: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 31. Januar 2007

Dirt Picture Contest - Warum dies alles

Nahe der Flughafenstrasse, meinem bevorzugten Jagdrevier, war dieses Schlafsofa auf dem Gehsteig: 80ies, kaputt, zerstört, zertreten. Bewohnt von Vandalen, entsorgt von Schweinen und ramponiert von Pöbel. Es ist nicht so, dass man diesem Fabrikmüll hinterher weinen müsste, schliesslich sind weiter vorn Antiquitätenläden, die das Schöne, Wahre und Gute enthalten. Aber dieses Sofa ist immer noch gut genug für den Dirt Picture Contest. Also nahm ich die Kamera und drückte ab, verwackelt, nochmal, ---

Wat machnsee dn da? Fotografiernse det Sofa? fuhr mich von hinten einer an. Ich drehte mich um und sah zwei Männer im Orange der Berliner Stadtreinigung. Äh ja, stammelte ich, weil mir auf die Schnelle keine passende Lüge einfiel. Der fotografiert det Sofa, schüttelte der eine den Kopf, Mannmannmann, et is doch schon jenuch Dreck uff da Strosse wa, det müssense doch nicht fotografian. Und damit schoben er und sein Kamerad das Wägelchen mit den Tonnen weiter, pickte mit seiner Zange anderen, kleinen Müll auf und wunderte sich über mein Verhalten.

Darf ich mal was fragen, nahm ich meinem Mut zusammen. Kommt das Sofa hier demnächst mal weg?

Er lachte. Ne, Junga Mann, det bleibt hiaa, det seehnse doch, det passt nie in unsere Tönnchen. Er wies auf die kleinen Tonnen, lachte im Duett mit seinem Kollegen und zog weiter.



Jetzt weiss ich, warum Berlins Strassen voller alter Sofas sind. Sie passen nicht in die Tönnchen der Stadtreiniger.

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Montag, 29. Januar 2007

Dirt Picture Contest - Müll in Style

Da jat sich wenigstens mal einer Mühe gegeben. Klar ist das Sofa dreckiger, durchgesessener Müll, nach dem Regen der letzten Tage auch noch aufgequollen und wenig angenehm riechend, aber hier in Kreuzberg passt es farblich perfekt zur sonstigen rosa Verschandelung der historischen Baustubstanz.



Man sieht am Material, es ist eine bessere gegend, es ist auch etwas moderner als der 80er Jahre Trash, den man im Prenzlauer Berg auf den Strassen findet, ohne zu suchen. Es ist die feinste Ecke von Kreuzberg. Gar nicht zu vergleichen mit dem sonstigen, vulgären Dreck der Stadt.

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Sonntag, 28. Januar 2007

Dirt Picture Contest - Räder müssen rollen für den Müll

Es geht nicht voran. Also bleibt es liegen. Und weil sich der Berliner als ein solcher nicht entscheiden kann zwischen den Resten der Erziehung und der Bequemlichkeit, geht er einen Kompromiss ein: Ja, der Dreck landet auf der Strasse. Aber nein, er wird dort zumindest einigermassen aufgeräumt.



Und so wird jedes Behältnis zum Mülleimer. Irgendwo nur konsequent in einer Stadt bewohnten Ansiedlung einem Lagerplatz, der der nächste genetische Verwandte und Vorgänger der Mülldeponie ist.

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Samstag, 27. Januar 2007

Dirt Picture Contest - Totes Auge

Mit zerkratzter Netzhaut starrt es in den Himmel über der Lychener Strasse. Jemand hat dafür gesorgt, dass kein Elektroschrotthändler das Ding noch einem ahnungslosen Kunden andrehen kann: Altruismus in der Berlin Edition.



Weihnachten wurden bekanntlich viele Flachbildschirme verkauft. Das Neue ist des Alten Stalingrad. Und nirgendwo lässt sich dieser Eindruck besser belegen als hier, in Berlin, der Hauptstadt der Müllschweine und braunen Scheisshaufen. Vor dem Bonker von StudiVZ hat mein Akku aufgegeben.

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Dienstag, 2. Januar 2007

Dirt Picture Contest - Des fongt goad oh

Ist jemand eigentlich schon mal aufgefallen, dass Jahre meist mit beschissenem Wetter, kalten Temperaturen, unendlich viel Müll und im partiellen Beisein von Leuten stattfindet, die man aus gutem Grund die 364 Tage davor und danach keine Sekunde vermisst?





