Der Hinterradlutscher

Es wurde dann doch noch ein spannender Abend. Normalerweise fahre ich meinen eigenen Stil, aber diesmal wurde das bei der Heimfahrt von einem überraschenden Unwetter verhindet. Was insofern etwas unerfreulich war, als ich auf der Hinfahrt im starken Gegenwind auch schon unangenehme Gesellschaft hatte: Den Hinterradlutscher.



Fairerweise muss man sagen, dass übermittelalte Männer natürlich auf Halbrennern nicht ganz so schnell können. Fairerweise muss man auch sagen, dass es praktisch keinen Sinn macht, wenn sich zwei am gleichen Gegenwind abarbeiten, und man sich die Arbeit durchaus teilen kann. Fairerweise muss man sagen, dass ich so nett war, ihn nicht in Grund und Boden zu fahren, indem ich mich heranpirsche und dann beim Übererholen auf Höchstgeschwindigkeit gehe. Und fairerweise muss ich auch sagen, dass ich mir die ersten paar Kilometer nichts dabei dachte, ihn mitzunehmen, nachdem ich ihn nicht allzu schnell und nicht demütigend überholt habe. Wenn man so will: Ich habe ihn quasi dazu eingeladen, ich habe es ermöglicht.



Aber nach ein paar Kilometern fragt man sich schon, was da eigentlich an einem dranhängt. Und es ist nicht gerade nett, wenn man sich umschaut und grüsst, ein höhnisches "du kannst mir nicht davonfahren"-Lächeln zu bekommen. Ich bin dann etwas langsamer gefahren, vielleicht wollte er ja auch mal neben mich ziehen, oder ein paar Worte wechseln, oder führen. Nach zwei Kilometern klebte er immer noch an meinem Hinterrad. Ich fuhr noch etwas langsamer, als eine Steigung kam, damit es nicht ganz so auffällig wirkte. Er klebte weiterhin, und als ich mich nochmal umdrehte, kam wieder nur dieses "mach Dich ruhig krumm, Du dumnme Sau, ich bleib dran"-Grinsen. Es ist nicht gerade angenehm, bei Gegenwind und einer längeren Hatz am Berg anzutreten, aber daraufhin trat ich nochmal richtig rein und hängte ihn ab. Meter für Meter. Zäher Bursche. Asoziale, die sich von anderen die Arbeit machen lassen und glauben, dahinter eine ruhige Kugel schieben zu können, sind oft zäh. Aber nicht zäh genug. Als ich dann um die 15 Meter Vorsprung hatte, schaute ich mich nochmal um. Er war erkennbar sauer, von nun an alleine weiterfahren zu müssen.



Der Hügel wurde flacher, der Vorsprung wuchs, er versuchte nochmal ranzukommen, aber dafür reichte es dann doch nicht. Ich denke, was in ihm vorging, kann man recht gut mit dem Hass vergleichen, den manche empfinden, wenn sie beruflich am schmarotzen gehiundert werden, wenn man ihrer Dreistigkeit offen entgegen tritt und sagt, dass man ihre Hinterfotzigkeit nicht zu tolerieren gedenkt. Der Hinterradlutscher ist der mieseste aller Radler gleich nach dem Antreter, wenn ein anderer stürzt, aber das eine schliesst das andere nicht aus. Man tut gut daran, schnell reinzutreten und davonzufahren, wenn sich das im Windschatten ansammelt. Und man lädt es besser erst gar nicht ein, sonst bereut man es später. Oder lacht, wenn es kläffend zurück bleibt.



Da war mir das Unwetter, gross, stoisch, mächtig und gnadenlos, als Gegner sehr viel lieber. Es ist, wie es ist, es ist schnell, aber man hat eine gerechte Chance, und wenn man rechtzeitig daheim ist, muss man es nicht fürchten. Es ist ein würdiger Gegner, den man über eine Tarte hinweg lobpreisen kann.

Der Hinterradlutscher dagegen war vermutlich nicht schnell genug.

Mittwoch, 4. August 2010, 01:30, von donalphons | |comment

 
Ach, Don Alphonso,
Gar kein Bißchen kindisch, gelle? Ich hör in fast jedem der Sätze ab dem zweitletzten Absatz ein hämisches "äätsch" raus.
Aber die Tarte macht vieles wieder wett - was für ein erstklassiges Stück Küchenarbeit ;) lg aus Tirol

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Wunderbar: Parasiten im Wind stehen lassen.

