: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 6. August 2008

Alles mit Seeblick

Wie es sein mag, wenn man wirklich dauerhaft in diesem Umfeld lebt? Nicht nach München muss, zu Terminen ohne Ergebnisse, zu Debatten ohne Ziel und Klärung, in die Sendeanstalten auf Podien, oder in die Provinz, wo jeden Tag etwas getan werden müsste und eine Nachfolge geregelt werden will? Wie ist das, wenn man einen Monat gar nichts anderes mehr sieht als den See, das Licht, die Luft atmet und zu glauben beginnt, dass Berge und der schnelle Weg nach Innsbruck oder Meran dazugehören, wie andernorts Kohlekraftwerke und Dienstleistungsruinen? Wenn man sich ebenfalls mit der hier üblichen Mittagspause arrangiert und von Bauer und Nachbarn gegrüsst wird, die einen auch sofort daran erinnern, wenn man die Kanne draussen hat stehen lassen und sie bis zur Rückkehr aufheben? Wenn die Ausnahme zur Realität wird?



Ich habe heute Frau E. getroffen und ihr vom See vorgeschwärmt, und wie gut es mir hier gefällt. Dass ich hier nun bin und glaube, dass es auch auf die Mensche n wirkt, die freundlich sind und zuvorkommend. Ob ich nicht vom Orgelprofessor aus St. Quirin gehört habe, fragte Frau E.. Nein? Nun, der Orgelprofessor war bis zu seiner Pensionierung ein wichtiger Mann der Kirchenmusik in Bayern, hat sich dann hier zur Ruhe gesetzt und Geld für die Orgel in Bad Wiessee beschafft. Jeden Sonntag hat er im Gottesdienst gespielt, und die Leute kamen, nur um ihn zu hören. Seine Frau gab an der Volkshochschule Kurse, und sie waren allgemein sehr beliebt und geradezu idealtypisch, bis zu dem Tag, an dem er ihr das Küchenmesser zuerst in die Brust und dann, als sie fliehen wollte, in den Rücken stiess, sie sterbend zurückliess und sich erst später dann der Polizei stellte. Das ist noch gar nicht so lange her, meinte Frau E., alles mit Seeblick. Sie verabschiedete sich, und ich ging hinunter an den See, wunderte mich, ob da nicht doch etwas drinsteckt, was ich übersehe, konnte aber nichts finden und fuhr nach München in ein Büro, in dem Messer gewetzt und Klagen geschliffen wurden.

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Kreditkrisenspam für bessere Kreise

Wie wäre es mit ein wenig Sicherheit in diesen schwierigen Zeiten? Dürfen wir vielleicht - nein, kein Spam, keine Belästigung natürlich, nein, wir würden Ihnen nur gern den Immobilienkatalog Sommer 2008 zukommen lassen. Ja, genau Ihnen. Sie haben doch gerade erst, vielleicht sind Sie auf den Geschmack gekommen und möchten Ihr Vermögen noch etwas umschichten? Sie kennen unsere Premium-Marke als ein traditionsreiches Maklerunternehmen, wir bieten die nachgefragtesten Wohn- und Geschäftslagen. Wir sind Spezialisten für das Fünfseenland, wir verstehen alles von Lebensqualität und bieten opulente, prachtvolle Villen, attraktive Häuser und äusserst, wirklich äusserst hochwertige Wohnungen in Bestlage. Bitte, das ist kein Spam und keine Werbung, wir liefern Ihnen eine Dienstleistung, die geprägt ist von Begrifflichkeiten wie Seriosität, Diskretion, Service und Verlässlichkeit. Natürlich, aber selbstverständlich bei Ihnen.



