: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Samstag, 4. August 2007

Scheunenfund (oder so)

Eine der Folgen getrennter Wohnsitze war neben der doppelten Anschaffung der Handbibliothek von Da Ponte bis de Pisan auch ein ausgedehnter Fuhrpark mit jeweils zwei Rädern an zwei Orten. Mit drei Wohnorten gab es noch immer keinen Mangel, aber mit der Zusammenführung jedoch einen Überfluss, dem nur mit der geballten Fläche der Holzlegen beizukommen war. Und ganz hinten staubte etwas vor sich hin, das mir lange für den schnöden Dreck der Isarauen zu schade war, aber auch nicht gebaut wurde, um langsam dem Vergessen entgegen zu rotten.



Als ich im Frühjahr am Gardasee mein Lüngerl ausheilte, besuchte ich mit einem Bekannten auch das Fahrer- und Techniklager einer Mountainbike-Grossveranstaltung. Als ich mir mein Rocky Mountain Vertex zusammenschraubte, galten Shannonstütze und Bontragervorbau mit jeweils rund 200 Mark als irrwitzig teuer. Und der Rahmen, der damals nur Vertex hiess und in Deutschland 50 mal erhältlich war, galt als absolute Spitze im Leichtbau. Heute, lernte ich am Gardasee, ist das bestenfalls obere Mittelklasse. Ganz abgesehen davon, dass der Griff zu Campagnolo und Mavic bei Antrieb und Schaltung heute nicht mal mehr als verschrobene Liebhaberei durchgehen würde. Ich dagegen finde es erstaunlich, was man heute Menschen im Hochpreissegment nahe bringen kann. Und das, obwohl ich selbst kein Kostverächter bin.



Aber auch nach fünf Jahren reicht aufpumpen und ölen, um es wieder in Gang zu setzen. Und nachher in den Donauauen sind das Licht, der Wald und die Piste für alle wieder gleich, und besonders gleich ist es denen, die das nicht kennen, weil sie im Auto sitzen. In ein paar Jahrzehnten, wenn sich der normale Deutsche das Auto nicht mehr im Unterhalt wird leisten können, könnte sich das ändern, und angesichts der hohen Kosten für den globalen Transport wird man froh sein, um so einen Scheunenfund.

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Empfehlung heute: Bekehrungen

gehen auch nicht mehr so leicht wie früher, kann man bei Goldfischli feststellen.

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Samstag, 4. August 2007

Hellwachkoma

Beim Einkaufen bin ich heute über "Das andere Leben" von Sandro Veronesi gestolpert. In Deutschland 2001 erschienen, in Italien 2000 mit Preisen überhäuft und damit ein Buch, das mir keinesfalls hätte entgehen sollen. Aber es war 2001, und damals war ich weder in Italien, noch allzu oft in Buchläden, sondern lebendig begraben unter der Bleiplatte, die den Namen "New Economy" trug.



Mir fehlen, grob gerechnet und in kultureller Hinsicht, drei Jahre meines Lebens. Nicht nur wegen des Hypes und meiner Rolle in diesem System, sondern auch wegen des sonstigen Irrsinns dieser Tage. Ist ja nicht so, dass man asonsten unberührt bleibt vom Lauf des Schicksals. Immer nur rein damit, keine Scheu, der kann schon noch ein Packerl oder zwei mehr tragen. Nur das Leben, das kommt dabei etwas arg kurz. Wenn ich in dieser Zeit etwas gelernt habe, dann ist es neben einer akzeptablen Menschenkenntnis und einer gewissen Härte die Erkenntnis, dass es etwas gibt, das wegen der Körperfunktionen nicht Tod genannt werden kann, aber auch kein Leben ist. Hellwachkoma, wenn man so will. Voll bewusst in das Nichts. Und weil es allen anderen genauso geht, fällt man damit noch nicht mal auf, selbst wenn das alles enorm asozial auffällig war.

War. War ist in diesem Kontext ein gutes Wort. Einiges kann man nachholen, Bücher kann man noch lesen, wenn Autoren und Erstbesitzer schon lange vergangen sind, und der Rest, das Einfügen in die normalen Abläufe, kommt irgendwann auch wieder. Reden hilft auch, besonders, wenn man mit diesem Erfahrungshorizont nicht allein ist, und vom Gipfel eines Berges hinabschauen kann in die Ebene, wo die Apfelbäume stehen.

