Samstag, 28. Juni 2008
Die 3-Millionen-Euro-Frage
Den Reichen die Pflicht zum Schönen. Andernfalls verdienen sie zu sterben.Und die Armen, haben die eine Pflicht zum Hässlichen? Einen Fluch zum Umschönen? Ein unausweichliches Schicksal, das sie dazu verdammt, grantig, zynisch und runtergekommen zu sein?
Muriel Barbery, zitiert bei Anke
Vielleicht muss ich hier eine kleine Ankdote erzählen, über das, was sozial ist. Mein momentaner Aufenthaltsort ist, soweit man sich das irgendwie vorstellen kann, der komplette Gegenentwurf zu den schlechteren Vierteln Berlins und anderen sozialen Brennpunkten. Würde ich jetzt am Schnittpunkt zwischen diesen beiden Welten sitzen, im 103 an der Kastanienallee, würde ich in einer Stunde dreimal gefragt werden, ob ich nicht mit einem kleinen Betrag helfen möchte, der tatsächlichen oder auch nur erfundenen Not eines mich Ansprechenden zu mindern - sei es, weil er mir eine Geschichte erzählt, ansonsten randaliert, Musik macht oder sonstwie eine Umverteilung zu seinen Gunsten beabsichtigt. Und ich kann an dieser Stelle aus Erfahrung sagen, dass es selbst für jemanden wie mich durchaus ins Geld geht, diesen Wünschen nach sozialen Diensten längerfristig zu entsprechen, denn mittlerweile gehören Forderungen von 3 Euro für einen Döner, eine Fahrkarte oder was auch immer fast schon zum guten Ton.
Am Tegernsee wurde mein soziales Gewissen innerhalb von einem ganzen Monat nur dreimal angesprochen. Durchwegs von Leuten, die durch in einem Masse reich sind, dass ich sie hier trotz meines Abscheus vor diesem Wort nur als Elite bezeichnen kann. Die Sorte, die einem in fünf Minuten ein Termin bei wem auch immer verschaffen kann, eine Vietel Stunde vor dem ausverkauften Konzert noch Karten bekommt und bei der Durchsetzung ihrer Ziele vermutlich ähnlich impertinent sein könnten, wie der verrückte Schreier vom Helmholtzplatz. Diese Herrschaften sehen mich auf der Terrasse am Computer sitzen, verwechseln meine Jagd nach Informationen und Fahrten zu Versammlugen nach München mit "Freizeit" - schliesslich binde ich es hier keinem auf die Nase, dass ich beruflich über so etwas Unansprechbares wie Geld rede - und finden, dass ich ruhig ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft werden könnte. Ich fürchte in der Folge, ich werde im Herbst helfen, einige wohltätige Konzerte zu organisieren, der Landesbund für Vogelschutz will mich trotz Heuschnupfen, und jemand ist auch schon am überlegen, wie man mit meiner Schreibe helfen kann, das schöne Tegernseer Tal vor dem Investorenzugriff zu retten.
Das passiert übrigens nicht über die schnelle Anquatschnummer, sowas wird vorbereitet, erklärt, nahegebracht, mit guten, ja sogar besten Gründen vermittelt. Für die Ansprechenden wäre es vermutlich nicht das geringste Problem, einen Scheck rauszuschreiben und sich die gewünschte Leistung irgendwo zu kaufen, aber sie alle sind der Meinung, dass auch bei anderen die Daseinsbeschränkung auf nur rumhocken, den Kühen beim Grasen zuschauen und Torte essen absolut nicht geht. Sie alle denken, dass man gefälligst seinen Arsch zu bewegen hat, um diese Welt schöner und besser zu machen, angefangen bei dem gefährdeten Gut Kaltenbrunn bis zur Hilfe für bedürftige Mütter im Norden des Landes. Und ich lasse mich auch breitschlagen, damit ich wegen Überlastung den allerbesten Grund habe, den hier extrem stark verwurzelten Trachtenvereinen bedauernd absagen zu können, deren Schriftführerin mich beim Anmelden im Ort schnellstens - a so a gschtandns Mannsbuid, woins ned amoi a Drachd brobian - für den Almabtrieb der Krachledernen schanghaien wollte.
Es geht hier nicht gerade sozialistisch zu. Der Tegernsee ist ein grosser Brocken sozialer Ungleichheit in Deutschland, sogar die Wasserleichen werden in aller Regel als "gepflegt" und "mit Schmuck" in den Polizeibericht genommen, und all das wird glücklicherweise vom Grossraum München mit einer Stossstange gegen den Rest des Landes versehen. Ich erlebe hier Dinge, die ich nicht ins Blog schreiben würde, damit sich das nicht ändert, und dennoch: Ich halte das hier für notwendig. Weil es für die Angst habenden Mittelschicht sowas wie ein Gegenentwurf ist. Man kann die Häuser an der Mangfall spiessig und kitschig finden, aber als ich eines dieser Bilder gemacht habe, hat mich ein touristisches Ehepaar darauf angesprochen, wie schön das ist, und wie gern man hier leben würde. Es gibt eine Form des Reichtums, von der ich mir wünsche, dass er für die Mittelschicht ein Anreiz ist, der Angst nicht nachzugeben und zu versuchen, den Wohlstand auszubauen. Wohlstand funktioniert nicht mit Tütenfrass, Kleidern aus chinesischer Ausbeuterfrabrikation und Anrufen bei 9live, Wohlstand schafft und erhält sozialversichterte Arbeitsplätze in diesem Land, und lässt es nicht auf das Niveau der digitalgepennerten Minijobtwitterverarschten herabsinken. Ich hasse es, der CSU recht geben zu müssen, aber neben dem Arnutsproblem in Deutschland gibt es auch ein Problem im Umgang mit Wohlstand, eine "Oben/Unten"-Debatte, die niemandem was bringt, weil sie die Realitäten negiert.
