Man trifft sich am See.
Das wäre früher eigentlich unvorstellbar gewesen. Früher traf man sich hier an Allerheiligen an den Gräbern. Und zwar alle. Da war auf den Friedhöfen richtig was los. Ein paar Familienmitglieder bleiben stehen, die anderen besuchten bekannte Clans und erzählten sich über die Verstorbenen nur Gutes. Heute geht man durchaus auf den Friedhof, aber nicht lang. Lang genug, um im Zweifelsfall zu sehen, wer das Grab ordentlich gemacht hat, und wer nicht. Manche machen es am Vortag, kommen zu später Stunde nocheinmal, räumen die neuen Blätter von den müden Bäumen weg, legen eine Plane über das Grab und sind am nächsten Morgen als erste da, um sie wieder zu entfernen. So kann man das natürlich auch machen - unkommod, aber effektiv. Allein, die Anonymität der Stadt hilft der Sache nicht besonders. Und ausserdem trifft man sich lieber am See.
Nach den Erzählungen, die ich hörte, muss es ein ziemlich grausames Ritual gewesen sein, der Tag an den Gräbern: Das Wetter meistens schlecht, oft Regen, kalt, mitunter auch Schnee, aber niemand durfte gehen, alle mussten bleiben. Sozialkontrolle. Gemeinschaft über das Leben hinaus. Da bleibst. Der Horror ist grösser gewesen als die heutigen Kinderstreiche, und ich weiss nicht, was ich schlimmer finde: Das frühere Frieren oder all die Besoffenen, die sich an so einem Tag mit Wodka, o,5 Liter für 4 Euro, eingedeckt haben und dann durch die Stadt ziehen. Das genaue Gegenteil: Keine Kontrolle. Jeder kann, nur das Tanzen ist verboten. Irgendwo muss es einen Mittelweg geben, ohne die Brutalität der Riten, aber mit den Manieren des Respekts - manchmal, scheint mir, als dominierten die Extreme, und der Mittelweg ist selten. Nicht am See. Aber am Abend, in der Stadt.
Der Park dagegen ist leer von beiden, die einen sind noch an den Gräbern und pingeln weiter das Laub weg, die anderen glühen noch zu Hause vor, und erst in der Dunkelheit machen sie sich auf den Weg. Die einen von den Toten, die anderen in den Tod. Was angesichts dessen, was Leben mitunter ist, vielleicht gar nicht soi anders sein muss. Ich jedenfalls habe mich am Rascheln des Laubes erfreut, und es darf gerne auch liegen bleiben, auf den Gräbern und meinem auf Dauer unvermeidlichen Weg dorthin.
Nach den Erzählungen, die ich hörte, muss es ein ziemlich grausames Ritual gewesen sein, der Tag an den Gräbern: Das Wetter meistens schlecht, oft Regen, kalt, mitunter auch Schnee, aber niemand durfte gehen, alle mussten bleiben. Sozialkontrolle. Gemeinschaft über das Leben hinaus. Da bleibst. Der Horror ist grösser gewesen als die heutigen Kinderstreiche, und ich weiss nicht, was ich schlimmer finde: Das frühere Frieren oder all die Besoffenen, die sich an so einem Tag mit Wodka, o,5 Liter für 4 Euro, eingedeckt haben und dann durch die Stadt ziehen. Das genaue Gegenteil: Keine Kontrolle. Jeder kann, nur das Tanzen ist verboten. Irgendwo muss es einen Mittelweg geben, ohne die Brutalität der Riten, aber mit den Manieren des Respekts - manchmal, scheint mir, als dominierten die Extreme, und der Mittelweg ist selten. Nicht am See. Aber am Abend, in der Stadt.
Der Park dagegen ist leer von beiden, die einen sind noch an den Gräbern und pingeln weiter das Laub weg, die anderen glühen noch zu Hause vor, und erst in der Dunkelheit machen sie sich auf den Weg. Die einen von den Toten, die anderen in den Tod. Was angesichts dessen, was Leben mitunter ist, vielleicht gar nicht soi anders sein muss. Ich jedenfalls habe mich am Rascheln des Laubes erfreut, und es darf gerne auch liegen bleiben, auf den Gräbern und meinem auf Dauer unvermeidlichen Weg dorthin.
donalphons, 16:42h
Montag, 1. November 2010, 16:42, von donalphons |
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don ferrando,
Dienstag, 2. November 2010, 10:23
"Irgendwo muss es einen Mittelweg geben mit den Manieren des Respekts"
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Das wird wohl immer eine Illusion, ein Wunschtraum bleiben.
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Das wird wohl immer eine Illusion, ein Wunschtraum bleiben.
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ilnonno,
Dienstag, 2. November 2010, 11:25
Ich kann mich da sehr irren, aber in England habe ich den beschriebenen Mittelweg öfters gekreuzt.
Erstaunlicherweise beim Interrailen mit Bed&Breakfast-Übernachtungen. Man könnte sich da sehr unangenehm nahe kommen, immerhin sitzt man von jetzt auf gleich in einem fremden Wohn- oder Esszimmer. Das haben die Gastgeber fast immer mit Höflichkeit, tadellosen Manieren und großer Gelassenheit hinbekommen.
Das gilt natürlich nicht für alle Leute dort. Obwohl: im strömenden stehe ich an einer Ecke, ratlos, ob links, rechts oder geradeaus, kommt ein nach Penner aussehender Mensch auf mich zu. Als ich noch denke, dass der mir im Moment wirklich gefehlt hat, fragt er, ob er mir helfen könnte und wo ich hinwollte. Nach Geld (oder booze) hat er mich nicht angehauen.
Erstaunlicherweise beim Interrailen mit Bed&Breakfast-Übernachtungen. Man könnte sich da sehr unangenehm nahe kommen, immerhin sitzt man von jetzt auf gleich in einem fremden Wohn- oder Esszimmer. Das haben die Gastgeber fast immer mit Höflichkeit, tadellosen Manieren und großer Gelassenheit hinbekommen.
Das gilt natürlich nicht für alle Leute dort. Obwohl: im strömenden stehe ich an einer Ecke, ratlos, ob links, rechts oder geradeaus, kommt ein nach Penner aussehender Mensch auf mich zu. Als ich noch denke, dass der mir im Moment wirklich gefehlt hat, fragt er, ob er mir helfen könnte und wo ich hinwollte. Nach Geld (oder booze) hat er mich nicht angehauen.
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