Verachte nicht die irdschen Schätze,
wo sie liegen, nimm sie mit
dichtete Wedekind, und das ist der bessere Teil des Gedichts, das fortfährt mit
Hat die Welt doch nur Gesetze,
dass man sie mit Füssen tritt
Leider ist die Welt nämlich nicht nur voller tretbarer Gesetze, sondern auch voller Gestalten, die man nicht zweimal einladen muss, über die Stränge zu schlagen. Zu viel hellwach, zu wenig Koma.

Das muss man ändern. Wenn man erwacht ist.

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StudiVZ sucht neue Mitarbeiter

Und möglicherweise bald ganz anders, als es sich die alten Mitarbeiter aus der Hitlerspass&Stalkerfreuden-Fraktion vorstellen mögen. Glaube ich zumindest. An der Blogbar.

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Freitag, 3. August 2007

No. 91

Man muss ihn andersrum verstehen. Man muss das lesen, was er indirekt sagt.



Kann schon, sein, dass einer, ein einziger Schutz erhält. Aber tausende und Zehntausende werden dafür fallen. Der eine Gerechte muss sich keine Sorgen machen wegen der Pfeile des Tages und dem Grauen der Nacht, aber das Versprechen gilt nur für ihn. Und sonst für keinen. Für die gibt es keine Zuversicht, und im Finstern wird sie die Seuche treffen. Das Übel wird ihnen begegnen, und das Verderben wird sich ihrem Haus nähern.

Man muss nur warten. Es wird immer einen richtigen geben, für den die Sonne nicht mehr aufgeht.

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Es bleibt ein Lächeln

Nun, Herr zu Wasauchimmer auf Irgendwas von Kennichnicht und Gibtsdasnoch...



es ist so: Eure Augen sind ein wenig tot, Euer Doppelkinn ist welk, und überhaupt, der Teint... Wäret Ihr hier nicht festgemauert, würde ich Euch raten, mal ein wenig rauszugehen. Immer nur Kirche, das ist so grässlich beengend, da sieht man so wenig hübsches Fleisch, ein Stück Torte, das würde Euch jetzt auch munden, nach all den Jahren nur Weihrauchgestank und den Ausdünstungen alter Leute, wie das mit dem Leben ging, das war Euch bekannt, nehme ich an? Dero Korpulenz zu einer vom Hunger geplagten Zeit spricht Bände, das sollte auf dem Zetterl des Engerls geschrieben sein, eine unsichtbare Speisekarte, die Euch so blähte - nun? Nein?

Gut, Euer Heiligkeit, bene valete, mir ist kalt, ich gehe nun und zeige der Begleitung, wo die Süsse der Torte mit dem Blau eines Himmels wetteifert, den Ihr auch wieder sehen wird, wenn dieses Haus der Dummheit in Trümer sinkt und man Euch abholt, um Kalk aus Euch zu brennen.

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Mittwoch, 1. August 2007

Empfehlung heute: Als es darum ging,

Spreeblick und andere Adicalteilnehmer wegen der Werbung für Yahoo und deren Beziehungen zu den Mördern des chinesischen Regimes zu verteidigen, wählte deren Chef Johnny Haeusler nicht nur die üblichen Attacken gegen Andersdenkende, sondern behauptete auch, mit dem Geld werde schliesslich die Arbeit von Spreeblick finanziert, und man werde demnächst Interviews mit einem Vertreter von Reporter ohne Grenzen und einem Berliner Label, das sich mit den Arbeitsbedingungen in China kritisch auseinandersetzt, bringen. Passiert ist - nichts.

Dafür hat Chris von FIXMBR neue Informationen zum Thema Journalistenverfolgung und Yahoo, in denen gezeigt wird, dass Yahoio es mit der Ehrlichkeit fast so ehrlich meint wie gewisse führende ehrenwerte Männer von Adical.