Diese verlogene Debatte funktioniert über Archetypen, angefangen in der Glotze und endend bei den Blogs. Der böse Reiche, das sind die Zumwinkels und die Pooths, und das Spreeblickumfeld johlt, wenn dann ein Sascha Lobo bei einer Rentendebatte einen anderen wegen seiner teuren Uhr anpfeift. Der gleiche Lobo beschreibt bei Twitter, wie er kurz vor knapp ein paar tausend Euro Steuerminderung durch ein Fahrtenbuch zusammenbaut, und bietet zusammen mit Vorzeigerebell Johnny Haeusler für sein PR-Projekt für die CeBit einen Minijob mit allen wenig erfreulichen sozialen Folgen an. Und keiner frägt ihn, warum er und seine Kumpels das "Angebot" nicht selber wahrnehmen, und wie er dann diesen Job für sich selbst gegenüber der CeBit abrechnet. Faktor 2? Faktor 3? Wieviel verdient man, wenn man andere als Minijobber laufen lässt? Oder nehmen wir mal eine, beim Berliner Prekariat verhasste teure Uhr: Kann gut sein, dass sie ein paar tausend Euro kostet. Aber daran verdient ein Händler, ein Fabrikant, ein Uhrenmechaniker, es erhält einen werthaltiger Teil unserer Kultur, es ist gut, dass es so ist, und weitaus besser, als Plastikdreck aus Fernost, der dort unter übelsten Bedingungen produziert wird jedes Jahr im Müll landet. Teuer ist nicht zwingend asozial, genausowenig wie billig gut für alle ist: Die allseits bekannten Junkanbieter sind Durchlauferhitzer des Elends, angefangen bei Raubbau an der Natur über unwürdige Arbeits- und Produktionsbedingungen bis zu den Tricks, mit denen sich solche Firmen der Steuerpflicht entziehen.
Ich habe weniger Angst vor den real existierenden Reichen als vor den populistischen Heuchlern mit den einfachen Lösungen, die gerne deren Platz einnehmen wollen, um genauso beschissene Jobs anzubieten, mir ist der stille Solarinvestor lieber als der sozialgetünchte Blogstricher, dem es nach Erreichen von 2000 PIs nur noch um die Werbung geht; ich bin für eine sinnvolle Umverteilung, deren Ergebnis nicht jedes Jahr eine modische Furnierimitateinrichtung aus der Ukraine ist. Ich gebe gerne, weil mich der Anblick von Elend krank macht, aber es macht mir mehr Spass zu sehen, wenn sich Leute Gedanken machen, wie man etwas an den Zuständen ändern kann. Almosen sind kein Weg, Verschwendung auch nicht, und schon gar nicht an der Stelle, wo das eine in das andere übergeht. Armut ist nicht sozial, also muss es der Wohlstand und der Reichtum sein. Dieses Land braucht Wohlstand, viel Wohlstand auf allen Ebenen, und eine Menge Hirn, Verständnis von Zusammenhägen und Engagement.
Reichtum bedeutet Verantwortung, am Tegernsee wohnen und den Rest abtun ist genauso falsch wie ein gefälschtes Fahrtenbuch und Freunde, die sowas komisch finden, und vielleicht ist das Grundübel dieses Landes gar nicht so sehr die soziale Kluft, sondern die beschissene Verantwortungslosigkeit, die Leckmichmentalität, die kichernde Akzeptanz dieses Verhaltens von der CSU Hintertupfing bis in die Souterrains von Mitte, unabängig von Herkunft und sozialem Status.
donalphons, 18:03h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Montag, 23. Juni 2008
Kommen/Gehen
Jetzt, da die Massen das Gebirgstal wieder verlassen, die letzten Badenden die Kleider anlegen, komme ich.
Grossbild hier
Sehr, sehr wenig Fahnen an den Autos, selbst wenn man die erzwungen deppenzeichenfreien Cabrios und Oldtimer rausrechnet. Einer von hundert, und der dann, ich sage es wie es ist, mit ostdeutschem Kennzeichen. Ich vermute, es gibt einen Zusammenhang zwischen sozialer Schicht und öffentlich transportierter Nationalstolzerei. An Tisch im Lokal oberhalb des Bildes dann Gespräche über Luxemburg, Liechtenstein, Kölner Immobilien und anderes, was die Menschen hier bewegt. Der Verdacht, dass die Namen der Steueraffaire an die Medien geleckt wurden, weil im Gegenzug ein gewisses Staatssystem Informationen über kommende Durchsuchungen an ihm nahestehende Unternehmer geleckt hat. Ein Schriftsatz mit Selbstanzeige, der nur 4 Minuten zu spät eintrifft, 4 lausige Minuten, ist ein seltsamer Zufall.
Grossbild hier
Sehr, sehr wenig Fahnen an den Autos, selbst wenn man die erzwungen deppenzeichenfreien Cabrios und Oldtimer rausrechnet. Einer von hundert, und der dann, ich sage es wie es ist, mit ostdeutschem Kennzeichen. Ich vermute, es gibt einen Zusammenhang zwischen sozialer Schicht und öffentlich transportierter Nationalstolzerei. An Tisch im Lokal oberhalb des Bildes dann Gespräche über Luxemburg, Liechtenstein, Kölner Immobilien und anderes, was die Menschen hier bewegt. Der Verdacht, dass die Namen der Steueraffaire an die Medien geleckt wurden, weil im Gegenzug ein gewisses Staatssystem Informationen über kommende Durchsuchungen an ihm nahestehende Unternehmer geleckt hat. Ein Schriftsatz mit Selbstanzeige, der nur 4 Minuten zu spät eintrifft, 4 lausige Minuten, ist ein seltsamer Zufall.
donalphons, 01:52h
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Mittwoch, 18. Juni 2008
Zeitenwandel
Ich war Profi. Die üblichen Beschränkungen von 30 km/h im Werksgelände galten für mich explizit nicht, und draussen ging es nur darum, rechtzeitig anzukommen. Ich war nicht Profi genug, es normal zu finden, einen Sport Quattro mit 160 durch die Feldwege auf dem hinteren Parkplatz zu prügeln, dafür waren die 0 - 3- 7 - 17- 39 - 57 - 78 - 99 - 124 -Sprünge der lahmen Digitalanzeige viel zu aufregend. Ein Auto, das zu schnell war für den noch lahmen Bordcomputer. Damals einer der letzten seiner Art, eine verfluchte Drecksau von Auto, ein fauchendes Monster mit einem elenden Turboloch, das man vor dem Scheitelpunkt der Kurve trat, damit es aus ihr rausexplodierte. Einmal platzte bei sowas mit dem Nachfolger der Reifen. Einbaufehler, kann passieren. Da lagen Motorteile auf dem Beifahrersitz, ich nahm den nächsten und fuhr weiter. Mit 270 Richtung Nizza, mit 60 über die Eisenbahnwagons, und manchmal einfach nur zum Tank leer fahren. Ich habe damals jede Raserei gemacht, die man erlebt haben kann, wochenlang, jeden Tag, ohne Nachdenken. Und erst, als einer vor mir mit 250 von der Autobahn abflog, begann ich zu begreifen, dass es jetzt reicht. Ich kann immer noch rasen, aber ich tue es nur noch seltenst, um mich meiner Fähigkeiten zu versichern. Das ist wie mit dem Consulting: Man verlernt es nicht. Man kann sich davon lossagen, aber es bleibt immer ein Rest übrig.
