Montag, 29. Mai 2006
Treptow
Mit Spreeblick. Und Panorama über die Stadt, besonders die Uferallee in Friedrichshain, die ums Verrecken keine schöne Wohngegend werden will und weiterhin eine versiffte Häuserreihe ist, in der Monteursbetten für 10 Euro angeboten werden und Bordelle sich nicht lange halten können.

Von da oben hat man sicher einen grandiosen Überblick, aber was man da sieht, lässt einen eher an das Vernageln der Fenster denken. Am Fuss der Türme hält sich ein Retortencafé, weiter südlich stemmt sich in Multiplex mit schalen Träumen in die Wohngegend, nebenan ist die verrottete Botschaft eines korrupten asiatischen Staates, und selbst der Hallenflohmarkt die Strasse runter wurde deutlich verkleinert. Bei horizontal ausgestreckten Flachbauten ist der begrenzte Rückbau nicht weiter schwer, aber bei so einem Turm gibt es nur Stehen oder Fallen, unabhängig davon, dass er finanziell längst in sich zusammengestürzt ist.

Von da oben hat man sicher einen grandiosen Überblick, aber was man da sieht, lässt einen eher an das Vernageln der Fenster denken. Am Fuss der Türme hält sich ein Retortencafé, weiter südlich stemmt sich in Multiplex mit schalen Träumen in die Wohngegend, nebenan ist die verrottete Botschaft eines korrupten asiatischen Staates, und selbst der Hallenflohmarkt die Strasse runter wurde deutlich verkleinert. Bei horizontal ausgestreckten Flachbauten ist der begrenzte Rückbau nicht weiter schwer, aber bei so einem Turm gibt es nur Stehen oder Fallen, unabhängig davon, dass er finanziell längst in sich zusammengestürzt ist.
donalphons, 11:44h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Samstag, 27. Mai 2006
Eine Leiche in Berlin
Tot. Eindeutig tot. Und die Menschen gehen vorüber und schenken ihm keinen Blick.

Innen funkeln die venezianischen Leuchter und warten auf den Tag, da ich sie hole. Und der Tag wird kommen, denn ich will diesen Skalp.

Innen funkeln die venezianischen Leuchter und warten auf den Tag, da ich sie hole. Und der Tag wird kommen, denn ich will diesen Skalp.
donalphons, 11:22h
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Nachtarbeit - Tagarbeit
Im GT Blog gibt es den ersten Teil von Halle, zusammengeschmiert in tiefer Nacht. Und heute um 10.30 Uhr werde ich als junger wilder Blogger auf dem ersten Podium des Kongresses "Besser online" sitzen, mit lauter grossen Medienleuten. Besser online ist klar, aber besser mit Don Alphonso?. Ich habe noch nicht in den Spiegel geschaut. Und dann geht es weiter nach Hannover, zur Lesung, wo, wer in der Nähe ist, bite kommen möchte, wenn ich mich als Bayer dort blamiere. Und dann wieder zurück n nach Berlin. Sollte irgendwo WLAN sein, melde ich mich von dort, besonders der Kongress ist interessant.
Ich bin ein alter, kranker, müder Mann. Eigentlich sollte ich in einem Schaukelstuhl sitzen, die Katze kraulen und den Nichten was vom Krieg erzählen, und dass wir zu viel hatten, 1999. Statt dessen werde ich im schwarzen Zweireiher den Leuten mit drastischen Worten sagen, dass sie ihre herkömmlichen Medienkarrieren knicken können, und überhaupt.Michael "Ich will 20 Millionen kostenlose Schreiber" Maier von der hochgeschätzten Netzeitung ist auch da.
Mal schaun. Wenn ich die Augen aufbekomme. Warum ich? Warum so früh? Warum in Berlin? Fragen, die ich hätte mir wann anders stellen sollen.
Ich bin ein alter, kranker, müder Mann. Eigentlich sollte ich in einem Schaukelstuhl sitzen, die Katze kraulen und den Nichten was vom Krieg erzählen, und dass wir zu viel hatten, 1999. Statt dessen werde ich im schwarzen Zweireiher den Leuten mit drastischen Worten sagen, dass sie ihre herkömmlichen Medienkarrieren knicken können, und überhaupt.Michael "Ich will 20 Millionen kostenlose Schreiber" Maier von der hochgeschätzten Netzeitung ist auch da.
Mal schaun. Wenn ich die Augen aufbekomme. Warum ich? Warum so früh? Warum in Berlin? Fragen, die ich hätte mir wann anders stellen sollen.
donalphons, 10:27h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Sonntag, 21. Mai 2006
Brescia, Piazza della Vittoria
1932 wurde auf Befehl des Duce und seiner lokalen Stellvertreter im Kern der mittelalterlichen Stadt Breschia, gleich neben der berühmten Piazza della Loggia, ein ganzes Quartier vernichtet. Im Gegensatz zu früheren Epochen verzichtete man darauf, das Ältere zu integrieren, wie bereits im späten Mittelalter mit römischen Spolien verfahren wurde. Noch nicht einmal der wüste Kampf mit den Ezelinen im 13. Jahrhundert oder die "10 Tage" des Jahres 1849, als sich die Bürger der Stadt auf den Strassen in einem Aufstand gegen die österreichische Besatzung erhoben, vermochte derartig brutal das Stadtbild umzupflügen.

Das Ergebnis ist nicht weniger als der Versuch des Duce, dem verrückten Tyrannen, Mörder und Komponisten Gesualdo nachzueifern, der in Sabbioneta, nicht weit von hier, eine Idealstadt angelegt hat. Das Scheitern in 12 Bildern beim Click auf das Bild. Das heisst, leider gibt es hier, solamge noch Hartz IV ausbezahlt wird, in Bamberg und anderswo rechtsextreme, faschistenfreundliche Neoconnards, die hier mitlesen und das wahrscheinlich anders sehen.