Nur bei Ihnen. Gut, natürlich auch sonst in dieser Region. Das bekommen hier alle, es hat sich noch keiner beschwert. Manche wollen auch eine Stadtwohnung, da helfen wir gerne. Und ausserdem ist es ja auch interessant, mal die Preise in diesem Ihrem Wohnort zu sehen, 230 m², 1,8 Millionen, und da fangen wir erst an, vieles nur auf Anfrage, Frau von L. wird sie beraten. Alternativ zum Münchner Süden - Pullach ist gerade günstig zu haben - hätten wir auch noch etwas in Baden-Baden, in Blankensee, Hochtaunus auch, vor allem aber im Ausland, Saint-Maxime, Neuchatel, oder eine Insel vor Sardinien, Oh, bitte, lachen Sie nicht, das wird hier nachgefragt, Sie würden es nicht glauben. Ja, wir wissen natürlich, dass nicht jeder hier für so etwas in Frage kommt, aber wir können rechnen und glauben, dass Sie auch irgendwann mal wieder Cash haben werden, und deshalb sehen wir unser hochglänzendes Angebot auch als langfristige Investition, denn das hier ist die Gegend, das hier sind die Menschen, das hier ist die autonome Republik Fünfseenland, die nur zu faul ist, sich eigene Pässe anzuschaffen, aber ansonsten glücklicherweise mit dem Rest des Landes nicht viel zu tun hat. Das wissen wir doch. Übrigens, wenn Sie Lust haben - da gibt es doch am Lehberg diese Promibar, da haben wir am kommenden Freitag einen kleinen Empfang, geschlossene Gesellschaft, hinten finden Sie die Einladung, wir würden uns sehr freuen, Sie kennenzulernen. Sie werden sehen, wir sind bestens international vernetzt, und vielleicht kommen auch die Scheichs aus Rottach und bei den Russen sehen wir auch noch Potenzial.

Also, denken Sie darüber nach. Reiche wird es immer geben, und Reiche werden immer zusammenziehen. Nun, natürlich können Sie auch davon ausgehen, dass wir Assets wie Anlieger- oder Privatstrassen nicht erwähnen, das versteht sich doch von selbst. So ist es eben. Vielleicht wollen Sie es aber auch Ihren Freunden zeigen, oder sie lassen es auf Ihrem Rosenholztisch herumliegen, wenn jemand kommt, schliesslich wissen Sie selbst, wie diese Region zieht. Und bitte, dass wir uns nicht mal einen ordentlichen Phptographen leisten können, wird doch mehr als aufgewogen durch unseren Sitz in der Maximilianstrasse.

(Fettdruck und etliche Zitate aus dem Original)

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Dienstag, 5. August 2008

Vor dem Unwetter

Am Nachmittag eine kurze blaue Phase, wenig Wolken, Aufstieg kurz nach 17.45 Uhr.



Kurz nach 19 Uhr dann oben auf der Neureuthalm, 520 Meter höher. Es ist inzwischen ganz leicht, der Körper hat sich auf die Belastung eingestellt, fasst schon eine Kaffeefahrt, sogar das letzte harte Stück.



Das erste Mal bin ich hier in etwas mehr als 2 Stunden ziemlich kaputt hochgekeucht. Inzwischen schaffe ich das, für den letzten Anstieg, der mit 15 Minuten angegeben ist, brauche ich nur 11 Minuten, und auch den Berg gegenüber in der Mitte, der Leonhardstein, ist machbar.



Dann kommt in wenigen Minuten, wie aus dem Nichts, was angekündigt war. Zwei dunkle Wetterfronten, eine aus dem Gebirge und die andere aus dem Raum Augsburg/Weilheim. Man kann es sehen, und man sollte reagieren.



Hinunter über Stock und Stein in weniger als einer Stunde, im Tal dann das Warnfeuer am See, bald auch Regen, Sturm, Dusche, Essen, und ab morgen nach ein wenig Schwinmmen im See wieder Alltag.

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Sinnvolles für schlechte Zeiten

Es gibt alte Dinge aus Metall, die schön sind und enorme Kosten nach sich ziehen. Denken wir nur etwa mal an alte Autos, um ein Thema anzusprechen, das mir selbst auch weh tut. Oder sprechen wir über alte Luxusarmbanduhren mit ihren Zipperlein, die etwas teuer werden können; man denke da etwa an die Unruh seltener Gruen Curvex oder Kronen von Favre Leuba. Oder auch den Art-Deco-Schmuck, den man kauft, um dieses wissende Lächeln auf Frauenlippen und Bananentänze in ihre Hüften zu zaubern, die dann aber ganz seltsam unerfreuliche Dinge sagen, wenn man es bei diesem einem Mal belässt. Oder gar die immensen Kosten des Wertvernichters Nummer 1 in diesem unserem Land, so alt wie die Dummheit: Der Ehering. Schlimmer als alle alten Autos, Luxusuhren und Ice Cubes zusammen. Nicht alles, was alt ist, ist gut. Aber das hier schon:



Dieser Brotkasten aus Eisenblech, Emaille und Messing hat mutmasslich so an die 100 Jahre auf dem Buckel und funktioniert immer noch. Man kann, wie ich in Italien entdeckte, dergleichen auch wieder neu erwerben; dieses Exemplar aber stammt vom Flohmarkt und wurde von einer Händlerin als Koffer für Porzellan genutzt. Das geht fraglos auch, man kann auch Einbrecher damit totschlagen oder gierige Werberfinger zwischen Korpus und Deckel legen und dann dafür Sorge tragen, dass die Assistentin das nächste Röllchen zwischen Koks und Nase halten muss. De facto aber ist so ein Brotkasten wunderbar geeignet, um Brot aufzubewahren.