Und dieser Rest ist erstaunt über zwei Dinge der letzten Tage. Die Firma, in deren Auftrag ich das Rasen gelernt habe, bei der es selbst in den Pausen kein anderes Thema als die Geschwindigkeit gab, unter den Bildern an der Wand, die nichts ausser Raser, aufgeblasene Motoren und breite Reifen zeigten, diese Firma, die es mit dem Rasen vom Opaautohersteller zur Premiummarke geschafft hat und die damit angab, für Raser die sichersten Autos zu bauen - diese Firma hat gerade eines der bekanntesten Rennen der Welt gewonnen. Mit einem Fahrzeug, das langsamer war als die Konkurrenz, aber auch sparsamer im Verbrauch, und durch weniger Tankstopps gewann. Früher wäre das ganz verschämt irgendwo unten erwähnt worden. Aber die Siegeszeitung, die dem lokalen Schmarrnblatt beigelegt war, stellte genau diese Sache ganz gross raus. Sparsamkeit schlägt Endgeschwindigkeit.
Heute war meine absolute Lieblingszeitschrift im Briefkasten. Die bekannteste deutsche Marke für Raser wirbt darin seit jeher für ihre spritschluckenden Monster mit Hochgeschwindigkeitsbildern und dynamischen Aufnahmen, den Lesern PS-Monster aufschwatzend, die sie in aller Regel nur noch mit elektronischen Hilfen kontrollieren können - oder auch nicht. Diese Firma wirbt jetzt nicht mehr als Überflieger, sondern als Familienkonzern, mit einem Bild des allerersten Wagens, der 35 PS hatte und kaum Benzin brauchte.
Und draussen im Seeviertel ward der Z. gesehen, der seinen massigen Körper sonst nur mit dem schwersten deutschen Kabrio zu den Immobiliengeschäften bewegt, auf dem Fahrrad in Richtung Stadtmitte, nachdem er schon desöfteren über den Benzinpreis geschimpft hat. Schimpfen tun sie alle, aber jetzt lassen sie Taten folgen.
Es scheint, als würde die Zeit der Geschwindigkeit zu Ende gehen, alles wird langsamer, eine Epoche kommt zu einem jähen, aber nicht ganz überraschenden Ende. Ich habe eine neue Mieterin, die an Konzeptautos mitentwickelt - und sie ist ausgewiesene Elektroingenieurin. Der Profi in mir hat das eigentümliche Verlangen, jetzt noch einmal beim nächsten Spiel der Nazierfreuendenmannschaft in den Wagen zu klettern und es nochmal richtig krachen zu lassen wie früher, solange es geht, ein paar Kilometer, einfach, weil es jetzt noch möglich und bezahlbar ist, burnig rubber, so unverantwortlich und dumm es auch sein mag.
Aber statt dessen nehme ich ihn auf dem Rad mit zum Erdbeerfeld, und nachher streichen wir die Fenster, denn das ist der Raum, der auch bei totaler Entschleunigung erhalten bleibt. Und es muss noch nicht mal schlecht sein. Im Gegenteil, es steht zu befürchten, dass man dergleichen Rasergeschichten in 40 Jahren nicht mehr wird hören wollen, wenn man täglich mit deren Folgen konfrontiert sein wird.
Nachtrag: Auch an Hamburg geht diese Seinsfrage nicht folgenlos vorbei.
Und dieser Rest ist erstaunt über zwei Dinge der letzten Tage. Die Firma, in deren Auftrag ich das Rasen gelernt habe, bei der es selbst in den Pausen kein anderes Thema als die Geschwindigkeit gab, unter den Bildern an der Wand, die nichts ausser Raser, aufgeblasene Motoren und breite Reifen zeigten, diese Firma, die es mit dem Rasen vom Opaautohersteller zur Premiummarke geschafft hat und die damit angab, für Raser die sichersten Autos zu bauen - diese Firma hat gerade eines der bekanntesten Rennen der Welt gewonnen. Mit einem Fahrzeug, das langsamer war als die Konkurrenz, aber auch sparsamer im Verbrauch, und durch weniger Tankstopps gewann. Früher wäre das ganz verschämt irgendwo unten erwähnt worden. Aber die Siegeszeitung, die dem lokalen Schmarrnblatt beigelegt war, stellte genau diese Sache ganz gross raus. Sparsamkeit schlägt Endgeschwindigkeit.
Heute war meine absolute Lieblingszeitschrift im Briefkasten. Die bekannteste deutsche Marke für Raser wirbt darin seit jeher für ihre spritschluckenden Monster mit Hochgeschwindigkeitsbildern und dynamischen Aufnahmen, den Lesern PS-Monster aufschwatzend, die sie in aller Regel nur noch mit elektronischen Hilfen kontrollieren können - oder auch nicht. Diese Firma wirbt jetzt nicht mehr als Überflieger, sondern als Familienkonzern, mit einem Bild des allerersten Wagens, der 35 PS hatte und kaum Benzin brauchte.
Und draussen im Seeviertel ward der Z. gesehen, der seinen massigen Körper sonst nur mit dem schwersten deutschen Kabrio zu den Immobiliengeschäften bewegt, auf dem Fahrrad in Richtung Stadtmitte, nachdem er schon desöfteren über den Benzinpreis geschimpft hat. Schimpfen tun sie alle, aber jetzt lassen sie Taten folgen.
Es scheint, als würde die Zeit der Geschwindigkeit zu Ende gehen, alles wird langsamer, eine Epoche kommt zu einem jähen, aber nicht ganz überraschenden Ende. Ich habe eine neue Mieterin, die an Konzeptautos mitentwickelt - und sie ist ausgewiesene Elektroingenieurin. Der Profi in mir hat das eigentümliche Verlangen, jetzt noch einmal beim nächsten Spiel der Nazierfreuendenmannschaft in den Wagen zu klettern und es nochmal richtig krachen zu lassen wie früher, solange es geht, ein paar Kilometer, einfach, weil es jetzt noch möglich und bezahlbar ist, burnig rubber, so unverantwortlich und dumm es auch sein mag.
Aber statt dessen nehme ich ihn auf dem Rad mit zum Erdbeerfeld, und nachher streichen wir die Fenster, denn das ist der Raum, der auch bei totaler Entschleunigung erhalten bleibt. Und es muss noch nicht mal schlecht sein. Im Gegenteil, es steht zu befürchten, dass man dergleichen Rasergeschichten in 40 Jahren nicht mehr wird hören wollen, wenn man täglich mit deren Folgen konfrontiert sein wird.
