: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Montag, 15. Oktober 2012

Der mediäpornogravistische Augenblick

Es gibt nichts, was ich den Liebhabern von Faksimile-Ausgaben nicht zutrauen würde. Die sind alle hemmungs- und gewissenlos.



Ihnen wird so oft das Herz geraubt, sie haben so viele teuer erkaufte Exzesse erlebt, dass ihnen jede Moral abhanden gekommen ist. Wenn die Buchmesse ein Liebesgarten ist, dann sind die Faksimilestände

Jungfrauen sollten schnell aus den Wohnungen neuer Bekannter gehen, wenn sie in den Regalen Adeva, den Spendor Solis, das schwarze Gebetbuch und ähnliches erblicken. Das hat mit Religion nichts zu tun, das ist eine Obsession.

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Freitag, 14. September 2012

Daheim warten die Sorgen

Es gibt in den letzten Jahren ein paar interessante Entwicklungem. Es begann damit, dass Menschen nicht mehr ans Telephon gingen, und warteten, bis der Anrufer auf den Beantworter sprach, um zu erfahren, wer das ist. Dann kamen jene auf, die nur noch ans Telephon gehen, wenn sie die Nummer und den Namen des Anrufers angezeigt bekommen. Und letztendlich artet das dahin aus, dass Menschen aus der Angst vor unangenehmen Nachrichten ihren Briefkasten nicht mehr leeren. Ja, sie fahren sogar weg und beauftragen dann andere, das für sie zu tun und sich nur zu melden, falls es irgendwas ganz Entstzliches ist. Vielleicht, weil es so vieles an Akten, Unterlagen und Wichtigem gibt, weil alles vernetzt ist und das eine nicht mehr ohne das andere geht, und dann sind Menschen eben schnell überfordert.

Mir geht das ähnlich.



Aber bei mir ist es nicht wie in Berlin, wo die wütenden Briefe des Vermieters im Briefkasten ignoriert werden können, und die Ämter daneben ungehört Randale machen. Es ist schlimmer. Es passt nicht in den Briefkasten. Es blockiert richtiggehend meinen Weg, es drückt mir Versäumnisse und Fehlentscheidungen vergangener Tage schnell und brutal aufs Auge, und es ist auch nicht so lässig wie bei Drogenmissbrauch, wo man vielleicht irgendwann einmal die Nachricht bekommt, das Verfahren sei eingestellt: Meine Postprobleme dulden keinen Aufschub, und sie sind auch nicht so einfach lösbar.



Zumal man sich ja auch oft über die Konsequenzen seines Handelns nicht im Klaren ist. Man denkt sich - wider besserer Erfahrung, denn wie oft hat man schon falsch entschieden! - dass es schon gut gehen wird. Dass es sich schon einrenken wird. Das Schicksal kann doch gar nicht so grausam sein, so hinterlistig, man meint es doch aus einem guten Zweck heraus zu tun, da können die Umstände doch nicht immer so widrig sein. Ich will keinem was Böses, ich bin nur ein wenig nachlässig - aber strenge Richter sehen das dann immer anders.



Ich hätte schwören können, dass da noch eine Möglichkeit war, die Sache richtig an die Wand zu nageln. Ich war mir so sicher, dass sich alles fügen würde. Aber schon beim Paket war klar, dass ich falsch lag, und je weiter ich mich mit den Fakten auseinandersetzte, wusste ich: Jetzt geht es nicht mehr weiter. Ich bin am Ende meiner Möglichkeiten angelangt, wie die Piratenpartei oder der Depp, der das Buch der Schramm Frau vermarkten muss. Das ist unser Fluch: Wir bedenken zu wenig die Folgen unseres Handelns. Und dann stehen wir da, alle Augen sind auf uns gerichtet, höhnisch und spöttisch, und alle wissen es: Wir kommen einfach mit dem modernen Leben nicht zurecht. Wir glauben, es ginge schon irgendwie. Aber irgendwann ist man am Ende der Wand angelangt. In Berlin essen sie dann nur noch Nudeln oder ziehen in kleinere WG-Zimmer. Aber hier bei uns, da gibt es keine Auswege mehr.



