Balkone, Twitter, Blogs und die Strassenschauerei

Ich weiss nicht, ob das schon mal jemandem aufgefallen ist: In Sachen Google Streetview verlinken sich die kritischen Blogs recht stark. Wenn es dagegen um die Befürwortung eines Streetviewtotalitarismus geht, wird das vor allem vertwittert. Ich tendiere dazu zu glauben, dass sich ein grosser Teil der selbsternannten Webelite inzwischen wirklich vor allem bei Twitter und weniger in den Blogs herumtreibt. Gleichzeitig sind aber Twitterverlinkungen noch immer recht wenig effektiv, ich hatte jüngst mal ein Beispiel von einem (nicht von mir geschriebenen) Beitrag, bei dem 160 Twittermeldungen gerade mal1200 PIs zur Folge hatten. Zum Vergleich: Das ist rund das Doppelte bis Dreifache, was ich allein mit meinem Blog andernorts rüberschicken kann.

Wie auch immer, bei der FAZ habe ich versucht, Streetview mal von der Nichtinternetseite her zu erklären. Wie erlebt einer derjenigen, die nicht hier im Netz intensiv unterwegs sind, seine Halböffentlichkeit auf einem Balkon, und wie verschiebt sich die Wahrnehmung seiner Halböffentlichkeit mit Streetview. Das ist eine Sache, über die zu wenig nachgedacht wird, obwohl sie eigentlich das Kernproblem für Google ist. Es ist egal, ob da ein paar Mitläufer Privatstasi machen. Google droht die Gefahr von Nichtnetznutzern.

Wenn wir eine Stradt wie München betrachten, haben wir im für Google vor allem interessanten Innenstadtbereich eine durchgehend dichte Bebauung mit hohen Häusern und im Durchschnitt (meine Zahlen sind etwas älter, sorry) von 40 Parteien. Gleichzeitig wohnen weniger als die Hälfte der Innenstadtmenschen in Privateigentum, die grosse Mehrheit hat gemietet (60% war das Ende der 90er). Grob gerechnet haben wir also im Innenstadtbereich pro Haus 60 drin Wohnende und konservativ gerechnet nochmal 20 Personen, die Besitzer sind, aber nicht im Haus wohnen. 80 Personen pro Haus, die jeder füre sich entscheiden können, ob es verpixelt wird. Da reicht schon eine Beteiligung von 3 oder 4% der Bevölkerung am Widerspruchsverfahren aus, um München Innenstadt komplett zu verpixeln. Bei "meinem" recht grossen Haus in München, in dem ich eine Eigentumswohnung besitze, habe ich bei der Verwaltung nachgefragt, die dazu informiert: Die wissen von 5 Einsprüchen. Und ob sich jemand für Streetview Ottobrunn erwärmen kann, wo pro Haus nur ein paar Leute wohnen?

Nachdem sich die Belegungsdichte bei Häusern bei sinkendem Einkommen erhöht, glaube ich auch nicht, dass Google auf die Wurschtigkeit ärmerer Schichten zählen kann. 52% der Deutschen sind laut einer Umfrage gegen Streetview, ein paar hundert Knipser wollen dagegen halten: Ich sag mal, das wird keine leichte Aufgabe. Wenn Google nicht ohnehin einknickt. Ich denke, ab einer Verpixelung von einem Drittel der Häuser wird der Spass so teuer, bei gleichzeitig niedrigeren Einnahmen und mangelnder Attraktivität, dass sie aufgeben. Also:

Verpixelt Eure Häuser. Wenn Google diesmal was aufs Maul kriegt, werden andere vorsichtiger sein.

Und amüsiert Euch bei den Balkonen von Meran drüben bei der FAZ.

Edit: Lest auch dazu FIXMBR mit Echtzitaten der angeblichen Kulturretter mit Stasiknipse.

Freitag, 20. August 2010, 15:46, von donalphons | |comment

 
Sicherlich kann es gelingen,
streetview in Deutschland zu torpedieren. Was in Nordkorea oder Kuba der Obrigkeit gelingt, schaffen die rückständigen Deutschen auch im Kollektiv.
Wird es google stören? Kaum.
Mich stört es sowohl privat wie geschäftlich. Privat, weil ich gern in anderen Städten stöbere, mich dadurch vielleicht zum Besuch verführen lasse.
Geschäftlich, weil ich zumindest ein wenig auch vom Tourismus lebe. Es kommen halt dann weniger Leute nach Berlin, vor allem aber weniger Leute in deutsche kleinere Städte. Fahren sie halt nach Frankreich oder Schweden, wo streetview gern gesehen ist.
Wer nicht mit der Zeit geht, bleibt zurück. Sicherlich hatten um 1880 herum auch die besten Hotels noch kein Telefon, einfach weil es das noch nicht gab. 1910 dagegen war ein Hotel kein Luxushotel mehr, wenn es keinen Zugang zum Telefonnetz hatte. Die Menschen brauchen Deutschland nicht unbedingt, google braucht Deutschland auch nicht unbedingt, sie können alle einen Bogen drum machen und uns in unserer selbsterwählten Rückständigkeit sitzen lassen.