In den modernen Küchen ist das nämlich gar nicht mehr so üblich. Es gibt grosse Herde und grosse Kühlschränke und grosse Ablagen und grosse Schränke, aber der eingebaute Brotkasten, das Herzstück der Küche aus Gelsenkirchner Barock, ist wegreduziert worden. So auch in meiner nagelneuen, ordentlich teuren Qualitätsküche auf dem ersten Hügel der Alpen. Ich weiss nicht, was sich die Hersteller solcher Küchen denken: Essen die Leute nur noch vorgeschnittenes Vollkornbrot? Werfen sie jeden Abend das nicht gegessene Baguette weg? Geht man davon aus, dass die moderne Convenient-Esserin nach dem Job in der Agentura Amphetamina allenfalls Fabriksemmeln - 6 Stück für nur 69 Cent und garantiert ungeniessbar! - kauft und dann gleich wieder angeekelt im Designermülleimer entsorgt?



Ich weiss es nicht. Was ich aber weiss ist, dass man sich bei meinem Brotkasten wirklich Gedanken gemacht hat. Ein Stück für die Ewigkeit; sogar Schrauben und Muttern sind aus nicht rostendem Messing, und alle Formen sind wirklich schön und elegant entworfen. Die Scharniere laufen perfekt, es passt viel hinein, und es ist kein Problem, den Kasten schnell zu reinigen, denn er hat keinerlei Ecken, in die man schlecht mit dem Schwamm vordringen kann. Alles ist rund und wohlgeformt, schwer und hochwertig, und es hält Brot und Semmeln, so sie von guter Qualität sind, problemlos über Nacht frisch, wenn man schon wieder zu viel eingekauft hat. Denn arm wird man in dieser Gesellschaft nicht nur, wenn man über seine Verhältnisse lebt, sondern auch, wenn man über seine Verhältnisse wegwirft. In unseren Zeiten der Krise ist das nicht mehr zu bezahlen.

Und wenn es wirtschaftlich wieder besser geht, kann man mit dem Brotkasten immer noch in dunklen Agenturgängen des Nachts auf Koksnasen warten.

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Empfehlung heute - Medienprügel

Egghat stellt dar, warum eine Autorin der Süddeutschen Zeitung trotz eingestreutem Professorengeschwafel keine Ahnung von dem hat, was sie zu erklären vorgibt.

Und Weissgarnix macht Kleinholz aus den Thesen des unerträglichen Neoliberalismusbüttel Fricke von der FTD - warum haben sie den verlustbringenden Laden eigentlich noch immer nicht marktwirtschaftlich korrekt eingestellt?

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Montag, 4. August 2008

Nachtrag zum Leonhardstein

Zusätzlich das Gesamtpanorama vom Tegernsee bis zum Rofan über dem Achensee in Österreich.



Grossbild 1200 Pixel

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Der schwarze Weg

"Schwarze Bergwege sind schwierige Bergwege, sie sind lückenlos markiert, schmal, ganz oder zum Teil sehr steil angelegt, oft ausgesetzt und können bei schlechtem Wetter gefährlich sein. Diese Bergwege können auch längere versicherte Kletterpassagen aufweisen (das sind Stellen, die nur mit Gebrauch der Hände überwunden werden können) und sollten daher nur von absolut trittsicheren, konditionsstarken, absolut schwindelfreien, alpin erfahrenen Bergsteigern mit einer den Anforderungen des Weges entsprechenden Bergausrüstung begangen werden"



Wenn man vom Affenfelsen Rottach Richtung Schurkenstaat Österreich fährt, kommt man durch Kreuth. Links ist der schwarze Schlamm der CSU im Tal, rechts ein markanter, spitzer Berg, genannt der Leonhardstein, und mit 1461 Metern gar nicht mal so arg hoch.



Es ist eigentlich kein Berg, sonder ein Riff aus der Zeit, als sich hier noch ein Urmeer ausbreitete. Spätere Gletscher haben seine Form nicht beeinträchtigen können, und die letzten dreihunter Höhenmeter sind der schwarze Weg.