Nachtrag: Auch an Hamburg geht diese Seinsfrage nicht folgenlos vorbei.
donalphons, 17:40h
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Freitag, 13. Juni 2008
Das Nachleben des Lasters
Von ihm gelangte eine Sammlung alter Pfeifen aus edelhölzern und Zigarrenzubehör in die Auktion - ohne Limit. Von ihr, eine Nummer danach, zwei zusammengehörende Paar Schlangenlederschuhe, eine passende Handtasche sowie zwei weitere Taschen - ebenfalls ohne Limit.
Und ich frage mich, welches der beiden alten Laster heute den höheren Preis finden wird. Pfeifen und Schlangenleder sind out, man kokst und kauft zehn Paar Schuhe im Jahr, für die Kindersklaven in Ostasien schuften. Schwein sein, ohne so auszusehen, moralisch verkommen, ohne mondän zu wirken, geräuschlos über Globalisierungsleichen steigen.
Ich fand das Nebeneinander dieser altmodischen Verfehlungen reizend, aber für mich wäre es nichts. Darunter jedoch war, ebenfalls ohne Limit, ein Degen des späten 18. Jahrhunderts, ebenfalls ohne Limit. Noch so eine schlechte Angewohnheit, Leute zu löchern. Allerdings eine, die nicht aus der Mode kommt. Da werde ich wohl mitbieten.
Und ich frage mich, welches der beiden alten Laster heute den höheren Preis finden wird. Pfeifen und Schlangenleder sind out, man kokst und kauft zehn Paar Schuhe im Jahr, für die Kindersklaven in Ostasien schuften. Schwein sein, ohne so auszusehen, moralisch verkommen, ohne mondän zu wirken, geräuschlos über Globalisierungsleichen steigen.
Ich fand das Nebeneinander dieser altmodischen Verfehlungen reizend, aber für mich wäre es nichts. Darunter jedoch war, ebenfalls ohne Limit, ein Degen des späten 18. Jahrhunderts, ebenfalls ohne Limit. Noch so eine schlechte Angewohnheit, Leute zu löchern. Allerdings eine, die nicht aus der Mode kommt. Da werde ich wohl mitbieten.
donalphons, 01:19h
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Freitag, 30. Mai 2008
Der grüne Bus
Im Westviertel, das eigentlich zwei Viertel ist, das zwischen Altstadt und Donau liegende Tennisviertel mit seinen ausladenden Sandplätzen, und das hinter einem kleinen Landschaftsschutzgebiet liegende Seeviertel, von dem man aus den einzig nennenswerten See der Provinzstadt in fünf Minuten erreicht, gibt es als auch menschlich trennendes Element den Glascontainer. Dass es nicht zum Besten steht, zwischen den beiden Vierteln, erkennt man bei den in letzter Zeit gar nicht so seltenen Beerdigungen. Während die jeweiligen Teilviertel geschlossen kommen, verirren sich von den anderen Seiten nur vereinzelte Bekannte zu diesen Anlässen, die der Wirtschaftswundergeneration indezent und nachhaltig das Thema "Endlichkeit" nahebringen.
Verbindend sind wie eh und je die Kinder, die vom Seeviertel mit ihren Fahrrädern Richtung der Gymnasien ausschwäremn, niemals jedoch Realschulen, wer das nötig hätte, wäre sehr schnell nach alter Sitte in der Schweiz oder am Bodensse, und diese Kinder treffen nach dem Grün der Felder un Sumpfwiesen auf Altergenossen aus dem Tennisviertel, verlieben sich, gehen miteinander ins Bett, manchmal heiraten sie und mitunter werfen sie sich in Winternächten nach Gelagen aus dem Auto, wo die anderen dann vor dem Tor zu gepflegten Gärten, vom Drittwagen auf der Strasse vor den Blicken der Passanten verborgen, erfrieren. Aber jetzt ist Sommer, Mai, es ist heiss, da sind solche Gedanken fern, und aus den Gärten erklappern die grossen Tische, an denen fürsorgliche Mütter Eistee, Bionade und Muffins bereithalten, in der Hoffnung, dass der Nachwuchs dadurch das Gastgeben auch ohne Benimmschule lernt.
Und noch etwas bringt zusammen. Zwischen den beiden Vierteln liegt ein Feld, das im Sommer zu einer Erdbeerplantage verwandelt wird, und sich naturgemäss im gesamten Viertel grösster und ungeteilter Beliebtheit erfreut. Noch preschen S-Klasse und Boxter achtlos daran vorbei, nur weisse Blüten verraten die kommenden Genüsse, und ein alter Schulbus, an dessen vorderer Tür der Fahrer sitzt, im Schatten, denn es ist heiss. Da sitzt er den ganzen Tag und trinkt. Und schaut hinaus auf das Erdbeerfeld, wo wachstumsförderndes Stroh aufgetragen wird. Dem Kennzeichen zufolge kommt der Bus aus einem ostlichen bayerischen Landkreis, und wenn der Abend hereinbricht, wird er seine Fracht wieder aufnehmen, und nach Osten bringen. Vielleicht nach Tschechien oder Ungarn, vielleicht auch nur bis zu einer billigen Unterkunft, weil morgen der nächste Arbeitstag ansteht und die Gefahrenen nicht mal eben auf einen Abend nach Hause können, Weissrussland, Rumänien, Polen, wer kann das schon sagen. Es sind vor allem Frauen, die hier die Erdbeeren der besseren Leute pflegen, vielleicht sind die Männer irgendwo auf dem Bau der Boomregion, niemand fragt, sie sind einfach da mit dem grünen Bus und dem gelangweilten Busfahrer. Bald werden sie verschwunden sein, und nichts erinnert an ihre rote, von der Sonne aufgeheizte Haut. Aber noch gehen sie durch die Reihen, mitunter schwatzend, der Wind trägt ein paar fremde Wortfetzen herüber, und bereiten das Feld.
Wenn sie weg sind, stellt der Bauer einen hohen Zaun auf, ein Toilettenhäuschen für die, die nicht das Glück haben, im richtigen Viertel zu wohnen, und eine Waage. Dann werden die Kinder nach der Schule kommen und eimerweise Erdbeeren pflücken; sie haben freundlicherweise Zeit, denn die drückende Hitze schneidet die vielen Nachmittagsstunden des achtstufigen Gymnasiums ab, wegen dem auch in den besseren Vierteln die CSU diesmal eine Klatsche bekommen wird. Sie werden Erdbeeren essen, zum schwimmen über Wiesen fahren, auf denen aufgeschreckt Rebhuhn und Fasan ihre Wege überflattern, und denken, dass das Leben so ist, denn sie kennen niemand, der in Blocks wohnt, das gibt es hier nicht. All ihre dummen, lebensunerfahrenen Sprüche über geordnete Verhältnisse werden rein und unschuldig sein, man kann hier gar nicht anders, weil man es nicht anders kennt, und der grüne Bus ist dann sicher schon woanders, seine Fracht pflückt dann Himbeeren, sortiert Kartoffeln oder dreht im Akkord Gänsen den Hals um, die in unseren Retrozeiten längst wieder ein Stück Kulturgut der Ernährung besserer Familien sind, wenn sich das Jahr dem Ende entgegen neigt, die teuren Fahrräder im Keller verschwinden und Mama Wert darauf legt, die Kinder mit dem Auto zur Schule zu bringen, damit nichts passiert.