... link  

 
Wie schon erwähnt: Meran ist trotz Nichtinternet voll. Vielleicht, weil der Mensch auch gern vor Ort entdecken und überrascht sein will. Ich bin ja sicher Heavy User, aber auf die Idee, SV als Urlaubsplanung zu nutzen, bin ich noch nicht gekommen. Ich glaube, das ist eher was für die total Verstrahlten. Und es ist ja nicht so, dass Hotels keine Bilder ihrer Häuser und der Umgebung im Netz hätten.

... link  

 
Die "rückständigen Deutschen" und "Wer nicht mit der Zeit geht, bleibt zurück" - Ihnen ist schon klar, dass Sie mit derartigen Killerphrasen jede Kritik an jeder Entwicklung prinzipiell diffamieren?

... link  

 
Die vorgeben von street view ihre Urlaubsplanung und Freizeitaktivitäten abhängig zu machen, achten wohl eher darauf, dass Billigairlaines das Ziel ansteuern, es genug preiswerte Hostels gibt oder All-inclusive auch Cocktails beinhaltet.

Es gibt ja noch andere Informationsangebote zu Städte und potentiellen Reisezielen im Internet, und das mit einer besseren Qualität.

... link  


... comment
 
Wie schon gesagt, die (berechtigte) Kritik an der googelschen Zwangsöffentlichkeit gewönne erheblich an Glaubwürdigkeit, würden auch andere Dienste wie Sightwalk, Prima Facie oder Norc ins Visier genommen, die exakt dasselbe anbieten. Nur interessiert es da keinen Menschen.

... link  

 
Meran
und ähnliche Rückzugsorte der besseren Gesellschaft könnten die Ausnahme von der Regel sein und werden vielleicht wegen der Abwesenheit von streetview besser besucht sein als zuvor. Insgesamt aber koppelt sich Deutschland von der Entwicklung ab. Ich könnte mir, wie schon gesagt, einen deutschen Sonderweg des Verbots von Geotagging vorstellen. Unserer Wirtschaft wird es aber schaden. Und verklagbar ist dann jeder, der Bilder einstellt, die nur ansatzweise Rückschlüsse auf den Ort zulassen. Ich fürchte, nach dem Erlaß eines solchen Gesetzes wird auch dieses Blog gereinigt werden müssen. Denn deutsche Spiesser und die sie vertretenden Ilse Aichners werden das Gesetz bestimmt gründlich gestalten und eben alles verbieten, was sich irgendwie erkennen läßt. Die differenzierte Sicht von don alphonso ist dann nicht mehr gefragt.

... link  

 
"Unserer Wirtschaft wird es aber schaden."

Da wäre zuerst zu klären, was "unsere Wirtschaft" genau ist. Meine? Ihre? Die der Deutschen Bank?

Dieses Thema eröffnen wir besser ein andermal.

Wieviel Beispiele bräuchten Sie, bei denen Grundrechte mit der Begründung wirtschaftlichen Schadens unterdrückt wurden?

Oder andersherum: wir tun alles, wenn eine vage Hoffnung wirtschaftlichen Nutzen (für wen?) verspricht, schreien hurra, verkaufen unsere Großmutter und rennen los in Richtung frischwärts?

Das wurde ja oft genug praktiziert, häufig mit der Begründung, nicht "zurückbleiben" zu dürfen. Der Nutzen des Losmarschierens äußerte sich meistens in privatem Gewinn, der darauffolgende Schaden wurde seltsamerweise dann sozialisiert.