Allseits auch beliebt die Treckingbikefahrer am Berg. Sehen einen hinter sich gemächlich auftauchen. Und treten dann richtig rein. Dann hilft nur noch: Aktion "Widerstand brechen". Kette rechts und vorbeifliegen.
Wenn sie hingegen freundlich sind: Windschatten anbieten. Wenn ich Hinterradlutsche, dann frage ich immer fruendlich. (Und sehe wahrscheinlich eh so bemitleidenswert aus, dass es mir niemand abschlägt....)

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Neulich (war's im Wissenschaftsteil der FAZ?) habe ich allerdings gelesen, daß es sich dabei um ein durchaus für beide nützliches Verhalten handle. Dadurch, daß der Hinterradlutscher (im entsprechenden Artikel war das höflicher ausgedrückt) direkt hinter einem ist, ändert sich auch das eigene Strömungsverhalten, weshalb es auch für den ersten Fahrer kurioserweise einfacher wird, dem Gegenwind zu trotzen.
Aber natürlich ist dieses bißchen eigener Gewinn nichts gegen den Triumph, den anderen demütigend abzuhängen...

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Vor allem ermöglicht der Extra-Kalorienverbrauch durch das Abhängmanöver so eine Tarte ;-)

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" Ich denke, was in ihm vorging, kann man recht gut mit dem Hass vergleichen, den manche empfinden, wenn sie beruflich am schmarotzen gehiundert werden, wenn man ihrer Dreistigkeit offen entgegen tritt und sagt, dass man ihre Hinterfotzigkeit nicht zu tolerieren gedenkt."

Dieser Satz gefällt mir ausgezeichnet - beschreibt er doch sehr genau ein in unserer Gesellschaft weitverbreitetes Phänomen - das des Lebens "zu Lasten Dritter".

Beispiele gefällig ? Pauschaltouristen, die im Hotel als erstes nach dem Baulärm oder der Spinne suchen, nur um nach Rückkehr Minderung geltend machen zu können - oder Mieter, die die geringste Nachlässigkeit des Vermieters zur sofortigen Androhung einer Mietminderung nutzen. Oder den gewöhnlichen Transferempfänger, der die Forderung, sich mal wieder um eine Arbeitsstelle zu bemühen, als glatte Unverschämtheit empfindet...

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Welcher Gesichtsausdruck wäre denn der richtige gewesen?

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Das kenn ich noch vom Schachspielen mit meinen grossen Brüdern. Gewinnen durfte man gegen die. Grinsen nicht.

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Es gibt keinen richtigen Gesichtsausdruck im Falschen.

I.ü.: schönes kleines Gleichnis, lieber Don. Nur kommt es im wahren (volkswirtschaftlichen) Leben leider viel zu selten zu einem solchen Happy-End. Habe sie gerade in Scharen um mich, die von Betablogg Beschriebenen.

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Mein Beileid. Aber wenn ich ehrlich bin - auch bei mir kläfft gerade jemand im beruflichen Windschatten, weil es mit dem Überholen nicht klappte, und er aus dem Rennen ist.

Ich hätte mit einer freundlichen Reaktion auf meinen Gruss gerechnet.

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Und was wäre, wenn es eine "Hinterradlutscherin" wäre, z.B. die hübsche Apothekertochter aus Tegernsee, im "stringigen" Venice-Beach-Bike-Dress? Griesheim ist weit weg.

:-)

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Gegenwind .. herrlich! Wo ich aus der norddeutschen Tiefebene stamme, gibt es nur das. Steigungen mag ich nicht wirklich, aber WIND!!! Wenn da jemand mitfahren möchte sollte er in der Tat ein wenig mehr als nur mürrisches Lächeln drauf haben.

Wenn ich irgendwo mehr oder weniger unfairerweise mitfahre dann bedanke ich mich wenigstens für die Mitnahme.

Holde Weiblichkeit darf immer mitfahren. Für die meine habe ich sogar ein Tandem damit sie mir nicht verloren geht.

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