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Never mind Murdoch & the Wall Street Journal

Lustig wird es erst, wenn Mecom und Montgomery demnächst die Süddeutsche Zeitung schlucken. Was ich verstehen könnte, denn nach der Sache wäre dann das Gewinsel der Medien wegen ihrer Pfründe erst mal deutlich leiser. Angst wirkt. Und es ist nur die freie Marktwirtschaft, die sie selbst immer predigen.

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Dienstag, 31. Juli 2007

Der Saft

Es ist ganz einfach. Wenn ich wissen will, ob der Datschi gelungen ist, nehme ich ihn aus dem Ofen, zuckere ihn und lasse ihn fünf Minuten abkühlen. Dann geht das im Grundprinzip nicht ganz unähnlich wie mit der Gerliebten: Ich nehme einen Silberlöffel, und drücke ihn leicht in das Zentrum einer aufgeschnittenen, obszön offenen Zwetschge. Es darf nur ein paar Sekunden dauern, bis der Saft den Löffel überspült und seine Farbe in einem tiefen Rot zeigt. Dieses Rot werden die Früchte in einer Stunde angenommen haben, aber zuerst muss der Saft gekostet werden.



Zu gleichen Teilen süss und fruchtig muss er sein. Zuerst süss, unendlich süss, und dann seine Fruchtigkeit kitzelnd entfalten. Im Mund verbleibt die Leere, die wir alle kennen, wenn sie aufsteht und zu ihrem Deppen von Gemahl zurückkehrt. Dann wird der Datschi, ein wenig gekühlt und nicht mehr ganz dampfend, perfekt schmecken, und der Saft durchdringt wie Blut das weisse Fleisch des Hefeteigs.

Ich bekomme nachher übrigens Besuch, der meine Bloggerei einschränken wird. Der Gast kriegt den Datschi, ihr dagegen, liebe Leser, nur die Vorstellung vom Saft, und das ist alles.

Und nichts.

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Die Gier

Ich möchte irgendwann an einer Kiste Bücher vorbei gehen können, ohne reinzuschauen. Einfach, um mir zu beweisen, dass ich es kann. Dass ich nicht abhängig bin. Ich schaffe das nur unter Extrembedingungen: Hast, schwere Krankheit - am Anfang meines ersten Italienurlaubs dieses Jahres etwa in Innsbruck - und Krabbelkisten bei Restpostenläden.

Dergleichen gibt es auch in meiner Heimat, und nachdem ich in solche Läden nicht hineingehe, sehe ich diese Krabbelkisten auch nur von ferne. Nur gibt es auch einen, der eine Kiste mit Bücher in eine 80er-Jahre-Passage stellt, durch die ich nie gehe. Ausser, es regnet, und ich habe keinen Schirm mitgenommen. Deshalb kam ich letzte Woche auch an der Krabbelkiste vorbei. Und weil ich meine Augen dann doch nicht abwenden konnte, sah ich obenauf ein Buch, dessen Umschlag ein Ausschnitt von Caravaggios Junge mit dem Früchtekorb zierte.

Den Titel fand ich ein wenig reisserisch, den Verlag unsäglich, den Autor kannte ich nicht, und ich bringe nur sehr ungern Bücher nach hause, bei denen ich ein schlechtes Gefühl habe. Zumal, wenn sie aus zwielichten Restegeschäften kommen. Andererseits, wo sonst sollte man so ein Buch kaufen? Ich beschloss, ihm eine Chance zu geben. Wegen Speisekammer, Caravaggio und dem an sich irrelevanten Preis.



Und ich hätte darüber beinahe den Datschi vergessen. Wirklich ein sehr feines Buch mit 64 sehr anregenden Texten, bei denen man wirklich nebenbei essen sollte.

So. Und wie schaffe ich es in Zukunft, meine Blicke abzuwenden von den Bücherkisten?

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Dienstag, 31. Juli 2007

AOC oder warum die Milchteuerung gut ist.