Das war heute für mich die Grenze, ich war nahe dran an der Aufgabe. Auf dem Hügel gleich rechts vom Gipfel ist die Neureuthalm, die 500 Höhenmeter über meiner Wohnung liegt. Es sind nur hundert Höhenmeter mehr auf den Leonhardstein. Aber kein Meter gleicht dem Waldboden weiter unten im Tegernseer Tal. Nur abgeschliffener Fels, Wurzeln, lose Steine, und alles ist noch glitschig und feucht.



Oben ist nur nackter Fels, eine sehr kleine Fläche und ein Abgrund hinunter nach Kreuth. Sonst nichts, keine Hütte, keine Kapelle. Es ist exrem einsam hier oben. Das alles sieht nachher sehr viel entspannter aus, als es tatsächlich war. Man merkt bei solchen Touren, was einem die restliche Welt teils gegen gutes Geld auszureden versucht: Dass man älter wird.



Warum man das macht, wenn man auch unten am See sitzen könnte, ohne Mühen und Rutschgefahr? Ich weiss es auch nicht. Der Berg ruft, sagt man, ich wollte da schon lang mal hoch, nur um dann zu sehen, dass da hinten von links nach rechts auch noch der Rofan ist, und der Unnütz, das Zugspitzmassiv und viele andere Berge, die noch etwas höher sind.

Aber meistens nicht so verdammt schwarz.

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Samstag, 2. August 2008

Real Life 2.8.2008 - Der Windhund

Der Windhund lässt sich gelangweilt von seinem ebenfalls leicht ennuierten Herrchen anbinden. Da drinnen in der Bäckerei gibt es ohnehin nichts, was so einen Windhund interessieren könnte. Nichts rennt, nichts ist fressbar. Tegernseer Bäckereien sind so ziemlich genau der Lebensraum, für die Windhunde absolut nicht geschaffen sind. Oder doch?

Bei genauerer Betrachtung wimmelt es hier von Windhunden. Einer ist auf dem sandfarbenen Poloshirt des Herrchens, ein anderer auf der sandfarbenen Jeans, und auf den sandfarbenen Schuhe ist auch ein kleines Windhundbapperl. Nur die Uhr, eine grosse, tonneauförmige Chronoswiss mit vielen Komplikationen trägt keinen Windhund. Die Hand tätschelt den Hund, der hechelt und gähnt dann die Sonne an.

Drinnen stehen zwei Kinder und kaufen die Abteilung Schmalzgebackenes und Blätterteig leer. Das Mädchen trägt fast durchgehend halbwegs dezent Lacoste und eine Rolex, nur die Schuhe sind von einer anderen Marke, der Junge zeigt im Sinne von BlingBling einen grossen, roten Markenschriftzug auf dem blauweiss gestreiften Poloshirt und schafft es vor lauter Aufregung ob des üppigen Angebots nicht, das Händi aus seiner fuchtelnden Hand in Sicherheit zu bringen. Irgendwann ist eine grosse Tüte sehr voll, die Verkäuferin rechnet zusammen - 15 Euro 90 - das Mädchen reisst die Tür auf und schreit:

OPA WIR BRAUCHEN GELD

Opa kommt rein, fragt, ob sie auch etwas für ihn gekauft haben, was sie aber verneeen und nach draussen schlüpfen, wo sie dem gelangweilten Windhund vergeblich ein Schokocroissant unter die lange Nase halten, und dann selber in sich hineinstopfen. Opa kauft derweilen noch was für sich, zahlt mit einem 100-Euro-Schein und geht nach draussen, um die übernächste Generation am See zu bespassen.



Du kaufst ein und sagst dir, dass du absolut kein Recht hast, über diese Leute irgendwie zu urteilen; schliesslich gibt es genug Billigfirmen, die unter unsagbaren Bedingungen bei den chinesischen Mördern produzieren lassen; hier ist es weitgehend anders - gut, der Junge braucht noch etwas Bewusstsein und Reife, bis er irgendwann statt zu den Chinoamerikanern zu Kiton oder in der Freizeit zu Trussardi greift und damit indirekt auch noch moderne Kunst in Mailand unterstützt - und die Verkäuferinnen in solchen Geschäften werden auch anders behandelt als eine Kassiererin der üblichen Ramschverticker. Lieber so, als dieser Typ, den du erlebt hast, als du dein Konto für den Umzug hierher geräumt hast - da war dieser alte, runtergeschlampte Mann vor dir beim Kundenberater, aus dessen Plastiktüte dieses und jenes Ungeniessbare eines Billigschlonzers hervorlugte und der ein paar Hunderttausend von den Aktien zu den Rohstofffonds rüberschob. Du solltest dir dieses komische "so will ich nie werden"-Gefühl aufheben für die, bei denen es sich wirklich lohnt.