Das Ergebnis ist nicht weniger als der Versuch des Duce, dem verrückten Tyrannen, Mörder und Komponisten Gesualdo nachzueifern, der in Sabbioneta, nicht weit von hier, eine Idealstadt angelegt hat. Das Scheitern in 12 Bildern beim Click auf das Bild. Das heisst, leider gibt es hier, solamge noch Hartz IV ausbezahlt wird, in Bamberg und anderswo rechtsextreme, faschistenfreundliche Neoconnards, die hier mitlesen und das wahrscheinlich anders sehen.
donalphons, 23:59h
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Piazza delle Victoria
In der Mitte der Piazza della Vittoria in Brescia ist der Corso aus grossen Bodenplatten.

Heute ist er immer zugeparkt, so dass man nicht erkennen kann, wie lebensfeindlich die Gestaltung wirklich ist. Versiegelt und von hohen Gebäuden eingeschlossen, ist es ein Aufmarschplatz für den neuen Menschen, und kein Versammlungsort, auf dem man sich gern aufhält. Der Antikmarkt, der hier stattfindet, zwängt sich denn auch unter die Arkaden auf der rechten Seite. An die gewünschte Symmetrie halten sich hier nur noch die Mülltonnen.

Von der anderes Seite kann man zumindest an einer Ecke ein Gebäude sehen, das nicht zu diesem Ensemble in weissen Marmor gehört. Auf das gelbe Eckhaus aus dem späten 19. Jahrhundert nimmt der Platz mit seinen Raumhöhen und Fluchten bewusst keine Rücksicht. Gross soll es sein, grösser, für die grösste Zeit Italiens und seinen Duce. Ein Monument des neuen Geistes, das so auch bald in Berlin, Madrid und Moskau stehen konnte.

Rechts vorne ist die Kanzel, die Tribüne, nicht nur als solche eine Anleihe beim Christentum. In rotem Marmor gehauen, nimmt sie in ihrer Gestaltung die berühmten Vorbilder in Mailand und Verona auf. Man weiss, dass die Kirche nichts gegen die Überhöhung des Duce in solch quasireligiöser Form einzuwenden hatte. Hier gingen zwei Geisteshaltungen, Katholizismus und Faschismus, eine Symbiose ein, die mehr war als ein Zweckbündnis.

Ein Bogen, zwei Säulen, ein Bogen - Palladio stand Pate für die Arkaden. Wobei Palladio nicht diese absurde, langweilige Monumentalität vermieden hätte, irgendetwas hätte er unterteilt, gegliedert, mit einem Schnörkel versehen, um so dieser Monotonie entgegen zu wirken. Der Faschiusmus dagegen mag Einförmigkeit, Schlichtheit und immer gleichen Drill. Dass die Grösse in Monstrosität umschlägt, störte damals keinen.

Über allem erhebt sich der Turm der Revolution, ein Hochhaus aus Ziegelstein, ein Campanile des neuen Zeitalters. Er überragt die anderen Türme der mittelalterlichen Stadt, und verzichtet auf jede Leichtigkeit. Er nimmt die Gestaltung der Wehrtürme auf, deren Niederlegung in den italienischen Republiken stets das Zeichen des Sieges der Bürger über den Adel, die Bischöfe oder die Obrigkeit war. 1932 war aber von Demokratie keine Rede mehr.

Nach Osten, Richtung Venedig, gibt es ein Zugeständnis an die alte Herrscherin über Breschia. Die Fensterreihe im zweiten Stock ist das Zitat des Piano Nobile eines venezianischen Palazzo, auch hier wieder ins Monströse aufgeblasen und in der Formensprache bis zur Kargheit reduziert. Vergangenheit in eine Zukunft gebracht, die sich in der Realität als ebenso karg erweisen sollte, oder, mit Kriegsbeginn, als Katastrophe.

Aber 1932 sonnte man sich lieber im fragwürdigen Glanz der Eroberungen im ersten Weltkrieg. Breschia war eine Basis der Italiener im Alpenkrieg und gleichzeitig eine Waffenschmiede. Nichts erzählt hier von den Erfrorenen, dem Giftgas, den Befehlen, die eigenen meuternden Truppen mit Artillerie zusammen zu schiessen. Hier ist alles Sieg, Agression zahlt sich aus, und entsprechend wütend schaut auch der Marcuslöwe drein, den eine Versicherung hier anbringen liess.

Der Name der Piazza musste natürlich in Bronzebuchstaben angebracht werden, getragen von dorischen Säulen. Die dorische Säule ist ohnehin sowas wie das Deppenleerzeicher der Architektur. Wann immer sie nach der Antike verwendet wurde, konnte man daraus schliessen, dass die Erbauer einen nachlässigen Umgang mit dem Leben anderer pflegten. Die dorische Säule, benannt nach den Eroberern Griechenlands im dunklen Zeitalter vor ca. 3000 Jahren, hat es in sich. Schon immer. Wer das hier 1932 sah, hätte sich das Kommende ausmalen können.

Wenn dann der Eingang zu einem Arbeitstrakt auch noch diesen Gleichschritt, dieses Stehen in Reih und Glied symbolisiert, ist man am Hintereingang des Faschismus angekommen. Statt Säulen und Marmorbögen gibt es hier den Drill und die Zucht der Volksgenossen im Faschismus. Jeder hat seinen Platz, keiner tanzt aus der Reihe, voran die Liktorenbündel mit Stöcken und Äxten, die im alten Rom die Herrschaft über Leben und Tod symbolisierten.