Ich bin - inzwischen überzeugter - Vegetarier. Früher war es nur einfach, auf Fleisch zu verzichten, heute hebt es mich, wenn ich eine Fleischtheke mit Rinderhack sehe. Man muss sich das mal realisieren, was man da bekommt... bäh. Ich packe das nicht mehr. Dafür habe ich einen ziemlich hohen Milchprodukte- und Käsebedarf, angefangen beim Scamorza zum Frühstück über den Grana Padano für die Pasta bis zum nachmitternächtlich geschlachteten Gaperon, oder dem Roquefort zu Trauben vom Haus. Dazu Schmand, Quark, und Butter, von der ich meistens zwei Sorten habe. Beide sind sagenhaft im Geschmack und erheblich im Preis. Und bleiben es auch.



Denn mein Käsehändler hat keine Produkte, die irgendwie aus Molkepulver vom Weltmarkt gefertigt werden. Mein Käsehändler fährt selbst im Urlaub durch Europa, um Käsespezialitäten zu finden. Vor allem Käse, von dem er nicht nur den Hersteller und den Reifekeller und den Herstellungsprozess erlebt hat, sondern auch die Milch kennt. Die Milch ist etscheidend. Es gibt dort nicht irgendeinen Parmigiano, sondern den, bei dem die Milch aus einer sehr kleinen, klar definierten Region kommt. Manche Sorten sind Spezialitäten eines einzigen Herstellers, der die Milch nicht kaufen muss, weil er seine eigene Milch verwendet. Wie bei obiger Butter. Die ist AOC, sprich, da gibt es nachweislich kein Milchpulver vom Weltmarkt. Damit erzielt der Hersteller seit jeher seine Erzeugerpreise, und muss nichts erhöhen. Und damit bleibt mein Käsehändler nicht billig, aber preisstabil und hochwertig.

Wenn ich jetzt höre, dass der Dreck der Massenproduktion, aus billigster Milch der abartigen Massentierhaltung zusammengepanscht wird, teurer wird, dass man für "Parmesan", der kein Parmigiano ist und der allenfalls ein paar Wochen zum Nichtreifen hat, mehr bezahlen muss, wenn das Glump auf der Tiefkühlpizza dieselbe verteuert und der Verbraucher nicht mehr wie früher von den Zuständen der industriellen Tierhaltung profitiert, kann mir das nur recht sein. Es ist nämlich jetzt schon nicht billiger, denn kein Supermarktschimmelkäse wird je die sanfte Geschmacksfülle besitzen, die meinem Gorgonzola D.O.C. aus Brescia entstammt. Man bekommt für das gleiche Geld im Supermarkt mehr, aber man muss auch mehr für einen ähnlichen Geschmack nehmen, und das wiederum macht die Saucen fett und schleimig. Kein "Frischkäse", egal wieviel man davon auf ein Brot kippt, wird je die Frische meines St. Ceols haben, und nichts wird je so an Korsika erinnern, wie die Kräuterkruste auf dem Fleur de Marquis.

Wenn der gepanschte Essmüll, der aus dem Milchpulver der ganzen Welt geronnen ist, in Fabriken, die ihre Arbeiter wie den letzten Dreck behandeln und nur die Rendite kennen, teurer wird - super! Richtig so! Zahlen sollen die Idioten, die hirnlos Fette in sich reinschieben, damit sie irgendwas schmecken! Dann begreifen sie vielleicht, dass echter Käse gar nicht mal so viel teurer, aber unendlich besser ist.

Vermutlich jedoch greifen sie dann eher zum billigsten Rinderhack, oder einer Tüte Chips. Das ist das Drama: Alles hat seinen Preis in der Marktwirtschaft, jeder Kauf entscheidet darüber, wie wir leben, und jene, die am wenigsten haben, sind gleichzeitig diejenigen, die mit der Kaufentscheidung dafür sorgen, dass es weiterhin Dampf für die Maschinerie des Niedergangs gibt. Der Hartz-IVler nimmt Bröselfleisch für 39 Cent, die Elitesse zahlt etwas mehr für die 99Cent-Tiefkühlpizza und verzichtet auf das normale Kochen, damit sie sich noch die Fluppen leisten kann. Bis zur nächsten Preiserhöhung.

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Es ist ganz einfach

Meir ist Jude. Kein Problem. Na klar, was sonst. Es gibt keinen Grund, sich dafür zu schämen. Und jetzt drehen wir das Spielchen mal um:

Der Juden-Meir.