Dann musst du auch nicht gross darüber nachdenken, warum du eigentlich mit deiner alten Longines Admiral und dem frisch gekauften Louis-Ferraud-Poloshirt so arg viel anders bist, und ob du dich nicht auch gefreut hast, wenn deine Eltern aus Italien etwas mit dem Windhund mitgebracht haben.

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Freitag, 1. August 2008

Kaltenbrunn und das Ende der CSU

Letzten Montag war ich mit meinen Eltern auf dem gerade durch das Bayerische Verfassungsgericht geretteten Gut Kaltenbrunn. Kaltenbrunn, ich sage es gleich, ist für Nichtbayern eine harte Nummer. Nicht nur, dass es als Mustergut von den bayerischen Königen gegründet und erhalten wurde und somit der erträumte Inbegriff des bayerischen Landlebens war. Sondern weil Kaltenbrunn bis heute reinstes Bayern in einem Masse ist, das hart an den übelsten Klischees entlangstreift.



Das beginnt mit der lebensgrossen, idealisierten Statue von König Ludwig am Eingang, setzt sich über die Bayernfahne des herzoglichen Brauhauses fort, zieht sich durch die Räumlichkeiten mit ihren Dielenböden und Bauernmöbeln, verläuft über den gesteckt vollen Biergarten, wo man bei Massen und Würsten unter Kastanien zusammensitzt, weitet sich zum Blick über das Tegernseer Tal und die Berge, hinter denen in einem finsteren Wald das schwarze Herz der CSU Wildbad Kreuth verborgen ist. Nirgendwo ist Bayern bayerischer, nirgendwo könnte man die Einheit von Staatspartei und Staatsvolk besser greifen als an diesem Fleckerl bayerischem Paradies, wo sich der Bayer mit seinesgleichem trifft und



die CSU Scheisse findet.

Man kommt hier schnell ins Gespräch, man hockt lange zusammen, während draussen auf dem Parkplatz Cayenne und Z4 sich mit S-Klasse und A6 langweilen. Und da hört man plötzlich Dinge, die gar nicht mehr zu dem passen, was die CSU will. Kaltenbrunn selbst, das der Schörghuber-Gruppe gehört und unter Abriss grosser Teile zu einem Luxushotel hätte umgebaut werden sollen, mit Unterstützung der CSU natürlich, ist da nur der Aufhänger. Aber allein schon diese Pleite vor gericht, die allerorten hämisch kolportiert wird: Da ist kaum einer, der sich nicht den Aufenthalt in so einem Hotel leisten könnte. Sie wollen es trotzdem so, wie es ist. Und nicht die globale Wellness-Seligkeit, die die CSU als Zukunft des Tourismus erachtet. Das hier ist Blut vom Blute und Fleisch vom Fleische der Staatspartei; wer hier ist, ist das Ideal der CSU, der macht Urlaub in der bayerischten aller Ecken - und würde hier oben gewählt werden, käme die CSU auf weniger als 10%.

Und weil man gleich dabei ist, schenkt man nach. Arbeitszeitverlängerung für die Beamten. Verschleuderte Privatisierungserlöse. Die mehr als unglückliche Rolle des Freistaates beim Verkauf der Bayernwerke, die jetzt in den Augen des Staatsvolkes das schwäbische E.ON-Diktat zur Folge hat. Das Ende der Hypo und der Vereinsbank, früher zwei grundsolide bayerische Vorzeigefirmen, heute ein Spielball globaler Finanzinteressen. Die Staatspartei hat dem Volk so viel weggenommen und es in die Unsicherheiten entlassen, da hilft auch das bisserl Pendlerpauschale nicht weiter. Als ob das einen Cayennepiloten drucken würde.

Und dann ist da noch das achtstufige Gymnasium, mit dem der Nachwuchsbayer fit gemacht werden soll für den Weltmarkt. Blödsinn. Unsere Nachbarn haben zwei Töchter, die jetzt in der 5. und 6. sind, und beide beutelt´s sauber durch die Schulaufgaben. Gymnasium in Bayern war früher schon hart, aber jetzt hat man die Schrauben nochmal angezogen. Und die Nachhilfe kann und will sich auch nicht jeder leisten. Über die einseitige Selektion der Reichen, die das zur Folge hat, sind auch die nicht wirklich Armen hier oben nicht froh. Denn auch die schauen sich ihr Bayernland an und finden, dass vieles besser sein könnte. Weniger fortschrittlich, weniger zerrissen, dafür wieder mehr bayerisch, weniger angespannt wie dem Stoiber sein Gschau, sondern mehr gemütlich wie dem Strauss seine Wampn.