... link  

 
Es ist unser aller Wirtschaft
Wenn ich pleite gehe und deshalb bei Ihnen nichts mehr kaufen kann, zieht es sie auch herunter, auch wenn sie nicht vom Tourismus leben.
Natürlich müssen Grundrechte geschützt werden. Aber bislang war in unseren Gesetzen nichts von Grundrechten von Hausfassaden zu lesen. Bis jetzt wäre es- die Höhe der streetview-Kamera ist allenfalls strittig- auch legal, die Bilder gegen den Willen der Hausbewohner unverpixelt zu lassen. Ich fürchte, das wird demnächst in Deutschland anders sein. Manch einer, der lustig seine Privatfotos auf flickr einstellt, wird das noch überrascht merken. Aber dann ist es zu spät, dann haben wir den totalitären Staat, den die streetview-Gegner behaupten verhindern zu wollen. Aber man erinnere sich: in kommunistischen Diktaturen war das freie Fotografieren verboten, Stichwort Spionage. Und in Behörden von manchem kommunistischen Nachfolgestaat hat sich diese Einstellung bis heute gehalten. Wer die " Würde" insbesondere von Hausfassaden aber auch die Würde von Menschen zu sehr schützt( Stichwort Einschränkung der Meinungsfreiheit) könnte schnell in Nordkorea aufwachen.

... link  

 
Solange man
sich nicht hierrüber erregt http://www.digitaljournal.com/pr/96650 ,
errege ich mich über die deutschen Verbotswünsche

... link  

 
Schlacht im falschen Saal
Es gibt Rechte und Freiheiten, die ich nicht haben will. Z. B. möchte ich nicht das von Eric Schmidt proklamierte Recht haben, meinen Namen ändern zu dürfen, um meine digitale Vergangenheit abzuschütteln, sondern beanspruche stattdessen ein genuines informationelles Selbstbestimmungsrecht. (Ich bezweifle allerdings, dass man dies rechtssystematisch sinnvoll im Fall von Streetview reklamieren kann. Dabei würde es sich nicht um ein Individualrecht, sondern um eine Erweiterung des Eigentumsbegriffs handeln. Bestimmt hat der eine oder andere Immobilienmakler oder -vermarkter das auch schon gemerkt.)

... link  

 
bezahlen für verpixeln
ich wäre für die einführung einer digitalen gardinensteuer. die psychologische verschiebung des eigentlichen problems - nämlich dass suchmaschinen verknüpfungen zulassen, die eben nicht vom user selbst bestimmt werden können (gerade darin liegen ja deren wirkungsweise und sinn) - auf das falsche terrain der häuserfassaden würde auf diese weise dann doch noch irgendwie dem allgemeinwohl dienen.

... link  

 
Ich kann mich nur wiederholen ...

Es würde mich freuen, wenn dieses Engagement auch den datenschutzrechtlichen Themenbereichen angetragen würde, die WICHTIGER sind als dieses hochnotpeinliche Sommerlochaufregerchen, dass den Don wohl nur deswegen so mitnimmt, weil der Lobo für Streetview ist :)

... link  

 
Lobo?
Desolais, aber ich kenne nur den Begriff der Lobotomie, Bereich Psychopathie.
Wie kann eine Krankheit fuer SV sein?

... link  

 
In der Tat spricht nichts dagegen, wenn sich die Debatte auf alle Bereiche ausdehnt, in denen Daten ohne Wissen der Betroffenen gesammelt, gebündelt, verwertet und verkauft werden.

... link  

 
@diamantspeerspitze

>Es würde mich freuen, wenn dieses Engagement auch den datenschutzrechtlichen Themenbereichen angetragen würde

Es hilft, wenn man versteht, daß hinter _Daten_ Menschen stehen. Dann versteht man auch, daß dieses "Aufregerchen" mehr ist als nur eine dem Sommerloch geschuldete Debatte. Zuerst kommt der Mensch, dann irgendwelche ökonomischen Interessen. Und der beste "Datenschutz" ist immer noch die Vermeidung dieser. Denn sind diese erst einmal vorhanden, dann weckt dieser Umstand auch Begehrlichkeiten. Ich empfehle im übrigen mal einen Plausch mit einem Archäologen, der kann aufklären darüber, was man alles mit ach so unscheinbaren Daten anstellen kann, insbesondere im Verbund mit anderen Quellen.

... link  

 
Hier geht es um Häuserfassaden, die Teil des öffentlichen Raumes sind, nicht um persönliche Daten. Hier geht es um Häuserfassaden, die längst durch andere Firmen fotographiert und ins Netz gestellt wurden, ohne dass auch nur ein Hahn gekräht hat.