Den passenden Komplementärtext zum Thema Übersehen liefert Matt Wagner.
Verbindend sind wie eh und je die Kinder, die vom Seeviertel mit ihren Fahrrädern Richtung der Gymnasien ausschwäremn, niemals jedoch Realschulen, wer das nötig hätte, wäre sehr schnell nach alter Sitte in der Schweiz oder am Bodensse, und diese Kinder treffen nach dem Grün der Felder un Sumpfwiesen auf Altergenossen aus dem Tennisviertel, verlieben sich, gehen miteinander ins Bett, manchmal heiraten sie und mitunter werfen sie sich in Winternächten nach Gelagen aus dem Auto, wo die anderen dann vor dem Tor zu gepflegten Gärten, vom Drittwagen auf der Strasse vor den Blicken der Passanten verborgen, erfrieren. Aber jetzt ist Sommer, Mai, es ist heiss, da sind solche Gedanken fern, und aus den Gärten erklappern die grossen Tische, an denen fürsorgliche Mütter Eistee, Bionade und Muffins bereithalten, in der Hoffnung, dass der Nachwuchs dadurch das Gastgeben auch ohne Benimmschule lernt.
Und noch etwas bringt zusammen. Zwischen den beiden Vierteln liegt ein Feld, das im Sommer zu einer Erdbeerplantage verwandelt wird, und sich naturgemäss im gesamten Viertel grösster und ungeteilter Beliebtheit erfreut. Noch preschen S-Klasse und Boxter achtlos daran vorbei, nur weisse Blüten verraten die kommenden Genüsse, und ein alter Schulbus, an dessen vorderer Tür der Fahrer sitzt, im Schatten, denn es ist heiss. Da sitzt er den ganzen Tag und trinkt. Und schaut hinaus auf das Erdbeerfeld, wo wachstumsförderndes Stroh aufgetragen wird. Dem Kennzeichen zufolge kommt der Bus aus einem ostlichen bayerischen Landkreis, und wenn der Abend hereinbricht, wird er seine Fracht wieder aufnehmen, und nach Osten bringen. Vielleicht nach Tschechien oder Ungarn, vielleicht auch nur bis zu einer billigen Unterkunft, weil morgen der nächste Arbeitstag ansteht und die Gefahrenen nicht mal eben auf einen Abend nach Hause können, Weissrussland, Rumänien, Polen, wer kann das schon sagen. Es sind vor allem Frauen, die hier die Erdbeeren der besseren Leute pflegen, vielleicht sind die Männer irgendwo auf dem Bau der Boomregion, niemand fragt, sie sind einfach da mit dem grünen Bus und dem gelangweilten Busfahrer. Bald werden sie verschwunden sein, und nichts erinnert an ihre rote, von der Sonne aufgeheizte Haut. Aber noch gehen sie durch die Reihen, mitunter schwatzend, der Wind trägt ein paar fremde Wortfetzen herüber, und bereiten das Feld.
Wenn sie weg sind, stellt der Bauer einen hohen Zaun auf, ein Toilettenhäuschen für die, die nicht das Glück haben, im richtigen Viertel zu wohnen, und eine Waage. Dann werden die Kinder nach der Schule kommen und eimerweise Erdbeeren pflücken; sie haben freundlicherweise Zeit, denn die drückende Hitze schneidet die vielen Nachmittagsstunden des achtstufigen Gymnasiums ab, wegen dem auch in den besseren Vierteln die CSU diesmal eine Klatsche bekommen wird. Sie werden Erdbeeren essen, zum schwimmen über Wiesen fahren, auf denen aufgeschreckt Rebhuhn und Fasan ihre Wege überflattern, und denken, dass das Leben so ist, denn sie kennen niemand, der in Blocks wohnt, das gibt es hier nicht. All ihre dummen, lebensunerfahrenen Sprüche über geordnete Verhältnisse werden rein und unschuldig sein, man kann hier gar nicht anders, weil man es nicht anders kennt, und der grüne Bus ist dann sicher schon woanders, seine Fracht pflückt dann Himbeeren, sortiert Kartoffeln oder dreht im Akkord Gänsen den Hals um, die in unseren Retrozeiten längst wieder ein Stück Kulturgut der Ernährung besserer Familien sind, wenn sich das Jahr dem Ende entgegen neigt, die teuren Fahrräder im Keller verschwinden und Mama Wert darauf legt, die Kinder mit dem Auto zur Schule zu bringen, damit nichts passiert.
Den passenden Komplementärtext zum Thema Übersehen liefert Matt Wagner.
donalphons, 12:26h
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Donnerstag, 29. Mai 2008
Die Quelle der deutschen Abschreiber
Wer schon vorher lesen will, was deutsche Medien - vor allem diejenigen mit Amerikakorrespondenten, die die Anwesenheit im Wahlkampf mit fingierten Ortsangaben vortäuschen oder sich die Auftritte per Youtube reinziehen, gell, S***** Online? - morgen oder übermorgen zum amerikanischen Wahlkampf schreiben, oder erst nach Wochen, wenn das Material anzubringen ist, sollte vielleicht mal einen Blick auf eine ganz besondere Seite werfen. Nein, nicht Huffington Post. Sondern auf Real Clear Politics. Das Portal liefert die Grundbausteine dessen, woraus deutsche Reporterträume sind: Frei Haus, klug zusammengestellt, ideal für Hintergrundrecherche, ein toller Überblick, den in den USA alle lesen.
Nur nicht so faul und widerlich zusammenschmieren, mit einem Stück eingbackener Neoconspucke, wie es dann von gewissen deutschen Kollegen in deutschen Medien wieder auftaucht.
