taucht auf. Es gibt nicht viele Käufer - aber wer kommt, sagt her Miri, nimmt immer etwas mit.

Du bist wegen deiner kleinen Schwester da, die ein Jahr lang eine Silbermenage wollte und sich jetzt endlich dazu durchgerungen hat, sie zu kaufen. Wie sich herrausstellt, bist du auch dazu da, später auch noch ein paar Biedermeier-Brotschalen zum Auto zu schleppen, Spiegel zu prüfen, in Uhrwerke zu schauen. Man kämpft sich Millimeter für Millimeter an den Vitrienen vorbei, die auch schon ein Vermögen kosten würden, wenn sie hier nicht banale Lagermöglichkeiten für weitere Schätze, klein und kostbar, wären.

Für jedes Teil, das sie nimmt, entdeckt sie drei andere, die sie haben will. Es ist viel, sehr viel. Du stehst daneben und unterdrückst ein Lachen - seit ein paar Stunden solltest du mit ihr beim Essen sitzen, aber Herr Miri lässt sich Zeit, erklärt, berät, und bietet Package Prices, die die Standhaftigkeit deiner kleinen Schwester so hart wie Marzipan werden lässt. Es wird mehr als vorgesehen. Du nimmst nichts, gibst nur Ratschläge, suchst nach Silberstempeln und Meistermarken. Und wenn sie lange feilschen, ziehst Du die Gemälde aus dem Stapel, findest eine Szene aus Sorrent, Mitte 18., aber auch Herr Miri weiss das, also ... vielleicht, wenn du aus Berlin gehst. Zum Abschied.



Zum Schluss zeigt er deiner Schwester noch ein Brilliantenkollier. Nicht so ein winziges mit einem Halbkaräter, sondern eines, das man im ersten Moment für Strass halten würde, denn das kann sich in echt kaum jemand leisten. Konnte es in diesem Fall wohl auch nicht. Herr Miri steckt den dazugehörigen Ring an seinen kleinen Finger, dreht ihn, erfreut sich am Glanz. Er weiss, dass es lang dauern wird, bis die richtige Kundin den Weg die enge Treppe herunter kommt. Zeit spielt für ihn keine allzu grosse Rolle, wie auch für seine Schätze.

Und wenn es dann weg ist, holt er etwas Neues. Es gibt genug gehobenes Bürgertum zum Auflösen. Er macht aber auch Schlösser - dafür hat er jetzt ein neues Lager. Er wird dir es mal zeigen, aber ihr sucht schon seit längerem einen Termin, und du hast den Verdacht, dass er gar nicht unbedingt verkaufen will, sondern sammeln und bewahren, was an verstreuten Trümmern von dem blieb, was man früher als die bessere Gesellschaft bezeichnete.

Zwischen all dem Prunk stehen auch ein paar Globen. Auf einem, aus den späten 20er Jahren, den du ganz zum Schluss entdeckst, sind noch alle damals ca. 100 Flugplätze der Welt mit kleinen Doppeldecker-Symbolen verzeichnet. Besonders abgegriffen sind die Regionen um Usedom, Biarritz und Ligurien. Da hatte jemand noch Träume, bevor alles Mitte des letzten Jahrhunderts unterging. Wer weiss, ob der Besitzer nicht auf den Kaukasus, Rumänien, Griechenland oder Nordafrika verreisen musste, und vielleicht in den Ardennen, Tunis oder im warmen, unendlich blauen Wasser vor Malta blieb.

Der Preis ist zu hoch, noch, aber nächste Woche wirst du auf einen Tee bei Herrn Miri vorbeischauen, mit ihm draussen auf der Bergmannstrasse sitzen, und noch mal ordentlich über den Preis reden. Wenn er ihn überhaupt her geben will.

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Mittwoch, 27. April 2005

Real Life 26.04.2005 - Braun nach sechs

Sie ist noch lange nicht fertig, die braucht noch Zeit für die Auswahl der Kleider und schmückenden Beiwerke, mit denen sie im Nachtleben des Reichshauptslums overdressed sein will. Und das, obwohl sie die zwei Leisure Hours hatte, die du damit zugebracht hast, ihre Einkäufe zu verpacken und transportfertig für die grosse Reise nach München zu machen, wo sie bald den Überfluss ihrer schlossartigen Wohnung vergrössern sollen. Herr Miri wird den heutigen Tag in ehrender Erinnerung behalten, obwohl sein Silberschrank jetzt nicht mehr so üppig aussieht. Du selbst siehst auch nicht mehr wirklich üppig aus, immer noch in der Tageskleidung, helles, leichtes, knittriges Braun wegen des schönen Wetters, und während du im Aufzug ins Foyer hinunter fährst, siehst du dich in der Glasscheibe. Was du da siehst, ist unrasiert, etwas zerdrückt und nicht wirklich elegant. Dein Blick fällt nach unten in die Bar, und du bemerkst, dass sich die anderen an die Regeln halten: Nie in Braun nach sechs Uhr.



