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Freitag, 7. November 2008

SM-Himmel

Schlag mich! Martere mich! Gib mir Heiligennamen!



(Aus der beliebten Reihe: Kulturhistoriker belieben zu scherzen)

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Gewissen?

Die SPD in Hessen ist natürlich etwas ungeschickt. Solche Eingeständnisse einer Verräterin in den eigenen Reihen auf der eigenen Website zu veröffentlichen und wieder runterzunehmen, ist suboptimal. Üblicherweise würde man sowas befreundeten Journalisten diskret zur Verfügung stellen, die dann, anders als es die Beihelfer in der FAZ tun, die Fragen stellen könnten, die wirklich spannend sind. Aber wenn sich die Medien weitgehend zur Jagd auf die SPD gleichschalten und erst gar nicht wissen wollen, welche Motive es für den Verrat sonst noch geben könnte, findet man wohl kaum einen Journalisten, der sich dahinterklemmen will und darf. Die schreiben lieber von Gefahr für Leib und Leben, weil der SPD-Mann im Hintergrund mit dem vom Verrat begünstigten Innenminister der CDU übereinkommt, dass Polizeischutz organisiert wird. Keine parteipolitischen und finanziellen Interessen, nirgends.

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Mittwoch, 5. November 2008

Yes we can blackmail

Du hast eine Wohnung am Rande der Berge, gleich oberhalb eines traumhaft schönen Sees. Es ist Anfang November und immer noch sehr warm. Das Wetter ist wunderbar, und du entschliesst dich, heute mit einer Bekannten in ein Kloster zu fahren, das eine Wirtschaft mitsamt Sonnenterasse und einen phänomenalen Blick über die Alpenkette vom Chiemgau bis zur Zugspitze hat. Eine Sonnenterasse, auf der sich fette, alte Münchner an Schweinshaxen vollfressen, bis sie nicht mehr können und der Würgerei überdrüssig die Knödel zurück gehen lassen.



Du setzt dich an den äussersten Rand, denn schön ist das reiche Schauspiel nicht, und entscheidest dich für einen Germknödel. Es dauert ein wenig, weil es trotz Werktag voll ist, aber da ist diese Fernsicht mit 100 Kilometern, an der du dich nicht sattgeaffen kannst. Dann kommt der Germknödel und bildet den ersten Hügel in einer langen, grandiosen Reihe von Bergen voller Wald, Fels und Schnee.



Um das alles perfekt zu machen, erlebst du auch noch einen grandiosen Sonnenuntergang; Du würdest Deine Begleiterin jetzt gerne umarmen, in diesem warmen, satten, alles durchdringenden Licht, das dich aufsaugt mit seinem Glanz,



es zieht dich hinein, entreisst dir den italienischen Namen, das Leben, die Wohnung, den See, den Geschmack des Germknödels, du bist nackt in diesem Licht, es wirft dich auf deine Existenz zurück und obendrein in ein Bett in einem Schwellenland. Genauer, das viertgrösste Schwellenland der Erde, dein Kopf dröhnt noch vom Licht und vom Alk gestern Abend, und langsam fällt es dir ein: Du hast keine Wohnung am Tegernsee und keine Bekannte, die wie Romy Schneider aussieht, du bekommst keine Germknödel und das da vor dem Fenster sind auch keine Berge, sondern die von Favelas umschlossene Hauptstadt Washington. Du heisst Obama, bist seit gestern so eine Art künftiger Diktator, kannst aber im Gegensatz zu den drei grösseren Schwellenländern weder Wahlen kaufen wie die Inder, noch einen Volkskongress einschüchtern wie die Chinesen, und Oligarchen verknacken und Firmen erpressen wie der Putin darfst du auch nicht. Kurz, du bist der Boss eines maroden Landes, und du musst jetzt aufräumen, was dein Vorgänger Idi George Amin Bush an Zerstörung hinterlassen hat; ein paar Kriege, eine angekotzte Welt, und einen Quasi-Staatsbankrott, den Leute angezettelt haben, die dummerweise für deine Wahl gezahlt haben. Du beginnst zu begreifen, dass es eigentlich gar nicht so schlecht wäre, wenn jetzt deine besiegten Gegner, die Alte mit den Glubschaugen oder der Tattergreis die Scheisse angehen müssten.

