: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Samstag, 8. April 2006

Dirt Picture Contest - Der Urgrund der Kronleuchter

In englischen Auktionskatalogen werden manche Lose mit dem einleitende Adjektiv "unusal" beschrieben, ungewöhnlich also, wenn sie aus dem Rahmen fallen. Unusual, dachte ich, als ich die Kurve am Westrand des Trödels an der Strasse des 17. Juni nahm, denn dort reckte sich, selbst vom Auto aus sichtbar, an einem Stand das Gestänge eines schmalen Kronleuchters nach oben, garniert mit einzelnen Kristallen. Selten suchte ich so intensiv nach einem Parkplatz, selten sah man mich derart ungemessenen Schrittes zum Ort der funkenden Pracht eilen. Ich kannte den Händler bereits, er meinte mich zu kennen, durfte dann aber schnell einsehen, mich gerade erst als würdigen Vertreter eines Stammes kennenzulernen, der schon mit G´tt verhandelt hat und deshalb Syrer allenfalls als leichte Sparringspartner betrachtet.

Nun pflege ich es nicht so weit zu treiben, dass man sich nicht mehr in die Augen schauen kann und der andere einem das Objekt angewidert hinwirft. Ideal ist es, wenn man danach noch ein Schwätzchen führen kann, zur Frage, wo denn die neue Preziose herkommt. In diesem Fall stammt sie nicht aus einer Wohnung, sondern aus der Durchfahrt eines Wohnhauses in Pankow, wo sie im Gegensatz zu ihren Geschwistern von den 30ern bis 2006 alles überstanden hat, Krieg, Diktaturen, Wiedervereinigung, und langes Dämmern, bis der Investor anrückte und feststellte, dass diese eine, letzte verbliebene Lampe eigentlich nur störte und alles, was sonst noch an die alte Zeit gemahnte und beweglich war, eben jenem Händler verkaufte, der ihn mir verkaufte, der ich justament für die Küche im 1. Stock so einen hohen, schmalen Kronleuchter mit wenigen Kristallen brauche.

Was dieses Glück für mich in Berlin letztlich bedeutet, kann man sich an diesem Objekt in der Danziger Strasse anschauen, das als eines der ersten nach der Wende restauriert wurde.



Da hat man also die Rosetten an der Stuckdecke nackt stehen lassen und statt dessen die üblichen, langweiligen, runden Billiglampen an die Seite gesetzt. Sofort verschwindet der üppige Raumeindruck, denn der Stuck und der gesamte Raum ist nun mal darauf berechnet, dass das Licht frei in der Mitte des Raumes schwebt und alles gleichmässig mit Licht erfüllt, wobei die Kristalle dieses Bemühen mit Brechungen unterstützen. Statt dessen entstehen helle Batzen und dunkle Areale. Die Wand unter den Leuchtmitteln ist im Dunkeln und lädt geradezu dazu ein, hier Müll, Plunder und andere Hässlichkeiten zu postieren - fällt ja keinem auf. An diese Wand wird dann auch ein Holzbrett mit Briefkästen gestellt - sieht ja keiner. Und wenn es ohnehin schon so schmuddlig aussieht, kann man auch noch die Räder drin stehen lassen. Auch wenn sie einen Platten haben. Dann braucht auch der Hausdienst nicht mehr in jeder Ecke putzen, da kommt der nicht mehr hin. Dann wischt man allenfalls noch den Boden, und lässt die Konsolen verstauben. Und wenn der Putz bröckelt, was soll´s, spielt eh keine Rolle mehr, in einem Hausgang, der so verschandelt ist.

Die Kronleuchter im Hausgang sehen tatsächlich für den heutigen Betrachter etwas protzig aus. Aber sie zu entfernen und gegen pflegeleichte Rundlampen zu ersetzen, bedeutet, das erste "Broken Window" in einem langen Prozess des Niedergangs zu produzieren. der rausschmiss des alten Luxus öffnet das Tor zum allgemeinen Niedergang, dessen Kosten nichts sind im Vergleich zum bescheidenen Aufwand, alle paar Monate die Kistalle zu putzen. Der Schmierer ist nur das Ende einer Dreckskette, die ihren Anfang beim Investor und seinen 5-Euro-Lampen nimmt. Das Dirt Pic hat seinen Ursprung nicht im Schmutz an sich, sondern im Umgang aller Berliner mit ihrer Stadt. Es tut meiner Küche im 1. Stock gut. Berlin aber...

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Donnerstag, 6. April 2006

Dirt Picture Contest - Alles für die Kinder

Familien sind ja nicht so verkommene Egoisten wie diese Singles, die nur an sich selbst denken. Wer Kinder hat, weiss um die Verantwortung, der tut was für die Allgemeinheit, der sieht die Welt mit anderen Augen und will sie zu einem lebenswerten Ort machen, besonders rund um den Helmholtzplatz, wo die deutsche Dummpresse gern die neue Biedermeierlichkeit finden will - und offenbar zu selten auf den Boden schaut.