In Grossbritannien ist der Einschnitt des rituellen Tees am Nachmittags auch ein Hinweis, dass es für die Herren an der Zeit ist, sich des braunen Tagesanzugs, vielleicht sogar noch des Pepitas mit den Ellbogenschonern aus Samt zu entledigen, und sich in die früher meist kategorisch schwarze Abendkleidung zu begeben. Im heutigen Berlin hast du zur Teetunde einen üppigen venezianischen Spiegel durch die Bergmannstrasse geschleppt, nicht besser, aber um so eifriger vom ärmlichen Publikum begafft, als der Lakai, der den selben Spiegel um 1840 herum durch Venedig getragen haben dürfte. Es gab für schlichtweg keine Zeit für frische Kleidung, ausser einer kurzen Dusche und einem frischen Hemd, das als Relikt deiner Herkunft und sauber gefaltet mit den anderen in dieser Stadt unpassenden Hemden auf einem Stapel hofft, dass sein Besitzer auch weiterhin dem praktisch-hässlichen T-Shirt widersteht.

Du trägst also leicht zerdrücktes Braun, als du dich an die Bar setzt, umgeben von Dunkelblau, Dunkelgrau und Schwarz. Das Hotel ist voll mit Pauscheltouristen, die die Auslastungskatastrophe verhindern sollen, aber die sind nicht hier - zu teuer für einen kurzen Moment in dieser ungemütlichen Durchgangssituation. Was bleibt, sind die üblichen Spesenritter aus Deutschland; den Gesprächen zufolge viel Mobilfunk, IT und Dienstleistung. Du bist farblich und beruflich der Paradiesvogel unter ihnen, aber niemand stört sich daran, am wenigsten der Barmann, der dir den Drink ohne Verzögerung hinstellt. Viel ist nicht los; die meisten halten sich an halbleeren Gläsern fest, stehen in Grüppchen zusammen und unterhalten sich mit vorsichtigem Pessimismus. Sie haben es wieder geschafft, ihrer Firma die Unterbringung in diesem Hotel aufzuschwatzen, das zu den besten am Ort gehört und dennoch für Münchner Verhältnisse nur Mittelklasse ist. Glücklich sind sie deshalb nicht. Liegt vielleicht an dem akustischen Esoterikgeblubber in den langen, kalten Gängen, oder auch an der seltsam stickigen Luft. Der Drink ist nicht schlecht, aber auch nicht wirklich gut.

Du telefonierst zweimal mit ihr; das erste Mal hat sie schon die Dusche verlassen, und dann wählt sie schon die Schuhe aus, ahhhh, jetzt hat sie sich die Strümpfe zerrissen, das kommt, weil du sie so hetzt. Gerold, der in der Provinz ein paar Strassen weiter lebte, hatte eine ähnliche Schwester. Er wird heute von seinem Clan alkoholkrank von einer Suchtklinik in die nächste geschickt, immer unterbrochen von ein paar Monaten Pause, bis es wieder los geht. Vielleicht sass er auch zu oft an irgendwelchen Bars und hat auf seine Schwester gewartet. Vielleicht wurde aus ihm aber auch nur so ein Freak wie die Typen, die plötzlich in Dunkelgrau und Dunkelblau neben dir auftauschen und Becks bestellen, aus der Flasche, passt schon, nein, keine Gläser. Ohne sichtbare Rührung reicht ihnen der Barmann das Gewünschte. In den nächsten Minuten werden sie locker, der Daumen rutscht von der Tasche in den Hosenbund und bleibt auch schon mal dort, wenn ein anderer mit Handschlag begrüsst wird. Die Aufzüge spucken mehr und mehr dunkle Clons aus, alles Männer, allein in der Stadt, mit Hotelzimmern, in die man schlecht jemand mitnehmen kann, und so rotten sie sich zusammen, werden laut und trinken aus den Flaschen. Ziemlich viel. Du kannst dich nicht so auf die müden Fische über dir im Aquarium konzentrieren, dass du nicht Worte wie Open BC und networken verstehst. Es ist für sie gut, wie es ist. Sie sind unter ich, sie müssen nicht raus auf die Strasse, wo sie in die Hundehaufen treten könnten und die Firma nicht mehr für die Drinks und die "Weiber" - so einer knapp neben mir - bezahlt.

