: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 29. Oktober 2008

Vom Boom betroffen

Es klingt paradox,aber für Vermieter sind Zyklen der wirtschaftlichen Überhitzung nicht gut. Vermieten ist ein gutes Geschäft,wenn Mieter zumindest ein paar Jahre bleiben, und das tun sie nur, wenn sich ihre Lebensumstände nicht zu sehr ändern. Wenn Firmen an diversen Standorten Ausftiegschancen bieten und hohe Flexibilität und Mobilität verlangen, ist das nicht gut für ein normales Bewohnen. Vier Wochen Abwesenheit ist schlecht für alle sanitären Einrichtungen, und je wichtiger andere Orte werden, desto mehr verwahllost das eigene Heim.

Ist dann erst mal der nächste Gehaltschritt da, kommt der Wunsch nach einer besseren Bleibe, der Mieter wird erst ungeduldig, weil er nicht mehr zufrieden ist, weil die Wohnung nicht mehr seinen Ansprüchen gereicht, und dann geht er. Meist recht schnell und überlässt dem Vermieter das Problem, zu ungünstiger Zeit einen neuen Mieter zu suchen. Nur, wenn in der Zeit die Mietpreise angezogen haben, kann man die durch Auszug, Renovierung und Neuvermietung entstehenden Verluste kompensieren. Die Folge: Vermieter rechnen die Geschichte durch, kalkulieren das Risiko häufiger Mieterwechsel mit ein und setzen bei allen, egal ob bleibend oder auf dem Sprung, die Miete hoch. Mobilität ist daher asozial.

Wenn dagegen die wirtschaftliche Entwicklung massvoll voranschreitet oder gar ein wenig schrumpft, wird der Umzug schnell unattraktiv. Schliesslich kostet der Umzug Geld, man weiss nie, wie neue Vermieter sind, das Risiko wandert in solchen Märkten eher zum Mieter, und es entsteht nicht diese grosskotzige Mentalität des "ich leiste mir das einfach", die globale Spieler so angenehm und freundlich erscheinen lässt, dass sie ein advanced Behaviour Coaching benötigen. Für Vermieter sind das goldene Zeiten: Verlässliche Geschäfte ohne grossen Aufwand. So gesehen sollte es gerade in der anstehenden mittelschweren Rezession eine angenehme Sache werden.

Wären da nicht ein Automobilhersteller und ein Rüstungsproduzent in der Stadt. Letzterer hat Verträge bis zum Tag des jüngsten Atomschlags, und ersterer baut nicht die Autos, die man braucht, sondern die Autos, die man will, wenn man zu der weit verbreiteten Klientel gehört, die mit der "Meine Firma leistet sich einfach einen besseren Dienstwagen"-Attitüde durchs Leben geht. Mit dem Ergebnis, dass die Kreditkrise in dieser Stadt der Vollbeschäftigung nichtexistent ist. Marken wie GM, Ford, Chrysler, BMW, Volvo, Renault und Citroen taumeln zwischen Pleite und Vollbermsung, hier braucht man dringend noch ein paar Hallen, und zwar am besten schon vorgestern. Andernorts streicht man Stellen, hier gründet man Entwicklerteams in Firmen aus, für die vor Ort schlichtweg kein Platz mehr ist. Und schickt die Leute Knall auf Fall nach Norden. Umzugswagen, die Mieten bis zum Ende der Kündigungsfrist, Sonderzahlung, alles kein Problem.



Nun habe ich noch Glück, dass mir die fragliche, betroffene Mitarbeiterin nicht mit einer Kündigung das Frühstück vergällt, sondern angesichts der Wohnungsnot in der Stadt sofort eine Freundin weiss, die hier einziehen möchte. Bei der letzten Wohnung gab es 20 Bewerber. Es ist immer noch angenehm, und besser, viel besser, als wenn man in einer entvölkerten Stadt des Ostens vermieten müsste. Es ist besser als Rüsselsheim, Köln oder Stuttgart. Es ist kein Vergleich zu dem, was ich aus dem Journalismus nebenbei höre, auch wenn ich selbst davon nicht betroffen bin.

Trotzdem fände ich eine gesamtgesellschaftliche Debatte wichtig, in der die negativen Effekte von Mobilität und Flexibilität aufgezeigt werden. Ohne dann Sesshaftigkeit und Vorstadttum ein Ideal ist, wäre zu überlegen, ob man statt Ansiedlungs- und Austauschspolitik nicht eher eine Bleibepolitik machen sollte , die ein kontinuierliches Wachstum fördert. Als Negativbeispiel fälllt mir gerade MTV ein, die erst alles nach München zogen, dann über den Gang nach Berlin die Mitarbeiter austauschten, in Kökn bei Viva rumholzten, jetzt in Berlin erneut auf die Kostenbremse treten und vermutlich längst auf der Suche nach einem neuen politschen Arschauswischer sind, der ihnen andernorts Millionenförderungen zuschiebt. MTV, die als cool gelten und ähnlich asozial wie jeder Hedgefond aus Dublin sind. Leerverkäufe mit Mitarbeitern, Leveraging mit staatlichen Mitteln.

Es wird auch ohne diese Verwerfungen noch genug Mobilität geben. Alte Zentren der überflüssigen Dienstleistungen wie Hamburg, Berlin und Frankfurt werden vergehen, industrielle Kernzonen bleiben bestehen, und die Provinz, das Kleinräumige steht vor einer grossen Wiederentdeckung. Kein Umzugunternehmer wird pleite gehen. Es geht nicht um die Wiedereinführung der Leibeigenschaft und der Dorfgestapo, sondern um die Frage, ob der deregulierte Umsiedlungsverkehr der Menschen für Sozialsysteme und Integration nicht ähnliche Probleme nach sich zieht, wie die unregulierte Zirkulation von Geld, Schulden und Derivaten.

... link (58 Kommentare)   ... comment



: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 29. Oktober 2008

Grün unter Blau.

Weil der Tag, an dem ich an einem Biedermeierstuhl mit Mahagonifurnier aus der Zeit um 1820 für 25 Euro vorbei komme und ihn nicht kaufe, der Tag sein wird, da man mich im Leichenwagen daran vorbeifährt.



Auch bei 35 Euro und einer Entstehungszeit um 1830 kann ich offensichtlich nicht nein sagen, und es macht mir auch nichts aus, wenn es diesmal kein Mahagoni, sondern Nussholz ist. Sogar den scheusslichen Stoff kann man verschmerzen. Als ich in Schwabing wohnte, spazierte ich zu oft an Antiquitätengeschäften vorbei und wünschte mir genau solche Stühle mit geschwungenen Zargen und Lehnen, die nur zur Zier gestaltet wurden.