Drinnen dann das Klein-Klein des miefigen Alltags unter der Diktatur, der marmor hört nach den ersten Stufen auf, dahinter kommt die Portiersloge, ein kleiner, düsterer Überwachungsposten, ver dem der Gang abknickt in die Innereien der Gebäude. Schon damals zeigte sich das, was man heute am Potsdamer Platz und anderen innerurbanen Wüsten erlebt: Geplante Plätze binden nicht, es entsteht kein Leben, niemand verweilt hier, wenn er nicht unbedingt muss. Ein einziges Cafe verucht sich dagegen zu behaupten, aber weil hier Diktatur ist und Diktatur nur Posen kennt, kann es auch nicht das Caffe Garibaldi sein oder das Caffe La Pergola oder sonst etwas, das nach Plüsch und Gemütlichkeit klingt, nein, es kann nur heissen:

Nicht weit von hier, in Salo am Südende des Gardasees, geht diese Epoche nur 11 Jahre später ihrem glanzlosen Ende entgegen. Mussolini wurde nach der Eroberung Siziliens durch die Alliierten abgesetzt, festgenommen, von den Deutschen befreit und an diesem wunderbaren See mit einem lächerlichen Marionettenregime installiert. Am Ende des Krieges wollte er mit seiner Anhängerschaft von Salo in die nahe Schweiz fliehen, wurde aber von Partisanen gefangen, zum Tode verurteilt, wie ein räudiger Hund abgeknallt und dann, an den Beinen aufgehängt, der Bevölkerung zur Schau gestellt. An einer Tankstelle, die weitaus weniger protzig ist als die Piazza della Vittoria, die seinen Niedergang ohne Schaden überdauert hat und heute den Neofaschisten immer noch Bewunderung und Stolz abringt, weiss glänzend und das Stadtbild immer noch störend

aber nicht ganz unwidersprochen, zum Glück.

Heute ist er immer zugeparkt, so dass man nicht erkennen kann, wie lebensfeindlich die Gestaltung wirklich ist. Versiegelt und von hohen Gebäuden eingeschlossen, ist es ein Aufmarschplatz für den neuen Menschen, und kein Versammlungsort, auf dem man sich gern aufhält. Der Antikmarkt, der hier stattfindet, zwängt sich denn auch unter die Arkaden auf der rechten Seite. An die gewünschte Symmetrie halten sich hier nur noch die Mülltonnen.

Von der anderes Seite kann man zumindest an einer Ecke ein Gebäude sehen, das nicht zu diesem Ensemble in weissen Marmor gehört. Auf das gelbe Eckhaus aus dem späten 19. Jahrhundert nimmt der Platz mit seinen Raumhöhen und Fluchten bewusst keine Rücksicht. Gross soll es sein, grösser, für die grösste Zeit Italiens und seinen Duce. Ein Monument des neuen Geistes, das so auch bald in Berlin, Madrid und Moskau stehen konnte.

Rechts vorne ist die Kanzel, die Tribüne, nicht nur als solche eine Anleihe beim Christentum. In rotem Marmor gehauen, nimmt sie in ihrer Gestaltung die berühmten Vorbilder in Mailand und Verona auf. Man weiss, dass die Kirche nichts gegen die Überhöhung des Duce in solch quasireligiöser Form einzuwenden hatte. Hier gingen zwei Geisteshaltungen, Katholizismus und Faschismus, eine Symbiose ein, die mehr war als ein Zweckbündnis.

Ein Bogen, zwei Säulen, ein Bogen - Palladio stand Pate für die Arkaden. Wobei Palladio nicht diese absurde, langweilige Monumentalität vermieden hätte, irgendetwas hätte er unterteilt, gegliedert, mit einem Schnörkel versehen, um so dieser Monotonie entgegen zu wirken. Der Faschiusmus dagegen mag Einförmigkeit, Schlichtheit und immer gleichen Drill. Dass die Grösse in Monstrosität umschlägt, störte damals keinen.

Über allem erhebt sich der Turm der Revolution, ein Hochhaus aus Ziegelstein, ein Campanile des neuen Zeitalters. Er überragt die anderen Türme der mittelalterlichen Stadt, und verzichtet auf jede Leichtigkeit. Er nimmt die Gestaltung der Wehrtürme auf, deren Niederlegung in den italienischen Republiken stets das Zeichen des Sieges der Bürger über den Adel, die Bischöfe oder die Obrigkeit war. 1932 war aber von Demokratie keine Rede mehr.

Nach Osten, Richtung Venedig, gibt es ein Zugeständnis an die alte Herrscherin über Breschia. Die Fensterreihe im zweiten Stock ist das Zitat des Piano Nobile eines venezianischen Palazzo, auch hier wieder ins Monströse aufgeblasen und in der Formensprache bis zur Kargheit reduziert. Vergangenheit in eine Zukunft gebracht, die sich in der Realität als ebenso karg erweisen sollte, oder, mit Kriegsbeginn, als Katastrophe.

Aber 1932 sonnte man sich lieber im fragwürdigen Glanz der Eroberungen im ersten Weltkrieg. Breschia war eine Basis der Italiener im Alpenkrieg und gleichzeitig eine Waffenschmiede. Nichts erzählt hier von den Erfrorenen, dem Giftgas, den Befehlen, die eigenen meuternden Truppen mit Artillerie zusammen zu schiessen. Hier ist alles Sieg, Agression zahlt sich aus, und entsprechend wütend schaut auch der Marcuslöwe drein, den eine Versicherung hier anbringen liess.

Der Name der Piazza musste natürlich in Bronzebuchstaben angebracht werden, getragen von dorischen Säulen. Die dorische Säule ist ohnehin sowas wie das Deppenleerzeicher der Architektur. Wann immer sie nach der Antike verwendet wurde, konnte man daraus schliessen, dass die Erbauer einen nachlässigen Umgang mit dem Leben anderer pflegten. Die dorische Säule, benannt nach den Eroberern Griechenlands im dunklen Zeitalter vor ca. 3000 Jahren, hat es in sich. Schon immer. Wer das hier 1932 sah, hätte sich das Kommende ausmalen können.

Wenn dann der Eingang zu einem Arbeitstrakt auch noch diesen Gleichschritt, dieses Stehen in Reih und Glied symbolisiert, ist man am Hintereingang des Faschismus angekommen. Statt Säulen und Marmorbögen gibt es hier den Drill und die Zucht der Volksgenossen im Faschismus. Jeder hat seinen Platz, keiner tanzt aus der Reihe, voran die Liktorenbündel mit Stöcken und Äxten, die im alten Rom die Herrschaft über Leben und Tod symbolisierten.