Und weil es gerade so hässlich ist: In der schlimmsten Woche des Berliner Winters, der letzten Januar/ersten Februarwoche gibt es ein bayerisches geistkörperliches Care-Paket für die aprigoatverseuchte Reichshauptstadt: Ich werde nämlich kommen, und dafür meine seit Tagen chanson*erfüllte, warme Wohnung verlassen. Und zweimal öffentlich auftreten. Einmal im kleinen, intimen Rahmen, und dann nochmal eher, hm, im grösseren Umfeld. Dann gibt es auch wieder viele Müllbilder. Und halb öffentliche Flohmarktbegehungen unter meiner kundigen Leutung für alle, die Lust haben. Und überhaupt.

* félix leclerc, l´hymne au printemps

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Donnerstag, 1. Juni 2006

Dirt Picture Contest - Bei den Aufsteigern

BMW, SUV, Roadster, willkommen in einer der besseren Gegenden des Slums. Wir sind am Rand des Kerns des Prenzlauer Bergs, von hier ist man mit dem Rad in einer viertel Stunde an der Schönhauser Allee, aber es ist ruhiger und komfortabler in dieser kleinen Seitenstrasse, wo vieles restauriert ist und die Preise dennoch nicht durch die mit Jugendstilstuck verzierte Decke gehen. Automobil ht man sich hier bereits runderneuert, und jetzt, wie es scheint, kommen die Möbel dran.



Hinunter auf die Strasse also mit dem lila Sofa, das einen als billige Gelegenheit seit der Verbringung von Tante Erna ins Altersheim begleitete - man hatte damals ja nichts. Und hinweg auch mit der Schlafcouch, die Gäste sollen bitte ins Hotel, die sind alt genug und brauchen nicht am Morgen das Bad verstopfen. Und morgen geht es dann mit dem SUV in einen Möbelladen in Schöneberg, wo es jetzt tolle chinesische Hochzeitsschränke aus Polen gibt, und hübsche rote Kronleuchter aus Plastik. Endlich schön einrichten! Wenn nur nicht das viele Beige vor den Fenstern wäre, in Beigeberlin.

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Dienstag, 30. Mai 2006

Dirt Picture Contest - Licht und Schatten

Deckenfluter sind nicht zwingend hässlich. Seit ihrer Erfindung in den 20er Jahren haben sie neben einer in Museen, Kanzleien und Botschaften sehr sinnvollen Oberklasse auch eine Möbelmarktvariante ausdegeneriert, die nur noch die Decke voller Lumen kotzt und die Jahrtausendwende-Variation von Omas plüschiger Stehlampe mit gerafftem Schirm ist. Wobei das Messing durch billige Eisenrohre aus dem fernen Osten ersetzt wurde - nur so kann man die 600-Watt-Knaller in den wohlbekannten Läden für 19,99 erwerben. Was natürlich auch die Trennung nach kurzer Zeit erlaubt, denn Auseinanderschrauben ist Arbeit, und woanders kann man einen neuen Fluter kaufen, vielleicht sogar für 17,99.



Wir sind hier in einer besseren Gegend, wo sich manche für besser halten. Genauer, am Helmholtzplatz. Dieser gehobenen Geisteshaltung ist es dann wohl auch zu verdanken, dass vor der Lampe ein Karton mit der Aufschrift "zu verschenken" steht und dieselbe nicht zwecks Zerkleinerung durch den anrollenden Verkehr quer auf der Strasse gelegt wurde.

Also, zumindest noch nicht gestern um halb eins.

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Montag, 29. Mai 2006

Dirt Picture Contest Professional

Ich habe mich immer gefragt, was wohl mit dem Müll passiert, den ich in dieser Kategorie in Berlin ablichte, wo er wochenlang auf der Strasse gammelt. Besonders Kühlschränke und Polstermöbel sind ja nicht so klein, dass sie irgendwann doch mal jemand in die Tonne wirft. Da muss es also tatsächlich jemand geben, der das entsorgt. Mein bisheriger Verdacht richtete sich gegen die hiesigen Müllmänner, die Legenden zufolge schon mal in Aktion gesehen wurden. Alles falsch, jetzt weiss ich es:



Hässliche beige Möbel landen in Designläden des LSD-Viertels und werden mutmasslich an zugezogene Schwaben verkauft. Ich kenne das Zeug. Das kann nur von der Strasse stammen. Jetzt ist nur noch zu klären, was mit den Kühlschränken geschieht. Solange sollte ichn vielleicht nicht mehr in Restaurants in Mitte essen, man kann ja nie wissen, wo Prenzldreckschweins Köters Pinkelwanne landet.

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Sonntag, 28. Mai 2006

Dirt Picture Contest - In bester Lage

Der Helmholzplatz im Prenzlauer Berg ist gar nicht so teuer, wie immer behauptet wird. Gerade für kurzfristig neu Zugezogene findet sich in dieser erstklassigen Wohngegend immer ein angenehmes Plätzchen für den Verbleib. Hier etwa findet man nicht nur einen lauschigen Schlafplatz unter garantiert ökologischer Green-Leaf-Bedachung:



Ausserdem gibt es frisches Bettzeug zum Wechseln und zur Strasse hin eine stylische Metallwand und Fenster darin, die sich allerdings nur von der anderen Seite aus öffnen lassen. Aber wer wird denn meckern, es ist ja umsonst! Berlin, die Stadt mit dem grossen Herz freut sich auf Gäste. Echt jetzt.

