Kaltenbrunn und das Ende der CSU

Letzten Montag war ich mit meinen Eltern auf dem gerade durch das Bayerische Verfassungsgericht geretteten Gut Kaltenbrunn. Kaltenbrunn, ich sage es gleich, ist für Nichtbayern eine harte Nummer. Nicht nur, dass es als Mustergut von den bayerischen Königen gegründet und erhalten wurde und somit der erträumte Inbegriff des bayerischen Landlebens war. Sondern weil Kaltenbrunn bis heute reinstes Bayern in einem Masse ist, das hart an den übelsten Klischees entlangstreift.



Das beginnt mit der lebensgrossen, idealisierten Statue von König Ludwig am Eingang, setzt sich über die Bayernfahne des herzoglichen Brauhauses fort, zieht sich durch die Räumlichkeiten mit ihren Dielenböden und Bauernmöbeln, verläuft über den gesteckt vollen Biergarten, wo man bei Massen und Würsten unter Kastanien zusammensitzt, weitet sich zum Blick über das Tegernseer Tal und die Berge, hinter denen in einem finsteren Wald das schwarze Herz der CSU Wildbad Kreuth verborgen ist. Nirgendwo ist Bayern bayerischer, nirgendwo könnte man die Einheit von Staatspartei und Staatsvolk besser greifen als an diesem Fleckerl bayerischem Paradies, wo sich der Bayer mit seinesgleichem trifft und



die CSU Scheisse findet.

Man kommt hier schnell ins Gespräch, man hockt lange zusammen, während draussen auf dem Parkplatz Cayenne und Z4 sich mit S-Klasse und A6 langweilen. Und da hört man plötzlich Dinge, die gar nicht mehr zu dem passen, was die CSU will. Kaltenbrunn selbst, das der Schörghuber-Gruppe gehört und unter Abriss grosser Teile zu einem Luxushotel hätte umgebaut werden sollen, mit Unterstützung der CSU natürlich, ist da nur der Aufhänger. Aber allein schon diese Pleite vor gericht, die allerorten hämisch kolportiert wird: Da ist kaum einer, der sich nicht den Aufenthalt in so einem Hotel leisten könnte. Sie wollen es trotzdem so, wie es ist. Und nicht die globale Wellness-Seligkeit, die die CSU als Zukunft des Tourismus erachtet. Das hier ist Blut vom Blute und Fleisch vom Fleische der Staatspartei; wer hier ist, ist das Ideal der CSU, der macht Urlaub in der bayerischten aller Ecken - und würde hier oben gewählt werden, käme die CSU auf weniger als 10%.

Und weil man gleich dabei ist, schenkt man nach. Arbeitszeitverlängerung für die Beamten. Verschleuderte Privatisierungserlöse. Die mehr als unglückliche Rolle des Freistaates beim Verkauf der Bayernwerke, die jetzt in den Augen des Staatsvolkes das schwäbische E.ON-Diktat zur Folge hat. Das Ende der Hypo und der Vereinsbank, früher zwei grundsolide bayerische Vorzeigefirmen, heute ein Spielball globaler Finanzinteressen. Die Staatspartei hat dem Volk so viel weggenommen und es in die Unsicherheiten entlassen, da hilft auch das bisserl Pendlerpauschale nicht weiter. Als ob das einen Cayennepiloten drucken würde.

Und dann ist da noch das achtstufige Gymnasium, mit dem der Nachwuchsbayer fit gemacht werden soll für den Weltmarkt. Blödsinn. Unsere Nachbarn haben zwei Töchter, die jetzt in der 5. und 6. sind, und beide beutelt´s sauber durch die Schulaufgaben. Gymnasium in Bayern war früher schon hart, aber jetzt hat man die Schrauben nochmal angezogen. Und die Nachhilfe kann und will sich auch nicht jeder leisten. Über die einseitige Selektion der Reichen, die das zur Folge hat, sind auch die nicht wirklich Armen hier oben nicht froh. Denn auch die schauen sich ihr Bayernland an und finden, dass vieles besser sein könnte. Weniger fortschrittlich, weniger zerrissen, dafür wieder mehr bayerisch, weniger angespannt wie dem Stoiber sein Gschau, sondern mehr gemütlich wie dem Strauss seine Wampn.

