: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Sonntag, 24. Juni 2007

Ein Hauch von Mille Miglia in der kleinen Stadt

Die einen nicht ganz kleinen Automobilhersteller beheimatet, dessen Produkte fast immer etwas schöner als ein Opel sind, und von hirnlos rasenden Vertrieblern auf der Autobahn gern geschrottet werden. Früher war das anders, da baute der Konzern biedere, zuverlässige Familienkutschen. Irgendwann bauten sie aber Allrad ein und dann noch einen starken Fünfzylinder dazu, und seitdem ist nichts mehr, wie es war. Der Automobilhersteller ist faktisch die Stadt, und damit keiner Angst bekommt vor dem Giganten mit seinen Hallen und Plätzen, wird mit dem daraus sprudelnden Geld eine extrem saubere, idyllische Altstadt gezaubert, eine Mischung aus hirnlosem modernen Anspruch der Regierenden der Global Tower Business School City rechts und dem heimeligen Schnörkeldingens am Fusse der Kirche, das an eine Epoche des faktischen Klerikalfaschismus known as gute alte Zeit erinnert.



Und dazwischen als feines Band zwischen Vergangenheit und Moderne zieht sich nun schon seit zwei Jahren ein feines Band von alten Automobilen. Nicht unbedingt feinen Automobilen, denn die Tradition des hiesigen Herstellers war bis 1970 eher mickrig und danach ziemlich proletenhaft - wenngleich, wenn ich offen bin, mit 220 mit dem Urquattro von C. über die Schotterpiste donnern, das würde ich heute nicht mehr tun, aber damals war das schon spannend. Wie auch immer, hier also kommen sie durch, die alten und weniger alten Schnauferl, und verbreiten ganz leicht die Atmosphäre, die man von der Millie Miglia kennt - alte Autos in kulturträchtiger Umgebung.



Zufälligerweise hatten sie heute den gleichen Weg wie ich hinaus in die Holledau, ich zu den Antiquitäten und sie zum Hoffnungslauf mit den Antiquitäten. Auf dem Heimweg war ich mit Tempo 80 gezwungen, einen Ferrari zu überholen, dessen Motor das Lied der Selbstauflösung sang. Ein Kollege etwas weiter hatte das Lied schon geendigt und ergoss ein feines Rinnsal Motorenöl auf das Bankett, was die eigene Lust auf altes Blech wie, sagen wir mal, einen 65er Lancia Flaminia trotz erster Einnahmen aus dem Bildrückfordergewerbe schwinden lässt.



Die Überlebenden treffen auf eine weitgehend tote Altstadt, und wer zuschauen will, muss sich nicht im Mindesten drängeln. Hier und weiter unten haben sie Torte der berüchtigten Verfetterei Konditirei, die Wägen müssen ohnehin hier durch, warum also sich bewegen, sitzen, warten, alle zwei Minuten beweist ein lokaler Oldtimerbesitzer, dass auch drei Grad Steigung für so ein altes Auto eine Herausforderung ersten Grades sein kann.



Erst oben, wo die Stadt tatsächlich auch echtes italienisches Flair und italienische Stuckarbeiten hat, sowie nachgemachte italienische Strassencafes, wird die Strasse breiter, und sie können zeigen, was in ihnen steckt: 17 PS in diesem Fall. Auf 350 Kilo. Sein Nachfolger wird 110 Kilo iegen, das ist mehr als meine Barchetta. ich werde nie verstehen, wieso unsere Autos immer schwerer werden, immer mehr leisten und gleich viel verbrauchen. es wäre nett gewesen, wenn unsere Autos statt dessen sehr viel leichter wären, sehr viel kleinere Motoren hätten und weniger verbrauchen würden. Irgendwann ging das alles in die falsche Richtung.



Dafür sind wenigstens meine Mille Miglia Reflexe noch da. In Berlin wollte ich ein Stück Dreck knipsen, da rauschte die Strassenbahn vorbei, und instinktiv zog ich mit und drückte ab... wie in Italien. Es ist nett hier. Sie geben sich alle Mühe, den Vorhof zur Hölle hübsch anzupinseln und nette Dinge durchrollen zu lassen. Es erinnert tatsächlich an Süden. Nur ist es leider nicht Brescia und die Mille Miglia. Es ist die kleine Stadt, man muss mit dem zufrieden sein, was man hat. Immerhin ist es hier schön, in anderen kleinen verregneten Dörfern sieht das ganz anders aus.