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Samstag, 8. April 2006

Dirt Picture Contest - Der Urgrund der Kronleuchter

In englischen Auktionskatalogen werden manche Lose mit dem einleitende Adjektiv "unusal" beschrieben, ungewöhnlich also, wenn sie aus dem Rahmen fallen. Unusual, dachte ich, als ich die Kurve am Westrand des Trödels an der Strasse des 17. Juni nahm, denn dort reckte sich, selbst vom Auto aus sichtbar, an einem Stand das Gestänge eines schmalen Kronleuchters nach oben, garniert mit einzelnen Kristallen. Selten suchte ich so intensiv nach einem Parkplatz, selten sah man mich derart ungemessenen Schrittes zum Ort der funkenden Pracht eilen. Ich kannte den Händler bereits, er meinte mich zu kennen, durfte dann aber schnell einsehen, mich gerade erst als würdigen Vertreter eines Stammes kennenzulernen, der schon mit G´tt verhandelt hat und deshalb Syrer allenfalls als leichte Sparringspartner betrachtet.

Nun pflege ich es nicht so weit zu treiben, dass man sich nicht mehr in die Augen schauen kann und der andere einem das Objekt angewidert hinwirft. Ideal ist es, wenn man danach noch ein Schwätzchen führen kann, zur Frage, wo denn die neue Preziose herkommt. In diesem Fall stammt sie nicht aus einer Wohnung, sondern aus der Durchfahrt eines Wohnhauses in Pankow, wo sie im Gegensatz zu ihren Geschwistern von den 30ern bis 2006 alles überstanden hat, Krieg, Diktaturen, Wiedervereinigung, und langes Dämmern, bis der Investor anrückte und feststellte, dass diese eine, letzte verbliebene Lampe eigentlich nur störte und alles, was sonst noch an die alte Zeit gemahnte und beweglich war, eben jenem Händler verkaufte, der ihn mir verkaufte, der ich justament für die Küche im 1. Stock so einen hohen, schmalen Kronleuchter mit wenigen Kristallen brauche.

Was dieses Glück für mich in Berlin letztlich bedeutet, kann man sich an diesem Objekt in der Danziger Strasse anschauen, das als eines der ersten nach der Wende restauriert wurde.



Da hat man also die Rosetten an der Stuckdecke nackt stehen lassen und statt dessen die üblichen, langweiligen, runden Billiglampen an die Seite gesetzt. Sofort verschwindet der üppige Raumeindruck, denn der Stuck und der gesamte Raum ist nun mal darauf berechnet, dass das Licht frei in der Mitte des Raumes schwebt und alles gleichmässig mit Licht erfüllt, wobei die Kristalle dieses Bemühen mit Brechungen unterstützen. Statt dessen entstehen helle Batzen und dunkle Areale. Die Wand unter den Leuchtmitteln ist im Dunkeln und lädt geradezu dazu ein, hier Müll, Plunder und andere Hässlichkeiten zu postieren - fällt ja keinem auf. An diese Wand wird dann auch ein Holzbrett mit Briefkästen gestellt - sieht ja keiner. Und wenn es ohnehin schon so schmuddlig aussieht, kann man auch noch die Räder drin stehen lassen. Auch wenn sie einen Platten haben. Dann braucht auch der Hausdienst nicht mehr in jeder Ecke putzen, da kommt der nicht mehr hin. Dann wischt man allenfalls noch den Boden, und lässt die Konsolen verstauben. Und wenn der Putz bröckelt, was soll´s, spielt eh keine Rolle mehr, in einem Hausgang, der so verschandelt ist.

Die Kronleuchter im Hausgang sehen tatsächlich für den heutigen Betrachter etwas protzig aus. Aber sie zu entfernen und gegen pflegeleichte Rundlampen zu ersetzen, bedeutet, das erste "Broken Window" in einem langen Prozess des Niedergangs zu produzieren. der rausschmiss des alten Luxus öffnet das Tor zum allgemeinen Niedergang, dessen Kosten nichts sind im Vergleich zum bescheidenen Aufwand, alle paar Monate die Kistalle zu putzen. Der Schmierer ist nur das Ende einer Dreckskette, die ihren Anfang beim Investor und seinen 5-Euro-Lampen nimmt. Das Dirt Pic hat seinen Ursprung nicht im Schmutz an sich, sondern im Umgang aller Berliner mit ihrer Stadt. Es tut meiner Küche im 1. Stock gut. Berlin aber...

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