Sie bereden gerade, ob sie nicht besser in das Lokal nebenan gehen, dessen Name die Herkunft des gesamten Komplexes aus der Blütezeit der New Economy beweist. Dann öffnet sich die Aufzugtür, und sie kommt endlich heraus. Du bezahlst und sagst zu ihr: Das waren jetzt aber keine zwanzig Minuten.

Nein, höchstens eine Viertel Stunde, sagt sie, und schaut angeekelt zum lauten Haufen in dunklen Farben, der nach einer Stunde mit Becks aus der Flasche noch weniger akzeptabel ist, als Braun nach Sechs.

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Dienstag, 26. April 2005

Ex-Milliardenunternehmen revisited

Ganz unten rechts ist das Schild einer Firma namens I-D Media. Daneben ist, wie man sieht, viel frei in diesem Objekt. Und I-D Media ist auch nur eine unter ein paar Firmen.



Wer 2000 nicht dabei war bei der New Econmomy, dem muss das nichts sagen. Damals war das eine der grössten Internetagenturen des Landes, den Aufsichtsratvorsitz hatte Lothar Späth inne. Manche Aktionäre glaubten, solange der Internet-Visionär Späth bei seinen Verbindungen die Finger im Spiel hatte, könnte nichts schief gehen. die Aktie lag vor dem Crash im Frühjahr 2000 bei über 80 Euro. Der Chef, Gründer und Grossaktionär Bernd Kolb war enorm reich.

Heute sind es keine zwei Euro mehr, selbst die, die beim IPO-Kurs gekauft haben, haben über 90% Wertverlust. Die Marktkapitalisierung der Firma liegt bei 18 Millionen. Bernd Kolb ist auch in den Medien kein besonderes Thema mehr, von Einladungen zu grossen Talkshows über die Zukunft der New Economy ganz zu schweigen.

Irgendwo hinter den roten Stahltüren arbeiten sie - angeblich. Ich sitze mit meiner kleinen Schwester eine Stunde im Cafe Maybach gegenüber, und kein einziger penetranter New Eco Typ rennt uns über den Weg. Da drüben ist es wie ausgestorben.

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Real Life 26.04.2005 - Underdressed

Es ist nämlich so, erklärt sie das Unglück des Tages, dass alle anderen Frauen im Hosenanzug gekommen sind, Escada oder noch schlimmer, nur sie sass da in ihrer Jeans und dachte sich, die verstehen sicher nicht, dass der Mantel von Prada ist. Obwohl, dieses zarte Graublau, das hat nur Prada in dieser Saison, das müssten die eigentlich wissen, aber das Escada-Schlampen, das grattlige, das versteht das sicher nicht. Taubenblau und Dunkelblau und Schwarz mit weissen Rändern, das sieht aus wie im Sekretariat, aber natürlich war sie da im Vergleich underdressed, wenn man nicht genau hingeschaut hat. Das hätte sie sich von Berlin nie träumen lassen, aber da waren auch andere Städte da, vielleicht lag es daran. Ganz schlimm war die Gschaftlhuberin aus Frankfurt mit ihren idiotischen Vorschlägen, woran man sofort erkennt, dass das nicht geht, aber so sind die halt in dieser Bank, da bleiben nur die Leute mit 5 oder weniger Punkten hängen, für die Escada dann der Gipfel des Geschmacks ist. Mit Goldknöpfen.



Du schaust an die Decke und hörst nicht allzu genau hin, während sich das Gespräch in Richtung stilbildende Gucci-Taschen aus Schlangenleder mit Bambusgriffen und die Wertsteigerung dergleichen entwickelt, schliesslich gibt es alte, reiche Frauen, die so etwas sammeln. Nebenan versucht ein Kommunionsanzugträger den Eindruck zu erwecken, er sei eine gute Partie für die Nacht. Sein Ziel kichert blöde und ist wahrscheinlich schon too drunk to fuck, aber immer noch nüchtern genug, um sich hnachher von ihm das Raxi für den Weg nach Hause zahlen zu lassen. Das gemischte Publikum wird mit gemischter Musik wie aus einem Radioprogramm belästigt. Draussen zieht die Provinz vorbei, terribly underdressed, aber sie haben ja nichts anderes. Vor uns zahlen zwei Mädchen, die ihr letztes Geld zusammenkratzen müssen, weil sie sadly das mit der Happy Hour falsch getimed haben.