Die CSU verliert an allen Fronten: Die Altstadtbewohner wählen die Freien Wähler, die Besserverdienenden die FDP, die Milchbauern machen ihren eigenen Verband und die Mütter gehen zu den Grünen, weil sie eine andere Schulpolitik wollen. Viele bleiben daheim beim Wählen. Selbst hier im rabenschwarzen Gmund hat die CSU schon keine Mehrheit mehr. Im Arsche der Staatspartei stecken nur noch die Subventionsabzocker, die Lobbyisten, die Profiteure des Systems und weiteste Teile des Staatsfunks. Aber das ändert nichts an der Stimmung hier oben auf dem bayerischten aller bayerischen Flecken. Die CSU wird in den nächsten Jahren bitter erfahren, dass sie nicht mehr für dieses Land steht, das sie selbst so verändert hat, dass es gelernt hat, die CSU zu hassen. Die Leute hätten gern wieder ihr Bayern zurück, und nicht die neobarocken Fassadenmalereien der Oberen. Der CSU bleibt nur die taktische Hoffnung, dass man sie hier wählt, um der "ostdeitschn Schnoin in Berlin in d´Suppn zu brundsn".

Aber das ist ganz schön arm, und Franz Josef unselig wird auch nicht mehr wiederkommen.

Freitag, 1. August 2008, 18:41, von donalphons | |comment

 
War der Stoiber scho a ..a.., naja, Koana hoid. Aber etza dea Halbpreiss als Ministerpräsedent..., mia wanst ned gehst.
Des kann nia nix wean.

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Komischerweise scheint der Beckstein immer noch besser anzukommen als der Huber. Und die Hadertauer, mei, geboren in Neumünster (Schleswich-Hollsteen, wah), die zeigt halt das ganze Ausmass der Personalknappheit.

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Es würde mich ja brennend interessieren, ob sich diese subjektiv empfundene Stimmungslage auch im Wahlergebnis niederschlägt. Angesichts diverser Umfrage-Debakel der letzten Zeit bin ich mir da nicht so sicher, ob die Leute tatsächlich so wählen, wie sie reden ...

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>Weniger fortschrittlich, weniger zerrissen, dafür wieder mehr bayerisch, weniger angespannt wie dem Stoiber sein Gschau, sondern mehr gemütlich wie dem Strauss seine Wampn.

Träumt davon nicht jedes Bundesland oder sagen wir besser viele Einwohner derselbigen? Diese wirtschaftliche Optimierung der Bevölkerung ist schon ein Kreuz, so neu aber leider auch nicht, nur eben fortgeschrittener.

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Man kann nicht umhin zuzugeben, dass Bayern wirklich gut dasteht, aber auf der Überholspur hat man dann doch etwas zu viel übersehen, was andere auch im Kriechgang nicht zur Kenntnis genommen haben. Ich habe aber den Eindruck, dass das in den tatsächlich vorhandenen Sozialstrukturen mehr wahrgenommen wird, als an anderen Orten. Das ist so, als hätte man einen Innenarchitekten gekauft, und fände sich in einem Stahlrohrambiente wieder, während an der Wand eine Bildtapete mit den Bergen hängt. Das geht für manche gut, aber nicht für alle. 50-x ist die magische Formel der Entheimateten.

Der Spagat zwischen Globalisierung und Heimat war bis Ende des Jahrtausends noch zu packen. Aber dann ist die CSU übergeschnappt, Martinsried, Internetbeirat, zwei Ansiedlungsagenturen, Privatisierung, New Economy, Bankgeschäfte der Landesbank und LfA, bishin zum Transrapid, wo ausser der CSU alle und jeder ganz klar nein gesagt hat. Da bricht was auf.

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was sind "ploten" und "schnoin"?

