Schlechtes Benehmen des XX. Jahrhunderts

Es gibt ein paar Dinge aus dem vergangenen Jahrhundert, die ich heute klar ablehne: Ungeschützten Geschlechtsverkehr zum Beispiel. Und nein, mit Tempo 50 auf dem Rennrad mitten auf der Leopoldstrasse runterfahren und dabei das Ziel vor Augen, ums buchstäbliche Verrecken auch an den roten Ampeln nicht zu bremsen, würde ich auch nicht mehr machen. Ganz zu schweigen vom Versuch, wie hoch so ein Subaru E10 Allrad eigentlich in des Donaubauers Kiesgrube hüpfen kann, wenn man die Rampe der Crossbiker mit 90 nimmt (fast o,5 Meter, aber man sollte die Rampe mit dem Sand dahinter nehmen). Und auch einen Teil meines damaligen photographischen Werks, mit dem auch heute noch grössere Teile der besseren Gesellschaft der kleinen Stadt in Bedrouille bringen könnte, würden ich heute nicht mehr so bedenkenlos ablichten. Nur so viel: man braucht kein Internet, um mit einer Kamera negative Berühmtheit zu erlangen. Auch würde ich keine Bankierstöchter mehr auf meine Geburtstagsparty invitieren in der Hoffnung, dass sie auf dem Tisch stript - sie tut es nämlich nicht, aber ihre Freunde kotzen den Tequila hinter das Bett. Und ich würde auch nie mehr versuchen, eine Krankenschwester ins Bett zu bekommen. Das war mein privates New Economy Fehlinvestment.

Ich habe dazu gelernt. Die Zeiten sind heute andere. Das ist gar nicht mal schlecht, und es gibt schliesslich nach den Torheiten der Jugend auch genug Dummheiten der Nachjugend. Aber da ist eine Sache, an sich verwerflich, krank, dumm, pervers und heutigen Tags auch überflüssig wie ein Kropf: Der Erwerb von CDs.

Denn der Erwerb von CDs verschwendet nicht nur Bandbreite, er schädigt auch Tauschbörsen und Millionen Internetnutzer! Und unterstützt zudem die schändlichen Aktivitäten der Musikindustrie. Und dennoch: ich kaufe weiterhin CDs, selbst wenn der Kirchenvorstand von Gegenüber meiner Eltern sämtliche Orgelwerke von Bach inzwischen auf der Festplatte hat.



Zu meiner Entschuldigung kann ich nur sagen: Ich kaufe nur CDs ohne Kopierschutz - so etwas Perverses wäre in dem Bereich des High End Recordings, in dem sogar die Monitorkabel beim Abmischen auf der CD genannt werden, höchst unüblich. Die Labels sind ebenso klein wie fein und haben was Besseres zu tun, als ihre Kunden vor den Kadi zu zerren. Ihre Musiker sind keine überhypten Nichtskönner, sondern Spezialisten für historische Aufführungspraxis. Und der Laden, in dem ich sie kaufe, verlangt zwar 2 Euro mehr als Amazon - aber ich kann mir jede CD in aller Ruhe anhören, der Händler kennt meinen Geschmack, und seine Anlage kostet ein klein wenig mehr als ein handelsüblicher Opel, und ist natürlich unendlich viel besser. Ich sage nur; handselektierte Röhren in einem japanischen Verstärker, von dem es hierzulande nur 10 Stück gibt. Und wo sonst sollte ich eine Folia aus der Zeit um 1490 bekommen, CDs verrückter japanischer Labels, die in romanischen Kirchen Spaniens Moriskenmusik aufzeichnen, oder Charles Tessiers erfundene Voyages, die ich dann mit Pluhars neu erfundenen Bergamasken vergleichen könnte?

Das sind ganze Universen der Musik, nur wenigen geöffnet und der Masse völlig unbekannt, und deshalb zahle ich noch für CDs, und ich tue es sogar gerne, weil ich diese Künstler toll finde.

Auch, wenn es im XXI. Jahrhundert ansonsten das übelste, verkommenste und dümmste ist, was man nach Erfindung der anonymen Tauschbörsen noch tun kann.

Samstag, 21. April 2007, 01:48, von donalphons | |comment

 
So als nicht Klassik hörende, aber Heavy Metal spielende Postbotentochter in der Distributorbranche und bekennende Linkschaotin strippe ich ganz gerne vor einem auserwählten Kollegenkreis. Ist das jetzt quer zu Deiner Lebenswelt?

