: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 2. Dezember 2010

Auf dem Sofa

Ich liege auf dem Sofa und schaue hinaus in die Nacht. Gestern war es noch sternenklar, und die Milchstrasse zog sich als funkelndes Band über das Firmament. Heute treibt der Schnee vorbei. Endlich, möchte man fast sagen, nachdem der Tag praktisch ohne Niederschläge war. Ein Zentimeter Neuschnee, höchstens. Das allseits verschrieene Chaos hat hier einfach nicht stattgefunden. Wenn man von uns aus nach Gmund hinunter geht, versteht man auch, warum.



Das schlimme Wetter des Flachlandes kommt nur mit Mühe hier hoch, um gleich wieder auf den See hinunter zu fallen. Wir sind zu weit oben, gefangen zwischen zwei Wolkenschichten, aber das Elend entspringt der tieferen Lage, bis dann in der Nacht andere Wolken in grosser Höhe kommen. Hier ist es noch nicht mal richtig kalt, sehr erstaunlich. Ich nehme noch einen Tee und finde es angenehm, noch eine Nacht bleiben zu können. Auf dem Heimweg, lese ich zu meiner Überraschung - ich lese sonst nie Wetterzeug - bleiben die Leute auf der Autobahn stecken. Würde ich morgen rodeln gehen, so wäre ich sicher durch den Neuschnee auch langsamer. Das wäre es aber auch schon.



"Können wir um 5 telefonieren?"
"Gerne, dann gehe ich jetzt auf den Berg."

So klingen die Gespräche zwischen mir und den Bewohnern des Flachlandes, die das Haus nur verlassen, wenn es gar nicht anders geht. Vielleicht würden sie es hier ebenso halten, vielleicht wäre ihnen die Vorstellung unerträglich, als einziges menschliches Wesen dieses Massiv hochzustapfen, die Vorstellung, wie das aus ein paar Kilometer Höhe wirken muss, ein langsamer, brauner Punkt inmitten eines entfärbten, weissgrauen Waldmeeres, einsam dem Takt des Schneeknirschens folgend, mag nicht behagen, wenn man nur den Arm ausstrecken müsste, um seinen Nächsten zu berühren. Aber genau das tun sie ja auch nicht, und mich umarmen dort oben das Nichts, die Einsamkeit und die Kälte. Die Wärme des Blutes und die Hitze der Anstrengung halten dagegen. Schritt für Schritt. Allein mit meinen Gedanken. Fast allein. Auf dem Weg nach oben flatterte ein Rotkehlchen neben mir von Ast zu Ast bis zum Steinsturz, und in den schnellen Kurven des Mittelstücks rannte mir ein Hase voraus.



Ich liege auf dem Sofa, schaue hinaus und komme langsam wieder in diese gefährliche, für mich ganz untypische Haltung des fehlenden Interesses an was auch immer. Zwei Wochen, sehe ich beim Blick in den Kühlschrank, könnte ich hier aushalten, ohne das Haus verlassen zun müssen, und bis dahin sind die Strassen nach Italien und zu den Feinkostgeschäften in Sterzing sicher wieder frei. Unten im Dorf haben wir einen Dorfladen, der vielleicht noch etwas besser werden muss, um da mithalten zu können, aber alles in allem lässt es sich hier bestens den Winter überleben. Ich nehme noch einen Tee, verfolge den Flug der Flocken von der Strassenlaterne zum Baum mit den Lichtern. In der Tiefgarage, sicher vor Sturm und Kälte, schläft das Auto, um mich morgen zurück zu den anderen Menschen da unten zu bringen. Oder auch wieder nur zum Berg. Ich weiss es nicht. Ich liege auf dem Sofa und denke darüber nach, was ich kochen soll. Käsknödel, in Butter und mit Parmesan golden glänzend. Farbe am Ende eines Tages in Weiss und Grau. Das wäre fein. Und dann früh ins Bett, wie meistens hier in den Bergen.

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Für Tegernseer und andere:

Schenken und sauber einschenken mit dem Don Alphonso und der FAZ.

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