Man kann auf solchen Stühlen nicht lümmeln; es gilt, Haltung zu bewahren, und die berühmte Handbreit muss zwischen der viel zu schmalen Lehne und Rücken bleiben. Neben der Büchervitrine ist jedenfalls noch genug Platz für einen gleich gemaserten Stuhl, ab und an liest man nur kurz in ein Buch hinein und möchte sich auf eine Seite setzen. Allerdings weniger auf den wirklich scheusslichen blausilbernen dekostoff des Sitzkissens, den jemand in völliger Verkennung der Biedermeieroriginale aufgetackert hat.



Glücklicherweise waren frühere Generationen verständiger, und haben einen feinen, dezenten Gobelinbezug mit Streublumen gewält, den abzureissen die Freunde der Tackers zu faul waren. Es war offensichtlich eine Frage des fehlenden Geschmacks und nicht die Abnutzung, die das schreinede Silberblau das fein gemaserte Holz beleidigen liess. Schneller wurde wohl nie ein Stuhl in seinen früheren Glanz versetzt.



Es ist Zufall, dass es passt. Es ist Glück. Eine Trouvaille. Immer nur her damit, ich habe noch viel Platz, und irgendwann in diesem Winter werde ich auch einen grösseren Kulturempfang machen müssen, dann kann ich ihn tatsächlich auch brauchen.



Hält praktisch unbegrenzt. Sieht hübsch aus. Und war spottbillig. So wird man den Winter der Rezession aussitzen können.

... link (7 Kommentare)   ... comment


Trostlos

Nicht einmal mit auf Augenhöhe vorbeitreibenden Wolken mag mir Fontane, selbst in Leder gebunden, zusagen. Fontane und ich, das geht nicht zusammen, weder in der Mark Brandenburg noch am See.



Dann doch lieber, dick eingepackt, im englischen Wetter erneut den Mönch von M. G. Lewis gelesen.

... link (17 Kommentare)   ... comment



: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Dienstag, 28. Oktober 2008

Zwei Tage im Herbst III

Der B., der seine Söhne in die Schweiz geschickt hat, war so einer. So wie der, der mit seiner blonden Frau hinter mir am Einstieg in den Reschenpass fährt. Nur sahen die SL damals noch so aus, als kämen sie aus der Serie Dallas. Flach, kantig, gerade, amerikanisch. Ausserdem war der SL von B. rot und nicht silber. Aber so muss man sich das vorstellen, wenn er dann in die Schweiz gefahren ist, um seine Söhne zu besuchen. Also, ich weiss ja auch nicht mehr, wie oft der wirklich gefahren ist, sehr oft kann es nicht gewesen sein. Der hatte endlich Zeit, sich einen Ersatz für seine Frau zu suchen, und blieb dann in der Stadt. Vielleicht ist er auch eine andere Strecke gefahren, oder geflogen, das hat zu ihm gepasst, der war so einer, der immer den Flieger genommen hat. Aber wenn er mal mit dem SL über den Reschenpass ist, dann muss es so ausgesehen haben.



Das mit dem B. und seinen Söhnen war damals ziemlich ungewöhnlich bei uns in der Stadt. Es war schon peinlich, wenn einer Nachhilfe brauchte. Nachhilfe war nur für die Idioten, aber gleich in ein Schweizer Internat war neu. Es war bei allen klar war, dass sie ins Gymnasium gehen, was anderes gab es sowieso nicht. Für die Mädchen war es leichter, wenn die nichts konnten, gingen sie in die katholische Schule mit Samstagsunterricht und Musik und Haushaltsführung, und bekamen da ihre Einser. Ein Beruf war da noch nicht so wichtig. Es gab Karrierefrauen, aber die waren dann so wie die Frau vom B..

Die war schwierig. Der war nie was gut genug. Der Ältere von ihren Söhnen war ein Jahr unter mir. Da war schon in der 7. bei der zweiten Fremdsprache Latein klar, dass er es nicht packt. Seine Mutter hat damals begriffen, dass nichts weiter geht, ihr Mann wollte gar nicht mehr als seine Firma, die Kinder waren zu stressig, und dann ging sie im Jahr drauf einfach. Brannte durch zu einem Freund ihres Mannes. Das war damals ein ziemliches Thema in der Stadt, aber wir haben nichts gesagt. Ich mein, das tut man nicht, und so ganz haben wir es auch nicht verstanden, was da los war. Der junge B. hat es selber erzählt, und er fand es super, dass sie weg war und er sich jetzt endlich hängen lassen und schlecht werden konnte.

Ende der achten hatte er dann zwei Fünfer und einen Sechser und fiel durch. Dem haben alle Lehrer geholfen, weil sie dachten, den hat der Skandal kaputt gemacht, aber der war einfach so. Der wollte nicht anders. Der hat lieber an seinem Roller rumgeschraubt und im Attest die Unterschrift seines Vaters gefälscht. Fand er cool, und sein Vater deckte das. Schule hat ihn genervt, weil die anderen in seiner Klasse zu jung waren. Sein Bruder wechselte damals die Schule und war auch nicht besser. Manchmal haben wir uns um 7 Uhr draussen am See getroffen. Ich habe auf sie gewartet, weil ich daneben wohnte, und sie kamen sie mit ihren Rollern mit M. und S. hinten drauf, und wir sind vor der Schule durch den See geschwommen. Manchmal sind wir natürlich zu spät gekommen und haben Ausreden erfunden. Das mit dem Verspäten liegt vielleicht an den Seen, denn als ich endlich oben am Reschenpass wieder losfahre, ist es auch schon später, als ich dachte.



Kurz vor dem Reschensee könnte ich auch rechts abbiegen, Richtung St. Moritz und Silvaplana, und in Tschlin zur Bank. Da müsste ich nicht durch Italien, das wäre der nächste Weg. Aber wenn ich schon mal so weit bin, fahre ich auch nach Italien. Ich habe am See kein Olivenöl vom Gardasee mehr, ich muss jemandem ein paar Würste mitbringen, und meinen Eltern italienischen Schinken, ich will Vinschgauer kaufen und richtige Polenta. Wenn sie mich beim Grenzübertritt nicht festnageln und blöde Fragen stellen. Es ist ja nichts Illegales, aber was sagt man, wenn sie einen anhalten? Die Wahrheit vielleicht. Dass es im 21. Jahrhundert mit der ganzen tollen Technik und der Risikoabschätzung so toll, so sicher ist, dass einem der Euro um die Ohren fliegt.