Drinnen dann das Klein-Klein des miefigen Alltags unter der Diktatur, der marmor hört nach den ersten Stufen auf, dahinter kommt die Portiersloge, ein kleiner, düsterer Überwachungsposten, ver dem der Gang abknickt in die Innereien der Gebäude. Schon damals zeigte sich das, was man heute am Potsdamer Platz und anderen innerurbanen Wüsten erlebt: Geplante Plätze binden nicht, es entsteht kein Leben, niemand verweilt hier, wenn er nicht unbedingt muss. Ein einziges Cafe verucht sich dagegen zu behaupten, aber weil hier Diktatur ist und Diktatur nur Posen kennt, kann es auch nicht das Caffe Garibaldi sein oder das Caffe La Pergola oder sonst etwas, das nach Plüsch und Gemütlichkeit klingt, nein, es kann nur heissen:

Nicht weit von hier, in Salo am Südende des Gardasees, geht diese Epoche nur 11 Jahre später ihrem glanzlosen Ende entgegen. Mussolini wurde nach der Eroberung Siziliens durch die Alliierten abgesetzt, festgenommen, von den Deutschen befreit und an diesem wunderbaren See mit einem lächerlichen Marionettenregime installiert. Am Ende des Krieges wollte er mit seiner Anhängerschaft von Salo in die nahe Schweiz fliehen, wurde aber von Partisanen gefangen, zum Tode verurteilt, wie ein räudiger Hund abgeknallt und dann, an den Beinen aufgehängt, der Bevölkerung zur Schau gestellt. An einer Tankstelle, die weitaus weniger protzig ist als die Piazza della Vittoria, die seinen Niedergang ohne Schaden überdauert hat und heute den Neofaschisten immer noch Bewunderung und Stolz abringt, weiss glänzend und das Stadtbild immer noch störend

aber nicht ganz unwidersprochen, zum Glück.
donalphons, 23:58h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Donnerstag, 4. Mai 2006
Die Schlange legt zu Ehren der Schafe den Wolfspelz an
Heute Abend, Munich Area Auftrieb. Irgendein koksbedröhnter Faltenhaufen hat vergessen, mich aus dem richtigen Verteiler zu streichen. Ich muss sowieso hoch, danach drei Städte in drei Tagen, warum also nicht ein wenig Amüsement wie in den alten Tagen. Das Ministerium zahlt, Iris und die Rolex brauchen mal wieder etwas anderes als immer nur die Kleinstadt, es ist ein billiges Vergnügen, die paar Euro Selbstbeteiligung sind den Spass allemal wert, bevor es danach in die andere Richtung, zu den Tischen der ganz anderen geht. Eine Laudatio noch schreiben, hoffen, dass die Bleibe in der Munich Area später dann vorzeigbar ist, es wäre zwar auch ein Hotelzimmer mit inbegriffen, momentan steht sowieso alles leer und der Laden tritt als Premium Partner auf, aber man muss ja nicht alles mitnehmen, das überlässt man den armen Kollegen von der Hurenpresse, beim schönen, schnellen Leben mit den Stakeholdern des Success und der Future und des Dresscodes.

A hell of fun, you know I love you, Darling, an solchen Abenden, wenn draussen vor der Fensterfront die Sonne untergeht, da könnten wir uns mal chinchen, aber ja doch, noch einen Prosecco my Dear? Man könnte so viel tun an diesen Abenden, wo keiner den anderen kennt und trotzdem jeder networken muss, ran an die Schweine da drüben zum letzten Businessgefecht, schliesslich kommt man genau dafür her, nicht nur wegen der Eitelkeit und dem Zwang, das Dazugehören durch einen Auftritt zu manifestieren. Man muss Kontakte machen, wichtige Kontakte, den richtigen Mix finden aus Jung und Alt, Dynamisch und Besonnen, solider Basis und emerging market, eine Abmahndrecksau sollte dabei sein, ein Fondsjongleur, einer, der einen in der Topebene bei der Bank kennt und auch irgendwas Fickbares in Veilchenblau und dürren Füssen unter dem Rock, wenn´s sein muss auch mit dranhängender PR-Freundin in Medievil und Bestetagesindvorbei. Es ist alles so einfach, immer das gleiche, das einzige Problem ist die Farbe der Krawatte und der Knoten. Windsor, I suppose.
Und das Briefen der Begleiterin. Wir wollen ja nur spielen. Und wenn ich sage, dass ich gerade in der Vermögensverwaltung tätig bin, ist das noch nicht mal gelogen. Ach, werden sie sagen, wie kommt man denn vom Journalismus da hin? Tja, werde ich sie anstrahlen, das ist das Vorrecht der Geburt. Sie werden nicken, die dreisten Säue mit ihren weniger guten Lügen, bei dieser Behauptung, und ich werde hoffen, dass meine Finger wirklich frei von allen Acrylresten sind, die verraten könnten, in welchem abgeschliffenen Stadium sich die Verwaltung des Stadtpalastes gerade befindet. So ist es, das pralle Leben, die prallen Menschen, meine pralle italienische Haut mit ihren zwei Reihen und irgendwann, vielleicht, wird jemand kommen und das alles wegputzen, den stinkenden Morast, langsam wird´s echt Zeit, zu viele Häute, zu viel Gerberei und Pisse für alle die Wolfspelze, massgeschneidert für all die Idioten, die miesen Cretins mit der nuschligen Prollaussprache zwischen Hohenpeissenberg und Wolnzach, diese sogenannte Gesellschaft derer, die als einzige Leistung vorweisen könenn, dass sie auf der richtigen Liste sind.