Gestern warst der Held, heute wollen sie schon, dass du ihnen die fetten Arsche auswischst. Es ist der Tag nach dem Sieg, und die Hauskreditversicherer Ambac und MBIA lassen dich wissen, dass sie zusammen im letzten Quartal über 3,3 Milliarden Dollar Verlust verzeichnet haben. Um das in Relation zu setzen: Die einzelne Ambac-Aktie ist 2,01 Dollar wert, und macht einen Verlust von 8,45 Dollar. Sprich, die Läden sind so fertig und windig wie einer ihrer Subprimekunden im Rust Belt. Leider kannst du sie nicht pleite gehen lassen. Ohne Kreditrisikoversicherung werden Banken keine Kredite geben, und die Wirtschaft wird leiden. Also, das heisst: Was von ihr noch da ist, nachdem tausende Banken durch die Pleite der Versicherer gezwungen wären, die von Ambac und MBIA vertriebenen Derivate mit exakt Null anzusetzen, mit unabsehbaren Folgen für die Weltwirtschaft. Das wird teuer. Zumal jetzt auch wieder das für die Refinanzierung so wichtige Rating wackelt.

Du hängst noch kotzend über dem Waschbecken, da stehen auch schon die Jungs des Autofinanzierer GMAC in der Tür. Eine Hälfte gehört General Motor, die andere dem Hedgefonds Cerberus, dem auch Chrysler gehört. Und siehe da, auch sie haben wegen schlecht zahlender Kundschaft 2,5 Milliarden Quartalsverlust. Wenn die keine Kredite mehr geben - wer soll dann noch einen schrottigen US-Wagen kaufen? Da wird der Staat helfen müssen. Sonst bricht der Staat zusammen. All diese Klitschen sind ziemlich tot, und du musst sie jetzt retten, damit sie im Untergang dem Land nicht den Rest geben. Deren Lage ist verzweifelt, aber deine ist auch nicht besser, wenn du solche Verwerfungen mit vielen Steuermilliarden beheben musst.

Also, es ist der 5. November und du hast die Arschlochkarte in diesem Spiel gezogen, gehe in das Oval Office. Gehe direkt dorthin, gehe nicht über den Biergarten von Kloster Reitberg Reutberg und ziehe keinen Germknödel ein.

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Föhnsturm

Seien wir ehrlich: Ohne den strammen Wind aus dem Süden wäre es heute einfach viel zu heiss.



Grosses Bild hier

Man sagt, es sei die längste Föhnphase seit Menschengedenken.

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Guter Morgen

1985 ging ich in meiner Heimatstadt in die Post, um ein paar englische Bücher abzuholen. Vor dem Gebäude hatten sich ein paar komisch aussehenden Demonstranten aufgebaut, mit antikommunistischen Plakaten, und einer mit offensichtlich amerikanischer Herkunft geiferte mich an: "Wia sin gägen die neue stalinistische Hidler Gorbatschow!" Wie wir erfahren durften, sollte man erst mal abwarten, solange es keine eindeutigen Klogriffe wie Bush, Andropov, Reagan oder Ceaucescu sind.



An dieser Stelle auch ein herzlichen "Fuck you" an die 48% der amerikanischen Wähler, die den Ernst der Lage noch immer nicht begriffen haben und erneut für die Republikaner, ihren Opa und die bigotte Nachfolgekatastrophe gestimmt haben. Hier am Tegernsee ist es wunderschön, es gibt Föhn und jetzt schon über 20 Grad in der Sonne.



Life´s ok.

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Dienstag, 4. November 2008

Pretium laborum non vile

Ein wenig Föhnsturm im Schlosspark Ambras bei Innsbruck















Ich mag diese spezifisch irreale Stimmung, die einem Schlosspark zu eigen ist. Diese Ignoranz der Realität, das Zurechtmachen der Natur, und die Wesen, die davon angezogen werden.