Sage mir das Meir einer ins Gesicht, und erlebe er nonverbale Kommunikation in seine Arier-Fresse. Besonders, wenn der den "Juden-Meir" in einer bekanntermassen wenig politisch ausgewogenen Gosse aufgesammelt hat. Ok, vielleicht gibt es nicht direkt Mossad-Action für SSlers Enkel, aber wenn wir das Fass der Rassen schon aufmachen, dann eben Arier-Irgendwas. Auch nicht nett, oder? Würde sich jemand wundern, wenn er dafür im Blog eine Abmahnung kassieren würde? Selbst, wenn das Neger-Jude-Arier-Wasauchimmer der ein oder andere Freund im Scherz sagen dürfte? Und wer würde sich dann nicht damit rauszureden versuchen, es nicht "so" gemeint zu haben?

Klar. Es gibt keine Nazis, kein rassistisches Gedankengut, nie, auch die Nationalzeitung weist dergleichen weit von sich. Kennt man. Man vermeidet das, indem man, wenn man schon Terminologien von Rassen bemüht, auf der sicheren Seite hat. Es ist ok zu sagen, das XY die und jenigen Vorfahren hat. Mal ganz ehrlich, Neger und Jude ist immer noch Gold gegen landläufige Arier! Da hilft es dann auch nichts, wenn der Arier-Wasauchimmer so tut, als würde er afroamerikanische oder jiddische Kultur toll finden.

Ihr könnt bei dem Spiel nur verlieren. Gewinnen kann dabei ohnehin keiner. Insofern wäre ein wenig Einsicht und Zurückhaltung jetzt sehr wünschens- und empfehlenswert.

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Montag, 30. Juli 2007

Empfehlung heute - Ich lese Blogs,

um andere Welten und Erfahrungen kennenzulernen. manchmal sind sie nicht sehr anders.



So einen Himmel gibt es mitunter auch über der Reeperbahn. Anderes, was Matt Wagners Weg an der Reeperbahn kreuzt, gibt es bei uns jedoch nicht.

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Real Life 27.07.07 - Die Diebin

Du öffnest die Haustür, und die Diebin geht über die Strasse, direkt auf dich zu. Sie hat diesen gierigen Blick, der dich im ersten Moment irritiert, denn sie will etwas haben, und ausser dir und dem Haus ist hier nichts. Aber es ist schön, dass sie kommt, denn sie ist sehr hübsch, dunkler Typ, und in hellen Brauntönen bekleidet und mit einer Perlenkette geschmückt, die ihre Haut, von der sie einigs zeigt, gut zur Geltung bringt. Von so jemandem lässt man sich gerne mit Gier anschauen -

bis sie dich erst bemerkt. Denn jetzt erst sieht sie dich direkt an, sie hatte etwas anderes im Blick, was knapp neben dir ist und das all ihre Aufmerksamkeit fesselte. Sie sieht dich, und hält kurz inne. Auf der anderen Strassenseite stehen zwei ältere Herrschaften, vielleicht ihre Eltern, und schauen peinlich berührt dem Spiel zu, das sich da auf der Strasse entwickelt. Mit ihren flachen, aber sehr hübschen Schuhen geht sie nun eher bedächtig weiter, kommt auf dich zu, lächelt wie eine Ehefrau, deren Mann sie mit dem 361. Liebhaber erwischt hat, und fragt:

Äh- darf man hier die Trauben probieren?

Natürlich, sagst du, nehmen Sie, und lässt dir das Wissen nicht anmerken, dass sie einfach geklaut hätte, wärest du nicht durch die Tür gekommen. Und dass sie deshalb keinesfalls dich gierig angeschaut hat, sondern die Früchte der Weistöcke am Stadtpalast.

Wirklich?

Natürlich, bitte, wenn ich es sage -- es ist schliesslich mein Weinstöck.

Danke!, sagt sie strahlend, dreht sich um, und du empfiehlst ihr, sich lang zu machen und eine Traube zu greifen, die weit oben im Sonnenschein hängt, die bereits all die Süse des fast italienischen Lichts in sich aufgesogen hat. Da oben.



