Mach mal was über den Osten

sagten sie drüben bei der FAZ-Leserschaft. Seit gut zwei Jahren. Über eine Region also, von der ich so viel weiss, wie ich darüber wissen möchte. Nichts, also, wenn ich es präzise ausdrücken soll. Wobei: Ich war natürlich schon ein paar Mal in Polen. Für Freunde alter Bausubstanz lohnt sich so ein Kurzurlaub durchaus.



Ich war in Bunzlau, was für mein früheres Studium ein wichtiger Ort ist, ich habe natürlich in eine Töpferei geguckt und viele Dörfer gesehen. Ich habe Geschichten gehört, überraschend gute Geschichten, und Bitten, nicht darüber zu schreiben. Also habe ich über etwas anderes geschrieben.



Über Heimat, über den Verlust von Heimat und die Frage, wie endgültig solche Verluste sind. In der FAZ.

Freitag, 10. Juni 2011, 01:10, von donalphons | |comment

 
Ich zitiere mal ...
"Irgendwann werden vielleicht auch die Vertriebenenverbände und die Pfleger seltsamer Trachten, die kein Mensch mehr trägt, verschwinden, wie auch die Erinnerung, die nicht zwingend angenehm und nicht unbedingt westviertelkompatibel ist. "

Vor ca. eineinhalb Jahren besuchte ich eine Historiker-Tagung im Gerhart-Hauptmann-Haus in Düsseldorf . Der wissenschaftliche Leiter begann seine Einführungsrede mit einer Darstellung seiner eigenen "Vertriebenen"-Identität. Zudem kenne ich diese Problematik aus meiner eigenen Familie. Mir erscheint diese Vertriebengeschichte wie eine Art gesellschaftliches Trauma, das von den Betroffenen nicht ausreichend aufgearbeitet werden konnte, weil es politisch (auch heute nicht) opportun war/ist.

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Haben nicht die Vertriebenverbände seit Jahrzehnten diese "Vertriebengeschichte" (in ihrem Sinne) reichlich "aufgearbeitet"?

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Mein Eindruck ist, dass dieses Trauma zwei Seiten hat: einerseits der eventuelle Verlust von Grundbesitz und der Verlust einer regionalen Zugehörigkeit, das Thema der Vertriebenenverbände. Die andere Seite betrifft die "Integration" der Vertriebenen, wenn man so sagen will, in die Gesellschaft der BRD nach '45. Meine Bemerkung oben bezog sich auf diese Erfahrung der Ausgrenzung. Nicht alle Vertriebenen sind/waren im übrigen interessiert an der Politik der Vertriebenenverbände. Leider kenne ich keine Untersuchungen dazu und weiß auch nicht, wie die Lage in der ehemaligen DDR war. (vielleicht kann der Hausherr dazu etwas sagen?)

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Ich bin zwar nicht der Hausherr, kann aber zur Situation in der damaligen DDR einiges sagen. Sowohl meine Mutter als auch mein Vater als auch ein Großteil meiner "erweiterten" Familie sind "Vertriebene". Ich setze den Begriff bewusst in Anführungszeichen, und zwar nicht weil ich ihn für einen Kampfbegriff halte (was er sein mag), sondern weil fast niemand aus meiner Familie sich als Vertriebener bezeichnet hätte oder bezeichnen würde.
Ich halte es für gut möglich, dass es einen deutlichen Ost-West-Unterschied gibt, was den verlorenen Grundbesitz angeht (sprich: wer viel verloren hat, wird eher im Westen gelandet sein). Was die regionale Zugehörigkeit und Traditionen angeht: Das konnte in der DDR nicht gepflegt werden, ergo ist es sehr bald nahezu verschwunden.
Aus meiner zugegebenerweise oberflächlichen Sicht scheint es mir, als ob die Vertriebenenverbände weniger dazu beigetragen haben, diese Traumata zu überwinden, als sie vielmehr teilweise zu konservieren.

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Aus meiner DDR-Sicht: Es wurde weitgehend tabuisiert. Es hieß ja auch "Umsiedler". Kurioserweiser war ja Strittmatters Roman "Tinko", der die Thematik aufgreift, lange Zeit Schulstoff. Mein Onkel, aus einem schlesischen Dorf namens "Schleiße" stammend, meinte nur lapidar, daß man das "l" im Ortsnamen ruhig hätte weglassen können. Im übrigen machte er als bekennender Katholik und dem Regime abhold Karriere und nahm im ansonsten mit, was mitzunehmen war. Hat mir immer imponiert, der Herr. Nach Schlesien will der nicht wieder.

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Wenn man sich Dons Artikel und auch Teile der Kommentare durchliest, zeichnet sich schon ab, dass Vertreibung häufig mit Besitz (die Fabrik, das Haus...) verbunden wird. Irgendwie hört man selten von Paradiesen in einem Stettiner oder Breslauer Mietshaus und wie romantisch doch die Armut damals war.
Und es hat sicher auch etwas mit der empfundenen regionalen Entwurzelung zu tun. Ein Zweig meiner Familie z.B. stammte aus Stettin und landete dann in Greifswald und letztlich in Stralsund. Das ist alles eher ähnlich, von der Mentalität und auch sonst.

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@oberlehrer: "...Besitz (die Fabrik, Haus...)"
Meine Mutter, Onkels, Tanten, Großeltern etc. stammen aus Schlesien und waren dort SEHR einfache Leute, so'ne Art Knechte auf irgendwelchen Bauernhöfen. Die haben dann hier in Berlin nach '45, bei familiären Treffen, Feiern, Geburtstage etc. NIE von der "Heimat" erzählt, gar von "verlorener Heimat". Denn sie haben ja nix verloren, sie hatten ja nix.
Auch ein gern gesehener Gast bei diesen häufigen Feiern, ein wunderbarer Glatzkopf aus Kejnichsberch (heute Kaliningrad) mit seiner Gattin und seinem Dialekt (den man heute leider nicht mehr hört), hat NIE von seiner Heimat erzählt, oder wie schön es dort... oder was er alles verloren... Nee, denn sie (wir) waren eben alles "einfache Leute".
Ich habe erst von der Herkunft & den Berufen gehört, als ich viel älter war und reichlich Geburts- und Heiratsurkunden etc. erbte und auch das Denken lernte.

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Man kann mit solchen Wurzeln leben, ohne daß man davon sein Leben bestimmen läßt. Aber es bleibt, auch wenn die eigenen Eltern als kleine Kinder aus der alten Provinz weg mußten.-

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