: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Sonntag, 22. August 2010

Das Benehmen der Dinge

Da stand der Vorschlag im Raum, es doch auch mal mit der digitalen Öffentlichkeit zu probieren. Eine Einkaufsliste in Pfaffenhofen zu schreiben und mit anderen, die ebenfalls ihren Konsum öffentlich machen, zu deren Demütigung veröffentlichen. In etwa so:

1 spätklassisches Relief (Replik)
1 attischer Kouros (0,5 m hoch, Replik)
1 Lithographie nach Joseph Stieler, gerahmt
1 unverschämt rote Lackdose in Kürbisform aus China, ca. 1900
1 englisches Eisenmesser aus Sheffield
1 Buch mit Privateinband
Wunderbare Bettwäsche, an der vor 80 Jahren ein paar Omas lang genäht hatten, damit sie dann auf Niebenutzung im Schrank verschwand.
Alles lächerlich billig.
Kein Silber, kein Porzellan, kein Gemälde, aber nur beinahe keines.
Und dann noch, nach der Heimkehr, eine Spur von Glassteinen die Treppe hoch.



Er bröselt nur so vor sich hin, auch wenn es nicht den Anschein macht, dass etwas daran fehlen würde. Es hängt einfach zu viel dran.

Es ist nämlich so mit den Kronleuchtern. Man braucht nicht nur eine grosse Wohnung mit hohen Decken. Die Wohnung muss auch passen, damit der Kronleuchter nicht alles erschlägt. Je üppiger und irrer der Kronleuchter, desto knalliger muss die Wohnung sein. Und wer wäre ich, dass ich anderen erkläre, wie man in so einen Kronleuchter hineinwächst. So ein echtes Monstrum an der Decke, und schon ist das üppige Barocksofa wieder relativ schlicht, das Parkett braucht dringenst einen Perserteppich, die venezianischen Spiegel werden relativ dezent. Hat man sich an das Gleissen erst mal gewöhnt, vergisst man schnell, dass es auch anders gehen musste, als man mal kein Monster hatte. Aber diese Erkenntnis fehlt vielen, sie wollen sich nicht verändern, und so erklärt es sich, dass der, grob gesagt, drittüppigste Kronleuchter, den ich je gekauft habe, und bei Gott, es waren wirklich viele, in einer Kiste gammelte und von niemanden für ein paar Euro gekauft wurde - bis er dann mich mit seinen 9 Flammen und mehr als 1000 Steinen angesprungen hat. Soweit so ein schweres Trumm springen kann. Vermutlich kann es das nicht, aber plötzlich hatte ich jedenfalls die Kiste in der Hand und schwitzte mein Hemd durch.



Ich suche das nicht. Es sucht mich. Es lauert irgendwo unten und nutzt die Gelegenheit, wenn ich vorbei komme. Sehr undezent, fast schon obszön, dieses Benehmen der Dinge. Platz habe ich dafür natürlich nicht, also habe ich beschlossen, dass es der erste Kronleuchter für meinen Altersruhesitz in Meran ist. Ich denke, mit seiner dreisten Art passt er ganz gut über die Alpen in ein Land mit dickerem Blut.

Aber natürlich kann man damit schlecht angeben: Die nackte Glühbirne an der Decke (russischer Lüster sagt man dazu in Berlin) von Einkäufeinsinternetstellern ist natürlich sehr viel pflegeleichter.

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