Die CSU verliert an allen Fronten: Die Altstadtbewohner wählen die Freien Wähler, die Besserverdienenden die FDP, die Milchbauern machen ihren eigenen Verband und die Mütter gehen zu den Grünen, weil sie eine andere Schulpolitik wollen. Viele bleiben daheim beim Wählen. Selbst hier im rabenschwarzen Gmund hat die CSU schon keine Mehrheit mehr. Im Arsche der Staatspartei stecken nur noch die Subventionsabzocker, die Lobbyisten, die Profiteure des Systems und weiteste Teile des Staatsfunks. Aber das ändert nichts an der Stimmung hier oben auf dem bayerischten aller bayerischen Flecken. Die CSU wird in den nächsten Jahren bitter erfahren, dass sie nicht mehr für dieses Land steht, das sie selbst so verändert hat, dass es gelernt hat, die CSU zu hassen. Die Leute hätten gern wieder ihr Bayern zurück, und nicht die neobarocken Fassadenmalereien der Oberen. Der CSU bleibt nur die taktische Hoffnung, dass man sie hier wählt, um der "ostdeitschn Schnoin in Berlin in d´Suppn zu brundsn".

Aber das ist ganz schön arm, und Franz Josef unselig wird auch nicht mehr wiederkommen.

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Empfehlung heute - Noch mehr Gärten

Die Alm, ohne Strom und Internet, wird eine der letzten Bastionen der Zeitung sein. Zu hell ist auch das Licht bis zum Abend für den Bildschirm, und in der Nacht würde das Licht Stechinsekten anziehen.



Bekanntlich gibt es hier oben, wohin ich mittlerweile ohne Muskelkater in 1:20 Stunden gelange, almtypisch keine Sünde und auch keine Niedertracht, mit der sich das wiedergehrte Alte Europa beschäftigt. Und auch den Affenfelsen Rottach ist weit, weit unten.



Hier ist und bleibt es schön. Das Bayreuther Pestspeibhaus, die bittere, antisemitische keifende, hässliche Tante unter den Opernhäusern hat es dagegen überschwemmt. Vielleicht gibt es morgen ja noch mehr Unwetter. Oder gar ausnahmsweise eine echte Schlammlawine am grünen Hügel, braun und stinkend.

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Donnerstag, 31. Juli 2008

Bavarian Teatime

So gegen drei Uhr werde ich meistens müde, müde, immer müder, bis ich dann irgendwann aufstehe, in die Küche gehe und die in der Regel zweite grosse Kanne des Tages mit Tee bereite. Manchmal, wenn ich zu lang gearbeitet habe und noch in der Morgendämmerung fragwürdige Geschäftsberichte oder auch gute Romane lese, stimmt meine innere Uhr nicht mehr. Dann greife ich zu spät zum tee, bekomme mein Teein zu spät, und hänge folglich den halben Abend müde und faul durch. Und deshalb ist es gut, dass ich jetzt einen Teewecker habe, der mich jeden Tag um 16.15 Uhr darauf hinweist, dass es nun an der Zeit ist. Der Teewecker ist ganz einfach und besteht aus 18.000m² Weidefläche, einem Dutzend Miesbacher Fleckviecher und deren untrüglichem Sinn, dass es nun nach einem Tag des Fressens an der Zeit für die Melkerei ist.



Dann nämlich geht das Gemuhe los, von dem man sonst tagsüber kaum etwas hört, sie verlassen die saftigen Gräser, gehen zum Tankwagen, saufen noch ein paar Schluck und warten, bis endlich der Bauer kommt, um mit ihnen hoch in den Stall zu gehen. Das alles ist ein ziemliches Spektakel, das man nicht überhören oder übersehen kann, und es zeigt an, dass es nun definitiv auch die Zeit für den Tee ist.



Und natürlich eine kleine Stärkung, bevor es als Abendspaziergang auf den - kleinen - Berg geht. Morgen fangen in Bayern die Ferien an, dann wird es ziemlich voll da oben, und so habe ich den Gipfel nochmal für mich allein. Oder ich weiche in die wilden Bergregionen des Gipfelkaisers Mek aus.

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Sometimes you kick

someteimes you get kicked: Der Rausschmiss von Parteischädlingen wie Clement war mehr als überfällig. Karrieristen wie er oder Sarrazin, all das Supidupilustig-Gesocks, das dort unterkriecht, werden jederzeit andernorts mit offenen Armen angenommen - bei jedem Feind der sozialdemokratischen Werte, bei der Atomlobby oder sonstigen Scheckbuchausfüllern. Wenn die SPD überleben will, dann nur so.

