Unterlassene Hilfeleistung

Kennt jemand diesen Reflex, wenn man etwas schlimmes sieht und sofort weg will, schnell weg, obwohl gerade jetzt Hilfe gebraucht wird? Diese Sekunde, die in den eigenen Abgrund blicken lässt und die alle Behauptungen, natürlich würde man - Beispiele: den Juden im 3. Reich helfen, keinen Verletzten liegen lassen, dem Asylbewerber gegen die Skins unterstützen - verlogen und heuchlerisch erscheinen lassen? Bis das überwunden ist, ist man glücklicherweise schon meist mittendrin im Geschehen, da ist etwas, das einen vorantreibt, auch wenn man, sobald das Blaulicht verschwunden ist, über die Leitplanke das Innerste in den Strassengraben kotzt und monatelang Alpträume hat. So ging mir das schon mehrfach, und letzten Sonntag auch mit einem alten Haus, das mir von aussen sehr gut gefallen hat.



Das Schlimmste ist auf den ersten Blick schon gemacht, der Dachstuhl ist von modernen Verbauungen und Dreck befreit, und die morschen Balken sind kunstfertig ersetzt. Aber ein Stockwerk tiefer ist ein Riss in der fast ein Meter dicken Mauer, durch den man den Himmel sieht. Dieses Haus ist angesichts seiner paar kleinen Zimmer eine Ansammlung schlimmsten Horrors, seit ungefähr 80 Jahren gnadenlos runtergewohnt und mit keinem finanziell sinnvollen Aufwand zu retten.



Die schönen Räume sind wie so oft im hellen Speicher, aber da gibt es ein Problem: Die Raumhöhe ist bei 1,90 Meter. Wenn erst mal eine richtige Decke drin ist, wird es noch niedriger sein. Es drückt auf das Gemüt, und würde ich es besitzen, ich wüsste nicht, was ich damit tun sollte. Es ist wie eine entstellte Schönheit, der Gegensatz zwischen dem, was ist, und dem, was sein könnte, tut weh, weil es nur mit so unendlich viel Arbeit, Mühe, Problemen und Katastrophen geht.



Ich habe solche Balken freigelegt und saniert, ich weiss, wie einem die Hände danach weh tun, und bei mir sind wenigstens auch die niedrigsten Zimmer weitaus höher. Da ist noch herausragende Substanz, aber hier braucht jeder Zentimeter Arbeit, es muss alles dem Vergehen entrissen werden, und das bei nicht wirklich idealer Grundsubstanz. Hier hatte ich diesen Fluchtreflex, nichts wie weg, das würde ich nicht packen, Monate voller Plackerei und ein Ergebnis, das einen für immer einschränken würde. Dachte ich.

Aber die Bilder wurden dann soch so toll, und der Besitzer ist so verdammt stolz auf das, was er geschaft hat, dass ich ihn jetzt doch wieder beneide.

Donnerstag, 13. September 2007, 23:02, von donalphons | |comment

 
(Gibt es nicht sowieso eine gesetzlich vorgeschriebene Mindesthöhe für Wohnräume weit über 1,90m?)

... link  

 
So um 1450 war da noch nicht viel zu sehen, von dieser Vorschrift. Es gibt im Denkmalschutz Ausnahmeregelungen.

... link  

 
So arg weit über 1,90m liegt die Mindesthöhe m.W. auch nicht. Die Vormieterin meines polnischen Techno-Chefs hatte sich deshalb einmal erkundigt, die Wohnung hat eine Deckenhöhe von genau 2m. Sie erhielt die Auskunft, dass sei gerade eben noch zulässig, obwohl man da bequem mit der Hand an die Decke kam, ohne den Arm sehr auszustrecken, und sie ihre Gardinen mit Reißzwecken befestigen musste, weil über den Fenstern kein Platz für Gardinenstangen gab.

... link  

 
Unsere Küche hat 2,10m zwischen den Balken :-)
einfach nur gemütlich....schön tiefe Fenster ...Lehmputz...Holzfußboden

Jeder so wie er es verträgt. Wer dabei Depressionen bekommt, sollte höhere Räume wählen ;o)

... link  

 
Was soll das mit der richtigen Decke Don? Eine Dämmung oben drauf, das Holz von unten sichtbar lassen und vielleicht etwas weißen damit es heller wird. Wunderbar gemütlich! und es darf halt nur jemand drin wohnen der kleiner als 190cm ist *g*

... link  

 
Unter zwofuffzich Deckenhöhe
neige ich in der Tat zu klaustrophobischen Beklemmungen. Für mich wär das nichts.

... link  

 
@ lupi: Ach, wissen Sie, manche Leute haben gar nicht so die Wahl, weil das Amt die Miete zahlt oder sie halt Ausländer sind und sie zudem in Städten leben, wo Wohnungen, vor allem erschwingliche Wohnungen, knapp und die Vermieter entsprechend eingestellt sind.

... link  

 
Ach kommen Sie,
Frau Arboretum, auf die Drüse brauchen Sie nun echt nicht drücken. Ich will jetzt gar nicht der Erfahrung einer Räumungsklage und Bettelgängen zu Ämtern (die für mich als Selbständigen keinen Finger gerührt haben) rumprotzen. Aber Leute, denen die Ämter die Butze und die Krankenkasse zahlen, habe ich zu Zeiten durchaus als privilegiert wahrgenommen, auch wenn ich konzediere, dass das mit Sicherheit auch kein Vergnügen ist.

... link  

 
Das mit der Deckenhöhe - die bei einer neuen eingezogenen noch geringer werden dürfte - ist ein Problem. Selbst "immerhin 2m" wirkt unangenehm. Der Hauptmakel, den man nicht so leicht wegdiskutieren kann.