Und während sie also deine Trauben raubt, betrachtest du mit Vergnügen ihr wohlgeformtes Profil, ihre straffen und dennoch sehr angenehm gerundeten Erhebungen, die sich dergestalt nach oben gestreckt überdeutlich unter dem leichten Stoff abzeichnen, und kommst zum Schluss, dass sie wirklich eine sehr schöne Diebin ist. Sie klaut eine Traube, steckt sie in den Mund - und ist sehr angetan.

Du verabschiedest dich mit einem Lächeln, nickst den in Scham erstickenden Eltern höflich zu, gehst deiner Wege, und an der Ecke siehst du noch, wie sie mit ein paar Trauben in der hand grazil über die Strasse tänzelt, und die Perlenkette schwingt über ihr Dekolleté.

An der Uni testen sie gerade Nachwuchselitessen, Sachbearbeiter in spe, bessere Mütter, die ihren Familienwunsch noch nicht erkannt haben, und andere Möchtegernheuschrecken, stelltest du dann gestern fest.

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Sonntag, 29. Juli 2007

Pretty in Pink

Da war diese Fliege. Fliegen bewegen sich dreidimensional fort. Und ändern mitunter so spontan und hektisch ihre Richtung, dass andere fliegende Tiere nicht folgen können. Besonders, wenn die Schwerkraft mittelfristig ihre ganze Wirkung entfaltet. Katzen etwas können sich nur begrenzt in der Luft halten. Wenn sie also einer Fliege hinterherspringen, sollten sie nicht enttäuscht sein, wenn sie sie nicht fangen. Das Gefühl der Enttäuschung wird jedoch sicher kompensiert, wenn die Flugbahn der Katze beim Verfolgen der Fliege über den im Garten befindlichen Tümpel führt. Den bislang noch keine Katze überspringen konnte.



Was das junge Luxusgeschöpf heute gelernt hat. Schwimmen kann sie übrigens auch nicht. Meine Schuhe und Hosenbeine rochen dann nach Algen, und es dauerte etwas, bis sie und die Katze wieder trocken waren.

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Die Nöte der reichen Herrschaften

Es gibt in dieser Stadt ein gutes Viertel, und es heisst das alte Westviertel. Das alte Westviertel jedoch ist nicht ein Viertel, sondern ein Nebeneinander tiefer Gegensätze. Da schaut der zugewanderte Manager der Weltkonzerns von seinem Toskanabalkon nach der Geschäftsreise zu den chinesischen Mördern verständnislos hinunter in einen Obstgarten des hiesigen Elektroinstallateurs, der das teure Grundstück auch weiterhin nur als Parkgelegenheit seiner alten SLs und zum Lesen in seinem billigen Liegestuhl nutzt. Da gibt es eine Arzt mit Biofimmel, der ein komplettes Luxusgrundstück zum Hegen seiner Ziege nutzt, und den Chefarzt, der das angrenzende Grundstück nur gekauft hat, um es jetzt verwildern zu lassen und damit die Ansiedlung eines etwaigen Nachbarn zu verhindern, weil er auf der anderen Seite seiner Villa genug von Leuten hat, gegen deren übergreifende Obstbäume er prozessiert.

Die grösste Kluft aber, die jedermann ersichtlich ist, liegt jedoch im Bereich eines zugeschütteten Altwassers innerhalb des alten Westviertel, das wegen des sumpfigen Grundes und der Überflutungsgefahr einmal alle 7 Jahre während des Jahrhunderthochwassers nicht bebaut werden kann. Ein Wiesenstrich also trennt teilt das Gebiet in zwei Bereiche, das eine näher am Tennisplatz, das andere fast direkt am See. Dazwischen ist Brachfläche, ein Acker, eine Wiese, die die hiesigen Katzen und Hunde lieben, sowie ein Erdbeerfeld und das Areal einer Freilandgärtnerei, der die Hiesigen ihre im sumpfigen Boden bestens gedeihenden Urwälder verdanken, wenn sie nicht gerade solche Golfrasenfetischisten und AutobahnzurGarageAnleger wie die Nachbarn meiner Eltern... wie gesagt, es gibt hier auch noch andere Gräben.