Am Ende dann ein schwarzer Schwan. "Der schwarze Schwan" ist ein im Moment beliebtes Buch über scheinbare Unvorhersehbarkeit in der Wirtschaft, und zu solchen Phänomenen gehört auch, dass seit einer Woche so gut wie keinerlei guten Nachrichten aus der Wirtschaft kommen, und Aktien von Firmen am Anfang der schlimmsten Rezession seit 40 Jahren üppig steigen. Ich habe den Eindruck, dass es vor allem an der begrenzten Sicht der Marktteilnehmer liegt, die Implosion in Irland (da, wo der Staat für kaputte Banken garantieren will) wird so wenig beachtet oder auch nur vermeldet wie die Vollbremsung der ungarischen Wirtschaft. Ryanair bietet ab nächstem Jahr transatlantische Flüge ab 10 Euro an - weil es gerade massenhaft fast unverkäufliche Passagiermaschinen der Konkurrenz gibt, und weil weniger Leute in die USA wollen. Hier kommt sie, die Deflation, und die Aktien frisst sie auch noch, in ein paar Tagen. Oder Wochen. Ausserhalb der Mauern des Schlossparks, in dem gerupfte Pfauen auf Kinder warten, die ihnen für 10 Cent Vogelfutter kaufen, und nicht darauf achten, dass dieser Schwan im Wasser schwarz ist.

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Empfehlung heute - Ich mag Baudrillard

Eigentlich, dachte ich mir heute beim Frühstück, eigentlich hat die Wirtschaftskrise ja auch ihr Gutes. Sie schickt manche Titanen in den Staub, Märkte kommen wieder in ihre Gleise zurück, und ihre Kontraktion sorgt dafür, dass ein paar besonders beschissene Beufszweige demnächst ihre Büttel abwerfen, wie die Bäume da draussen ihre braunen Blätter.



Nehmen wir nur mal die Mediensimulationen, nachgerade im Internet. So Gossenschwemmen wie Spiegel Online, Daytradergeschmiere wie die FTD und noch viele andere. Teilweise natürlich auch Print, man muss nicht weit gehen, um sie zu finden. All die wohlfeilen Strich- und Stricherbuden, deren hugenbergöse Nachgangsgrützlinge seit Monaten andeuten, dass sie jeden Zuwachs der Schwarzbraun helfenden Steigbügelschurkerei bejubeln werden, und es nun - von 0 auf 4 in 65 Jahren - auch ausgiebig würdigen. Das, was ihnen bei Schröder nur teilweise gelungen ist, haben sie jetzt bei der hessischen SPD geschafft, und 4 der heimtückischsten Sozialdemokraten seit Noske dürfen sich nun freuen, bestätigt zu werden. Solange noch Geld für die Büchsenspanner der sog. 4. Gewalt da ist.

Und da schaut es schlecht aus. Wirklich schlecht. Nehmen wir nur mal die FTD, seit Anbeginn ein Verlustbringer für Gruner + Jahr, eine neoliberalalale Heilsverkündigungsklitsche, die nach den eigenen Massstäben als quietschrote Bilanzverschandelung längst in den Orkus gehören würde. Oder unsere Freunde vom Spiegel, die gerade das harte Brot des Auflageneinbruchs in das Maul gestopft bekommen. In Verbindung mit dem Anzeigengeschäft, das schneller fällt, als der Koch einen Umschlag mit jüdischen Vermächtnissen rüberschieben könnte, wird das alles kein Spass. Ja, es trifft sicher auch die Falschen, aber so mancher Richtiger wird unabsichtlich auch vom Markt gestraft werden. Und die PR-Stellen, auf die man sich flüchten kann, sind auch nicht mehr so üppig gesäht. Andere schleimen sicher billiger. Käuflichkeit gehört sowieso dazu. Manche werden unter die Räder kommen, und wie schon 2000 finde ich das gar nicht so schlecht. Damals die New Economy Lügner, heute die neoliberalen Begleitfurzmusikanten.

Ich werde dann immer noch auf meiner Terasse sitzen. Und ich bin mir sicher, dass auch Lübberding dann noch feine Texte über Baudrillard, Gewissen und Verrat schreiben wird. Und das Glas, das ich an dem Tage heben werde, da Hessen entbräunt ist, steht schon in meinem Küchenschrank. Langfristig sind sie alle Haider.