Am Reschenpass ist aber keine Kontrolle, das Zollhäuserl zerfällt in grandioser, sattgrüner Landschaft vor sich hin. Danach weitet sich das Tal wieder Richtung Italien. Ich fahre unter funktionslosen, faschistischen Gallerien am See hindurch, die Mussolini vermutlich nur hat bauen lassen, damit in dieser Landschaft ein paar eckige, faschistische Betonklötze stehen, die modern wirken sollten. Ich fahre aus Mussolinis Strasse, um das zu tun, was Mussolini versagt blieb, als ihn 1945 die Kugeln der Partisanen niederstreckten: Ich gehe in die Schweiz. Da ist sicher eine historische Ironie drin, wenn der Duce dem Linken so einen Weg baut, den er selbst nicht nehmen darf. Überhaupt ist der ganze Weg voller Ironien.



Das da zum Beispiel. Kein Mensch würde sich für einen spätromanischen Kirchturm in dieser Region interessieren. Diese Kirchtürme gibt es in jedem Kaff, und der hier ist auch noch besonders schmucklos. Aber man hat das Dorf Graun um ihn herum abgerissen und die Gegend mit der Aufstauung des Reschensees geflutet. Jetzt steht der blöde Kirchturm allein im Wasser, und alle wollen ihn sehen. Weniger ist mehr, könnte man sagen. Versenken ist sexy. Vielleicht sollte man Manhatten oder Frankfurt auch fluten und nur einen Wolkenkratzer stehen lassen, wenn diese Krise die Wirtschaft platt macht, dann kann man gegenüber ein Cafe bauen, einen teuren Parkplatz, und dann hat man noch was davon. Eine Sensation. Der letzte Bankenturm, und im Cafe gibt es dann echtes Fingerfood und Prosecco nach dem Motte "Essen wie 2007 vor dem Untergang". Mit ein paar Hungerbildern auf Erklärungstafeln neben dem Fernrohr, eine Minute für zwei Kartoffeln: "Besonders schlimm waren alle dran, die an die Stabilität der Euroregion geglaubt hatten".

Teil 2.
Teil 4.

... link (29 Kommentare)   ... comment


Und nun ausgewählte Wetterwerte aus Deutschland

Hamburg, starker Regen, 9 Grad.



Emden, Regen 10 Grad.



Berlin, Regen, 11 Grad.



Köln, leicher Regen, 12 Grad.



Dresden, starker Regen bei 9 Grad.



Stuttgart, Regen, 15 Grad



München, stark bewölkt, 15 Grad.



Chiemsee, längere sonnige Abschnitte, 19 Grad.

... link (25 Kommentare)   ... comment



: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Sonntag, 26. Oktober 2008

Vorschau

Der Antikmarkt in Pfaffenhofen war heute sicher nicht weniger mit Luxusgütern, mit Geschirr, Schmuck, Bildern und Möbeln gefüllt als sonst auch immer. Ich weiss das, weil ich das ein oder andere erworben habe, das sich daheim auch gut macht. Aber nachdem ich durch den Nebel dorthin gefahren war, kam mir alles so furchtbar erbärmlich, so kurznach45 vor.



Es gibt Tage, da sieht man nur das Schöne, an anderen Tagen auch das Obskure, das Burleske oder das Verruchte. Diesmal war es nur die Armut, die mir ins Auge fiel, die vielen Relikte von Lebensstilen, die keinem gefallen können und die dennoch nicht so weit weg sind, wie man glauben möchte. Es ist eine gute Übung für den Schwarzmarkt, und man hat heute noch Auswahl. In was soll man auch geklaute Kartoffeln transportieren? In Guccitaschen oder TheBridge-Koffern?



Und über all dem das Grau des Himmels, der Luft, der Farben. Ein Tag, den man mit Beiträgen wie diesem im Guardian Telegraph beschliessen möchte, der klipp und klar von Kapitalflucht aus Österreich spricht. Ein Tag, der gegen Nachmittag aufhellt und gleich wieder im Bodennebel ersäuft. Und dabei ist es nicht überall so, ab München scheint die Sonne, und deshalb geht es danach nur heim, um die Verwandschaft zu holen und



mit dieser Aussicht gut zu speisen. Auf dem Behindertenparkplatz steht der Gallardo Spider eines schwer verletzten Profifussballers, Blagen ohne Manieren werden von Eltern ohne Haltung nicht zur Ordnung gerufen, die Welt ist aus den Fugen, aber das Essen ist vorzüglich, und danach, nach der Dämmerung, zieht sich das helle Band der Milchstrasse über das vollkommen klare, endlose Firmament, durch das Sternschnuppen rasen.

... link (35 Kommentare)   ... comment



: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Samstag, 25. Oktober 2008

Zwei Tage im Herbst II

So von uns aus gesehen hatten die Leute im hohen Mittelalter, die Stams gestiftet haben, damals einen anderen Zeithorizont. Erlebnishorizont sowieso. Für die war der Tod und das danach noch der Hauptakt, nicht nur Deckel zu und Schluss. Ich war mal auf der Beerdigung von einem Ex-Kollegen. Grosses Tier in der New Economy. Einer von der Sorte, die immer auffallen wollten. Skilehrer-Haider-Typ, ja. Kennt man. Der kam auch aus Österreich und hatte diese schneidige Art, ging über Leichen und sagte seinen Leuten, wenn sie es nicht packen, sollen sie Tabletten fressen. Die Macher, die um 2 vom Golfen in die Arbeit kommt und behauptet, auf einer Besprechung gewesen zu sein. Dem hat einer die Verantwortung für ein paar Dutzend Leute übertragen, und er hat alle beschissen. Ausgenutzt, ausgepresst, gefeuert, zurückgelassen. So einer. Der starb im Winter, als ich in Berlin war, es wurde nie ganz bekannt woran, es ging ziemlich schnell, und ich bin extra nach München, um zu sehen, dass er wirklich tot ist. Der wurde am Nordfriedhof begraben, die Aussegnung war in einem sagenhaft hässlichen pseudobyzantinischen Rundbau, die Musik kam von der CD, und das Grab war klein, hässlich und unscheinbar. Irgendwo weit hinten, wo sicher kaum einer kommt. Ich muss heute nachdenken, damit mir überhaupt noch sein Name einfällt. Ich mein, ich hatte allen Grund, dem den Tod zu wünschen, aber die Beerdigung war so mickrig, da wird so einer dann echt egal. Da hat Stift Stams als Grabmal irgendwelcher Tiroler Herzöge schon mehr Niveau.