Als du sie in ihrem Nobelhotel abgeliefert hast, das im Belegungsnotstand vollgepfercht mit Pauschaltouristen aus Wanne-Eickel ist, schaltest du das Radio ein und hörst die Sendung, in der du nächste Woche eingeladen bist. Jemand erklärt was über die spezielle Relativitätstheorie und Zeitverschiebungen, über Stauchungen und Zeitraffer, was du gut verstehen kannst, denn dein Leben steht manchmal mit atemberaubender Geschwindigkeit still. So wie nach diesem Abend in diesem Club.

Wenigstens weisst du jetzt schon einen Titel für nächsten Montag: Dead Kennedys - Too drunk to fuck. Muss sein. Und Bohren and the Club of Gore. Nachlader, an die Wand. Pizzicato Five, von Vinyl. Und deine Freunde von Les Mercredis. Sowieso. Wer das noch nicht hat: Lade es jetzt runter und sag es weiter.

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Montag, 25. April 2005

Journaille, kotzend ohne Ende

Was unterscheidet eigentlich Spiegel Online von der Bild? Ausser der Länge der Artikel? Und warum rutscht die Journaille nicht im Staub, wegen monatelangem Verbreiten von Unwahrheiten in Bezug auf angebliche Schwarzarbeit, volkswirtschaftlichem Schaden ud Zwangsprostitution?

Statt dessen bringt Spiegel Online Wischiwaschi über Neubau-Siedlungen von Schwarzarbeitern, die man "tausendfach" im Osteuropa finden würde. Alte nicht beweisbare Behauptungen werden gestrichen, neue erfunden. He, "Politik-Redakteur" Claus Christian Malzahn - zähl mal die tausendfachen Siedlungen auf! Beweise bitte. Und wenn sie nicht tausendfach sind: Dann reden wir mal über Begriffe wie "Lügen", "Kampagnenjournalismus" und auch gerne mal über die "Kriminalisierung ganzer Völker".

Nachtrag: SPON-Autor Yassin Musharbash macht natürlich weiter mit der Fama von der massiven Nutzung der Visa zur Einschleusung von Zwangsprostituierten - obwohl schon vor Monaten die entsprechenden Stellen gesagt haben, ihnen wären keine derartigen Fälle bekannt.

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GO2Amtsgericht Medien AG

Sieh an, sieh an - gerade noch mit der branchenerfahrenen kleinen Schwester zwischen Cloisonnee-Vasen und Loetzglas über die Tücken von Fondsanlagen, namentlich Medienfonds gesprochen, und schon kommt das hier: Die GO Medien AG, die noch letztes Jahr Geld für einen Zeichentrickfilm - Zauberflöte II, heute würde man eher sagen "Reloaded" - suchte und dabei in den Augen von Analysten nicht allzu gut dastand, hat die untunde Zahl 33 IN 39/05 beim Amtsgericht Kleve gefunden.

Es ist schon eine etwas grenzwertige Erfahrung, durch die Reste ruinierter Grossbürgerhaushalte zu streifen und zu überlegen, mit was sie sich die Kugel gegeben haben - Aktienfonds am Neuen Markt? Immobilien in Leipzig? Gescheiterte Filmprojekte? Ein sicherer Cocktail aus alledem? Und sie kauft und kauft, mit Geld, das beim Zusammenbruch der windigen Konstrukte bekommt. Sie investiert in Antiquitäten, weil es sicher ist. Sagt sie. Das sollte einem zu Denken geben. 12o sichere Punkte für mich.

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Wort zum Wochenbeginn

Liebe Leser, nochmal eine Klarstellung über die Frage, inwieweit dieses Blog hier ein öffentlicher publizistischer Raum ist. Die Antwort ist: Es ist kein öffentlicher Raum wie eine Zeitung oder ein Radiobeitrag. Es gibt hier sehr viel mehr von meinem virtuellen Ich Don Alphonso und auch, zweifach gefiltert, von meinem realen Ich.