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Dienstag, 4. November 2008

Das lebende Fossil vom Spitzingsee

Man kennt das: In abgelegenen Regionen, nicht weit entfernt von lebensfeindlichen Wüsten und Einöden, wie beispielsweise der in Auflösung befindlichen SchurkengenossenschaRepublik Österreich, überstehen Lebensformen lange Zeitläufe, die sie andernorts längst hinweggespült haben. An der Grenze zu Österreich, in einer deutschen Sackgasse und von einem 1150 Meter hohen Sattel vom eh schon retardierten Schliersee getrennt, befindet sich der Spitzingsee, und an dessen Gestaden wird in einem Cafe ein Apfelrahmkuchen gehalten, den man ansonsten nur noch von Stillleben des 18. Jahrhunderts kennt:



Da ist der hoch überstehende Rand, der früher typisch für Kuchen war, das sind die handgeschnittenen Apfelscheiben, da ist der Rahm, den man heute unter Hungerleiderzwang nicht würde haben wollen, und da ist das Fehlen des Zuckers. Zucker war teuer, deshalb lebt der Kuchen allein vom Fruchtzucker der Äpfel und der Süsse des Honigs. So hat man das früher gemacht, und deshalb glänzen die Kuchen des 18. Jahrhunderts auch so gelblich in den prunkvollen Darstellungen der Tischkultur.



Das Ganze findet sich mit Sonnenterasse und blauweiss bedirndelter Bedienung - inzwischen finde ich diese Tracht gar nicht mehr so besonders, nur hier ist es mir wegen des besonders angenehmen und natürlichen Exemplars aufgefallen - im Cafe Kameter, und selbst, wenn man mich dafür zwischen Ostsee und Main hassen wird: Auf 1100 Meter wurde es heute locker über 20 Grad warm. Der Spaziergang um den Spitzingsee war dann auch nur mit Ablegen des Pullovers zu ertragen. Bei der Gelegenheit habe ich auch das Haus gefunden, in dem man prima einen Roman über die schlechte Zeit schreiben könnte, in der man einen Aston Martin DB7 mit 40.000 Meilen auf dem Tacho für weit unter 20.000 Euro kaufen kann. Allerdings braucht man den hier oben nicht, denn das Haus ist nur zu Fuss zu erreichen, und wozu einkaufen, wenn man zum Cafe rudern kann?



Ein kleiner Nachteil bleibt bestehen: Dieser grandiose Sonnenuntergang liess den See schon kurz nach 3 Uhr in Silber erstrahlen. Toll, wenn man viel zu lesen hat, eine Deadline für einen Roman, oder was immer man sonst so in der Einöde treiben kann. Oder vielleicht doch keinen Roman, sondern Kochübungen nach Grossmuttern Art. Und hoffen, dass auch dieses Jahr der Schnee ausbleibt. Sonst verwandelt sich die Region leider in der Münchner liebstes Skigebiet.

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Liebe SPD,

ich hoffe, dass die hinterhältigen Verräter Jürgen Walter, Dagmar Metzger, Silke Tesch und Carmen Everts aus der hessischen SPD so schnell wie möglich ausgeschlossen werden. Bei der Gelegenheit könnte man noch ein paar andere "Sozialdemokraten", die Köche brauner Suppen unterstützen, gleich auch noch rausschmeissen. Dieses Land und diese Partei brauchen keine als "rechte SPD" getarnte Steigbügelhalter der Baureihe "Zentrum 1933".



Ansonsten kann ich ja inzwischen fast froh sein, mit so einem Blick zum Frühstück am Strandbad in Bayern zu leben, wo die CSU noch viel Platz nach unten hat, die Wähler auch nicht dümmer als in Hessen sind und obendrein die Arschlochquote in erträglichen Parteien niedriger als in Hessen ist. Echt. Ich würde in Hessen nicht leben wollen. Nicht mit so einer CDU und solchen Charakteren in der SPD

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Montag, 3. November 2008

Feueradern

Das sieht nur ein paar Minuten so aus, während sich der Stau von Rottach bis zur Autobahn erstreckt.



Hielte man an, würde man ein paar Plätze im Stau verlieren, also fahren sie weiter, und so bin ich allein am See. Die Menschen sind seltsam: Als gäbe es nichts wichtigeres, als in die Dunkelheit und in die grosse Stadt mit der schlechten Luft zu kommen.