Da stehe ich dann, grämend, und bald auch so ausgehungert von der Verzweiflung wie dieser Herr aus der Zeit um 1815, gemalt von einem Künstler, der vermutlich noch im Rokoko seine Ausbildung erhielt, man merkt es bei den Augen. 1815 war eine üble Zeit mit Hungersnöten, da war man schlank, aber nicht schlank genug für meine Wände und die Restflächen. Er hat den bitteren Mund von Fouche und die durchtriebenen Augen von Metternich, vielleicht hat er auf dem Kongress getanzt und sein Vermögen aus der Revolution gerettet - wer weiss. Bewegte Zeiten. Wie auch bei mir.



Keine Frage, ich werde meine Wände arrondieren müssen, als wären es die Habsburger Erblande nach Napoleon.

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Dienstag, 28. August 2012

Entschuldigt mein Französisch

Und dass der Flohmarkt keine diskriminierungsfreie Zone ist, entschuldigt bitte auch. Bayern wie mir wird derbe Sepplekleidung aufgedrängt, denn es nahen die Volksfeste, Mohren müssen Lampen halten (wobei das phallische Dings da auf dem Kopf sicher Abzüge in der Femi-B-Note bringt), und Drachen ächzen unter dem Gewicht der Tische. Immer, wenn ich nach Hause komme, habe ich gar keine Kraft mehr für Genderfragen.







Aber wo sonst sollte man gigantische Frauenbüsten finden, die man bei rituellen Assangeverbennungsumzügen als Sinnbild der Weiblichkeit mit sich herumschleppen könnte, wo sonst fände sich das passende Gesteck für Ideologie und Glaubem, wo sonst kommt man in schlechten Zeiten noch an edle Rösser, die einem nicht angesichts der wackligen Chinesen und ihrer lahmenden Exportgäule das Haar vom Kopfe fressen, und das alles, weil minderwertig, ohne Mehrwertsteuer?







Aber inzwischen sind hier die Franzosen einmarschiert, und zum Glück hatten sie diesmal keine Rokokoportraits mehr dabei. Ich muss also keinen Studenten vertreiben und seine Wohnung der Meinigen anschliessen, das hat noch etwas Zeit, und ausserdem kaufe ich ohnehin zu viel. Müsste ich aber jetzt nochmal eine Wohnung einrichten, ich würde sparen, und dann die Franzosen plündern. Biedermeier-Nussbaumsessel zu Beispiel - da war ich in allerschwerster Versuchung, die hätten so gut an den tegernsee gepasst, wenn ich dort noch ein Zimmer hätte - pompöse Spiegel und so einen feinen Atlas, der eine Uhrenkugel schleppt - dem hängte ich noch ein Schildchen um den Hals, "Bankster in die Produktion" zum Beispiel. Oder "Wer nicht profiblogt zur rechten Art, muss sonstwie schuften, das ist sehr apart".







Auf dem Flohmarkt lernt man für das Leben, so in etwa: Warte mit dem Kauf, bis Du der Franzosen Angebot gesehen hast. Und: Verhandle, oder die Franzosen machen Dich mit ihrem Charme und ihrem Akzent nieder, und Du musst Dir das Geld zur Heimfahrt erbetteln. Zum Glück habe ich keinen Platz mehr und auch keinen Kamin, um darauf Vasen und Elfenbein und Skulpturen abzustellen.







Aber etwas anderes habe ich bei ihnen gefunden: Eine Vorhangschienenabdeckung. Genau die richtige Breite für das Schlafzimmer. Beschädigt, aber das macht nichts. Dafür war es spottbillig. Ich suche das schon ewig, wir hatten das auch mal, aber so gegen 1910 müssen die Objekte meiner Begierfe einer Renovierung zum Opfer gefallen sein. Jetzt brauche ich nur noch einen Vorhang, und den mache ich zu. Dann sehe ich die Schule gegenüber vom Bett aus nicht mehr, und das hat ja durchaus etwas: So eine Schule, die einen an die unerfreulichen Folgen unvorsichtiger Betttätigkeiten erinnert, muss man wirklich nicht dauernd sehen (Schlimmer wäre eine Kadettenanstalt oder ein Institut für Genderismus). Nur goldgelben Damast muss ich noch aufknüpfen und beschaffen. Aber da haben die Franzosen schon angekündigt, dass sie in ihren Höhlen in den Vogesen nachschauen werden.

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Montag, 27. August 2012

Aber Räder bauen, das konnten sie.

Das können sie, die Deutschen.

Besonders, wenn es Amerikaner sind.