Da unten in der Kirche liegt auch Bianca Maria Sforza, die zweite Frau von Kaiser Maximilian I. Zu den Sforza könnte man viel sagen. Die waren im 14. Jahrhundert noch Subproleten, Strauchdiebe, dann Söldnerführer und am Ende Gewaltherrscher über Mailand, so eine Art Berlusconi des späten Mittelalters. Reich, mächtig, aber nicht gesellschaftsfähig. Obwohl die italienische Renaissance voller Mörder war, hatten die noch einen extra miesen Ruf, selbst unter Verbrecherkollegen. Der Ruf der Sforza war noch übler als der von George Bush, und der Übelste namens Ludovico Sforza war der Onkel von Bianca, und liess ihren Vater und Bruder meucheln.

Ludovico wollte als Herzog von Mailand anerkannt werden, und um beim deutschen Kaiser Maximilian Einfluss zu bekommen, stattete er Bianca mit einer immensen Mitgift aus, die Maximilian nicht ablehnen konnte: 400.000 Gulden in Cash und 40.000 Gulden in Assets. Bianca war praktisch das Incentive und zugleich Risikokomponente beim Package Deal, denn Maximilian beschwerte sich bald über ihre Dummheit. Das Ende der Geschichte war, dass er sich mit einer anderen vergnügte und seine Frau mitsamt Begleitung verpfändete, wenn er mal wieder Schulden hatte. Zum Glück gab es damals noch keine Margin Calls, die ihn zum Nachschiessen verpflichtet hätten. Als Bianca dann wie eine übedrehte Managergattin an Magersucht 1510 starb, wurde sie nicht in Innsbruck, sondern in der zweitrangigen Grablege Stams bestattet. Kostengünstig, versteht sich. Maximilian starb neun Jahre später in einem bankrotten Land zu Füssen eines enormen Schuldenbergs, so eine Art Greenspan seiner Epoche. Der barocke Prunk über dem Grab seiner ungeliebten Cashcow und die Reliquien sind barocke Zutaten.



Ja, ich weiss, es ist nicht nett, das so zu erzählen, aber das war damals so und ist heute auch nicht recht viel anders. Ich mein, die hatten damals noch keine Rechner und nicht die Instrumente, aber schon damals wusste jeder, dass es so nicht auf Dauer gehen würde. Trotzdem haben sie es gemacht, nahmen zu viele Schulden auf, hatten enorme Hebel, mussten Assets an die Fugger und Welser zu Schleuderpreisen verkaufen, und am Ende zahlte es der Steuerzahler. Das ist immer so.

Der einzige Unterschied zu heute ist, dass die Schweiz damals keine sicheren Banken hatten, und die Untertanen nicht einfach mal dort Konten aufmachen konnten. Ich stehe da in dieser Kirche vor all dem Prunk wie aus dem Traum einer Hedgefondsmanagerexgattin, und obwohl ich mir blöd vorkomme, in die Schweiz zu fahren, wird mir klar: Das ist wirklich das einzige, was sich geändert hat. Ich habe diese Möglichkeit. Und damit ich sie nicht zu sehr habe, begrenzen meine Herrscher die Mitnahme von Geld auf 10.000 Euro. Mein Auto, der Reschenpass und 10.000 Euro ist der Fortschritt von 500 Jahren ansonsten gleichbleibender Finanz- und Beherrschungsgeschichte. Die Ösis verlangen für ihre Strassen sogar wieder Maut.

Es wird Zeit, dass ich weiterkomme. Es ist einer der Tage, da tut mir Nachdenken nicht gut. Ich setze mich wieder in den Roadster und mache das Radio an. Meine Rolex sagt mir, dass ich noch zweieinhalb Stunden habe, bis sie in Müstair wieder aufmachen. Die Wiener Börse macht dagegen den klammen Maximilian und zu: Sie stellt den Handel ein, weil die Banken wegen ihrer Verstrickung in Ungarn kippen. Ein blöder Ö3-Moderator befragt einen blöden Wealth Manager, was man tun kann. Der meint, man solle bald wieder einsteigen. Kein Wort über Flucht in Fremdwährungen, als ich von der Autobahn runterfahre und Richtung Meran und St. Moritz abbiege.



Gleich dahinter beginnt der Landecker Tunnel, der Empfang bricht ab. Kein Gestammel über kapitalbasierte Rente, Lebensversicherung und Derivate mehr. Ich frage mich, was eigentlich passieren würde, wenn wirklich einer sagen würde: Ja, wir sind am Ende. Ja, das wird ganz schlimm. Am besten, man geht in eine klassische Fluchtanlage. Dahin, wo russische Oligarchen, kroatische Mafiosi, deutsche Mittelständler und amerikanische Kunstsammler oder die sich so nennen gehen. Vermutlich würden sie den Sender abschalten und die Grenzen dicht machen.

Vor ein, zwei Wochen, gleich nach der Lehman-Pleite, haben sie in Deutschland entlang der Grenze massenhaft Leute rausgezogen, aber nicht verraten, wieviel sie dabei an Geld mit unklarer Herkunft, so heisst das heute, gefunden haben. man will ja keinen auf Gedanken bringen. Ich lege die Missa Solemnis ein und rausche durch die schwarze Röhre, Richtung Süden, und auf dem Beifahrersitz liegt die braune Aktentasche. Das Geld ist sicher, sagt die Bundeskanzlerdastellerin. In der Schweiz, sage ich.



Benedictus qui venit, grölt der Chor gegen die Tunnelwand in das Dröhnen des Motors.