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Updike am See

Als ich noch nicht so viele Bücher und sowas wie eine Ordnung in der Bibliothek hatte, gab es ein einfaches Prinzip der Sortierung: Fachbereiche bei Fachbüchern, und Belletristik nach der Nationalität der Autoren. Jedes System hat bekanntlich seine Lücken und Fehler, der Katalog "Ornamennta Ecclesiae" stand in der Buchmalerei, und der Lemberger Joseph Roth fand sich unter den deutschen Autoren jüdischer Abstammung wieder, wobei ich expressis verbis keine Ecke für österreichische Literatur hatte. Im rechten Bücherschrank oben standen die Amerikaner, viele Amerikaner, unter anderem Poe, Twain, Bierce und die gesamte schwarze Serie von Hammett, Woolrich und Chandler. Auch ohne diese eigentlich unamerikanischen Literaturumtriebe - man denke nur an die Verwendung des Namens Marlowe bei Chandler in Anspielung auf den englischen Dramatiker Christopher Marlowe - übertrafen die US-Amerikaner problemlos die Südamerikaner, wie auch die Italiener, Spanier ohnehin und Russen auch, wobei russische Literatur, nun, also. Wie auch immer, mein Bücherschrank sollte eine gerechte Globalisierung bekommen, meinen Steinbeclk hatte ich schon, und so kaufte ich Amado, Ribeiro, Fuentes und Márquez. Für die Vermehrung der amerikanischen Literatur sorgte dann die Bemusterungsunsitte deutscher Verlage in der Hoffnung auf Rezensionen, der ich einen Haufen angelesener Langeweiler wie D. B. C. Pierre und Siri Hustvedt verundanke; traurige Versuche, die es nach Capote und Maraini nicht mehr gebraucht hätte. Dennoch habe ich heute einen selbstgekauften Amerikaner auf meine bevorzugte Lesebank am See mitgenommen.



Die Erzählungen von John Updike könnten in dieser Welt am See kaum fremdartiger sein. Ich habe mitten im Buch mit der Geschichte "Mein Vater am Rande der Schande" begonnen, bei der man davon ausgehen kann, dass sie autobiographische Züge hat. Ein Sohn, der das Tun und Lassen seines Vaters in den Jahren der grossen Depression betrachtet, den Abstieg der Familie vom provinziellen Bürgertum eines Handelsvertreters vor dem 1929er Crash zum Existenzminimum eines prekären Lehrerdaseins, das durch gelegentliche Griffe in die Schulkasse aufgebessert wird. Keine Geschichte, die in Zeiten wie heute besonders angenehm zu lesen wäre, vor denen der Boom für Wenige schon zu viel Armut und Angst bei den Vielen erzeugt hat, und deren Krise das Problem nochmal verschärfen wird. Als ich Berlin verliess, habe ich noch zu vergleichsweise günstigen BaWAG-Zeiten eine unschöne Überraschung nachgeschickt bekommen; was solche Versorgungsräuber 2008 unter den weniger Glücklichen und schlechter Abgesicherten anrichten werden, mag schon diesen Winter ein unschönes Thema für wirkungslose Leitartikel werden. Die Welt hat viele Sorgen, win paar mehr fallen da nicht auf, wenn der Banker um seine Boni weint und der Kaufstricher der Wirtschaftspresse vor der Einstellung seiner lachsfarbenen Lobbygosse sein Anliegen wortreich mit Verweis auf Leistung, die sich lohnen müsse, unterstützt.



Was Updike erzählt, ist dreierlei: Die Menschen finden sich mit dem Abstieg ab. Sie haben im Abstieg durch den Druck überhaupt keine Chance, sich gegen das System der Krise zu wehren. Und es hilft ihnen keiner, denn sie spielen keine Rolle. Updike schreibt über 20 verlorene Jahre im Leben von Menschen, die für die Katastrophe nicht verantwortlich sind, und dennoch die ganze Härte zu spüren bekommen, bis sie sich notgedrungen, unter Ängsten und Einschnitten arrangieren. Updike beschreibt diese Ambivalenz von Angst und Zuneigung sehr treffend in der Rückschau, und es hilft zu verstehen, warum sich Menschen in Krisen derartig passiv verhalten.

Es gibt in der New York Times einen brillianten und gleichzeitig irrwitzigen Beitrag über die neue Krise, und wie sich die Absicherung von amikanischen Lehrerpensionen über unfähige Berater und skrupellose Banker in Dublin bei einer ehemals und jetzt de facto wieder deutschen Bank zu einer Krise der Bildung in Amerika führt, oder warum diese Finanzkrise die Fahrkartenpreise in New York anheben wird. CDOs waren und sind zwar hochgefährlich, aber ein riesiges Geschäft, dessen Abwicklung einer scheinbar sicheren Welt den Boden unter den Füssen wegzieht. Allen, die von Absicherung und den Kapitalmarkt faseln und Schulen und andere Staatsaufgaben privatwirtschaftlich beteiben wollen, sollte man den Text auf Marmor ausdrucken und um die Ohren hauen. Gleichsam denen, die Lafontaine noch immer pauschal als Demagogen abtun.