Nun, wie Maxim Biller immer so schön sagt, wir reden hier zwar miteinander, aber wir kennen uns nicht. Das zwingt mich, ähnlich wie bei einer Lesung mit ein paar Dutzend Anwesenden zu einer Doppelstrategie. Trotz der Situation - ich vorne am Mikro oder als Admin, Ihr unten im Publikum oder als Leser, haben wir eine gewisse private Amosphäre; schliesslich sind manche auch hier, um Kumpels zu treffen, lümmeln sich mit dem Bier in den Kommentarsofas und pflegen mit mir einen sehr entspannten Umgang. Wenn ich etwa diesen Beitrag poste, zeigt mir der Besucherzähler nebenan, dass hier so eine typische, besser besuchte Lesung stattfindet: 20 sind sowieso schon da, 20 kommen gleich und schauen, was da los ist. Anhand der Server erkenne ich dann auch gleich die üblichen Verdächtigen, die Heavy User, die alten Freunde und Kupferstecher.

Andererseits ziehen hier in Wirklichkeit täglich 2000 oder mehr Besucher durch. Das ist dann schon nicht mehr die Lesung unter Freunden. Meine allererste Lesung in München, als Liquide noch nicht mal einen Verlag hatte, wurde aus einem ähnlichen Grund zum Fiasko: Es war die lange Nacht der Bücher, und neben den 30 Leuten im Club zogen hinten ein paar hundert mit einer Schaunwirmal-Haltung durch den Laden, gingen oder blieben kurz stehen, tuschelten was oder machten an der Bar Krach, weil die Bedienung während der Lesung keinen Prosecco verteilen wollte. Gegenüber dieser Masse gibt es keine Privatheit, das droht in eine stinknormale Medienöffentlichkeit zu werden, Autor und Publikum machen sich gegenseitig austauschbar.

Bisher ist es immer gelungen, zwischen dem - für mich, medienrechtlich mag das anders sein - halbprivaten und halböffentlichen Charakter dieses Blogs eine Balance zu finden. Es ist über eineinhalb Jahre langsam, aber beständig gewachsen, und ich habe gelernt, mit immer grösseren Besucherzahlen in einem von mir und meiner Zweitpersönlichkeit allein betriebenen Leseclub umzugehen. Wenn etas zu brenzlig wird, wird es halt fiktionalisiert, fertig, basta, ich bin Schriftsteller und kann das hoffentlich so, dass die Message trotzdem richtig rüber kommt. Die Leser unten im Publikum wissen das, wie sie auch in einem Dokufilm bei nachgestellten Szenen wissen, dass das jetzt keine Originalaufnahmen sind. Und weil das so ist, kann ich dieses Mittel eher sparsam einsetzen, denn niemand kann sich sicher sein, was jetzt fiktiv oder real ist - wenn man überhaupt von Realität in Zusammenhang mit einem erfundenen Autor namens Don Alphonso sprechen will.

Dieser Text hier ist definitiv nicht fiktional, er ist sehr privat und dennoch öffentlich gemeint, kurz: Dieser Text ist anders. Das hat seinen Grund in der Debatte, die am letzten Wochenende gelaufen ist. Manche nennen den Fall "Sebas vs. Marie" das übliche Gezänk in Kleinbloggersdorf, aber in meinen Augen ist das absolut nicht so. Manche scheinen überhaupt kein Problem damit zu haben, wenn ein Blogger bis ins letzte Detail ausspioniert und die Erkenntnisse dann veröffentlicht werden, wenn der Täter dem Publikum dabei nur ausreichend nachvollziehbare moralische Begründung präsentieren kann, und es in eine spannende Serie vergleichbar einer Reality Soap verpackt.

Liebe Leser, die wir uns nicht kennen: Wer sowas in Ordnung findet, der tut mir absolut keinen Gefallen, wenn er hier ist. Wer sowas in Ordnung findet, hat Kriterien, ab wann er das in Ordnung findet. Ich habe in meinem realen Leben einiges über Folter geschrieben, namentlich im Nahen Osten, wo man, etwa in Israel, versucht, das Thema mit ähnlichen Kriterien ein wenig zuzulassen. Das Thema hat dort eine ganz andere Dimension, aber die grundsätzlichen Erkenntnisse lassen sich übertragen: Wenn man so etwas erst mal in einem gewissen Rahmen akzeptiert, wird es sofort Begehrlichkeiten geben, diesen Rahmen auszuweiten. Aus den Kriterien werden dann Wort, und Worte sind Auslegungssache. Die Blogs haben noch nicht mal einen obersten Gerichtshof wie in Israel, der dauernd mit dem eigenen Fluch zu kämpfen hat: Dass die Kriterien im Tagesgeschäft geschäftsmässig missachtet und aufgeweicht werden. Hier herrscht Anarchie, jeder kann tun, was er will. Jeder muss sich selbst am Riemen reissen, wenn er es denn tut. Ich befürchte, dass die Bereitschaft dazu nicht überall vorhanden ist.