Man ist hier, im besten Viertel, im einzigen Viertel, in dem man wohnen kann, und das in einer der reichsten und dynamischten Grossstädte der Republik, auf den ersten Blick ansonsten frei von Sorgen. Tempo 30, ein eigener Schulbus und so viele Zivilstreifen, dass man sich einen eigenen Wachdienst sparen kann. Jeder kennt hier jeden, man passt bei allen Gegensätzen aufeinander auf, und wenn nicht gerade der zugedröhnte Sohn nach einer wilden Party im Winter aus einem Auto geschubst wird, um vor dem Gartentor dann zu erfrieren, kann nicht allzu viel passieren. Ausser...

Ausser, die Stadtverwaltung kam zum Schluss, dass so ein Viertel für die diversen, hier geleerten Weinflaschen auch ein Container stehen sollte. Es gibt in der Altstadt drei exzellente Weingeschäfte, die ihre Kundschaft vor allem dem Westviertel verdanken. Wenn der Wein nun, sei es mit dem alten Rad oder dem alten Alfa Spider oder dem brandneuen R8 nach Hause gebracht wurde, bei einem der vielen Gartenfeste geleert wurde, ging die Flasche zu einem ganz bestimmten Punkt: Dem sternförmigen Zusammentreffen von vier unterschiedlichen Strassen, die das ganze Viertel sowie die etwas schlechtere Ecke nördlich davon - weder mit See und Tennisplatz, lediglich mit einem Weiher und einem Reitgestüt und von Anwälten verseucht, die im Miami Vice Stil bauen. Und diese Strassenkreuzung lag inmitten des Tennisbereichs des Westviertels. Was die Folge hatte, dass dort tagsüber durch die Gärten so manches Geklirre ertönte.

Die Bewohner des Tennisbereichs argwöhnten nun schon etwas länger, liessen es bei Gesprächen einfliessen, deuteten es beim Ratsch über Muckimänner für Gartenarbeiten und die Unopiu-Trends des Frühlings an, kamen beim Gespräch über in Internate verfrachteten Nachwuchs mit leichten Gesetzesproblemen darauf zu sprechen, dass es doch sehr ungerecht sei: Sie hätten all den Lärm und die Belästigung, während im Seebereich allein getrunken werde. Das sei ungerecht, die einen geniessen und die anderen werden gestört. Die Bewohner des Seebereiches jedoch wiesen jeder Verantwortung von sich, so präferierten sie nämlich am See einen weiteren Altglascontainer, der ausser den daneben grillenden, spiessigen Minigolfern, die sowie nicht von hier sind, niemand störe. Der Altglascontainer des Tennisviertels sei allein deren Problem. Und weiter hallte das Geklirr durch weitläufige Gärten und über Veranden, bis nun die Stadtverwaltung, genervt von den dauernden Eingaben und drückenden Pausengesprächen im Konzertverein, in ihrer unendlichen Weisheit eine Lösung für das drängende Problem gefunden hat.



Im Bereich zwischen den beiden über den Glascontainer verfeindeten Fraktionen, entlang der sauber begrünten Strasse, die die Getrennten verbindet, und die eng und ohne Parkplätze ist, wurde nun ein Stück Wiese zubetoniert. Und dort, inmitten der grünen, saftigen Wiese, für alle ausser Hörweite und gleichzeitig zur optischen Verschandelung einer topfebenen Landschaft, ist nun der neue, grosse Glasontainer zu finden. Fährt die Tennisfraktion zum See, muss sie ihn genauso sehen wie die Seefraktion auf dem Weg in die Innenstadt.

Nur die Kinder werden wie eh und je über den Feldweg radeln, über dem im Sommer die Fasane knallend auffliegen, sich dann entlang der Strecke sammeln und vielleicht hoffen, dass sich da vorne jemand für erste sexuelle Erfahrungen findet, über den trennenden, containerbestückten Abgrund hinweg, denn trotz allem kennt man ja sonst niemanden, und schon gar nicht, wenn sie in den Blocks wohnen, wie das manche Menschen wohl tun, die aber auch andere Probleme haben, als die Frage, wo der Container stehen soll.

aus der reihe: die nächste bloglesung kommt bestimmt.

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