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Mittwoch, 30. Juli 2008

Im Biergarten

Frau Dr. v. R. steht, angetan in schwarzen Dalmatinerpunkten auf Weiss, beginnend bei den Schuhen bis zum leichten Sommerhut vor mir und überlegt. Drei Torten müssen reichen, aber welche? Apfelmandel ist klar, Käsemandarine auch. Vielleicht probieren Sie mal die Kirschmandel und die Birnenbaiser, versuche ich mich als Ratgeber, und Frau Dr. v. R. kann sich nicht entscheiden. Letztlich nimmt sie dann jeweils eine halbe Torte und verspricht, sich nochmal zu melden, falls das nicht reichen sollte. 3 Torten, das sind ungefähr 30 Stück Kuchen. Nicht schlecht für ein Familienfest im kleinen Rahmen. Ich fühle mich danach mit meinen kleinen schmutzigen, schmalzgebackenen Wünschen, bei deren extensiver Erwähnung die Leser sofort ein halbes Kilo zunehmen würden, geradezu bescheiden.



Dabei ist dies einer der Tage, an denen die Lust am Essen nicht allzu gross ist; auch der Tee schmeckt nicht und die Vorstellung, in dieser Hitze den Austausch von Erbmaterial bis zur Gummigrenze durchzuführen, wenn alles glitschig klebt und die Luft voller Dunst ist, auch diese Vorstellung mag mir nicht behagen. Es sind diese tage, an denen sich ein Mobiltelefon doch lohnt; man setzt sich unter einen Schirm in den nächsten Biergarten, ruft jemanden an und freut sich über jede Brise in den Gassen der Altstadt, während die Kurse des zweiten Heiratsmarktes besprochen werden. ich bin der festen Überzeugung, dass dieser real existierende Sommer eine fiese Sau ist: Er macht Frauen schöner und das Vergnügen mit ihnen weitgehend unmöglich; allein am See ginge vielleicht was, woraufhin Susi von sich aus klarstellt, dass sie dieses Wochenende ganz sicher nicht kommt.



Irgendwann ist die schlimmste Hitze vorbei, die ersten SSV-Käufer treiben wieder durch die Gassen, und oben an der Schule, wo sie heute das Ende des Jahres feiern, erklingt das übliche Repertoire solcher Veranstaltungen. Schülerbands. Hoffnungen, aus denen hoffentlich nicht allzuviel wird, in Zeiten des Internets sind Musikmacher noch gearschter als Journalisten. Ein Job mit sicheren Ferien und Urlaubsgeld ist eher was, dann können sie auch mit dem letzten Pausengong in den Süden starten, wenn sie ihre eigenen Kinder in die selbe Schule stecken. Alles wiederholt sich, das Girl von Ipanema werden sie auch in 20 Jahren noch singen, und dazu brennt die Sonne herunter auf die, die bleiben müssen und die, die blöd genug waren, den Bergsee zu verlassen.

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Empfehlung heute - Thomas terminiert Mobile 3.0

Ich finde das nicht im Mindesten überraschend. Unser Mitgefühl gilt allen (3? 4? oder gar 5?) ehrlich und sauber arbeitenden Holtzbrinck- und Burdajournalisten, die mit ihrem Tun helfen mussten, so einen HandyTV-Mist unter Beteiligung von Paulus Neef mitzufinanzieren.

Wir haben jetzt 2008. Seit nunmehr 11 Jahren höre ich die Geschichte vom kostenpflichtigen Fussballtor auf dem Handy und den erwarteten Milliardengewinnen, bei W@p, UMTS, DAB, DVB-H und wie sie alle hiessen; das hat jetzt in hoffentlich weniger als 11 Jahren sein Ende. Die Dummen sterben nie aus, aber diese speziellen Dummen machen vielleicht eine Ausnahme.

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Mittwoch, 30. Juli 2008

Empfehlung heute - Alte Häuser

Eine Bekannte, die um mein Faible für alte Häuser wusste, zeigte mir Bilder vom abgewohnten, aber immer noch mit grosser Geste entworfenen und früher mit bester Gesellschaft erfüllten Haus ihrer Grossmutter. Die Erben hatten sich entschlossen, diesen 80 Jahre alten Stammsitz zu verkaufen, und das Geld haben sie dann sicher angelegt, während das grosse Grundstück in viele kleine Parzellen zerlegt wurde. Ich habe mir nichts vorzuwerfen; was man über die Enkelin tun kann, habe ich getan, und vermutlich wäre es auch nicht anders gegangen - nicht mit der Einstellung, mit der dieser Erbfall gemanaged wurde. Ich weiss, wie so etwas kommt. Und die ökonomische Familiengeschichte der letzten 150 Jahre hat die Erkenntnis in meine Gene geprügelt, dass Immobilien das erste ist, was man kauft, und das letzte, was man verkauft. Nicht nur, weil man dann überlegen kann, welcher Sonnenuntergang an welchem Ort grandioser ist - diesmal, finde ich, gewinnt die heutige Provinz gegen den vorgestrigen Tegernsee.