A hell of fun, you know I love you, Darling, an solchen Abenden, wenn draussen vor der Fensterfront die Sonne untergeht, da könnten wir uns mal chinchen, aber ja doch, noch einen Prosecco my Dear? Man könnte so viel tun an diesen Abenden, wo keiner den anderen kennt und trotzdem jeder networken muss, ran an die Schweine da drüben zum letzten Businessgefecht, schliesslich kommt man genau dafür her, nicht nur wegen der Eitelkeit und dem Zwang, das Dazugehören durch einen Auftritt zu manifestieren. Man muss Kontakte machen, wichtige Kontakte, den richtigen Mix finden aus Jung und Alt, Dynamisch und Besonnen, solider Basis und emerging market, eine Abmahndrecksau sollte dabei sein, ein Fondsjongleur, einer, der einen in der Topebene bei der Bank kennt und auch irgendwas Fickbares in Veilchenblau und dürren Füssen unter dem Rock, wenn´s sein muss auch mit dranhängender PR-Freundin in Medievil und Bestetagesindvorbei. Es ist alles so einfach, immer das gleiche, das einzige Problem ist die Farbe der Krawatte und der Knoten. Windsor, I suppose.
Und das Briefen der Begleiterin. Wir wollen ja nur spielen. Und wenn ich sage, dass ich gerade in der Vermögensverwaltung tätig bin, ist das noch nicht mal gelogen. Ach, werden sie sagen, wie kommt man denn vom Journalismus da hin? Tja, werde ich sie anstrahlen, das ist das Vorrecht der Geburt. Sie werden nicken, die dreisten Säue mit ihren weniger guten Lügen, bei dieser Behauptung, und ich werde hoffen, dass meine Finger wirklich frei von allen Acrylresten sind, die verraten könnten, in welchem abgeschliffenen Stadium sich die Verwaltung des Stadtpalastes gerade befindet. So ist es, das pralle Leben, die prallen Menschen, meine pralle italienische Haut mit ihren zwei Reihen und irgendwann, vielleicht, wird jemand kommen und das alles wegputzen, den stinkenden Morast, langsam wird´s echt Zeit, zu viele Häute, zu viel Gerberei und Pisse für alle die Wolfspelze, massgeschneidert für all die Idioten, die miesen Cretins mit der nuschligen Prollaussprache zwischen Hohenpeissenberg und Wolnzach, diese sogenannte Gesellschaft derer, die als einzige Leistung vorweisen könenn, dass sie auf der richtigen Liste sind.
donalphons, 17:02h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Montag, 1. Mai 2006
Provisionsfrei zum Erstbezug
und zwar direkt vom Eigentümer. Der an einer viel befahrenen Strasse in einer geschäftigen Grossstadt mit folgendem Spruch für sein Office Center wirbt.

Und das nun schon eine ganze Weile, mindestens ein halbes Jahr, ich glaube aber, es in seiner Powerpoint-Weisheit schon früher gesehen zu haben. Erfolg ist eine Frage von Qualität und Effizienz. Leerstand ist eine Frage von falscher Planung und überzogenen Mieten. Werbung ist eine Frage von Kreativität und Kontextsensibilität. Frankfurt am Main ist eine Frage von Dunmheit und Arroganz.