Ach, Gewalt. Richtig, das gilt als unfein, wie das Verhaften von Bankmanagern. Das darf man nicht verlangen. Nun, in den USA ist es schon so weit, dass sehr viele Rentner nächstes Jahr sehr wenig Rente bekommen werden, weil ihre Pensionsfonds massive Verluste verspekuliert haben - das wird 2009 ein grosses Thema. Das bedeutet, dass sie sich keine gute medizinische Versorgung leisten können. Und nicht alle, aber im Durchschnitt doch kränker und früher tot sein werden. Wer einen Renter umbringt, der noch eine Woche zu leben hätte, ist ein Mörder. Wer sich grosszügig Boni auszahlt und damit für die Verluste kassiert, deren Folgen andere ausbaden müssne, gilt als Leistungsträger, den man halten muss. Sie können das: Manche wählen ja immer noch FDP und CDU. Manche finden es immer noch niederschreibenswert, wenn sich eine Koalition gegen die Erfüllungsgehilfen der Banker in Hessen findet. Die gleichen, die unfähig sind, Geschichten wie die New York Times zu schreiben; Geschichten, die auch sehr viel über unser Land erzählen, die man hier aber nicht hören will. Man soll sich bittschön mit den Folgen abfinden. In saure Äpfel beissen, und nicht in Kehlen.

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Sonntag, 2. November 2008

1. Juni 2008

Fast.



Es ist, mit einem Wort, heiss.



Man könte fast baden gehen, wäre das Wasser nicht schon kalt. In den Trachtenjankern schwitzen die Einheimischen auf dem Friedhof bei den Gräbern.



Die Cafes am See sind voll, die Parkbänke überbelegt, und träge schieben sich Segelboote durch die flirrende Luft, in der die Mücken tanzen.



Punkt vier gibt es den Tee und Kuchen auf der Terasse. Draussen Wanderer im T-Shirt, drinnen die Frage, ob jetzt die Markise nicht eine gute Sache wäre.



Am Abend dauert es lang, bis die letzten Boote wieder am Steg angekommen sind. Es ist Sommer. Am 1. November.

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Freitag, 31. Oktober 2008

Kleines Stillleben mit Wurzeln, Eiern,

schlechten Aussichten, ohne Glauben und Moral. Morgen beginnt der November.



(Mittelbild hier, Grossbild hier)

Ich habe heute Iris beim Überladen des Familiengrabes mit Blumen und beim Abdecken desselben für morgen geholfen, damit kein Laub darauf fällt. Morgen kommt dann Mama und deckt es auf, damit jeder die sorgsame Pflege sieht und die Familie "ned as Gred" bekommt. Mein Einwand, dass niemand das Gerede bekommen würde und alle das nur machen, weil sie glauben, die anderen würden über sie schlecht reden, obwohl es allen egal ist, wie die Gräber der anderen aussehen, und dass es lediglich ein Beispiel für den aus dem 19. Jahrhundert übernommenen, vorrauseilenden Gehorsam, die Unterordnung unter eine nur noch aus Hülle und Ritual bestehende Spiessermoral sei, wurde mit deutlichen Worten zurückgewiesen; Iris Mutter würde tatsächlich morgen durch die Reihen streifen und schauen, wer Ordnung über seinen Vorfahren hält. Und wer nicht.

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Donnerstag, 30. Oktober 2008

Zwei Tage im Herbst IV

Und wenn man schon daran geht, die Welt zu konservieren, sollte man auch ein paar besonders typische Exemplare in typische Gegend einsetzen und ausstellen. Das pensionierte Studiendirektorehepaar, das mit rotkarierten Hemden um den Haidersee am Reschenpass nordicwalkt. Wenn ich im Berg bin, muss ich immer an mich halten, solche Leute nicht zu beleidigen. Nordic Walker passen hier nicht rein, die sind zu hektisch und marschgeil, die SA unter den Wanderern, die sich nicht mal dafür entschuldigen, wenn sie anderen ihre Stöcke reinrammen. Aber obwohl sie nicht passen, sind sie ein gutes Beispiel für das Ende der klassischen Demographie, für Altershektik und den von ihnen mitverantworteten Niedergang des Kapitalmarkts.