Blogger sind keine Personen des öffentlichen Lebens, auch wenn sie halböffentlich publizieren. Es gibt weder formaljuristisch noch nach meiner Meinung moralisch das Recht, sie aufgrund ihres Blogs vollöffentlich in einem anderen Blog vorzuführen. Blogger haben ein Recht auf Privatsphäre, auf Lügen und Erfindungen, solange es im Rahmen der deutschen Gesetze bleibt. Wer das nicht beachtet, ist für dieses Blog hier eine tickende Bombe. Wir kennen uns nicht, aber vielleicht lernen wir uns mal kennen, und es ist nicht wirklich doll, sei es per Mail, Telefon oder privat. Und dann werden eben private Mails veröffentlicht, wie letzthin schon mal - öffentlich - angedroht. Oder weiss der Geier was erfunden, unterstellt, verfälscht, aufgesext, auf die Zielgruppe potentieller Donhasser hingedreht - moralische Entrüstung vorrausgesetzt, ist da vieles möglich, solange man nur die Kriterien des Erlaubten kreativ anpasst.

Diese Leute möchte ich in aller Höflichkeit ersuchen: Geht mit Euren Kriterien fürs Blossstellen und Ausspionieren von Privatpersonen irgendwohin, wo man diese moralische Flexibilität schätzt. Trefft Euch mit Euresgleichen. Respektiert diejenigen, die für sich fiktionale Räume in Anspruch nehmen, ganz gleich ob in der Halbprivatheit des Blog oder dem in sie fliessend übergehenden Privatleben. Keiner zwingt Euch, hier zu sein. Es gibt für Euch keine Garantie, dass Eure Erwartungen im realen Leben erfüllt werden, und für mich keine Garantie, dass Ihr mich nicht ausspioniert.

Ich bin seit ein paar Jahren 33 Jahre alt.

Ich heisse Don Alphonso Porcamadonna.

Und ich reisse allen den Arsch auf und stecke eine juristische Granate rein, die es wagen sollten, was Ähnliches bei mir zu versuchen, und die einstweilige Verfügung ist dann hier halbprivat mit moralsauren Worten zu bestaunen. Um es in den Worten meines nahöstlichen Arbeitsgebietes zu sagen: Macht Ihr ruhig mal das Tor zur Hölle auf, ich gehe dann problemlos mit. Outer sind Schweine - aber nicht hier, hier werden sie zur Sau gemacht.

Also: VERPISST EUCH! Ist besser für Euch.

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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Sonntag, 24. April 2005

Keiner da

Ich mag Cafes, in denen ich alleine bin. Sei es, weil die Eingeborenen die nüchterne Einrichtung nicht schätzen, der Kuchen nicht klebrig-süss genug ist, oder es einfach am Anchor gefehlt hat, dem ersten Gast, der zeigt, dass hier doch was los ist. Aber ich bin - im Anzuig - vielleicht nicht der richtige Lead, und so bleibe ich allein,



Lead, Leader, Lead Investment, Investment Strategy, all diese bescheuerten Worte, die so lange keine Rolle mehr geswpielt haben. Es ist jetzt drei Jahre her, drei Jahre ist nicht viel, aber ich bin komplett draussen, ich müsste eine halbe Stunde üben, um die Worte wieder zu lernen, nicht dauernd diesen fauligen Geschmack dabei im Mund zu haben. Ende der Woche sind ein paar Termine, da müssen sie sitzen. Ein paar Leute werden dabei sein, die innerlich lachen werden. Wie vor drei Jahren.

Unterdessen ist eine neue Generation nachgewachsen, an Unis mit Seminaren für M-Commerce und Gründungsmanagement, an den FHs, und die alten Kriecher haben sich gehäutet. Das wird wohl die explosive Mischung, die für ein paar Jahre so tun kann, als ob es jetzt klappen würde. Ohne was vom letzten Mal gelernt zu haben. Es ist ein guter Grund, kein versöhnliches Ende zu schreiben. Der Blick muss nach vorne gehen, in Hass.

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