It can't happen here ist ein vermutlich weitgehend vergessener Roman von Sinclair Lewis, aber ich habe ihn noch einmal gelesen, als Herr Bush Junior an die Macht kam. Lewis entwirft darin die Entstehung einer faschistoiden Diktatur auf Basis uramerikanischer Einrichtungen und Möglichkeiten. Ganz so schlimm kam es dann doch nicht, der Vernichtungswille und die Gewalt wurden statt dessen exportiert, und dazu kamen Dinge, die Lewis sich nicht vorstellen konnte: Söldnerarmeen zum Beispiel, oder die neuen Möglichkeiten der Überwachung. In seinem Buch lässt Lewis am Ende des amerikanischen Faschismus an den guten Seiten Amerikas und der Unfähigkeit des diktatorischen Systems scheitern - er kann hier nicht passieren, weil es dann doch wieder in die andere Richtung geht, selbst wenn Amerika geschwächt und zerrissen aus der Krise taumelt.







Generell gibt es für mich zwei Möglichkeiten: ich mache es wie alle Bergsteiger, und gehe früh los, um rechtzeitig wieder im Tal zu sein. Oder ich mache es weiter so wie meistens: Ich gehe spät und fahre einen Teil der Strecke mit dem Rad. Das hat den Vorteil, dass die Knie geschont werden, wenn man nicht gerade wie letzte Woche über den Lenker geht und dabei auch noch ein paar andere Dinge zu Bruch gehen. Kurz, ich suchte unter anderem einen stabilen Lenker, idealerweise Magurabremsen, ein Vorderrad, und ein paar Kettenblätter sind auch recht marode. Gefunden habe ich all das an einem kaum gebrauchten Cannondale m800 comp "Beast of the East" von 1996, das beim hiesigen Radmegacenter auf dem Flohmarkt stand. Laufleistung vielleicht 500 Kilometer, Restpreis 150 Euro, Originalpreis 1996 über 2000 Mark, etwas klein für meine Grösse, aber das macht nichts bei den Strecken, die ich fahre. Ich habe nichts gegen all-amerikanische Erzeugnisse, hier mit deutschen Anbauten. Ich würde nur nicht in die USA reisen, wegen der Todesstrafe und ein paar anderen Überlegungen, in denen die Nähe zu Siena eine nicht geringe Rolle spielt.







Dazu gibt es natürlich auch eine Geschichte, die ich in der FAZ schreiben werde, denn Cannondale ist den langen Weg vom amerikanischen Stolz zur in Taíwan auf den Rahmen geklebten Marke gegangen, und zwar überhaupt nicht so, wie das im Land von Ayn Rand und anderen Psychos so gern vermutet wird: Cannondale, eine hoch profitable Qualitätsfirma mit Weltruf, krepierte einzig und allein an Börsenerwartungen, falschen Produkten, die man für das Wachstum machen musste, Finanzinvestoren und Gewinnsteigerung. Lupenreiner Kapitalismus, kein Fünferl Sozialleistungen, Streiks, Arbeitnehmerrechte oder andere kommunistische Verbrechen. Ich mag das, wenn ich meine Käufe gewissermassen direkt im alten Europa refinanzieren kann, selbst wenn zu befürchten ist, dass es die Markttotalitären diesseits und jenseits des Atlantiks weiterhin mit Kapitalschmonzetten und Executive Summaries von "Studien" halten werden, denn nur so wird man von Thinktanks geschmiert und als Moderator eingehurt.







Ich verstehe Julian Assange, dass er dorthin nicht ausgeliefeert werden möchte. Und dass er den Schweden auch nicht traut, die entweder so irre oder so kriminell sind, sich im Zweifelsfall auf eine Zusage zu verlassen, man werde in diesem Land dort drüben Assange nicht hinrichten. Man kann Leben so oder so beenden, und bei dem, was man in Amerika unter Justiz und Straffvollzug und Politikern versteht, würde ich auch nicht dorthin reisen, wenn es dort wäre, wo Siena liegt. Am Rande, ich könnte mich schräg lachen über die Schramm und Femiwischfaschi-Konsorten, die Assange öffentlich Vergewaltigung unterstellen und ihre feuchten Träume von Strafen vollstreckt sehen möchten - auch wenn er dann in der Folge in einem Land ermordet werden sollte, in dem das Kleinreden von Vergewaltigung Teil des Mainstreams ist, als wäre es die Klimakatastrophe. Aber so ist das halt: Die Extremisten und Feinde der Aufklärung finden immer irgendwie zusammen. Aber ob die Reaktionären in den USA unter Romney so auf die Fresse fliegen, wie die Piraten mit Schramm im Vorstand?