Teil 1.
Teil 3

... link (100 Kommentare)   ... comment


Perverses zum Frühstück

we have seen the near collapse of the world's banking system.
Gerald Beeson, Citadel COO

For the banks, it is cheaper to give away houses than to knock them down.
Andrew Clark, Guardian, über Detroit

I say "agreement" here, but in fact the banks had little alternative, since Gyurcsány made it plain to them that if they did not agree then legislation would be introduced to enforce the government package.
Hungary Economy Watch, über die Abwicklung der Kredite in Schweizer Franken


Besonders der letzte Beitrag ist wichtig für alle, die entweder in Bayern oder Österreich wohnen, und/oder auf die eine oder andere Art Schweizer Franken haben - er erklärt, warum in den nächsten Tagen und Wochen ein paar Volkswirtschaften Abermilliarden in Schweizer Franken investieren werden, um den Risiko ihrer eigenen Währungen und der Kredite in Fremdwährung zu entgehen. Kredite von Banken, die vor allem aus Österreich oder Bayern kommen, und die einen guten Teil des Risikos und der Verluste tragen werden (Kann das mal jemand dem Seehofer sagen? Betroffen ist vor allem die BayernLB, die über ihre Töchter Hypo Alpe Adria und MKB Bank von den Ungarn gezwungen wird). Der zweite Beitrag liest sich nachgerade pervers, wenn man in einer total von der Autoindustrie abhängigen Stadt lebt, deren Problem immer noch die Beschaffung von Arbeitnehmern ist, und deren Immobilienpreise seit Jahren keine andere Richtung als nach oben kennen. Der erste Beitrag ist dann auch eine gute Erklärung, warum Frankfurt demnächst billiger sein wird, und zwar nicht nur wegen der Nachbarschaft zu hessisch MoTown Rüsselsheim.



Kann es sein, dass die Rückabwicklung der Globalisierung all jene besonders straft, die sich ihrer Instrumente allzu bereitwillig bedient haben?

... link (39 Kommentare)   ... comment



: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Samstag, 25. Oktober 2008

Bank closing Friday

Oh, eine Bankenschliessung mal wieder. Hatten wir länger nicht. Sind ja nur läppische 350 Millionen Dollar Einlagen. Die hatten eine nette Beschreibung, drüben bei Alpha Bank & Trust:

Alpha Bank & Trust was born of an inspiration to create exceptional banking experiences. Early in our development, our directors met to forge a set of Vision Mission and Value statements that guide our every action.

dem ist nichts hinzuzufügen.

... link (3 Kommentare)   ... comment


Lachen in Zeiten des Untergangs

Gerade diese positive Eilmeldung im Handelsblatt gelesen:

US-Futures auf Dow und S&P 500 erreichen nach hohen Verlusten "Limit-Down"-Grenzen – Weitere Verluste sind damit ausgeschlossen

Ist das nicht toll? Die weiteren historischen Schlagzeilen, die ähnlich freundlich sind:

"HMS Titanic erreicht den Meeresboden in 4000 Meter Tiefe - endlich unsinkbar!"

"Phaeton in Klagenfurt von Betonpfeiler zum Halten gebracht - keine weitere Gefahr für besoffene Fahrer!"

"Nach Hyperinflation wird die deutsche Währung abgeschafft und durch Rentenmark ersetzt - Inflation auf alte Geldscheine damit ausgeschlossen!"

"Barbaren erreichen brandschatzend das Kapitol - weitere Plünderung der Ruinen unwahrscheinlich!"

Man sieht: Man muss es einfach positiv sehen. Weiter mit Weltuntergang.

... link (11 Kommentare)   ... comment


Zwei Tage im Herbst I

Ich trinke Tee. Dabei schreibe ich noch eine Mail an Iris, also, ich schreibe sie fertig, weil gestern bin ich zu früh eingeschlafen, und vielleicht kommt sie, wenn ich auch wieder da bin. Vielleicht bringt sie auch Susi mit in ihrem Maserati, oder sie nehmen den SL von Susis Vater, wenn der Maserati mal wieder nicht geht. Der Maserati geht eigentlich nie. Der Ex von Iris hat immer gesagt, man braucht zwei Maseratis, einen zum Repaieren und einen zum Fahren. Jedenfalls wäre es schön, wenn Iris hier am Tegernsee vorb eikommt, wo ich wohne. Wohnen, wo sich andere den Urlaub nicht mehr leisten können.

Also, das ist natürlich gemein, aber es stimmt auch. Weil da diese Finanzkrise ist. Ich bin der letzte Mensch, der freiwillig um 7 aufsteht, das habe ich schon in der Schule gehasst, aber heute ist es so weit. Es ist sieben, ich habe meinen Tee getrunken, und bin fertig angezogen. Ich trage eine schwarze Rolex Oyster Perpetual, flache italienische Schuhe, eine optimistisch leichte Sommerhose, ein Hemd von van Laack, einen Pulli von Ferraud, Pekarilederhandschuhe von Roeckl, einen schmale, braune Aktentasche mit Pass, einer notariellen Vollmacht, einem Umschlag mit etwas Geld, und einen Dreitagebart. Man könnte glauben, ich fahre an den Yachtclub Tegernsee. Da könnte ich am Sonntag mit Iris hingehen. Der wird ihr gefallen, ausserdem gibt es da Fischgerichte. Gleich nebenan ist nämlich auch der Fischer vom Tegernsee, der hat auch Austern und Hummer und sowas. Ich mein, ich sehe wirklich nicht aus wie jemand, der in die Schweiz fahren muss, um sein Geld zu retten. Ich hätte auch nicht geglaubt, dass ich das in diesem Jahrhundert tun würde. Aber es ist kurz nach sieben, und es geht los. In diesem Scheissjahrhundert-



Nein, ich glaube es auch nicht, als ich den Wagen aufsperre. Wenn mir einer vor zwei Jahren gesagt hätte, dass ich jetzt in die Schweiz fahre, um dort ein Konto zu eröffnen, hätte ich ihn ausgelacht. Ich mag die Schweiz ja nicht besonders. Es ist so: Wir sind da früher oft durchgefahren, und die waren immer sehr nett, wenn wir da abgestiegen sind, wo mein Vater immer mit seinen Kollegen vom Verband waren. Aber als ich mit dem Tourenrad aus Frankreich zurück kam und die gleiche Karte wie mein Vater dabei hatte, wollten sie mir das Zimmer trotzdem nicht geben. Obwohl ich reserviert hatte und es schon ziemlich dunkel war. Dort nicht und wonaders auch nicht. Sowas passiert nur dort. Die haben Luxuspreise und dazu die Manieren von Slumbewohnern in Los Angeles. Seitdem meide ich die Schweiz.