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Nichts bereuen.
Mit 16, 17 Jahren ist doch nichts mehr einträglich für den eigenen Ruf in der Schule und unter Freunden als anläßlich seines Geburtstags zu erforschen, wie viele Dutzend Menschen, die sich nicht benehmen können, in ein größeres elternbefreites Einfamilienhaus passen.
Zumindest solang die Nachbarn und die Taxifahrer, die die Bankiers-Töchter-Freunde abtransportieren, ein wenig Spaß verstehen und nicht die Bullen rufen (Danke nochmal, Herr H., ehrlich, kommt nie wieder vor!).
Warum schämen? Mittlerweile wissen die Eltern auch das neue Wohnzimmer zu schätzen und man hat was nettes zu schreiben, auch über die tolle Zeit, die man mit 18 in der ersten eigenen Wohnung hatte.
Hach, das XX. Jahrhundert, was waren das noch für Zeiten - Ohne DigiCams und Google-Cache.

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hui, erhat versucht eine krankenschwaster ins bett zu bekommen - tötörötörö

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Wie dumm das ist, sagt einem ja keiner vorher. Ausserdem gibt es auch echtes Krankenschwesterngold - ein Freund hatte das Glück. Ich nicht.

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Oh ja, der vierte Stock eines Münchner Kaufhaus am Marienplatz ist ein Universum für sich.

Übrigens erstaunlich, wie liebevoll diese CDs oft gemacht sind. Hardcoverbooklet etc. inclusive, und natürlich nicht kopiergeschützt.

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CDs kaufen ist doof
Ich kaufe bevorzugt CDs von Künstlern mit Verkäufen deutlich unterhalb von 50.000 Stück/Jahr und dies auch nur dann, wenn die Labels/Vertriebe diese kleinen und mittleren Künstlern faire Verträge geben. Was in der heutigen Zeit, wo neo-, äh, antiliberale Arschlöcher die Schimäre des "freien" Vertrag rühmen, die Ausnahme darstellt. Außerdem, durchaus empfehlenswert, gibt es preiswerte und qualitativ teils positiv überraschende Gesamtwerkausgaben klassischer Musikkomponisten. Und Kleingeldprinzessin. Das wars dann aber auch schon in Sachen CD-Kauf.

Anmerkung zu den Röhren: Sie erzeugen, falls sie nicht nur als Gehäusebeleuchtung eingebaut wurden, Verzerrungen, welche bewirken, dass das Gehörte "besser" klingt, z.B. satter und luftiger (ähnlich: Excitereffekt). Man kann lange darüber streiten, ob man für eine nichtlineare Wiedergabe so viel Geld ausgeben sollte [nein!], aber, und das ist unstrittig, es ist an und pfirsich abzuraten, eine CD in einer komplett anderen Abhörsituation anzuhören wie zuhause.

Disclaimer: Man mag mir die Nüchternheit gegenüber wucherteurem Highend gerne übel auslegen. Ich sehe es als verdienstvoll an, wenn die verführbare Jugend unter den Bloglesern von sinnloser Dekandenz ferngehalten wird. ;-)

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Ich habe hier oben keine Röhren, die Anlage taugt aber auch so - nur habe ich gestern im Laden ein sehr langsames Cembalostück gehört, auf einer Anlage um die 60.000 Euro mit Röhrenverstärker und Röhrenvorverstärker, und die CD dann nicht gekauft, denn es wäre auf meiner einfach nur noch eine Enttäuschung gewesen. Das liegt jetzt nicht nur an den Röhren, sondern daran, dass der Mann erst ab einem Punkt Anlagen aufbaut, bei denen in normalen Märkten längst nichts mehr geht. Kurz, der versteht was davon, und zwar in der Art, dass immer noch Universen der Feinheit zwischen meiner Einsteigeranlage und seinen guten Stücken liegt. Gerade, wenn es um feine Stücke geht. Und da sind Anlagen, die sind besser als jedes Livekonzert unter Idealakustik. Nebenan steht einer der besten Klangräume des Rokoko in Deutschland, ich kenne Konzerte, die da drin aufgenommen wurden, als live und CD - die CD ist besser. Es ist einfach mehr da.

Dekadenz bist nie sinnlos für den Geniessenden. Enthaltsamkeit ist es.

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