Mit dem Cannondale muss ich nicht rasen, wie ich es auf dem Rennrad irgendwann tun würde. Ich kann ein paar Übungen mit Pfaden, Wurzeln und Biberhöhlen entlang der Donau machen, und ich spare mir dabei den Gegenwind aus dem Westen, der über das Land heult. Es ist leicht, agil und angenehm zu fahren, mehr bräuchte eigentlich kein Mensch, auch heute nicht, aber auch auf den breiten Schotterautobahnen komme ich an Leuten vorbei, die all ihre Kraft in Federungen und riesigen 29-Zoll-Reifen verpulvern. Weil es halt modern ist. Cannondale kann man heute auch als Aufdruck auf solchen Rädern kaufen, wie alles, was einem eingeredet wird. Das kann hier nicht passieren, sagen die Leute mit Blick auf Amerika, aber es kam ACTA und Flugüberwachung und Bundeswehr im Inneren und vielleicht bin ich ja paranoid, aber seit einiger Zeit ist mein Mobiltelefon meistens ausgeschaltet, wenn ich unterwegs bin. Man liest, irgendwelche EU-Bürokraten wollen Black Boxen im Auto haben. Windows 8 telefoniert nach Hause, und Apple... und Facebook... und wenn man es den Menschen nur lange genug einredet, kaufen sie das wie die 29er. Oder auch Parteien wie die Republikaner. Man muss immer schön vorsichtig sein, beim hinunterfahren, und schauen, was am Himmel so alles aufzieht. Die Katastrophe im Innenministerium will dem Verfassungsschutz, der die NSU nicht kannte, mehr Rechte geben. Das kann hier passieren. Man sollte sich nicht wundern. So einer wie der Friedrich spielt auch bei Lewis eine unrühmliche Hauptrolle.







Man kann Amerika nicht ändern. Vielleicht muss man sogar froh sein, dass die globale Dominanz abgenommen hat, und weiter abnehmen wird, und wenn auf der anderen Seite nicht gerade Russland und China stünden, dann könnte es sogar eine gute, richtig gute Sache werden. Aber dennoch habe ich den Eindruck, als hätten wir längst wieder einen kalten Krieg, diesmal nicht gegen andere Systeme, sondern gegen Bürger, Demokratie und Menschenrechte. Dass dann noch, sorry, Vollversager wie die Piraten auftreten und das auf der anderen Seite so vergeigen, weil da einer sein privates BGE will und andere gern Partikularinteressen durchsetzen... ich glaube, es gibt einfach gar nichts, was nicht passieren kann.

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Montag, 20. August 2012

3. Gebot.

Du sollst am Tag des Herrn, wenn es glühend heiss ist und jeder, der es sich leisten kann, beim Baden oder auf Reisen ist, nicht teure Gegenstände wie Schäferidylle des 18. Jahrhunderts bei Ebay versteigern.



Denn es gibt dann nicht so viele Leute, die daheim liegen und wegen der Wunden nicht ins Wasser können, und obendrein so etwas suchen, und am Ende bekommst Du für die wüste Vögelei 40% vom Limit der letzten Versteigerung - und die war vor 40 Jahren.

Ausserdem sollst Du es bei der Recherche zwischen dem Vor- und Nachnamen, die hinten drauf stehen, mit einem van der etc. zu probieren. Dann wird einiges leichter. Wie für den Käufer.

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Dienstag, 31. Juli 2012

Rot oder Blau

Das ist die Frage beim Lenkerband, nachdem die Reifen blau sind, und der Sattel nur in Rot verfügbar war.



Der Himmel war jedenfalls keine Entscheidungshilfe, und konnte sich auch nicht zu einer bestimmten Färbung durchringen.







Wenigstens ist so ein unfertiges Bastelprojekt an der Grenze zu den letzten Handgriffen eine Ausrede, die übliche Tour einmal ausfallen zu lassen. Es muss nicht jden Tag sein. Und in den kommenden Tagen wird es ohnehin anders.



(Wenn nicht schon wieder was dazwischen kommt.)

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Sonntag, 29. Juli 2012

Das Gold des Himmels anzapfen

Vielleicht fragt sich ja mancher, warum meine speziell für mich gemachte Mirabellenmarmelade aus dem Früchter meiner Heimat so unverschämt leuchtend golden ist.