Nur nicht so faul und widerlich zusammenschmieren, mit einem Stück eingbackener Neoconspucke, wie es dann von gewissen deutschen Kollegen in deutschen Medien wieder auftaucht.
donalphons, 20:27h
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Sonntag, 25. Mai 2008
Die Ruhe über Bayern
Manchmal lässt es der Bayer auch krachen. So wie die Gesellschaft im nachbarlichen Klerikalenpalast, die die Hochzeit allen Ernstes mit "I will survive" begeht - ich dachte, das spielt man bei Trennung, Scheidung und Schwulenparty, aber inzwischen geht das wohl auch beim Bund für das Leben. Der Bayer lässt es auch beim Wochenmarkt krachen. Und quietschen. Tatsächlich hat mir die Spargelverkäuferin, die nebenher musikalisch ist und bei einem Terzett aus 2 Kuhglocken und Ziehharmonika für die Bassglocken zuständig ist, mit dem Aneinanderreiben von frischem Spargel etwas vorgequietscht. Ja, man kann so einiges hören, bei uns in Bayern.
Und damit es das Richtige bleibt, machen sie sich nebenan um ein Uhr auf zur unvermeidlichen Nacht der Spätprogrammfolgestunden, und andernorts kassiert unsere bayerische Polizei die Krachmacher. So geschehen bei einem Versuch eines Brauseherstellers, rund 100 fragwürdige, teils aus den Medien bekannte Personen mitsamt Prollschlitten über unsere Autobahnen donnern zu lassen. Letztes Jahr gab es bei einem ähnlichen Versuch Tote, dieses Jahr dagegen scheint es dennoch kein Einsehen zu geben, dass Autobahnen keine Rennstrecken sind. Und um das zu fördern, gibt es jetzt auch noch Anzeigen gegen die Beteiligten.
Ich hoffe auf saftigste Bussgelder und Strafen. Was ich mir aber besonders wünschen würde: Dass die Sender, die solchen Figuren ein Podium bieten, die Konsequenz ziehen und so etwas nicht mehr vor die Kamera lassen. Bei notorischen Abzockfirmen hofft man wohl vergebens, aber vielleicht merkt sich der ein oder andere Verantwortliche den ein oder anderen Namen und sucht sich andere, unbelastete Charakterdarsteller für seine Trashformate raus. Ich finde es mithin unerträglich, dass Typen, die andere wissentlich gefährden und das auch noch als Spass ansehen, die Chance haben sollen, der Öffentlichkeit irgendwas vorzustellen, damit sie dann beim nächsten bescheuerten Raserevent wieder die Promikulisse bieten.
Vielleicht wirke ich mit solchen Ansichten reaktionär, aber wenn es so sein sollte, bin ich es gerne. Ein Hoch auf unsere Bayerische Polizei, zumindest diesmal.
Und damit es das Richtige bleibt, machen sie sich nebenan um ein Uhr auf zur unvermeidlichen Nacht der Spätprogrammfolgestunden, und andernorts kassiert unsere bayerische Polizei die Krachmacher. So geschehen bei einem Versuch eines Brauseherstellers, rund 100 fragwürdige, teils aus den Medien bekannte Personen mitsamt Prollschlitten über unsere Autobahnen donnern zu lassen. Letztes Jahr gab es bei einem ähnlichen Versuch Tote, dieses Jahr dagegen scheint es dennoch kein Einsehen zu geben, dass Autobahnen keine Rennstrecken sind. Und um das zu fördern, gibt es jetzt auch noch Anzeigen gegen die Beteiligten.
Ich hoffe auf saftigste Bussgelder und Strafen. Was ich mir aber besonders wünschen würde: Dass die Sender, die solchen Figuren ein Podium bieten, die Konsequenz ziehen und so etwas nicht mehr vor die Kamera lassen. Bei notorischen Abzockfirmen hofft man wohl vergebens, aber vielleicht merkt sich der ein oder andere Verantwortliche den ein oder anderen Namen und sucht sich andere, unbelastete Charakterdarsteller für seine Trashformate raus. Ich finde es mithin unerträglich, dass Typen, die andere wissentlich gefährden und das auch noch als Spass ansehen, die Chance haben sollen, der Öffentlichkeit irgendwas vorzustellen, damit sie dann beim nächsten bescheuerten Raserevent wieder die Promikulisse bieten.
Vielleicht wirke ich mit solchen Ansichten reaktionär, aber wenn es so sein sollte, bin ich es gerne. Ein Hoch auf unsere Bayerische Polizei, zumindest diesmal.
donalphons, 01:00h
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Donnerstag, 22. Mai 2008
Monster krault man nicht.
Man schlägt sie tot. Die Erkenntnis ist da nur der erste Schritt.
Kriminelle sperrt man ein.
Verrückte entmündigt man.
Aber nicht mit Appellen.
Kriminelle sperrt man ein.
Verrückte entmündigt man.
Aber nicht mit Appellen.
donalphons, 00:28h
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Mittwoch, 14. Mai 2008
Die Feinde Europas.
Ich frage mich, wie ein Bewohner eines Vielvölkerstaates Europa wahrnimmt, wenn er, wie ich gestern, von Bayern über Tirol nach Oberitalien fährt. Todgeweiht, vermutlich.
Dass man in Bayern auf maximale Eigenständigkeit pocht und in Brüssel den Hort des Bösen sieht, dass der dort amtierende Ministerpräsident a. D. als sowas wie der heilige Georg gilt, der den Bürokratiedrachen abmurkst, ist nichts neues. Brüssel ist hierzulande nur ein anderes Wort für Bürokratie, ganz so, als hätte sich Bayern aufgrund von Rivalitäten (unter Einschluss des aktuellen Staatsparteichefs) nicht eine Weile zwei konkurrierende und ineffektive Agenturen für Industrieansiedlung geleistet. Und wehe, wenn Brüssel mal was an der Milchquote dreht, dann wird sofort jedes Vorurteil rausgeholt. Lobbyismus braucht kein Brüssel, aber die Illusion, dass dort verbrochen wird, was die Staatspartei dann von Berlin vorgesetzt bekommt, ist nützlich.
Gleich hinter der Grenze glotzen einen dann Kuhaugen an. Sie gehören dem regionalen Vertreter der FPÖ, jener ewiggestrigen Partei, die sich so wohl nur in Österreich halten kann. Und diese Person hat genau drei Themen: Sicherheit für Tiroler (damit ist eher nicht das gegenseitige Verbringen in Keller gemeint), die Abwehr von Muezzingesängen, ein in tiroler Bergdörfern und ihrer zu 100% katholischen Bewohnerschaft drängendes Problem, und die enormen Aufwendungen für die EU. Ganz so, als würde die tiroler Bergbauernschaft noch irgendwie ohne die Agrarbeihilfen existieren können. In Innsbruck dann die Ankündigung, dass demnächst auch noch der Ober-FPÖler Strache, der neue Herr der unerträglichen Sager aufkreuzt. Von dem ich vermute, dass er nicht mal den Unterschied zwischen Allah Akbar und Sch´ma Isroel kennt, es ihm aber lieber wäre, wenn gar nichts davon zu hören ist.