Offensichtlich gab es auch ein neues 1-Euro-Vertrags-Handy für zeitgemässes Verabreden zur Kindergruppe, denn sonst hätte Mama das Ledertäschchen noch eine Weile behalten, und nicht mitsamt Stuhl expediert.

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Dienstag, 4. April 2006

Dirt Picture Contest - Berlin im Regen

Der eine Laden, der vor wenigen Wochen noch gut gefüllt war, hat dicht gemacht, ohne Nachfolgeadresse. Wahrscheinlich landen die Stücke in dem Viertel mangels Abnehmer jetzt wieder auf der Strasse, einfach so, nicht in Kisten und einem "Zu verschenken"-Schild, wie dort, wo ich gerade wohne. Das ist der Unterschied zwischen normal und schick, es kommt nur darauf an, es richtig zu verkaufen.

Wenig später fallen die ersten Tropfen. Eine alte Frau in beige steuert auf einen Busch am Strassenrand zu. Sie bückt sich mühsam, klaubt eine Flasche auf, noch eine, geht zwei Schritte weiter, bückt sich ganz langsam, und stochert mit dem Stock hinein. Irgendwann hat sie es geschafft. Sie hebt die Flasche auf und verstaut sie in ihrer grossen, schwarzen Tasche, die recht neu und kaum verbeult ist. Als sie sich aufgerichtet hat, prasselt der erste Regenschauer über den Asphalt. Sie geht langsam weiter.

Weiter vorne werden hektisch blaue Plastikbahnen über die auf der Strasse ausgestellten Waren gezogen. In der plötzlichen Dunkelheit den Nachmittags glimmen die roten Lichter eines Sexkinos auf. Unter der Markise haben ein paar Leute Schutz gesucht, aber aus der Tür kommt ein kleiner Dicker mit schwarz glänzender Lederjacke und scheucht sie weiter.



Im besseren Viertel ist es fast schon wieder vorbei, die Schirme werden bald zusammengeklappt. Die schweren Tropfen fallen von den Stühlen, vom Müll und dem Einkaufswagen, und sie werden noch Stunden später die Strasse feucht glänzen lassen, als hätte jemand mit einem gigantischen Mischmob durch Berlin gefegt, den kühlen Geruch einer vorgetäuschten Sauberkeit hinterlassend.

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Montag, 3. April 2006

Dirt Picture Contest - Die Welt zu Gast bei Säuen

Ganz hinten, nochmal 30 Meter weiter, wäre auch noch ein dritter Fernseher auf dem Bürgersteig. Überhaupt scheint es, dass die Typen, die gebrauchte Elektronik kaufen, ausgestorben sind und die Leichen der Unterhaltungsindustrie deshalb einfach so auf die Strasse gelegt werden, als wären es Opfer der Choleraepidemie. Letztlich liegt es wohl nur an einem kommenden Prollereignis, das neue Glotzen nach sich zieht.



Und dabei ist es noch eine Weile hin. In ein paar Wochen gibt es an gleicher Stelle sicher mehr zu bestaunen. Und ich bin mir sicher, dass die Altgeräte dann immer noch an Ort und Stelle sind.

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Montag, 3. April 2006

Dirt Picture Contest - Frühjahrsputz

"Ja, Mama, ich weiss, ja, schon gut, diese verdammte Petze, Deine Tochter, ich nehme sie in Berlin auf und dann verleumdet sie mich so. Es ist ja nicht meine Schuld, dass der Kühlschrank kaputt ist. Gut, es riecht ein wenig, aber immerhin habe ich den alten schon mal weggebracht. Und die Kleider bringe ich auch in die Wäscherei, wollte ich schon lange machen, aber der Wäschekorb ist letzte Woche gebrochen. Und wegen dem Staub hat sie sich beschwert? Was weiss denn die, der Staubsauger hat den Abgang genacht, da ist der Schlauch abgebrochen... na beim Saugen natürlich... ich soll ihn Dir bringen?.. Du kannst ihn umtauschen, naja... Also, ich weiss ja nicht, aber die werden sicher behaupten, dass ich dran schuld bin, Du kennst doch diese Schweine vom Elektrogrosshändler... und überhaupt, mit dem Zug wird das ein Problem... wirklich Mama, glaub mir, es lohnt sich nicht wegen dem Staubsauger... Nein, echt nicht."



Übrigens, kannst Du vielleicht nächsten Monat 500 zusätzlich überweisen? Für einen neuen Kühlschrank und so? Ich will ja keinen Müll, er soll schon was taugen..."

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Sonntag, 5. März 2006

Dirt Picture Contest - Oberschichtenmüll

Ecken, Vorsprünge und überdachte Flächen ziehen den Müll magisch an. Vielleicht nicht in Berlin, wo es ohnehin schon keine Rolle mehr spielt. Aber in der Provinz, wo noch Wert auf Ordnung gelegt wird, laden die Elitezöglinge ihr überflüssiges Elektrokrams so ab, dass es zwar scheisslich aussieht, aber nicht für jeden sichtbar ist. Für die Pillen braucht man keinen Kühlschrank, und Kochen ist auch nicht so ohr Ding, wozu gibt es Fastfood.