Ich fahre hinunter ins Tal. Vorbei am See, der sich in Nebelschwaden verliert. Vorbei an St. Quirin, Tegernsee, Rottach, vorbei an Yachten und Trachtengeschäften, Luxushotels und Holzhäusern. Ich bin allein auf der Strasse, nur ein paar Schulkinder stehen an den Haltestellen. Vielleicht um sich in das Gymnasium Tegernsee bringen zu lassen, das schönste Gymnasium Deutschlands, wo die Kinder der Leute lernen, die in den letzten Wochen Abermillionen verloren hat. Ich kenne kaum einen, der nicht draufgezahlt hat, egal wie reich. Irgendwas Giftiges hatte jeder. Wen es nicht bei den Aktien erwischt hat, hat bei den Rohstofffonds draufgezahlt. Gewinnen heisst nicht verlieren, und deshalb fahre ich in die Schweiz, den Achenpass hinauf, entlang des Achensees, und hinter den Bergen geht die Sonne auf, als wäre nichts geschehen. In Schwaz halte ich bei Podevilla an, die haben schon auf, Frischkäse und Brot und ein paar Trauben . Als ich das Radio einschalte, sagt die Moderatorin schon, dass es ein schlimmer Tag ist. Verluste überall. Naja, es war abzusehen. Das ist der schlimmste Tag dieses Jahres, und mn muss zufrieden sein, wenn man überhaupt noch durch das Inntal Richtung Reschenpass und Schweiz fahren kann.

Wenn ich noch vor 12 in der Schweiz sein will, muss ich rasen. Und ausserdem gleich nach dem Reschenpass Richtung Zuoz, statt weiter ins Val Müstair, wo ich eigentlich hin will. Zuoz mag ich nicht, da haben sie die Söhne vom B. ins Internat gesteckt, wo sie sich auch nicht besser entwickelt haben. Zuoz hat einen blöden Klang, nach reich und dumm. Der Ort kann natürlich nichts für die Schule. Aber die Geschichte vom B. und seinen Söhnen muss ich auch mal erzählen. Das war so, wie es bei uns ist. Ja, also, Mittags jedenfalls machen die Banken zu, danach haben sie bis um 6 Uhr offen, also lasse ich mir lieber Zeit und denke mir hinter Innsbruck, jetzt halte ich an. Ein Schild weist auf Stift Stams hin, das ist so ein barockes Kloster auf der anderen Talseite, da fahre ich hin und parke hinter dem Eingang.



Vor mir ist der Klostergarten. Darin ist eine alte Frau, die rumzupft und mich böse anschaut, als ich aussteige. Ich sage Grüss Gott, aber sie reagiert nicht, und fummelt weiter an den Pflanzen rum. Die kann das. Der Garten ist wirklich sauber und ernährt einen Menschen durch das Jahr. ich hätte vielleicht auch lernen sollen, solche Gärten anzulegen. Irgendwas zu züchten, Rüben, Rauke, Salat, Tomaten, so Zeug. Vermutlich weiss die Alte gar nicht, dass es eine Krise gibt. Im Radio haben sie gerade gesagt, dass die österreichische Börse geschlossen wurde, weil die Verluste zu hoch waren. Da ist den Banken die Ungarnkrise ins Gesicht geplatzt. Schon übel. Aber der Alten ist es egal. Und ich kann jetzt nicht auch noch uralt werden ind das Gärtnern lernen. Die bleibt dain ihrem Garten, ich mache mich wieder auf den Weg. Ist eine ziemlich einsame Flucht, dieses Fahren in die Schweiz. Und was die im Radio erzählen, ist einfach nur blöd. Die haben keine Ahnung. Sonst wären sie längst auch auf dem Weg zu den Schweizer Franken.

Teil 2.

... link (41 Kommentare)   ... comment



: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Freitag, 24. Oktober 2008

Real Life 23.10.08 - Prinz, P***a und Prozente

Habe ich dir nie vom Cousin meiner Mutter? Nein? Also, der Cousin von meiner Mutter hatte auch Asthma, und dem waren sie auf einer Feier. Dann bekam er mittendrin einen Anfall. So richtig schlimm, vermutlich klang er wie du. Jedenfall ging der Cousin von meiner Mutter dann nur auf den Balkon, um frische Luft zu holen, und als er nicht zurückkam, gingen sie nach 10 Minuten nachschauen, und da lag er dann tot rum. Erstickt an einem Hustenanfall. Also jammer nicht wegen den Nebenwirkungen, Helmut weiss genau, was er dir gibt.

Liebe Susi, bei uns wird gestorben, indem das beim einem Ohr rein und beim anderen wieder hinausgeht.



Ich will weder hier rumliegen, noch dieses zeug nehmen und schon gar nicht von Todesfällen hören. Nicht in dieser Lage. Wenn Du mir einen Gefallen tun willst: Schau mal bitte bei Marketwatch nach dem Dow Jones.

Steigt. Übrigens ist Franziska in der Stadt.

*Hust* Ach?

Völlig durch den Wind, schlimmer als du.

Franziska war nie anders.

Du wirst es überprüfen können, denn sie bleibt hier. Man soll es nicht für möglich halten, aber sie hat ihren Job gekündigt, Paris verlassen und bleibt jetzt erst mal hier.

Was ist los? Hat P***a eine Absatzkrise? Kommen nicht mehr genug Russen nach Paris?

Also, es war so: In ihrer Filiale hatten sie Staatsbesuch aus den Emiraten. Ein Mann, ein Sekretär, drei Diener, zwei komplett verscheierte Frauen und 10 Leibwächter, die schon vorher den Laden gestürmt und die anderen Kunden rausgedrängt haben. Dann kam der Prinz, und seine Frauen nahmen, was ihnen gefallen hat. Das Übliche, während der Prinz irgendjemand über sein Handy zusammenstauchte. Nach einer Stunde hatten sie dann alles beisammen, bekamen die Rechnung - und der Prinz war nicht einverstanden. Er wollte Prozente. 50 Prozent. Franziska darf das nicht bewilligen, also weigerte sie sich, und die Siskussion wurde sehr schnell sehr böse - auch, weil der in seiner Männlochkeit gekränkte Prinz seine Leibwächter die Debatte führen liess. Am Ende zogen sie ohne Tasche, aber unter Drohungen ab, Franziska war am rande des Nervenzusammenbruchs, der Laden war verwüstet, und ein paar Tage später kam urplötzlich die Mitteilung, dass P***a die Filiale schliesst und Franziska einen Job im Hintergrund bekommt - wenn sie will und Gehaltseinbussen akzeptiert. Was man ihr geraten hat, denn sonst könnte sie Probleme haben, in diesem Bereich jemals wieder eine Stelle zu finden. Und jetzt ist sie wieder da.

Sag ihr einen schönen Gruss, das ist der Ölpreis, der die Saudis gerade so unausstehlich macht, und in einem Jahr bekommen sie dann P***a auf den Ramschflohmärkten des 13. Bezirks, die sie sich dann gerade noch leisten können, wenn sie mit dem Charterflug kommen. In einem Jahr *HUST*

In einem Jahr bist du tot, wenn du nicht endlich liegen bleibst.