Die durch die Balken verstellten(?) kleinen Räume könnte man noch "irgendwie" nutzen aber das o.g. Problem wird wohl dazu zwingen von einer Lösung als tatsächliche Wohnräume abzugehen und hier Abstellkammer, Studierzimmer, Zweitbibliothek, Spielzimmer ... vorzusehen. Nix Wohnen !

... link  

 
Entkernen, hinter die Fassade eine Etage weniger reinbauen, fertig ist die Kiste. :-)

... link  

 
@ Mark793: Ich drücke hier nicht auf "die Drüse", die Mieter in jener Wohnung, von der ich sprach, war nun mal eine Alleinerziehende mit pubertierender Tochter, die damals von Sozialhilfe lebten, und aktuell ist es ein Pole (inzwischen von Frau und 2 Kindern verlassen - die Wohnung hat 2 Zimmer und etwa 55 Quadratmeter).
Der Techno-Chef sagt selbst, dass diese Wohnung nur von Ausländern genommen würde, weil die sonst kein Vermieter als Mieter wolle. Er lebt übrigens nicht vom Amt, ich schätze, er ist auch ein Selbstständiger, sprich: Subunternehmer auf dem Bau.

... link  

 
Nur weil nicht alle Leute ihre Wohnverhältnisse selbst in der Hand haben, darf man nicht über Deckenhöhen und Stadtpaläste schreiben? Mir ist die Vermietersicht alles andere als fremd und "Ausländer" war bei mir immer der geringste Makel bei der Vermietung. Wenn "das Amt zahlt" schon eher. Das habe ich einmal mit gemacht und am Ende damals 15.000 DM Renovierungskosten bezahlen dürfen - für 60 qm. Hat schon seinen Grund warum "die Vermieter so eingestellt sind" - wenn auch in manchen Fällen die Falschen darunter leiden.

... link  

 
Ach, Quatsch, Herr strappato. Natürlich darf man über Stadtpaläste schreiben - wie kommen Sie denn auf die absurde Idee, ich sähe das anders? Mein Posting, dass nicht jeder die Wahl habe, bezog sich doch eindeutig auf Lupi: Jeder so wie er es verträgt. Wer dabei Depressionen bekommt, sollte höhere Räume wählen ;o)

Die vorige Vermieterin, heißt es, nahm aber ganz gerne Sozialhilfeempfänger oder Ausländer als Mieter, weil "sie es mit denen machen konnte". Soll wohl heißen, die konnten sich schlechter wehren. Abgesehen davon war die Wohnung so billig nun auch nicht. Jedenfalls fand die Alleinerziehende irgendwann in der Nähe eine hübschere und billigere Wohnung ohne Durchgangszimmer.

Der Witz an der Geschichte ist, dass eben jene Wohnung nach dem Verkauf an eine Immobiliengesellschaft für über 108.000 Euro zum Kauf angeboten wurde. Angeblich sind alle Wohnungen in diesem Anwesen verkauft worden, da hat irgendjemand ein sehr schlechtes Geschäft gemacht.

... link  

 
108.000 Euro bei 55m² Wohnfläche, schlecht vermietbar und mit Durchgangszimmer ?
Reden wir über Bogenhausen oder geht es da um "alternative Finanzierungsformen" ? (Wobei ich nicht die finanzierende Bank vertreten möchte).

Nicht wehren können ... ist natürlich nicht korrekt: das Mietrecht gilt überall ohne Ansehen des "Sozialstatus"- im Gegenteil: welcher Vermieter ist so waghalsig, gg. eine vorgenommene Mietminderung Klage einzureichen, wenn er davon ausgehen muß, daß er selbst bei obsiegendem Urteil nüscht erhält ?

@strappato beschreibt dfen Umstand, daß man bei einem nicht zahlenden Mieter als Daumenregel -10.000 Euro einrechnen muß (Mietausfall, Kosten der Räumungsklage, Instandsetzung). Daß die Miete durch das Sozialamt "sicher" ist, ist nur ein Umstand: die einzige (geringe) Sicherheit gibt die Selbstauskunft.

@hockeystick warum die Fassade stehen lassen ? In I-stadt fehlt mit Sicherheit ein Bau mit schöner moderner Architektur. Die Fassade mit Stahlträgern zu fixieren, kostet nur unverhältnismäißg viel Geld. :)

... link  

 
Wir reden hier von Geschäftemacherei. Und naiven Käufern, die sich vorher nicht einmal anschauen, was sie kaufen. Man sollte meinen, dass bei solchen Summen auch noch ein bisschen Geld für den Sprit oder eine Bahnfahrkarte übrig ist. Der einzige Raum, der nicht Durchgangszimmer ist, ist das Bad. Ach ja, die Wände und Böden sind selbstredend schief und krumm.

Nicht wehren können bezog sich nicht auf die rechtliche Situation, sondern darauf, dass die frühere Vermieterin wohl darauf spekulierte, dass diese Mieter teilweise nicht so recht wissen wie, weil sie beispielsweise sprachliche Schwierigkeiten haben. Abgesehen davon rennt auch nicht jeder sofort zum Anwalt.

Dass es auch Mieter gibt, die glauben, weil sie nicht aus eigener Finanzkraft die Miete zahlen können, die Wohnung auch zuschande richten dürfen, steht außer Frage.

... link  

 
Mein Satz war eher auf die gemünzt, die die "freie" Wahl haben. Ich habe in den etwas subjektiv eingeschränkten Bahnen des Eigenheimbesitzers gedacht.
Sorry für meine Kurzsicht.
Natürlich ist es nicht in Ordnung Menschen in unzumutbare Wohnungen zu pferchen und Notlagen auszunutzen.

Bei uns ist es halt selbstgewähltes Schicksal :-)
D

... link  


... comment