Und deshalb bin ich gestern Abend noch losgefahren, dorthin, wo der Baum steht, und ich glaube, ich habe eine plausible Antwort gefunden.























Wir hatten auch diesmal wieder Glück mit dem Wetter. Gewitter im Süden, Wolken im Norden, Sonne über dem Donautal. Irgendwie kommen wir immer davon.

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Montag, 23. Juli 2012

Einer für die Damen

Ich werde sehr genau überlegen müssen, wo ich mich in Zukunft hinsetze. Am besten nirgendwo, wo man mich vergleichen kann.



Denn 98,734% der Besucherinnen, die sich dieses Produkt angeschaut haben, haben auch gekauft:

Francesca Molesta: BH-Werfen in besseren Kreisen, erschienen bei Impalatione Editore.



Rrrrrrrr, höre ich da durch die Jahrhunderte raunen. Rrrrrrr. So stelle ich mir den Vicomte de Valmont vor.

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Montag, 23. Juli 2012

Triggerwarnung in Pfaffenhofen

Man könnte ja so viel kaufen. Leider habe ich schon ein Besteck, auch ein zweites, drittes und viertes in der Zweitwohnung, auch für 12 Personen. Dabei wäre es gar nicht teuer gewesen. Und neu. Und billiger als Ikea.



Ich bin auch kein Taufpate- Wäre ich einer, hätte ich vermutlich dieses Düsenflieger erworben und dann zum Entsetzen der Eltern zum Geburtstag verschenkt. Aber Tretauto hat jeder, da muss man als Eltern schon Opfer bringen. Ausserdem geht das mobile Zeitalter sowieso nicht weiter, da ist alles irreal.



Nett auch die Reminszenzen an jene Tage, da es noch ordentliche Hausfrauen gab. Das hängte man sich nicht nur in die Küche, man glaubte auch daran. Heute werden Wohnungen ohne Küchen entworfen, und vielleicht gibt es auch gar keinen Platz mehr für solche Gegenstände.



A propos kein Platz: Es zieht immer noch, das Funkeln und Gleissen. Aber selbst, wenn jetzt grössere Werke anstehen: Ich habe noch welche auf Vorrat, die muss ich erst mal verbauen, bevor ich neue Exemplare kaufe. Die hier waren ohnehin zu teuer, die besten finden sich in Kisten, zerlegt und auf dem Boden.



So ein Sofa, klein und leicht, habe ich lange gesucht, aber ich habe schon ein anderes - allerdings schwer und breit - und dazu die passenden, unkaputtbaren Sessel. Und das bräuchte so viel Arbeit, und die ist so teuer, da hilft auch der günstige Preis nicht mehr. Ausserdem: Kein Platz.



Neben der Mohrenlampe, die jedesmal mit neuen Beispielen vertreten ist, gab es heute auch einen Morentabletthalter. In Südostasien lungert eine Frau aus dem Vorstand der Piraten herum: Wäre der Halter hier nicht reizend für die im Sweatshop gefertigte Chanel-Taschen-Kopie?



Voyerismus gab es auch, gemalt, mit Nackten beim Umziehen, in einem dicken, sehr goldenen Rahmen. Aber gekonnt gemalt, keine Frage. Hirsche können bei der Paarungszeit 5 Meter hohe Hindernisse überspringen, der Mensch pinselt sein Begehr, allerdings von Weitem, und nagelt es an die Wände. Und nennt es Kunst.



Eher etwas für mich - und jenen fernen Tag, da ich doch mal wieder in Berlin sein sollte - wären die Hacklstecka geeignet, mit vielen schönen Wappen aus Orten, die dort keiner je gesehen hat: Garmisch. Pertisau. Naturns. Chiasso. Saalbach. Wilder Kaiser. werden solche Wappen zum Aufnageln heute überhaupt noch gemacht? Ich sehe nur noch pinkfarbene Alustecker auf dem Berg, ganz grässlich, und sich daran klammernde Walker.



Und dann sehe ich die Elsässer. Seit ein paar Monaten sind hier immer vier Händler aus der Region, aus der auch ein Teil meiner Familie stammt, dem Eck zwischen Deutschland, der Schweiz und Frankreich. Und die haben massiv zur Aufwertung des Marktes beigetragen, denn Frankreich hat es dick. Richtig dick. Immer noch. Sie bringen die Karaffen, für die ich vor 20 Jahren nach Portugal musste, sie bringen Kerzenhalter mit Klauen, sie bringen Chryselephantinen, und was es sonst noch hier kaum gibt.