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Ploten sind Piloten, denen das i fehlt, und Schnoin ist ein umgangsprachlicher Ausdruck für eine unbeliebte, allgemein eher fragwürdige Frauensperson. Ein wenig härter als "Matz", aber noch unter der und nicht so direkt wie die "Schlampn".

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Wollte man Cayennefahrer insultieren, würde man zum Begriff "Hornochs, damischa" greifen.

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@Schnoin:
Ist das irgendwie verwandt mit "Schnalle"? Damit bezeichnete meine Mutter früher übrigens ausschließlich Politessen (aber natürlich nicht so, dass es die so Bezeichneten gehört hätten).

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Cayenne

Was sich Porsche dabei gedacht hat ist mir bis heute ein Rätsel...

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Vielleicht,
dass man mit so einem Vehikel sogar bis dort hin fahren kann, wo der Pfeffer wächst? Ich weiß es auch nicht. Aber nach meinen Beobachtungen hier in der nicht völlig verarmten Verbundgemeinde ist das eh ein Frauenauto.

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"was sind frauenautos?" :) nee, schon gut!

@don: danke, am meinem bayerisch muss ich wohl noch arbeiten. ploten dagegen : um längen besser als die mit dem i. "ploten!" das lässt sich viel besser verächtlich aus dem mundwinkel zischen, auf der autobahn linke spur, wenn die vorderMÄNNER mal wieder in ihren cayennes sonntagsschleichen.

"schnoin". merk' ich mir.

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Wollte man Cayennefahrer insultieren, würde man zum Begriff "Hornochs, damischa" greifen.

machmal langt auch schon "cayennefahrer".

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Hochdeutsche Schreibweise der "schnoin" wäre tatsächlich "Schnalle". Übrigens als Beleidigung justiziabel.

Als Porschefahrerbeleidigung fiele mir eine ein, die ich vor geraumer Zeit von einem unwilligen gschtandenen Mannsbild gehört habe, der auf der Straße einem solchen Fahrer im tiefsten Bass zurief:

"Fahr hoid weida, du Hirrrrrrsch"

Man muss das einfach gehört haben. Es sorgte für zehnminütige Heiterkeit unter den Passanten. Ob das justiziabel ist, weiß ich nicht.

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von deutschem dichten und trachten:

einst hatte er nen forschen pimmel,
heut bleibt ihm noch sein porsche-fimmel.

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Die CSU verliert an allen Fronten: Die Altstadtbewohner wählen die Freien Wähler, die Besserverdienenden die FDP, die Milchbauern machen ihren eigenen Verband und die Mütter gehen zu den Grünen, weil sie eine andere Schulpolitik wollen. Viele bleiben daheim beim Wählen. Selbst hier im rabenschwarzen Gmund hat die CSU schon keine Mehrheit mehr.

von außen gesehen: ist das jetzt die gute oder die schlechte nachricht?

für schlechte nachricht spricht: wer soll es dann machen? die maget´sche super-anti-riesenkoalition?

für gute nachricht spricht: die [cdu natürlich nicht, es ist die] csu war länger dran, als irgendeine partei in irgendeinem bundesland. sogar baden-württembergs cdu (übrigens auch so ein proporzverein, wie er seinesgleichen sucht und höchstens bei der csu findet) musste dann und wann eine koalition eingehen.

es wird zeit, dass einmal andere regieren.


Im Arsche der Staatspartei stecken nur noch die Subventionsabzocker, die Lobbyisten, die Profiteure des Systems und weiteste Teile des Staatsfunks.

sonst keiner mehr? was ist mit dem höhern, dem gehobenen und dem mittleren öffentlichen dienst? und speziell den lehrern der niedriger oder höher gelegten baureihen (özis habens da einfacher, mir san kane brofessoren, sagte einmal ein volksschullehrer von dorten)?

wenn da wirklich ein machtwechsel stattfindet: die arschkriecher wären doch die ersten, die den wirtswechsel vollzögen, falls da nicht schon andere blitzschnell die nische besetzt haben.

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Alle sind unzufrieden und wählen doch wieder CSU? Normal ist das nicht. ;)

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