Real Life 28.06.07 - Calatrava

Er war ein netter Mann. Sehr höflich, fast bescheiden, was man nicht zwingend erwartet, wenn man mit Leuten seines Kalibers zu tun hat. Vermutlich war das ein Teil seines Erfolgs bei den Kunden. Ein begnadeter Vertriebler, der einem das Gefühl geben konnte, dass er genau zuhört und versteht. Um dann nach einem gewissen Nachdenken die richtige Antwort zu geben. Das Nachdenken, das langsame Zurückfallen in den Sessel, dabei der Griff zur Goldrandbrille mit der linken Hand, und am Handgelenk erschien über der weissen Manschette ein simples Goldrund, das sich wohltuend und stilvoll abhebt von den in dieser Branche sonst so beliebten robusten Uhren, die eine letzte Beziehung zum Bau darstellen sollen.

Um dich herum brennt die Luft, die Stimmen hallen von den nackten Wänden zurück und vermischen sich zum Gebrumm, der an ein wütendes Hornissennest erinnert. Dabei war es absehbar. Er wusste, dass ihr kommen würdet. Er hat sich monatelang überlegen können, was er tut. Vermutlich hat er wirklich sehr genau nachgedacht, nicht so wie früher, wo er das Nachdenken nur simulierte, und dann Angebote machte, deren angebliche Rendite für den Kunden er doppelt und dreifach bekam. Er hatte sicher auch Pech, dass es in Berlin nicht so locker ging, wie vorhergesagt. Wäre es anders gelaufen, kein Hahn hätte nach den Details beim Vertrieb gekräht. Warum auch. Es wäre ja die richtige Entscheidung gewesen, und man hätte ihm gedankt.

Es war der Stil der letzten Forderung nach einem klärenden Gespräch. Das war zu deutlich, da wusste er, dass ihr diesmal nicht nur Erklärungen fordern würdet, sondern auch den Inhalt der Schränke. Schliesslich hat sich die Mehrheit längst auf eure Seite geschlagen, der Trick mit der Calatrava am Handgelenk hatte angesichts von drohenden Nachzahlungen im Bereich von - teilweise existenzbedrohend viel - seine Wirkung verloren. Und daraus hat er die richtigen Konsequenzen gezogen.



Vor drei Tagen. So lange ist der Anrufbeantworter nicht mehr abgehört worden. Das Büro ist fristgerecht gekündigt, alles hat seine Ordnung, so wie immer alles seine Ordnung hatte. In einem Nebenraum stehen die Möbel, die auf Kosten der Gesellschafter gekauft wurden. Vermutlich wird er sagen, dass es seine persönlichen Akten waren, die er mitgenommen hat. Und es doch absehbar war, dass er demnächst entbunden sein würde. Und noch einiges anderes, das sehr verständnisvoll und höflich klingt.

Wenn du ihm denn jemals wieder gegenüber sitzen wirst, und er dir beim Nachdenken die Calatrava zeigt.

Freitag, 29. Juni 2007, 15:44, von donalphons | |comment

 
Für einen Moment hatte ich beim Lesen der ersten 3 Abschnitte gedacht, man hätte ihm eine Luger auf den Tisch gelegt und sich dann diskret zurückgezogen ... ;)

Ach, nee ... so läuft das ja heute nicht mehr. :)

Wobei meine (kleinen)Erfahrungen sagen, daß die meisten "begnadeten Vertriebler" gar nicht an "Vertriebsfragen" wirtschaftlicher oder rechtlicher Natur hops gehen, sondern weil sie "auf der anderen Seite" mitmischen und von der Initiatoren-Kohle ´was abhaben wollen. ;)

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Kickback ist das Zauberwort. Und das Blättern in Vollmachten ist auch nicht ganz wirkungslos, vielleicht sogar besser als das Eisen. Das Eisen nimmt nur das Leben, die Vollmacht dagegen das Geld.

Ich habe mir lange überlegt, ob ich den Text schreiben soll, aber nachdem das bedeutet, dass ich 6 Stunden in den Wind schreiben kann, dachte ich, auch ein schlechtes Geschäft kann eine gute Geschichte ergeben.

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Hm, dieses Zauberwort
begegnet mir in letzter Zeit auch in mediennäheren Zusammenhängen. Du bist nicht zufällig auf der Suche nach verlorenen/veruntreuten Freispots? ;-)

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Nein, ich suche einen 60-jährigen Herren, 1,75 gross, nicht ganz schlank, aber auch nicht dick, mit einer Vorliebe für dunkelgraue Dreiteiler, fährt die neueste S-Klasse und hat, wie wir wissen, auch ein Haus in der Schweiz bei Gstaad.

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Wie hoch ist das Kopfgeld ?
Denn umsonst habe ich noch nie den Judas gegeben.

In diesem Fall auch: keine Quittung, keine Rechnung, kleine Scheine. Otherwise no can do.

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Und das mit den Freispots überrascht mich sehr. Nicht, dass es sie gibt, sondern dass jetzt eine allgemein bekannte Praxis des Zuschubsens plötzlich kriminell sein soll. Wenn das ein Verbrechen ist, was sind dann gewisse in Köln verliehene Medienpreise?

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Ebenfalls
ein Fall für das Kartellamt, wenn man dessen eigener Logik folgen würde.

Ich finds btw. auch relativ verlogen, dass alle so tun, als wären die Kickbacks ein Problem von Vermarktern und Agenturen. Die Kunden haben das doch auch die ganze Zeit billigend in Kauf genommen, dass sie keine Pitchaufwendungen und ordentlichen Beratungshonorare mehr zahlen müssen, wenn sich die Mittler dafür bei den Medien schadlos halten können...

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Medien halt.
Am Ende hat alles und jeder seinen Preis, und die Zeche muss der Konsument zahlen, von Marl bis München-Ismaning.

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Lebemann, das hängt davon ab, ob wir ihn herausholen müssen, oder er geliefert wird. Finden ist nicht so schwer.

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Schade. Wäre schnelles Geld gewesen. Dann "holt" ihn Euch man selber :-)

Bringdienst gibt es für Pizza.

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