Banken, die damit ein langfristiges Geschäft machen, sagen einem, dass man sich breit aufstellen soll: Ein Drittel Aktien, ein Drittel festverzinsliche, bombensichere Papiere und ein Drittel Immobilien. Genau diesen Banken könnte man heute so einiges erzählen: Im Vereinigten Königreich gab es für den Einzelhandel trotz enormer Rabatte den schlechtesten Monat seit 25 Jahren. Die Folgen der Kaufzurückhaltung sehen heuze in Amerika so aus, dass mit Mervinn´s eine grosse Kette für Kleiderläden und mit Bennigan's eine der grössten Restaurantketten pleite sind. Ford und General Motors weisen ihre Händler an, an wenig solvente Kunden keine Kreditkäufe mehr zu vermitteln, und Chrysler wurde von der Ratingagentur Fitch auf das Niveau eines korrupten Drittweltlandes zurückgestuft, knapp über der Pleite. Nur die gerade mit quasi einem Blankoscheck des Staates geretteten Kreditfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac können lachen: Auch weiterhin ist es ihnen erlaubt, bei amerikanischen Abgeordneten Lobbyarbeit mit Spenden, die in Europa unter Bestechung laufen würde, zu leisten. Genau den Abgeordneten, die bald wieder wntscheiden müssen, ob sie für diese Klitschen die Notenpresse anwerfen oder die Bürger des Landes zur Kasse bitten. Wer den Untergang des Ostblocks erlebt hat, weiss, dass es nicht gut gehen kann und wird. Ganz sicher nicht mit dem Mühlstein eines 500.000.000.000 Dollar schweren Staatsdefizits um den Hals, den ein durchgeknallter Völkerrechtsverletzer mit zwei katastrophal geführten Kriegen verantwortet.



Also: Omas Haus ist etwas abgelegen? Prima! dann braucht die Krise vielleicht etwas länger, um dorthin zu finden. Ihr altes Rad ist noch da? Behalten! Oma hatte einen grossen Garten? Vielleicht finden sich irgenwo alte Fenster, um ein paar Gewächshäuser anzulegen, und ein paar Bretter für einen Hühnerverschlag. Vielleicht ist es auch gar nicht nötig, vielleicht schafft man es hier wirklich, sich abzukoppeln und eine Weile wieder strikte Nationalökonomie und Binnenmarktwirtschaft zu fahren - solange zumindest, bis man aus anderen Regionen wieder Finanzprodukte erhält, die nicht mehr hochgiftiger Müll sind. danach kann man mit Omas Haus immer noch etwas anfangen. Mehr jedenfalls als mit allem, was auch heute noch von Banken als Anlagen empfohlen wird.

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180 Grad

Wie ich dann unten erfahren habe, erwartete man mich dringlich in München, aber ich hatte natürlich das Handy nicht dabei. Ich hatte es noch nicht mal am See. Und der Akku ist wohl auch leer. Da kann man nichts machen. Und er Abstieg hätte ohnehin zu lange gedauert, noch dazu, wenn man das Nickerchen - siehe ganz rechts - mit einrechnet.


Grossbild

Man sollte sich sowas wie da oben eben nicht von sowas wie da drüben vermiesen lassen. Nachdem man aber aufhören soll, wenn es am schönsten ist - war´s das erst mal mit dem See. Für mindestens drei Tage.

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Sturmwarnung

Jetzt schon seit drei Tagen jeden Abend. Und diesmal sogar Wolken.



Und natürlich kein Sturm. Statt dessen wieder Badewetter. Man mag gar nicht mehr an Stürme glauben. Bis sie dann tatsächlich kommen, so brutal und unerbittlich, wie sie nur in den Bergen sind. Wie beispielsweise heute Nacht am Idiot´s Trail über dem Merrill Lynch Abyss, wo es dem Staatsfonds von Singapur und den Kuwaitis und ganz vielen abschreibungsbetroffenen Banken nass reingeht.

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