Sterzing ist prima, sauber und schön, aber schon ab Bozen kommen dann Schmierereien, die Italiens Rechtsextreme vermutlich für legitime Wahlwerbung halten. Ultras aus diversen Regionen, Faschisten und besonders die Lega Nord. Oder LBGA NORD, wie ein besonders fähiges Mitläuferlein seine Schulbildung unter Beweis stellt. Bruxellani eunt domus, oder so. Jeder will sein Bröckchen Land, bayern den Bayern, Titol den Tirolern, Republica del Nord ohne Mezzogiorno oder gar Sizilien, Berlin, Wien und Rom als Statthalter eines Europa, das als Zumutung gesehen wird, als zwangseinigende, teure Klammer, die es zu sprengen gilt, wenn sich das Lossagen, das Unsolidarische, das Egoistische schon nicht in einem "Europa der Regionen" machen lässt. Rechte Idioten legen darauf wert, selbst wenn ihre durchschnittliche Sozialstruktur die Frage aufwirft, ob sie uns nicht teurer kommen, als alle Fehlentscheidungen Brüssels.
Man muss die Europäische Einigung nicht mögen, es geschehen Fehler, Einflussnahmen und ganz klar kriminelle Handlungen. Brüssel ist suboptimal, aber dieser extreme Antagonismus zwischen den Rechten und der einigenden Idee, die mangelnde Bereitschaft, das als Geschenk zu betrachten, und das Vergessen eines Europa, dessen Nationalstaatsideologie zu allen Zeiten weitaus schlimmer und teurer war als alles, was Brüssel je in den Sand gesetzt hat - das nervt. Europa ist und bleibt vermutlich bis zu unser aller Ableben und lange danach der Kontinent, der weltweit die besten Chancen, den grössten Reichtum und Stabilität bietet. So viel Stabilität, dass es auch die paar rechten Feinde überstehen wird, und irgendwann auf ihre Gräber pinkelt. Aber mit diesem Pack an der Macht und mit ihren dummen Claqueren wird es länger dauern, als es uns allen lieb sein kann.
Dass man in Bayern auf maximale Eigenständigkeit pocht und in Brüssel den Hort des Bösen sieht, dass der dort amtierende Ministerpräsident a. D. als sowas wie der heilige Georg gilt, der den Bürokratiedrachen abmurkst, ist nichts neues. Brüssel ist hierzulande nur ein anderes Wort für Bürokratie, ganz so, als hätte sich Bayern aufgrund von Rivalitäten (unter Einschluss des aktuellen Staatsparteichefs) nicht eine Weile zwei konkurrierende und ineffektive Agenturen für Industrieansiedlung geleistet. Und wehe, wenn Brüssel mal was an der Milchquote dreht, dann wird sofort jedes Vorurteil rausgeholt. Lobbyismus braucht kein Brüssel, aber die Illusion, dass dort verbrochen wird, was die Staatspartei dann von Berlin vorgesetzt bekommt, ist nützlich.
Gleich hinter der Grenze glotzen einen dann Kuhaugen an. Sie gehören dem regionalen Vertreter der FPÖ, jener ewiggestrigen Partei, die sich so wohl nur in Österreich halten kann. Und diese Person hat genau drei Themen: Sicherheit für Tiroler (damit ist eher nicht das gegenseitige Verbringen in Keller gemeint), die Abwehr von Muezzingesängen, ein in tiroler Bergdörfern und ihrer zu 100% katholischen Bewohnerschaft drängendes Problem, und die enormen Aufwendungen für die EU. Ganz so, als würde die tiroler Bergbauernschaft noch irgendwie ohne die Agrarbeihilfen existieren können. In Innsbruck dann die Ankündigung, dass demnächst auch noch der Ober-FPÖler Strache, der neue Herr der unerträglichen Sager aufkreuzt. Von dem ich vermute, dass er nicht mal den Unterschied zwischen Allah Akbar und Sch´ma Isroel kennt, es ihm aber lieber wäre, wenn gar nichts davon zu hören ist.
Sterzing ist prima, sauber und schön, aber schon ab Bozen kommen dann Schmierereien, die Italiens Rechtsextreme vermutlich für legitime Wahlwerbung halten. Ultras aus diversen Regionen, Faschisten und besonders die Lega Nord. Oder LBGA NORD, wie ein besonders fähiges Mitläuferlein seine Schulbildung unter Beweis stellt. Bruxellani eunt domus, oder so. Jeder will sein Bröckchen Land, bayern den Bayern, Titol den Tirolern, Republica del Nord ohne Mezzogiorno oder gar Sizilien, Berlin, Wien und Rom als Statthalter eines Europa, das als Zumutung gesehen wird, als zwangseinigende, teure Klammer, die es zu sprengen gilt, wenn sich das Lossagen, das Unsolidarische, das Egoistische schon nicht in einem "Europa der Regionen" machen lässt. Rechte Idioten legen darauf wert, selbst wenn ihre durchschnittliche Sozialstruktur die Frage aufwirft, ob sie uns nicht teurer kommen, als alle Fehlentscheidungen Brüssels.
Man muss die Europäische Einigung nicht mögen, es geschehen Fehler, Einflussnahmen und ganz klar kriminelle Handlungen. Brüssel ist suboptimal, aber dieser extreme Antagonismus zwischen den Rechten und der einigenden Idee, die mangelnde Bereitschaft, das als Geschenk zu betrachten, und das Vergessen eines Europa, dessen Nationalstaatsideologie zu allen Zeiten weitaus schlimmer und teurer war als alles, was Brüssel je in den Sand gesetzt hat - das nervt. Europa ist und bleibt vermutlich bis zu unser aller Ableben und lange danach der Kontinent, der weltweit die besten Chancen, den grössten Reichtum und Stabilität bietet. So viel Stabilität, dass es auch die paar rechten Feinde überstehen wird, und irgendwann auf ihre Gräber pinkelt. Aber mit diesem Pack an der Macht und mit ihren dummen Claqueren wird es länger dauern, als es uns allen lieb sein kann.
donalphons, 22:03h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Mittwoch, 7. Mai 2008
Et ego in
Es sollte sein, wie letztes Jahr: Morgen zum letzten Mal auf den Wochenmarkt, dann die Garderobe passend erweitern, Tags darauf die Reisebegleitung abholen, packen, und dann die übliche Route über den Jaufenpass nach Meran und weiter an den Gardasee, über Landstrassen und Nebenstrecken, und als erstes Ziel Verona ansteuern. Es wird etwas anders: Zwischenstopp am Tegernsee, dann nach Italien, zum arbeiten, davor und danach etwas rumgondeln, auch nach Verona.