Aber jetzt, jetzt plötzlich ist das etwas ganz arg schlimmes. Und hat man sich mit dem Phyrrussieg gegen Streetview zufriedengegeben, werkeln andere Firmen und Regierungen weiterhin ungestört an Verletzungen der Privatsphäre, gegen die StreetView nichts weiter als eine aufgebauschte Petitesse ist, nichts weiter als ein Ablenkungsmanöver für hilflose Politiker, die sich hier ein wenig profilieren wollen.

Nicht der Protest gegen SV kotzt mich so an. Das ist das gute Recht eines jeden, welches jeder auch bitte ausüben soll, wie er lustig ist. Mich kotzt die Sensationsmasche und Doppelmoral vieler an, die hier wild auf Datenschutz machen, bei anderen Themen, wo man sich nicht so schön echauffieren kann, weil es ja nicht um die heilige Gartengrenze geht, aber nur desinteressiert abwinken, weil man das noch weniger versteht, als dieses komsiche StreetView.

... link  


... comment
 
Wer etwas zu sagen hat …
Ich tendiere dazu zu glauben, dass sich ein grosser Teil der selbsternannten Webelite inzwischen wirklich vor allem bei Twitter und weniger in den Blogs herumtreibt.
Eine große deutsche Boulevard-Zeitung hatte vor etlichen Jahren mal eine Werbekampagne mit dem Slogan „Wer etwas zu sagen hat, braucht keine langen Sätze.“ Vielleicht bewegen sich diese „Digital Naives“, wie ich sie nenne, auf ähnlichem Niveau (nein, weder Seife noch Duschgel). Wenn ich mir jedenfalls die Ergüsse anschaue, die hier oder durch F!XMBR hochgespült werde, habe ich kaum noch Zweifel daran.

... link  

 
Der Ex-Journalist und jetzige Social-Media-Propagandist Knüwer wird nicht müde, die Twitterei folgendermaßen schönzureden:

"Die Längenbeschränkung auf 140 Zeichen zwingt eben zur Prägnanz."

Manchmal weiß ich bei diesen Lobosixtusseemannknüwers nicht, ob ich mich schon kaputtlachen soll oder noch aufregen muss.

... link  

 
Wenn ich das richtig verstanden habe, wird wenigstens dem Trashformat von Lobo und Sixtus jetzt der Stecker gezogen.

... link  

 
Tweets
… sind in meinen Augen vernetzte Newsfeeds für Arme: Headline + verkürzter URI.

... link  


... comment
 
wir sollten mal etwas gelassener an die Dinge herangehen - - und uns auch daran erinnern, daß in früheren Zeiten Land- und Seekarten streng bewacht und als Herrschaftswissen behandelt wurden (etwa von den Venezianern), um die Handelswege zu den ausbeutbaren fremden Kontinenten möglichst lange geheim zu halten...

Information jeder Art macht gleich und frei und ist gleichbedeutend mit Demokratisierung und Entwicklung...

...und das gilt letztlich auch für so simple Dinge wie die digitalen Postkartenansichtenvon Strassen und Gebäuden...

... link  


... comment
 
zu: Stasiknipse

die mitarbeiter des mfs sprachen von sich als der firma, ich nehme an, auch dort gab es einen plan, der zu erfüllen war und der übererfüllt wurde. es war aber mit sicherheit kein business-plan.

man hatte da schon technik, teilweise erstaunliches, aber zur nachrichtengewinnung und desinformation war der persönliche kontakt das mittel der wahl.

warum nicht bnd-knipse?

ist die annahme so abwegig, dass es da kooperationen gibt, in etwa, wir lassen euch machen, solange wir eure daten nutzen dürfen?

... link  


... comment
 
schwierige Diskussion
durch Streetview interessieren sich plötzlich auch die digitalen Immigranten für Datenschutz. Es wird so schön anschaulich.

"Mein ungeputztes Wohnzimmerfenster im Internet"

Interessante Gespräche.
Da begegnet man oft einer erstaunlichen Ahnungslosigkeit über das technisch Mögliche ( "werden die Bilder stündlich oder täglich aktualisiert ?") und bereits Realisiertes ("Meine Adresse ist im Internet!? wie das, wir haben doch kein Internet?")

nach ein paar Erklärungen entweder erschrockene Aufregung oder Resignation. Themen wie Netzneutralität, Gesichtserkennung oder Netzsperren sind dann doch wieder weniger anschaulich.

Die Leute werden durch die Häuserbilder-Hysterie erst aufgestachelt und resignieren dann bei den echten Bedrohungen des persönlichen Datenschutzes.

Ist nicht so anschaulich

... link  


... comment