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Die Entstehung der Unarten.

Jede Abmahnung beginnt mit einem "Das traut er sich nicht" der Gegenseite. Jede, aber wirklich jede. Ne, doch nicht jede. Doch jede. Und mit dem Glauben, man könne sich einfach nachträglich aus der Verantwortung stehlen. Alles so sinnlos.

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Ich hasse Vollkornbrot

Es gibt Grenzen gesunder Ernährung, und die verlaufen von der Toastkitteinöde über die Knäckesteinwüste bis an die Kruste des Vollkornelends. Ich habe ein Faible für gutes Brot, aber es muss den richtigen Biss haben, und die drei Sorten sind zu weich, zu nichtsschmeckend und zu öko. Vollkornbrot war das, was die besonders engagierten Mütter aus dem Norden meinen Freunden mit in die Schule gaben, während ich zu der perfekten bayerischen Bäckerei ging, die ich bis heute aufsuche und aus der, wenn es nach mir geht, auch mein letztes Stück Brot bekommen werde. Die haben ein Baguette, das französisch sein könnte, Kastenweissbrot aus dem Kasten, Semmelbrösel für die, die es brauchen, bayerischen Apfelkuchen, Rouladen - und absolut kein Vollkornbrot. Das danke ich ihnen durch meinen Besuch an vier Tagen in der Woche.

Nur Mittwoch und Samstag ist das meist anders, denn dann ist Wochenmarkt, und dort gibt es ebenfalls ein Brotritual. Bei einem Stand gibt es nämlich hausgebackenes Olivengiabatta und Dinkelbrot zum Sterben. Während die leichte, italienische Köstlichkeit perfekt zu Frischkäse, einem Grana Padano oder Mozarella passt, ist das nussige, massive, helle Dinkelbrot die ideale Ergänzung zu einem Gaperon, Tete de Moine oder gebratenen Halloumi. Gesternn war ich reichlich spät dran, nur noch ein Giabatta war vorhanden, doch ich kenne die Verkäufern und signalisierte ihr über die Schlange der Wartenden hinweg, sie möge es doch beiseite legen, was sie, das Ritual kennend, auch tat. Als ich dann fast an der Reihe war, fragte die Frau vor mir - nach einem Olivengiabatta. Glück gehabt.

Statt dessen stellte die Verkäuferin ihr Angebot vor: Walnussbrot, Bauernbrot mit Gewürz, Katrtoffelbrot (übrigens auch sehr fein, aber nichts gegen das Dinkelbrot), und - Dinkelvollkornbrot.

Aber das ist so hell, fragte die Dame, und ich fand, dass sie recht hatte.

Ja, bestätigte die Verkäuferin, aber das sei bei Dinkelvollkorn immer so, es sei zwar weicher in der Konsistenz als (im Original sagte sie natürlich: wie) normales Schwarzbrot, aber Dinkelvollkorn wird, wenn es gut gemacht wird, nie dunkler.



Und jetzt frage ich mich: Was bringen einem die schönsten Vorurteile, wenn man seit Jahren unwissentlich dagegen ankaut? (Der Käse auf dem Bild ist ein Gaperon aus der Auvergne, den Rest verdanke ich Berlin, England sowie eigener Arbeit an Holz und Leder)

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Empfehlung heute: Ausnahmsweise

mal kein Blog. Ich habe eine grosse Schwäche für lateinamerikanische Literatur, zuallererst für Jorge Amado, dann aber auch Carlos Fuentes und Marques, und zudem für Mario Vargas Llosa, dessen famosen, lebenslustigen Roman "Die geheimen Aufzeichnungen des Don Rigoberto" ich in meinem ersten Italienurlaub dieses Jahres gelesen habe. Und Llosa wiederum hat in El Pais einen Beitrag über den Journalismus heute geschrieben, den die Süddeutsche Zeitung auf Deutsch Online gestellt hat, möglicherweise zur Züchtigung der eigenen Mitarbeiter - uns kann das egal sein, denn Llosa ist ebenso feinsinnig wie deutlich in seinen Ausführungen.

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