... link (16 Kommentare)   ... comment


Empfehlung heute - Fight to die another day

Lest bitte diesen Beitrag bei egghat über die Derivate, die in der WestLB stecken.

Lest dann bitte diesen Beitrag bei Bloomberg über die aktuellen Probleme der Derivateabwicklung.

Und dann lest bitte die weitergehende, zugegebenermassen schwer verständliche Weiterführung bei FT Alphaville.

Dann wisst Ihr das, was sich in ein, zwei Wochen in den deutschen Medien zaghaft andeuten wird. Im Kern: Das 500-Milliarden-Paket zur Bankenrettung wird nicht ausreichen, wenn die Derivatenpleite ins Eigenkapital knallt. Und sie wird knallen, weil eine Rezession die Derivate platzen lässt.

Ich glaub, mir ist schlecht, und es sind nicht die Medikamente.

... link (31 Kommentare)   ... comment



: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 23. Oktober 2008

Empfehlung heute - Leichte Geschäfte

Wer wissen will, wie Ratingagenturen die Krise mitverursacht haben, sollte sich diesen Beitrag bei Big Picture anschauen, inclusive dieses Chats zweier Standard & Poor´s-Mitarbeiter:

Rahul Dilip Shah: btw: that deal is ridiculous

Shannon Mooney: I know right ... model def does not capture half of the risk

Rahul Dilip Shah: we should not be rating it

Shannon Mooney: we rate every deal

Shannon Mooney: it could be structured by cows and we would rate it


Und jetzt alle: Zieh Dich aus, kleine Maus, mach Dich nackich...

... link (11 Kommentare)   ... comment


Das stinksaure Lüngerl des Don Alphonso

Die Männer und viele Frauen meiner Familie kennen zwei Arten des körperlichen Befindens: Kerngesund und tot. Entsprechend überflüssig ist der Berufsstand der Ärzte, und ein in diesem Stammsitz oft kolportierter Spruch lautet auch: Bevor ich zum Arzt gehe, sterbe ich lieber. Tante Babl zum Beispiel starb vorzeitig an einer vollkommen banalen Grippe, weil sie auch im Winter Holz hackte und keinen Quacksalber sehen wollte. Ich mag Menschen mit Prinzipien. Und ich war infolgedessen das letzte Mal bei meinem Hausarzt, als ich ein Attest für eine Profitauchschein gebraucht habe. Wir haben einen Arzt im Clan, und der hat sich mittlerweile damit abgefunden, dass ihm alle die Bude einrennen - ausser seiner Familie. Es is wias is, pflegte meine ärztehassende und auf Hausmittel schwörende Grossmutter zu sagen, und sie hatte natürlich wie immer recht, selbst wenn ihre Tochter - meine Frau Mama - aus der Art geschlagen ist, die uns nun schon seit Jahrtausenden erfolgreich jeden Quacksalber meiden lässt. Gestern jedenfalls wurde ich aufgefordert, gefälligst meinen Job unter anderen Workaholics zu verlassen, weil sie das Pfeifen in meiner Lunge nicht mehr ertrugen. Und heute hatte ich einen von meiner Mutter erzwungenen Termin beim Arzt des familiären Misstrauens.



Ich hasse es, krank geschrieben zu werden. Meine Laune ist entsetzlich. Und weil ich miserabel drauf bin, werde ich jetzt einigen Leuten, die ich ohnehin für nicht gesellschaftsfähig halte, Web2.0-Idioten, Internetcretins, Netzunwesen, all den Arschgefickten Nullhirnern da draussen etwas sagen, was ich eigentlich schon seit Tagen loswerden wollte: Mit sowas wie Euch über Bücher zu reden, wäre wie mit der dreckigen Wildsau über Kölnisch Wasser zu parlieren. Mein Grossvater hat die Viecher einfach abgeknallt, ich bin ziviliserter und sage einfach: Wer mit 25 weniger als 1000 Bücher hat und sie nicht liebt, soll seine stinkende Fresse halten.

Es ist nämlich so mit dem Buchgeschäft: Die Buchkäufer sind in diesem Land im Gegensatz zu den Netzdeppen in der Minderheit. Ein Blick zu Rivva.de reicht um zu erkennen, dass sich struktureller Analphabetismus und das Füllen eines Blogs keinesfalls ausschliessen muss, von Foren, StudiVZ und Spiegel Online ganz zu schweigen. Selbst Berliner Prekariatsanhängern und BWL-Studenten, die sich RSS-Junkies schimpfen, sind offenkundig in der Lage, die Eingabenmaske eines Blogs mit ihren Visionen von E-Readern zu füllen. Und warum? Weil sie offenkundig nicht viel mit Büchern zu tun haben, wie viele andere, die sich mit hohem Suchtrisiko im Netz rumtreiben. Weil sie ausserhalb des Marktes stehen. Sie können die Freigabe von "Buchinhalten" propagieren, weil sie keine Kunden sind. Sie sind allenfalls Büchernutzer, sie müssen für ihre Schmalspurscheine in eine Bibliothek und hätten gern in jedem Buch eine Suchmaske, um die Sache abzukürzen. Man kann sie freundlich als erzwungenermassen bildungsangenäherte Schichten bezeichnen, wenn man nicht lieber zu Begriffen wie geistiges Subproletariat greift.

Sie verstehen nicht, dass der abendliche Pornodownload etwas anderes ist, als das Konzept Lesen. Angebote für diese Leute wären längst auf dem Markt, haben keinen Erfolg: Gestern bin ich an meiner alten Wohnung in München vorbeigekommen. Schräg gegenüber ist einer der deutschen Marktführer für E-Bücher. Er ist dort nun schon seit 9 Jahren. Immer noch die gleichen vier Zimmer. Immer noch das gleiche Programm für Leute, die man ohnehin nicht in einem Buchladen treffen würde. Immer noch Hinweise auf Kostenvorteile, die nicht angenommen werden. 1999 haben ein paar Business Angels in die Butze ein paar Millionen gesteckt, die sie längst abgeschrieben haben. Was dagegen wirklich bei denen gekauft wird, die zu faul sind, ein Buch in die Hand zu nehmen, sind Hörbücher. Und was ebenfalls gut ankommt, sind Downloads von Büchern zum Thema Software, die man in Massen bei Torrent-Netzwerken findet. Ob das aber gelesen wird, ist nochmal eine andere Frage.