Ich war letztes Jahr oft in Verona, es ist für mich die italienische Stadt, die neben Mantua und Piacenza eine Region umschreibt, wo ich fast am liebsten leben würde, übertrumpft nur noch von einer einzigen anderen Region. Ich werde auch dieses Jahr wieder nach verona fahren, aber mit einem wirklich schlechten Gefühl im Bauch. Ein Grossteil meiner Berichte wurde in einem Callshop abgeschickt, mit einer äusserst sympathischen Dame aus Afrika am Schalter, die sich wirklich um meine Blogs verdient gemacht hat, und mir androhte, zukünftig zur Verbesserung meines Italienisch auf Englisch zu verzichten. Sie ist mit einem Stimmorgan gesegnet, das die Wände wackeln liess. Und ich hoffe, dass sie noch da ist.
Denn schon letztes Jahr fühlte sie sich eher unwohl. Letzte Woche nun haben in der Innenstadt fünf Neonazis einen Passanten zu Tode geprügelt, der ihnen keine Zigarette anbieten wollte. Verona ist inzwischen zu einem braunen Schandfleck geworden, zu einem Politically Incorrect Oberitaliens, aller Versuche diverser lokaler Gruppen zum Trotz, sowas wie ein Gefühl für eine offene Stadt zu vermitteln. Und bitte, es ist kein Problem, das mit Ostdeutschland vegleichbar wäre: Verona hat neben Venedig die stärkste aller Traditionen als Handelsstadt, her stiessen seit jeher Kulturen zusammen, und der Reichtum der Stadt liegt genau darin begründet.
Trotzdem ist hier die Lega Nord zusammen mit etlichen anderen, unschönen politischen Auswüchsen am Drücker. Letztes Jahr wurde Flavio Tosi Bürgermeister, der landesweit mit einer unsäglichen Ernennung zweier Faschisten als Vertreter für das Zentrum der Resistanca bekannt wurde. Dass er als Saubermann auftreten will, während der gewöhnliche Veroneser bis ins Industriegebiet Industriegebiet zu den ausländischen Sexarbeiterinnen fährt, gegen die sein gewähltes Stadtoberhaupt vorgeht, ist nur ein weiterer Anlass, von Verona abzurücken. Das betrifft auch andere: Formal ist sogar das Essen auf öffentlichen Plätzen verboten.
Und dazu noch das neu-alte Regime mit Figuren, die vollkommen unerträglich sind, und für Nazis, Faschisten und Leute wie Tisi die Bahn frei machen werden. Es ist nicht leicht, dort einfach mal so wegen des Spasses hinzufahren. ich fahre dorthin, weil mein Heuschnupfen erträglich ist, und ich ausserdem den Job habe, über die Mille Miglia zu schreiben. Ich mag Verona. Aber ich werde gerade nicht wirklich gern dort sein. Es ist noch nicht so wie die USA, in die ich angesichts von Hinrichtungen und Folter nicht reise, aber auch nicht mehr so unbeschwert wie letztes Jahr.
Brescia ist übrigens auch keine Lösung: Dort regiert Berlusconis Schmierentruppe, wenigstens ist in Mantua noch Fiorenza Brioni an der Macht. Mantua. Ich sollte diesmal vielleicht Mantua den Vorzug geben.
Ich war letztes Jahr oft in Verona, es ist für mich die italienische Stadt, die neben Mantua und Piacenza eine Region umschreibt, wo ich fast am liebsten leben würde, übertrumpft nur noch von einer einzigen anderen Region. Ich werde auch dieses Jahr wieder nach verona fahren, aber mit einem wirklich schlechten Gefühl im Bauch. Ein Grossteil meiner Berichte wurde in einem Callshop abgeschickt, mit einer äusserst sympathischen Dame aus Afrika am Schalter, die sich wirklich um meine Blogs verdient gemacht hat, und mir androhte, zukünftig zur Verbesserung meines Italienisch auf Englisch zu verzichten. Sie ist mit einem Stimmorgan gesegnet, das die Wände wackeln liess. Und ich hoffe, dass sie noch da ist.
Denn schon letztes Jahr fühlte sie sich eher unwohl. Letzte Woche nun haben in der Innenstadt fünf Neonazis einen Passanten zu Tode geprügelt, der ihnen keine Zigarette anbieten wollte. Verona ist inzwischen zu einem braunen Schandfleck geworden, zu einem Politically Incorrect Oberitaliens, aller Versuche diverser lokaler Gruppen zum Trotz, sowas wie ein Gefühl für eine offene Stadt zu vermitteln. Und bitte, es ist kein Problem, das mit Ostdeutschland vegleichbar wäre: Verona hat neben Venedig die stärkste aller Traditionen als Handelsstadt, her stiessen seit jeher Kulturen zusammen, und der Reichtum der Stadt liegt genau darin begründet.
Trotzdem ist hier die Lega Nord zusammen mit etlichen anderen, unschönen politischen Auswüchsen am Drücker. Letztes Jahr wurde Flavio Tosi Bürgermeister, der landesweit mit einer unsäglichen Ernennung zweier Faschisten als Vertreter für das Zentrum der Resistanca bekannt wurde. Dass er als Saubermann auftreten will, während der gewöhnliche Veroneser bis ins Industriegebiet Industriegebiet zu den ausländischen Sexarbeiterinnen fährt, gegen die sein gewähltes Stadtoberhaupt vorgeht, ist nur ein weiterer Anlass, von Verona abzurücken. Das betrifft auch andere: Formal ist sogar das Essen auf öffentlichen Plätzen verboten.
Und dazu noch das neu-alte Regime mit Figuren, die vollkommen unerträglich sind, und für Nazis, Faschisten und Leute wie Tisi die Bahn frei machen werden. Es ist nicht leicht, dort einfach mal so wegen des Spasses hinzufahren. ich fahre dorthin, weil mein Heuschnupfen erträglich ist, und ich ausserdem den Job habe, über die Mille Miglia zu schreiben. Ich mag Verona. Aber ich werde gerade nicht wirklich gern dort sein. Es ist noch nicht so wie die USA, in die ich angesichts von Hinrichtungen und Folter nicht reise, aber auch nicht mehr so unbeschwert wie letztes Jahr.
Brescia ist übrigens auch keine Lösung: Dort regiert Berlusconis Schmierentruppe, wenigstens ist in Mantua noch Fiorenza Brioni an der Macht. Mantua. Ich sollte diesmal vielleicht Mantua den Vorzug geben.
donalphons, 01:12h
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