Früher starben die Männer mit 67 am Herzinfarkt, die Frauen sassen im Cafe, pflegten ihre Hypochondrie und setzten die Rendite ihrer Bundesschatzbriefe in Torte um. Heute walken sie nordic, schieben ihr welkes Fleisch in Saunen, die teurer sind als der Eintritt in einen FKK-Club, und reden über die Stars der Private Equity Szene, wie man früher allenfalls über Turn und Taxis geredet hat. Die Krise, die mich in diese Alpentäler bringt, ist eine von jungen Versagern in London, Frankfurt, Dublin und New York produzierte Katastrophe, aber bezahlt haben sie alte Herrschaften, die es sich leisten können. Die Erben, denen man nicht nimmt. Die Abgesicherten, die Profiteure des letzten echten Aufschwungs bis in die 70er Jahre. Der typische Spekulant ist kein junger Schleimbatzen, er ist alt, sehr alt und immer im Glauben, er sei klüger als der Markt, auch wenn er nur auf das reinfällt, worauf alle reinfallen.



Vielleicht muss er dann auch sein historisches Cabrio verkaufen, mit dem er zum Stilfser Joch hochkriecht. Oder auch nicht, denn vier Kurven später bin ich wieder vorbei, und er steht mit offener Motorhaube da. Ein Phänomen, das ich als Bentley-Brescia-Paradox bezeichnen möchte. Ich fahre ja jedes Jahr zur Mille Miglia, und das vorletzte mal war da so ein grosser Bentley Le Mans 4,5 Litre, der es auf den tausend Meilen nach Rom und wieder zurück exakt bis zum Ortsschild von Brescia schaffte, grob geschätzt 5 Kilometer, bevor er mit offener Motorhaube im Strassengraben stand, einige Leute mit Taschenlampe um ihn herum und ohne jedes Lebenszeichen.

Ich würde hier am Stilfser Joch aber keinen Mercedes und keinen Bentley haben wollen. Die Strasse wurde im 19. Jahrhundert geplant, entsprechend eng und steil sind auch die Kurven, und wer einen kleinen Roadster hat, ist klar im Vorteil. Ich sehe in den Serpentinen mit einem Blick, ob etwas kommt, und kann schnell wieder Gas geben. Ich fahre offen. Es ist Mitte Oktober, ich fahre nicht langsam, ich bin über 2000 Meter hoch und auf dem Ortler liegt Schnee, aber ich fahre offen und es ist fast schon zu warm für meinen Feraud-Pullover. Meine Lederjacke habe ich schon am Reschenpass ausgezogen, und meine Pekarihandschuhe gegen die weissbraunen Sommerhandschuhe getauscht, die ich in Brescia gekauft habe. 2000 Meter Höhe, noch 750 Meter und 17 Kehren noch bis zur Passhöhe. Es ist Herbst, es ist heiss, und ich bin schnell unterwegs, ich habe einen Termin im Tal auf der anderen Seite, in Müstair, aber darum geht es nicht.



Es geht nur um die Strasse, die Kurven und die Strecke, die manche als "the best driving road in the world" bezeichnen. 48 Kehren in den Himmel, hinauf in das Eis, immer an der Kulisse des Ortlermassivs vorbei, und die Strasse ist ziemlich frei. Es gibt keine realistische Geschwindigkeitsbegrenzung, und wer vor mir ist, lässt mich vorbei. Ich bin schneller, der Wagen wurde für solche Strecken gebaut, und ein Teil dessen, was neben mir in der braunen Ledertasche ist, habe ich mir mit Fahren verdient. Aber kein Fahren ist wie das hier.

Sollte man jemals dieses Museum der guten alten Zeit vor dem Crash machen, sollte man auch ein Exponat mit mir einplanen. Der schlechtere Sohn aus besserem Hause, mit Rolex und Roadster, der über das Stilfser Joch in die Schweiz fährt, und darüber alles vergisst, es zählt nur noch die nächste Kurve und die Beschleunigung, das Hochdrehen des Motors, das Quietschen der Reifen auf dem schlechten Asphalt und weiter oben dann auch das Knirschen auf dem harschen Schnee, der sich im Schatten der Begrenzung gehalten hat, die Arbeit am Lenkrad, die Luft. Die Sonne. Das Gefühl, weit weg von allem zu sein. 48 Kehren entfernt von allen Ängsten ausser der einen, die mich rechtzeitig bremsen lässt. Ich mag es, wenn ich mit Klischee und Vorurteil verschmelze wie der Mozarella im Ofen mit geriebenem Scamorza und Tomate.