Bei den Franzosen ist alles anders, bunter, formhaltiger, gewagter, frivoler. Diese mintfarbenen Art-Deco-Sessel etwa, die hätte ich gerne in meiner Villa am Gardasee in jjenem Raum, aus dem man auf den See und die Einfahrt blickt, auf der ein himmelblauer TR2 steht.



Und diesen Adligen aus der Zeit um 1775... ich mein, ich weiss doch, dass sie da sein werden, mit Putti und Empire und ab und an auch Gemälden. Manche sind entsetzlich teuer, aber das hier, das wäre durchaus bezahlbar, viel weniger als das, was andere in einem Jahr verrauchen, für Drogen verschwenden oder in Spielcasinos verprassen. Wie auch die knallrote Dame von 1750 daneben. Beide kosten gleich viel. Man muss sich entscheiden. Was gar nicht so einfach ist.



Oder noch eine Runde gehen und nachdenken, und dann den Vorschlag eines Pakethandels machen. Beide. Sofort. Auf den letzten Drücker. Mit allen Risiken: Spuckt die Karte genug aus, oder ist das schon über dem Tageslimit? Habe ich so etwas überhaupt, oder ist das nur im Ausland? Taucht bis dahin ein Zahnarzt auf, der so einen Herrn für sein Jagdhaus will, oder so eine eher etwas ausgefallene Dame mit dem extravagant roten Mantel über der Kommode, zumal sie auch nicht so unzüchtig ist? Was, wenn er das bietet, das der Händler will? Und was, wenn die beiden Brocken - 90 mal 70, zusammen 1,2 Quadratmeter - gar nicht ins Auto passen?



Offensichtlich jedoch lebe ich sparsam genug, der Automat erschreckt mich nur mit der bankrun-feindlichen Frage, ob ich wirklich alles in 50ern will, denn grössere Scheine hat er nicht. Es war auch kein Zahnarzt da, nur beim Abtransport fragt einer, wo ich sie her habe - blöde Frage, von dort, wo keine mehr sind, natürlich! Und ins Auto passen sie gerade so, dass ich noch lenken kann. Alles bestens.

Nur daheim stelle ich fest, dass ich dafür keinen Platz habe. Aber egal, mein Versprechen, das Geld für den letzten Berlinbeitrag einem guten Zweck zuzuführen, habe ich erfüllt, die Franzosen sind froh, die Völkerverständigung funktioniert, und dem Tegernsee tut ein wenig Rokoko auch nicht schlecht. Und ansonsten habe ich gar nichts gekauft, nur zwei Sachen, das ist wirklich eigentlich so gut wie gar nichts.

In 10 Jahren werden wir alle herzlich lachen, wenn wir den Preis hören, der heute nicht wirklich billigst gewesen ist. Ich werde wohl noch einen Berlinbeitrag schreiben müssen.

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Freitag, 13. Juli 2012

Frauen auspacken

Brrring.

Um diese nachtschlafene Zeit kann das eigentlich nur der Kurier sein. Und wenn es der Kurier ist, kann er eigentlich nur ein einziges Paket bringen. Meins. Das ging aber schnell. Und so schnell bin ich wach, auf den Beinen und angezogen. Ich komme runter, flöte ich ins Telefon. Und so ist es. Das Paket ist da. PiratInnen, die sich an Beiträgen wie "Ich halte mich für ein Alltagsferkel weil ich volll normal bin aber ich stehe auf diese 68er-Erniedrigung der K-Gruppen und deshalb gestehe ich das ganz fett im Netz und dann retweeten mich die Kegelklubberinnen ganz doll und sagen Eichhörnchen zu mir" delektieren - solche Leute sollten jetzt besser weglesen. Denn im Paket ist recht viel nacktes Fleisch.