Und das nun schon eine ganze Weile, mindestens ein halbes Jahr, ich glaube aber, es in seiner Powerpoint-Weisheit schon früher gesehen zu haben. Erfolg ist eine Frage von Qualität und Effizienz. Leerstand ist eine Frage von falscher Planung und überzogenen Mieten. Werbung ist eine Frage von Kreativität und Kontextsensibilität. Frankfurt am Main ist eine Frage von Dunmheit und Arroganz.
donalphons, 21:42h
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Sonntag, 23. April 2006
Das Beschissene am Familienministerium ist
dass man da so gut wie nichts tun kann, um zurücktreten zu müssen - ausser, man greift zu handelsüblichem Nepotismus. Aber Bestechung kommt da nicht vor, Kontakt zu Waffenlobbyisten, Bordellbetreibern und Farmbesitzern in Afrika ist unwahrscheinlich, und die Rechtsauffassung, dass die Kirchen verfassungsfeindliche Organisationen wären, hat sich trotz derer Druckwerke bislang noch nicht durchgesetzt - also ist auch deren Unterstützung bislang kein Anlass, die aktuelle blonde Peinlichkeit zwingend zu beenden. Noch nicht mal Mutterschaftsurlaub ist zu erwarten.
Actually, we´re fucked. Bloss gut, dass es der Geburtenrate nichts bringt.
Actually, we´re fucked. Bloss gut, dass es der Geburtenrate nichts bringt.
donalphons, 21:46h
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Samstag, 22. April 2006
Wie man in der Provinz nie ankommt,
auch wenn man sich alle Mühe gibt. Ein Erklärungsversuch.
Gestern Nacht war ich kurz mit Iris aus. Ich hatte mal wieder ein Konzert geschwänzt, und so den neuesten Tratsch über den Tennislehrer, die Tochter, ihre Mutter und deren Schwangerschaft verpasst. Iris wäre gestorben, wenn sie diese Geschichte über die ex-angeheiratete Verwandtschaft nicht losgeworden wäre. Also trafen wir uns in einer recht modernen Bar, derer die kleine Stadt einige besitzt. Das Ding ist normalerweise sehr leer, nur am Freitag und Samstag Abend erfüllt es so eine Art Überlauffunktion in der mit ausgehsüchtigen Landtritschn* und Elite-Studenten überfüllten Innenstadt. Am Nachbartisch sass eine Clique in Casual Business Wear, die unsereins sofort als fortgeschrittene BWL-Kids erkennt, blass, etwas eingefallen und laut; kein Wunder, in den letzten Tagen waren mal wieder Examen.
Während mir Iris also aufzählte, wen der Tennislehrer schon alles beglückt haben soll und dabei auch nicht mit pikanten Details über andere Clans der besseren Gesellschaft sparte, wechselte am Nachbartisch das Gesprächsthema zum anstehenden Golfturnier, zur eher mauen Anmeldung und dann auch zur Frage, warum das eigentlich immer so isoliert ist, in dieser Stadt, vielleicht ist es auch manchen peinlich, hierher zu kommen, andererseits gehe auch so wenig mit den Leuten und Firmen vor Ort, ausser dem Autokonzern, dem global Player, aber sonst, ach, es ist nicht leicht, hier anzukommen.
Nun interessiert mich das gestörte social Life hierher verschlagener Upper Middle Class Young Generation so gut wie gar nicht, wenn mir Iris von den panischen Vertuschungsversuchen einer Familie erzählt, die schon mein Urgrossvater nachweislich als gschtingads Gschleaf vom Glosscheamviadl** diffamiert hat. Umgekehrt behaupteten diese Leute, deren Stammhaus mit seinen lunpigen 2 Geschossen und der 3-Fenster-Front noch heute von der Schmach ihrer niedrigen Herkunft kündend an der Strasse raus zu dem Dreckskaff steht, von dem sie zugezogen sind, diese Brunzkacheln*** also sagen, wir, die Stadterer, hätten damals minderwertiges Brot an Bauarbeiter verkauft. Dennoch, das war gestern Abend, gerade heute tröpfelt es vom sagenhaft blauweissen bayerischen Himmel, und so will ich heute für alle, besonders aber für Golfturnierorganisatoren erklären, wie das geht, mit dem Nichtankommen in einer bayerischen Stadt.
Es ist nämlich so: Die kurzen Zeiträume von 4, 5 Jahren, die sich die typische Elitesse und ihr männliches Gegenstück hier aufhalten, reichen weder zur Gründung einer Tradition noch zur Erkenntnis dessen, was Tradition bedeutet. Würden sie die hiesige Tradition von dem unterscheiden können, was nur wie Tradition tut, liesse sich manches vielleicht beheben - schliesslich kommen die meisten aus einer national homogenen Schicht, und die Sprachbarrieren sind in meiner Generation praktisch weg. Wenn ich normal rede und nicht den Bayern einschalte.
Aber dazu dürfte man, wie bei diesem studentischen Golfturnier, nicht alles falsch machen, was man falsch machen kann. Es beginnt mit der Auswahl des Platzes. Der gehört nicht in diese Stadt, sondern liegt westlich davon. Und gehört zu einem Landkreis namens Neuburg. Als Autokennzeichen hat dieser Landkreis ND, was nach gängiger Auffassung für NationalDepp steht. Die Raserduelle auf den Landstrassen gegen die NationalDeppen sind der letzte Ausfluss einer jahrhundertealten politischen und religiösen Feindschaft zwischen den beiden Städten. In diesem Landkreis ein Turnier abhalten, das nach der anderen Stadt benannt ist - das ist mehr als ein Fehler. Das ist eine Sünde.
Nun steht der Golfplatz zu allem Überfluss auch noch unter der Fuchtel der Wittelsbacher. Das mag international gut ankommen bei neureichen Amerikanern und sissigeilen Japanern. Über den Ruf dieses Clans gerade in dieser Ecke Bayerns sollte man sich aber keine Illusionen machen. Die Wittelsbacher stehen seit dem Ende des hiesigen Teilherzogtums für konsequente Benachteiligung dieser Stadt. Gegen die Schweden und die Österreicher hat sich die Stadt wehren können, aber nicht gegen den Zentralismus und die Obrigkeit aus München. Beim Namen Wittelsbach tut sich hier bei uns gar nichts, die sollen wieder in ihre Boazn bei Aichach gehen - aus Aichach nämlich kommen sie, was noch schlimmer als die NationalDeppen ist.
Dergestalt das Problem erkannt habend, wenden wir uns nun dem Programm zu. Nach der ersten Runde Golf geht es zur "Bavarian Night" in ein Lokal, das als "eines der ältesten Brauhäuser" beschrieben wird. Es handelt sich dabei um das wahrscheinlich übelste Touristendisney, das die Stadt zu bieten hat. Der schlechte Ruf kommt vor allem daher, dass es eben nicht alt ist, sondern brandneu: An seiner Stelle war früher die als Suffschuppen bekannte Discothek "Why not", die bei Eltern und Kindern gleichermassen übel beleumundet war. Da ging von uns niemand hin, das war ein ganz mieser Laden, und erst, als er - vielleicht durch das alkoholische Aussterben seiner Suffköppe? - weg war, wurde dort besagten "Brauhaus" hineinkonstruiert. Echt wie ein Pappbayer auf dem Tokioter Oktoberfest, und mit einem Glockenspiel ausgestattet, das nicht nur eine Lärmbelästigung, sondern auch der Gipfel der Geschmacklosigkeit einer Stadt ist, in der man heute noch lebensgrosse Porzellantiger in die Wohnzimmer stellt.