Ausserdem nimmt das auf den 18m² nur Platz weg. Das ist gewissermassen Wohnheimsnotwehr. Sollte sich einer beschweren, weiss natürlich keiner, wer das war. Dazwischen ist auch noch Platz für ein paar Flaschen. Und die Kisten braucht man, wenn man wieder wegzieht und Führungspositionen übernimmt, dann vielleicht auch mit Putzfrau und grosser Firmenwohnung, wo man sich um nichts kümmern muss.

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Sonntag, 26. Februar 2006

Dirt Picture Contest Bavarese - Chorknaben

Anderswo geht es Sprayern ums Angeben, um krasse Sprüche, um das Posen, um einen linken politischen Inhalt, oder einfach nur ums Ficken. Aber hier ist allertiefstes Bayern. Und die Spraydosen werden hier von Ministranten geführt.



Morgen vielleicht "Zölibat rules!". Oder "Sex geht gar nicht". Oder "St. Wallburg hat das beste Wasser, da ist Vodka ein Dreck dagegen".

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Donnerstag, 12. Januar 2006

Dirt Picture Contest - Berlin AA

Nachdem der Wagen an dieser Ecke schon seit gut drei Monaten so verharrt, könnte man jetzt wieder über die Unzuverlässigkeiten des Strassenverkehrsamts debattieren. Über die Polizei, der das egal ist. Oder auch über das Einkommen der Berliner, das keine Reparaturen an Fahrzeugen erlaubt, weshalb sich die Spirale des Niedergangs nochmal schneller dreht - wegen ein paar hundert Euro verwandelt sich ein Investitionsgut für ein paar tausend Euro in eine Belästigung der Allgemeinheit.



Aber das ist es nicht. Hinter der gebrochenen Stossstange lugt der tiefste Balkan hervor, oder auch die schlechteren Gegenden der Ukraine. Es könnte Bukarest sein oder ein Randbezirk von Sofia, irgendwo in der hohen Tatra vor einem aufgelassenen Industriekombinat. Berlin ist deren westlichstes Vorslum. Das hier ist kein Betriebsunfall, das ist die Zukunft der Stadt. Man sollte sich an diesen Anblick gewöhnen. Selbst, wenn er sich nicht immer mit dergleichen symbolträchtigen Kennzeichen wie AA manifestiert.

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Dienstag, 10. Januar 2006

Dirt Picture Contest - Keine Heimkehr

Er kommt aus dem Donautal, aus dem ich auch komme. Er wurde nur ein paar Kilometer von meinem Stadtpalast entfernt gebaut, von den kräftigen Händen bayerischer Metallarbeiter und den Roboterarmen der besten Maschinenbauer. Er ist ein Stück Qualitätsarbeit, hart, schlicht, ehrlich und konsequent wie die Menschen der Region. Er war nicht unbedingt der nobelste unter den Wägen und nicht der schnellste, aber sicher ein Gefährt, auf das man sich verlassen konnte. Die Leute, die ihn geschaffen haben, hatten einen besseren tarifvertrag als andere Metaller. Das merkt man, wenn man die Tür zumacht. Klamp. Oder beim Unfall.



Im Innenraum ist alles intakt, die Konstrukteure und Arbeiter im Süden haben getan, was sie konnten. Jetzt steht er hier in Berlin, im Slum, und wird nie mehr zurück kommen in das breite Tal, in dem sich der Fluss träge durch den Auwald windet. Er steht hier schon seit ein paar Wochen rum, und wird auch noch eine Weile bleiben, bis irgendwann der Abschleppdienst kommt und ihn zur Verschrotten bringt. Aber das kann noch lange dauern.

Er war mal gut. Jetzt ist er nur noch ein Stück Müll auf Berlins Strassen, stahlgewordenes Mahnmal für all die Bayern, die hier in dieser Stadt den Moment verpasst haben, zu dem sie noch abspringen können. Morgen bin ich raus hier.

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Sonntag, 8. Januar 2006

Dirt Picture Contest- Du bist was Du ist

und was du isst, erkennt jeder, der mit den Resten konfrontiert wird, die du der Gesellschaft im Szeneviertel zuzumuten dir erlaubt hast, als wärest du auch nur so opportunistischer, philosemitisch lackierter Neoconazi, Ortsgruppe Oberfranken.



Also, dein Speiseplan umfasst braune Wurstersatzstoffe, Fluppen, Süsses in der Girlie-Edition, dass du der gleichen in der Chipskiste bunkerst, ist auch kein Zufall, und auch der MP3-Player deines Digital Lifestyles braucht Batterien. Zm Abschluss drüber eine Pulle Sekt, dann wird das ein cooler Abend.

Rülps, du Sau.

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