Denn ich bin auch im Alltag Kunstgeschichtler. Ich darf von Berufswegen und zwecks lebenslangen Lernens Frauen anschauen, wenn sie Kunst sind. Und mein Kunstbegriff ist sehr weit und schliesst auch Mode mit ein. Es rennen bei uns auch genug Leute rum, die sich absichtsvoll verhüllen, seien es die Klosterschwestern gegenüber, seien ein muslimische Frauen, seien es tätowierte Kotzbrocken mit Ed Hardy - da respektiere ich den Wunsch, dass sie nicht angeschaut werden möchten. Aber ansonsten war mein Studium voll mit Diskursen über Körperlichkeit, Aussehen und Stil, da denkt man sich nicht viel dabei. Man ist nicht g'schamig.



Zumal andere Zeiten und Künste ohnehin ein recht unverkrampftes Verhältnis zum Anschauen hatten. Sexismusdiskurse gab es damals allenfalls von kirchlicher Seite, der Rest der Gesellschaft wusste den Tod immer um der nächsten Ecke und hat sich, glaubt man den Quellen, gemeinhin auch recht ungeniert verhalten. Davon künden Berichte über jüdische Hochzeiten im Arba'a Turim, und Verbote des Mittelalters, dass sich Bürgerinnen nicht wie Prostituierte kleiden sollen. Und dann ist da eben noch Kunst, Kunst, Kunst und immer diese Begehrlichkeit, begonnen bei nachgeformten Brüsten in den Pfahlbaukulturen über die Randfiguren der Buchmalerei, bis dann ein gewisser Herr Lorenzetti im Siena des 14. Jahrhunderts die Madonna auf einer Tafel von ihrer schematischen Einengung wieder befreit und etwas malt, das einem noch heute die Sprache verschlagen kann, wenn man mehrere Räume voller Ikonen hinter sich hat. Von da an beginnt das grosse Ausziehen in der Kunst. Was so schön ist, muss entkleidet werden.



Das ist nicht Sexismus oder Gaffen, das ist im schlimmsten Fall banale Arterhaltung und in unserem Fall Kultur.Und dem Historiker hat es dabei vollkommen egal zu sein, wie sich das darstellt. Man soll sich keine Arroganz aneignen, die unter dem feinen Stoff splitternackte Peploskore des 6 Jahrhunderts v. u. Z. mit Kleidergrösse 32 soll einem nicht besser gefallen als die barocke, frisch geraubte Sabinerin, bei der sich die Armreife in das Fleisch der Kleidergrösse 44 drücken. Man hat sich, und dafür bin ich dankbar, mit dem Kykladenidol zu beschäftigen und mit Miro, man sagt nicht über die Römerin, sie sehe aus wie eine Gans, und der Rokokodame unterstelle man auch keine Kuhaugen: Das war eben zeitgeschmack und Idealisierung. Unsere blosse Existenz beweist, dass man mit all diesen Körpern stets etwas anzufangen wusste. Und es ist nicht an uns, darüber böse zu urteilen. Wir datieren, und finden uns ein.



Natürlich hat man seine Präferenzen. Es gibt ganz bestimmte Gründe, warum mir die spätarchaischen Koren aus der Zeit zwischen 550 und 510 sehr viel besser gefallen, als ihre klassischen und hellenistischen Nachfolgerinnen. Das hat auch etwas mit Geistesgeschichte zu tun, und dem Umstand, dass die Rolle der Frau in der angeblich so wunderbaren Athener Demokratie sehr viel schwieriger als in jener Epoche war, da man lakonische Bronzen von Mädchen und Göttinnen goss. Es geht auch gar nicht um die Nacktheit, als vielmehr um das Wissen der Körperlichkeit und der Idealisierung zu einem gewissen Altersmoment (es gibt keine Koren, die alte Frauen darstellen); man kann ewig darüber reden, aber wenn man es letztlich besitzen will - hier als Abguss - muss man auch nehmen, was man kriegen kann. Das steht bei mir in der Bibliothek. Ansonsten aber...