Kurz, in diesen Laden geht keiner, der auch nur ansatzweise Ahnung von dieser Stadt hat. Die Grünen (!) machen dort ihren politischen Aschermittwoch, so lebensecht ist das dort. Übernachtet wird dann in diesem Hotel, ein schwarzoranger "Kult"-Komplex, dessen positives Merkmal in seiner Lage weit draussen an der Ausfallstrasse zu finden ist - sollte es in dem umliegenden Blockgettho, der Antwort dieser Stadt auf Berlin-Marzahn und München-Hasenbergl, zu Unruhen kommen, ist man wenigstens schnell weg. In dieser plebsbewohnten Ödnis und dem darin liegenden Sushi-Restaurant findet in der folgenden Nacht auch die - nicht mehr "bavarian" - Abschlussparty statt.
Davor, am gleichen Tag, werden die Newbies statt zum Golfen in ein Factory Outlet Center verfrachtet, nah bei den idyllischen, wohlriechenden Raffinerien der Stadt. ""Ingolstadt Village, die Chic Outlet Shopping Sensation in Deutschland" nennt sich die Retortenanlage, gegen die und die investmentgeilen Stadtväter die Staatsregierung einen langen, aussichtslosen Kampf geführt hat. Dort, in der halbfertigen Shoppingeinöde, kann man das erwerben, was es eben in den internationalen Outlets so an Geschmacklosigkeiten zu Supersonderkonditionen gibt. Das ist sicher interessanter als irgendso eine weltberühmte Rokokokirche oder eines der feinsten Beispiele für spätmittelalterliche Profanarchitektur.
Kurz, man schleift die internationalen Gäste durch ein brandneues Universum, das überall von Karatchi bis Houston, Texas stehen könnte. Zielsicher wird nur das angesteuert, was nichts, absolut nichts mit der Region zu tun hat, in der man sich befindet, abgesehen vielleicht von den Sickos in der Stadtregierung, die in globalised markets die challenge taken wollen. Man stelle sich vor, in Oxford würde man Gäste in eine Shopping Mall mit 50% off, in ein Hollywood Hotel an der Autobahn, auf einen von Saudis betriebenen Golfplatz in der Pampa und in die nagelneue Neppkopie eines Pubs mit Old-Bailey-Glockenspiel schleifen, in der sich ausschliesslich schmerbäuchige Touristen aus Liverpool herumtreiben, und sie dann nötigen, Bowlerhüte zu tragen - aber genau das ist es, was hier an dieser Stadt und ihren normalen Bewohnern vorbei veranstaltet wird. Ich habe nichts dagegen, so haben die ihre Reservate und kommen mir erst gar nicht in die Quere.
Aber hey, aus Sicht des Bewohners sieht es so aus: Wenn es mit solchem Kitsch angibt wie ein Proll, wenn es einkauft wie ein Proll, wenn es feiert wie ein Proll und wohnt wie ein Proll mit halbnackten Weibern an der Decke - dann ist es vielleicht auch ein Proll. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es das Leben zukünftiger multinationaler Sachbearbeiter vorweg nimmt, die überall auf das immer gleiche, für sie erfundene Umfeld treffen, neu, sauber, ohne Vergangenheit und Tradition. Allein schon, weil sowas in seinem dummen Prolltum nie dauerhaft gewünscht wird, nie irgendwo eingeladen wird, daheim noch nicht mal vorzeigbar ist, selbst wenn im Wohnzimmer Porzellanleoparden stehen und Mamas Bauch sich obszön vom Return auf des Tennislehrers Spermaaufschlag wölbt.
Gestern Nacht war ich kurz mit Iris aus. Ich hatte mal wieder ein Konzert geschwänzt, und so den neuesten Tratsch über den Tennislehrer, die Tochter, ihre Mutter und deren Schwangerschaft verpasst. Iris wäre gestorben, wenn sie diese Geschichte über die ex-angeheiratete Verwandtschaft nicht losgeworden wäre. Also trafen wir uns in einer recht modernen Bar, derer die kleine Stadt einige besitzt. Das Ding ist normalerweise sehr leer, nur am Freitag und Samstag Abend erfüllt es so eine Art Überlauffunktion in der mit ausgehsüchtigen Landtritschn* und Elite-Studenten überfüllten Innenstadt. Am Nachbartisch sass eine Clique in Casual Business Wear, die unsereins sofort als fortgeschrittene BWL-Kids erkennt, blass, etwas eingefallen und laut; kein Wunder, in den letzten Tagen waren mal wieder Examen.
Während mir Iris also aufzählte, wen der Tennislehrer schon alles beglückt haben soll und dabei auch nicht mit pikanten Details über andere Clans der besseren Gesellschaft sparte, wechselte am Nachbartisch das Gesprächsthema zum anstehenden Golfturnier, zur eher mauen Anmeldung und dann auch zur Frage, warum das eigentlich immer so isoliert ist, in dieser Stadt, vielleicht ist es auch manchen peinlich, hierher zu kommen, andererseits gehe auch so wenig mit den Leuten und Firmen vor Ort, ausser dem Autokonzern, dem global Player, aber sonst, ach, es ist nicht leicht, hier anzukommen.
Nun interessiert mich das gestörte social Life hierher verschlagener Upper Middle Class Young Generation so gut wie gar nicht, wenn mir Iris von den panischen Vertuschungsversuchen einer Familie erzählt, die schon mein Urgrossvater nachweislich als gschtingads Gschleaf vom Glosscheamviadl** diffamiert hat. Umgekehrt behaupteten diese Leute, deren Stammhaus mit seinen lunpigen 2 Geschossen und der 3-Fenster-Front noch heute von der Schmach ihrer niedrigen Herkunft kündend an der Strasse raus zu dem Dreckskaff steht, von dem sie zugezogen sind, diese Brunzkacheln*** also sagen, wir, die Stadterer, hätten damals minderwertiges Brot an Bauarbeiter verkauft. Dennoch, das war gestern Abend, gerade heute tröpfelt es vom sagenhaft blauweissen bayerischen Himmel, und so will ich heute für alle, besonders aber für Golfturnierorganisatoren erklären, wie das geht, mit dem Nichtankommen in einer bayerischen Stadt.
Es ist nämlich so: Die kurzen Zeiträume von 4, 5 Jahren, die sich die typische Elitesse und ihr männliches Gegenstück hier aufhalten, reichen weder zur Gründung einer Tradition noch zur Erkenntnis dessen, was Tradition bedeutet. Würden sie die hiesige Tradition von dem unterscheiden können, was nur wie Tradition tut, liesse sich manches vielleicht beheben - schliesslich kommen die meisten aus einer national homogenen Schicht, und die Sprachbarrieren sind in meiner Generation praktisch weg. Wenn ich normal rede und nicht den Bayern einschalte.
Aber dazu dürfte man, wie bei diesem studentischen Golfturnier, nicht alles falsch machen, was man falsch machen kann. Es beginnt mit der Auswahl des Platzes. Der gehört nicht in diese Stadt, sondern liegt westlich davon. Und gehört zu einem Landkreis namens Neuburg. Als Autokennzeichen hat dieser Landkreis ND, was nach gängiger Auffassung für NationalDepp steht. Die Raserduelle auf den Landstrassen gegen die NationalDeppen sind der letzte Ausfluss einer jahrhundertealten politischen und religiösen Feindschaft zwischen den beiden Städten. In diesem Landkreis ein Turnier abhalten, das nach der anderen Stadt benannt ist - das ist mehr als ein Fehler. Das ist eine Sünde.
Nun steht der Golfplatz zu allem Überfluss auch noch unter der Fuchtel der Wittelsbacher. Das mag international gut ankommen bei neureichen Amerikanern und sissigeilen Japanern. Über den Ruf dieses Clans gerade in dieser Ecke Bayerns sollte man sich aber keine Illusionen machen. Die Wittelsbacher stehen seit dem Ende des hiesigen Teilherzogtums für konsequente Benachteiligung dieser Stadt. Gegen die Schweden und die Österreicher hat sich die Stadt wehren können, aber nicht gegen den Zentralismus und die Obrigkeit aus München. Beim Namen Wittelsbach tut sich hier bei uns gar nichts, die sollen wieder in ihre Boazn bei Aichach gehen - aus Aichach nämlich kommen sie, was noch schlimmer als die NationalDeppen ist.
Dergestalt das Problem erkannt habend, wenden wir uns nun dem Programm zu. Nach der ersten Runde Golf geht es zur "Bavarian Night" in ein Lokal, das als "eines der ältesten Brauhäuser" beschrieben wird. Es handelt sich dabei um das wahrscheinlich übelste Touristendisney, das die Stadt zu bieten hat. Der schlechte Ruf kommt vor allem daher, dass es eben nicht alt ist, sondern brandneu: An seiner Stelle war früher die als Suffschuppen bekannte Discothek "Why not", die bei Eltern und Kindern gleichermassen übel beleumundet war. Da ging von uns niemand hin, das war ein ganz mieser Laden, und erst, als er - vielleicht durch das alkoholische Aussterben seiner Suffköppe? - weg war, wurde dort besagten "Brauhaus" hineinkonstruiert. Echt wie ein Pappbayer auf dem Tokioter Oktoberfest, und mit einem Glockenspiel ausgestattet, das nicht nur eine Lärmbelästigung, sondern auch der Gipfel der Geschmacklosigkeit einer Stadt ist, in der man heute noch lebensgrosse Porzellantiger in die Wohnzimmer stellt.