Eine Frage, die vielleicht die Verlage von BWL-Literatur und für andere, selten genutzte Fachliteratur betrifft. Bei BWL arbeiten die Professoren, die das stupide Büffeln schätzen und das Buch als Vorgabe ihrer Lerninahlte betrachten. Es gibt ein paar Disziplinen, die für diese Art der Wissensaufbereitung anfällig sind; eine Art, die im Kern seit der mittelalterlichen Wissenstradition unverändert ist. Was dem Quacksalber des 18. Jahrhunderts seine Vier-Säfte-Lehre war, ist dem Staatsjuristen sein bräunlicher Carl Schmitt und Neoliberalala seine hysterische Ayn Rand. Glücklicherweise gibt es auch noch Denkschulen, die offen sind, und Fächer, die nach übergreifenden Ansätzen verlangen. Man könnte sich in meinem Fach natürlich mit Schlagworten versehene Fachbücher zum Thema Kutrolf runterladen, und Fundorte und Datierungen anzeigen. Aber ohne die Geschichte des Weins in Mitteleuropa, ohne Warenströme, ohne Darstellungen in der bildenden Kunst und Erwähnungen in der Literatur wäre das alles sinnlos. Wissen ist nie eine gerade Linie, es entsteht durch Überschneidungen, Vergleiche, Antithesen und Unschärfen. Wissen entseht nicht durch Download, sondern durch das willkürliche Greifen in das Bücherregal, und nichts regt dazu so sehr an, wie eine Bibliothek.

Es überrascht mich nicht, dass solche E-Book-Thesen gern in Blogs vertreten werden. Blogs, die für sich eine gewisse Leitbildfunktion in Anspruch nehmen, sie immer schnell dabei sind, den neuesten Hype auszurufen und nur eine Zukunft, aber absolut keine Vergangenheit, keine Geschichte kennen. Blogs, bei denen ich mir wirklich Mühe geben muss, nicht dauernd an das HJ-Lied zu denken, das ähnlich dummdreist eine beschissene neue Zeit ausruft. Blogs, deren Raushaugeschwindigkeit so hoch ist, dass ich deren Autoren jede Fähigkeit zum Erfassen längerer Texte in Abrede stellen möchten. Wer so sein Blog zuklatscht, hat einfach keine Zeit, sich freiwillig dauerhaft auf Bücher einzulassen. Und das ist auch der Grund, warum ich es ablehne, solche Leute als Diskussionspartner zu akzeptieren: Sie reden die Scheisse der Ahnungslosen über einen Markt, an dem sie nicht teilnehmen. Es sind Gruschler auf der Resterampe des Geistes, für die 20% Rabatt wichtiger sind als der Inhalt, und die von ihren 367 Gigabyte ungehörter Musik auf der Festplatte darauf schliessen, wie toll sie lesen könnten, wenn sie alle Bücher auf ihrem Reader hätten. Dabei hätten sie längst anfangen können: Gutenberg.de ist voll mit readertauglicher Literatur.

Ich bin Marktteilnehmer. Ich kaufe und lese pro Jahr zwischen 120 und 200 Bücher. Ich habe die Zeit, weil ich keine Glotze habe. Ich bin das, was man als "bibliophil" bezeichnet. Für den Buchmarkt bin ich ein Schwergewicht. 20% der Deutschen kaufen 80% der Bücher - und wenn jemand über das Wohl und Wehe der Verlage entscheidet, dann sind es diese 20%. Es sind nicht die modernsten Menschen, sie sind nicht frei von Dünkeln, aber sie sind eine Elite, die ihren Status materiell durch den Griff ins Regal und immateriell durch Wissen begründen kann. Es sind Menschen, denen es nicht reicht, die drei wichtigsten Titel bei Amazon zu kennen, oder das immer gleiche Spezialwissen aufzufrischen. Man kann diese Menschen seltsam finden, wenn sie wie ein Penner aussehen und Bücher für ein par zigtausend Euro ersteigern. Man muss nicht verstehen, warum sich manche durch das Kirchenlatein des 18. Jahrhunderts quälen. Rudimentäres Wissen, oder gar Abchecken geht auch mit einem execitive Summary. Aber nicht bei dieser Gruppe, die den Markt der Bücher trägt.

Manche werden sagen, gut, der Don ist selbst Buchschreiber, der muss das sagen. Stimmt - in gewisser Weise. Auch meine Bücher entstanden am Computer. Es ist gut, auf dem Rechner zu schreiben, weil jeder Text ergraut, wenn man ihn auf dem Bildschirm liest. Er wirkt fad, belanglos, einfältig. Der Text verliert nach einer Nacht jeden Zauber, allen Esprit, der Geist scheint verschwunden. Die Auseinandersetzung mit einem Text am Rechner zwingt mich, ihn immer und immer wieder zu überarbeiten, ich bin nie zufrieden, bis ich ihn dann gedruckt in Händen halte. Er liest sich auf Papier immer besser. Ich kenne die Abbruchraten beim Lesen der Bücher nicht, die als Faksimile online stehen, aber am Sonntag fand ich eines dieser E-Bücher, dessen abseitiges Thema mich wirklich anspricht: Ich konnte es nicht lesen.

Vielleicht auch, weil Lesen etwas anderes als sonstiges Digitalentertainment ist: Die krächzende Musik und die Pixel bei Youtube kann man nebenbei rieseln lassen, die Flickr-Accounts klickt man durch und ist gleich wieder weg. Das Lesen langer Texte jedoch verlangt nach einer anderen Aufnahmebereitschaft, und wer diese Konzentration nicht mitbringt, wird mit keinem Text, egal in welcher Form, wirklich glücklich. In meinen Augen sind E-Reader ein Gadget für Vollidioten, die schon jetzt vor lauter Netzhampelei mit Büchern nicht mehr klarkommen und ein neues Stück Technik brauchen, wie die Knipsdeppen, die sich jedes Jahr eine neue Digicam kaufen und glauben, mit 2 Megapixel und dreimal mehr Zoom würde Motivauswahl und Bildauffassung besser.

Es ist nicht die Haptik, die das Buch rettet - es ist der Idiot mit dem E-Reader und kubikmeterweise minderwertiger Gebrauchstaxte, der einen Markt verlässt, in dem auf ihn, pardon, aber das kommt von Herzen, geschissen wird. Er ist der Müllmann der Geistesgeschichte; man schenke ihm ein paar Wichsvideos für sein Gadget, damit er das Maul halte und nicht störe, wenn sich ernsthafte Menschen mit relevanten Themen beschäftigen.

... link (44 Kommentare)   ... comment