ist es das Rokoko. Das ist ein Glück für mich, man täte sich sehr hart, würde man mit meinen begrenzten Mitteln ältere Kunst mit Fleisch kaufen wollen; die früheren Epochen sind nicht nur aufgrund der Zeitläufe materiell dünn gesäht, sie sind auch von einer Ideologie vegiftet, da man auf 100 Kreuzigungen und 50 Heilige eine halbnackte Frau findet, und das ist dann eine heilige Maria Magdalena in Verzweiflung. 1 einzige, lässig gekkleidete Sybille, das ist alles, was ich aus früherer Zeit bekommen konnte. Frauen tun sich da etwas leichter, den heiligen Sebastian mit Fesseln und Pfeilen findet man leichter Und dann habe ich noch eine Magd. Aber die ist ganz angezogen und schielt. Das Rokoko ist da anders, es gibt dank der Heiratspolitik und der dreisten Mode und der generellen Sittenlosigkeit ganz wunderbare Auftritte. Und alle sehen sie aus, als hätten sie gerade Mirabeau gelesen und sich an seinen Idealen orientiert. Manchen mag heute der weiche Blick ein wenig stören, für die moderne Mode wäre es viel zuviel Fleisch, und sogar der habsbirgerische Hungerhaken, der bei mir im Flur hängt und sicher ein genetisch benachteiligtes Gerippe für heutige Modezeitschriften war, gab sich alle Mühe, etwas Rundes herzumachen. Das war damals so. Und ich finde diesen Ansatz der Fleischlichkeit ohne Hemmungen auch heute noch, einfach als Idee, sagenhaft.



Reale Frauen übertrieben gern, aberAllegorien konnten es krachen lassen. Ohne Rücksichten auf Sitte, Anstand, Moral, Tugend, die sind ja nur erfunden, und man soll und darf sie anschauen- besonders, wenn es Jahreszeiten in ihrer ganzen Pracht und Fülle sind. Und Beschwipstheit, natürlich. Da muss man zugreifen. Das will man besitzen. Das möchte man anschauen, wenn man am Morgen ins Bad tapst, da kann ein Tag gar nicht schlecht beginnen. 1760, wird der Kenner sagen und dem Fall der Haare folgen, darunter hat man sicher keinen Jesuiten gelesen, sondern etwas, das unter dem Tisch des Buchhändlers verbreitet wurde. Natürlich laufe ich nicht als Kostverächter durch das Leben. Selbstverständlich gibt es Gründe, warum Gemälde mit jungem Fleisch sehr viel teurer als alte Damen in prunkvolleren Gewändern sind. Vielleicht halten das manche für Sexismus. Vielleicht sollte man anders kaufen. Aber das ist meine Wohung, hier entblättert man sich nach meinen Vorlieben, hier locken Perlen, Federn und Augen so, wie ich das gern sehe.



Und ich mag das Heidentum, das sich wieder Bahn bricht. Die naturverehrung. Für normale Frauen der Zeit wären sie vielleicht ein wenig zu nett, zu anschmiegsam, zu willig, da hätte man etwas mehr Zurückhaltung gemalt, und die Kleider wären nicht ganz so im Fallen begriffen. Die Kunst, die Liebe und die Träumerei musste sich damals ihre Wege suchen, es war noch nicht wie heute, da jeder Pr0n zu jeder Zeit im Netz verfügbar ist. Man musste sich anstrengen, man musste nett sein und lieben und geistreich reden, man musste schwören und starb vielleicht auch an gebrochenem Herzen. Es gab keine DVDs mit schlüpfrigem Inhalt, es gab die Realität, und man musste daraus machen, was möglich war, solange es eben ging, in einer Zeit, die sich diese Möglichkeiten auch erst vor Kurzem erkämpft hatte - ungefähr in jenem Abstand, der uns von den 68ern trennt, nur damals weitgehend ohne deren Verirrungen, wenn wir einmal den Herrn Rousseau ausnehmen und bei Voltaire bleiben wollen. Das wollen wir doch, oder?



Es ist ein Kann. Es muss nicht so sein, und in meiner Realität passiert es mir sogar, dass ich Pyjamas für Besuch 4 Nummern zu klein kaufe, und weiterhin rosa verträumt denke. Ich mag Perlenketten wegen ihrer Ideologie der Vergangenheit, aber es müssen keine Schönheitspflästerchen sein, alles ist bestens, nur auf Tattoos und Löcher mit Einfügungen möchte man bitte verzichten. Aber ansonsten, ansonsten singe ich in der Küche den Leporello, ma, ma, ma in Hisppaaania, in Hispania, wenn ich koche, und werfe ein wohlgefälliges Auge auf all was, was an den Wänden prangt. Das durfte man im Pfahlbau so machen, warum sollte ich mich bescheiden. Hic Rhodos, hic impalo. Und wer weiss, was ich nächsten Monat auspacke - was eben des Weges der Auktionshäuser kommt. Ich kaufe halb- und ganz nackte Frauen für den Hausgebrauch. Ich bin Kunstgeschichtler. Ich will dafür keinen Trüffel, und das wird auch so bleiben.

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