Kurz, in diesen Laden geht keiner, der auch nur ansatzweise Ahnung von dieser Stadt hat. Die Grünen (!) machen dort ihren politischen Aschermittwoch, so lebensecht ist das dort. Übernachtet wird dann in diesem Hotel, ein schwarzoranger "Kult"-Komplex, dessen positives Merkmal in seiner Lage weit draussen an der Ausfallstrasse zu finden ist - sollte es in dem umliegenden Blockgettho, der Antwort dieser Stadt auf Berlin-Marzahn und München-Hasenbergl, zu Unruhen kommen, ist man wenigstens schnell weg. In dieser plebsbewohnten Ödnis und dem darin liegenden Sushi-Restaurant findet in der folgenden Nacht auch die - nicht mehr "bavarian" - Abschlussparty statt.
Davor, am gleichen Tag, werden die Newbies statt zum Golfen in ein Factory Outlet Center verfrachtet, nah bei den idyllischen, wohlriechenden Raffinerien der Stadt. ""Ingolstadt Village, die Chic Outlet Shopping Sensation in Deutschland" nennt sich die Retortenanlage, gegen die und die investmentgeilen Stadtväter die Staatsregierung einen langen, aussichtslosen Kampf geführt hat. Dort, in der halbfertigen Shoppingeinöde, kann man das erwerben, was es eben in den internationalen Outlets so an Geschmacklosigkeiten zu Supersonderkonditionen gibt. Das ist sicher interessanter als irgendso eine weltberühmte Rokokokirche oder eines der feinsten Beispiele für spätmittelalterliche Profanarchitektur.
Kurz, man schleift die internationalen Gäste durch ein brandneues Universum, das überall von Karatchi bis Houston, Texas stehen könnte. Zielsicher wird nur das angesteuert, was nichts, absolut nichts mit der Region zu tun hat, in der man sich befindet, abgesehen vielleicht von den Sickos in der Stadtregierung, die in globalised markets die challenge taken wollen. Man stelle sich vor, in Oxford würde man Gäste in eine Shopping Mall mit 50% off, in ein Hollywood Hotel an der Autobahn, auf einen von Saudis betriebenen Golfplatz in der Pampa und in die nagelneue Neppkopie eines Pubs mit Old-Bailey-Glockenspiel schleifen, in der sich ausschliesslich schmerbäuchige Touristen aus Liverpool herumtreiben, und sie dann nötigen, Bowlerhüte zu tragen - aber genau das ist es, was hier an dieser Stadt und ihren normalen Bewohnern vorbei veranstaltet wird. Ich habe nichts dagegen, so haben die ihre Reservate und kommen mir erst gar nicht in die Quere.
Aber hey, aus Sicht des Bewohners sieht es so aus: Wenn es mit solchem Kitsch angibt wie ein Proll, wenn es einkauft wie ein Proll, wenn es feiert wie ein Proll und wohnt wie ein Proll mit halbnackten Weibern an der Decke - dann ist es vielleicht auch ein Proll. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es das Leben zukünftiger multinationaler Sachbearbeiter vorweg nimmt, die überall auf das immer gleiche, für sie erfundene Umfeld treffen, neu, sauber, ohne Vergangenheit und Tradition. Allein schon, weil sowas in seinem dummen Prolltum nie dauerhaft gewünscht wird, nie irgendwo eingeladen wird, daheim noch nicht mal vorzeigbar ist, selbst wenn im Wohnzimmer Porzellanleoparden stehen und Mamas Bauch sich obszön vom Return auf des Tennislehrers Spermaaufschlag wölbt.
donalphons, 18:39h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Mittwoch, 19. April 2006
Einen miesen Schreiberling
erkenne ich daran, dass er die Wendung "immer mehr" bringt, um sich Belege zu sparen.
donalphons, 17:49h
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