: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Dienstag, 23. November 2010

Wo die Reichen wohnen

Wo die Reichen wohnen, sagen sie mir ab und zu: "Ich muss das mal lesen, was Sie da schreiben, aber meine Tochter, die das mit dem Internet kann, kommt erst an Weihnachten." - und wird dann vermutlich auch etwas anderes zu tun haben, als obskure Webprojekte rauszukramen. Streiten vielleicht und am zweiten Tag wieder fahren. Soll alles schon vorgekommen sein.

Wo die Reichen wohnen, nimmt man dieses Netz nicht so ernst, und würde es auch nicht ernst nehmen, selbst wenn man in den Tiefen der Debatte endlich mal jemanden fände, der nicht mehr nur taktisch Pseudoargumente bringt, um damit bei den Medien aufzufallen - gell, der Blau von der Zeit hat noch immer nicht angerufen, so ein Pech aber auch - wenn man also endlich mal dem Kern der Wut armer Schweine in Berlin gegenüber stünde:

Jetzt weiß man zumindest wo man die größten Bonzenschweine findet. Verpixelung ein guter Indikator

sagt dieser Twitternutzer über den Vorfall, dass es wie immer ist: Auf die Hetze des Mobs kommen dann immer welche, die es etwas übertreiben und die "Bewegung in der Hauptstadt" diskreditieren. Und so ist die Linie perfekt: Spiesser, Idioten, Nixchecker, Störer, Verschmutzer, Bonzenschweine. Man wartet eigentlich nur auf den ersten, der das Recht für sich in Anspruch nimmt, anderen das Haus anzuzünden, weil es ja im Internet auch nicht ist, wozu braucht man es dann in der Realität. Und am besten natürlich bei den Reichen anfangen, immer bei den Reichen.

Was hinlänglich erklärt, was diese Leute trotz jährlichem iphone-Update und dem teuersten Mac sind: Arm. Vielleicht sogar gerade deshalb, mein T20 ist jetzt 9 Jahre alt und reicht mir. Wer nichts oder alles ausgegeben hat, hat wenigstens die kostenlosen Segnungen des Internets. Die umgekehrt eigentlich nicht durchwegs gut genug sind, als dass man sie als Reicher bräuchte. Das Leben hat einfach die besseren Alternativen zu bieten. Was, wie, Musik klauen, wozu, wenn man beim Händler in aller Ruhe probehören kann. Wozu digitale Layers für den billigsten Kaffee mit Internetzugang, wenn man den besten Kaffee wünscht, den sich diese Crowd weder leisten kann noch will.



Und während es hier Berge und Täler langsam einschneit, habe ich den Eindruck, dass es wohl immer der Fluch der Armen - oder hier in Digitaldeutschland, der Wohlstandsasozialen - sein wird, sich nach denen umzuschauen, die nicht so sind und sein müssen, die Optionen haben und sie sehr oft nutzen, die Armen nicht sehen zu müssen. Wozu auch, warum soll man sich das antun, eine Verständigung kann es nicht geben, aber schön ist es hier und das soll auch so bleiben - und auf Besuch dieser Art legt man auch keinen Wert. Warum? Weil die "da unten", siehe oben, tatsächlich so sind, man muss ihnen znur zuhören. Es geht dabei gar nicht um kommunistischen Klassenkampf oder politische Ziele oder Rechte, es geht einfach darum, dass der Blick in den subalternen Codierstuben und prekären Lebensverhältnissen immer auf jene gerichtet ist, die anders können. Was ihre Aussichten angeht, ist das ganze Leben wie ein gigantisches, komplett verpixeltes Streetview. Ihr kommt da nicht rein, ihr habt hier nichts verloren, leistet erst mal was und kommt dann wieder - das reicht, mehr muss man denen gar nicht ins Gesicht sagen, um ihnen mindestens einen miesen Tag zu bereiten.

Und nun eben auch noch in ihrem Internet. Worauf die Reichen verzichten können, aber wenn man sie hinein zwingt, dann tun sie das schon, das Aussperren der Anderen, ihr kommt hier nicht rein. Nicht absichtlich, den meisten geht es vermutlich nur um ihre Ruhe, aber es kommt anders an. Und so vermengt sich das alles zu einem Hassbild, für das minütlich Daten beim Pranger von findedaspixel gesammelt werden. Ab und zu gehe ich hin und drehe einen gefundenen Ort um 180 Grad, um sie zu frustrieren, aber darum geht es gar nicht.

Es geht, wenn ich die Signale aus Berlin richtig deute, um die Vorherrschaft. Sie prangern an, sie definieren Ziele und Gegner, sie bereiten Aktionen vor und kämpfen gegen Abweichler, die mitunter doch etwas erstaunt sind von der Aktion, bei der sie die Fusssoldaten sein sollen, auf dass die Führer dann bei Kongressen Case Studies vortragen können. Der Raum soll für jene, die es anders sehen, gerade recht eng sein, bei den Blogs geht es noch, bei Twitter, wo sich das Aso-Element schneller austobt, wird es schon schwieriger. Man hält dort gerade besser den Mund, denn die anderen sind die Mehreren, oder zumindest versucht jeder, genau das vorzugeben, statt zu sagen: Michi, Jens, haltet doch mal das Maul, ihr armen Trottel. Statt dessen: Ihr kommt hier nur rein, wenn ihr euch anpasst, ihr habt hier nur was mit der richtigen Gesinnung verloren, geht erst mal los und leistet ein paar Bilder.

Hier zu mir kommen sie aus Gründen natürlich nie her, und wenn sie klug wären, wäre ihnen vielleicht auch schon aufgefallen, dass sie sich jede Menge Arbeit doppelt und dreifach machen. Tatsächlich ist der einzige Effekt ihres Treibens, dass ich etwas misstrauischer bin, und still ein paar Entscheidungen treffe: Der und der kommt mir nicht rein, der und der hat hier nichts verloren, so Sachen halt. Jetzt ist sowieso erst mal Winter. Wer will da schon Hausfassaden sehen.

Bald gibt es wieder Rodelbilder, und die Kommentatoren sind am letzten Wochenende vor Weihnachten und am 2. Januar 2011 (nach meiner aktuellen Planung) gern eingeladen.

... link (22 Kommentare)   ... comment