Ich weiss nicht, ob das Stilfser Joch wirklich die beste Strasse der Welt ist. Es ist von oben, von 2750 Meter über dem Meer, aber sicher die schönste, die atemberaubend schönste Strasse der Welt. Sie ist ein wenig wie S., bei der ich immer dachte, die ist zu gut und zu schön und zu stark, es wird mich umbringen, wenn ich mit ihr ins Bett gehe, und als es dann soweit war, war es einfach nur gut. Grandios.

Hätte S. nicht vor 9 Jahren einen Idioten geheiratet, zwei Kinder bekommen und ein Haus in Kösching gebaut, würde ich sie jetzt vielleicht anrufen und sagen, dass ich... aber ganz ehrlich, ich habe nichts gegen Kösching und Mütter mit zwei Kindern und einem Mann im mittleren Management muss es auch geben , aber sie würde es nicht verstehen. Sie war grossartig und letztlich dumm, sie hätte so viel tun können, und nun bin ich hier oben, ganz oben zwischen Meran, Bormio und Müstair, und denke an sie und an den Abgrund Köschung, an das, was sie war und was sie nie geworden ist, an den Ausblick und den Moment, an die Strasse mit ihren geilen Kurven und überhaupt nicht mehr daran, warum ich eigentlich hier bin.



Ich bleibe hier oben ziemlich lang, und wäre auf der anderen Seite nicht die Grenze, Graubünden, der Umbrailpass und im Tal unten Müstair, ich würde gleich noch mal runter. Und wieder rauf. Einfach so, für den Tag, für das Leben und genau heute, weil es noch geht. Wer weiss schon, was sein wird, wenn sie nächstes Jahr hier oben die Wintersperre aufheben, und die Schweiz vielleicht der letzte europäische Währungsraum ist, der den Namen noch verdient.

Teil 3.
Teil 5

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Empfehlung heute - Am Haken

Die Dummen sterben nie auf, auf beiden Seiten der Bilanz der Krise. Vor einem Monat hat jemand ein äusserst ungünstiges Geschäft gemacht, weil er schlauer als der Markt sein wollte und das KGV einer Aktie attraktiv fand. Das KGV von 2007, wohlgemerkt. Wie sich dann sehr schnell herausstellte, gibt es 2008 nur Verluste, keine Dividende und auch kein KGV. Statt dessen Massnahmen zu Kapitalerhöhung, die de facto einer Verwässerung der Aktien von 25% entsprechen. Für mich ist das insofern blöd, weil ich vorher gewarnt hatte. Aber was ist so ein Risikoanalyst schon gegen einen tollen Beitrag in einer süddeutschen zeitung, deren Deppen noch nicht mal das KGV korrekt berechnen können.

Heute also ein längeres Gespräch mit jemandem, der in den letzten 18 Monaten ein Drittel seines Vermögens verloren hätte, würde er jetzt aussteigen. Er ist ein wenig klamm und liquidiert gerade Assets, um das System seiner selbstgestrickten Vermögensverwaltung am Leben zu erhalten (braucht jemand gerade einen grösseren Bestand brasilianischer Staatsanleihen, die leicht getragene Investorenmode der Sommersaison 2007?). Auf den Fall angesprochen meinte er, dass er in diese Firma sofort einsteigen würde, wenn er Geld hätte, denn schliesslich sei jetzt das Schlimmste vorbei und gerade habe die Aktie wieder 8% gewonnen.

Manche Leute sind unverbesserlich. Von diesen Leuten leben Börsen und grauer Kapitalmarkt, Hedgefonds und Derivateschweisser. Sie glauben immer, klüger als der Markt zu sein. Manche von denen sitzen auch in der Regierung der UdSSA und wundern sich jetzt, dass beim geretteten Versicherungskonzern 90 Milliarden Steuergelder ganz schnell und überraschend verschwunden sind. Die New York Times hat die Suche nach diesen Unsummen sehr intensiv und umfassend begleitet.

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