: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Freitag, 2. November 2012

Rund um Giselbertus

Auch im Burgund war ich zu lange nicht mehr. Das ist mir beim Veröffentlichen dieses Beitrags in den Stützen aufgefallen. Ich würde so gern wieder all die romanischen Kirchen sehen, und noch einmal fassungslos vor dem nächtlichen Dom von Autun stehen. Wie beim ersten Mal (und das ist auch schon wieder 25 Jahre her)

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Allerseelen

Draussen auf dem Kasten für das Streugut sietzt die Miet(z)katz. Sie gehört meinen Nachbarn, aber die sind schon etwas länger im Zweitdomizil mitten im Meer. Um die Katze kümmern sich solange die Nachbarn, aber in einer Nacht wie dieser hat auch die Katze gern etwas Gesellschaft. Den richtigen Platz bei den Menschen - den Sessel mit dem besten Blick nach draussen - hat sie ohnehin schon okkupiert. Da sitzt sie dann, lässt sich ein wenig streicheln, und hört den Gesprächen der Menschen zu, Hinaus möchte sie auch nicht, als man sich zum Schlafen zurückzieht; erst so gegen drei kommt sie, macht ein klein wenig Aufstand und möchte nun doch hinaus, in die Kälte, in den Schnee, der hier inzwischen liegt.







Vor einer Woche sah ich Menschen im Gardasee schwimmen, aber jetzt ist hier definitv, fraglos, ohne jeden Zweifel schon Vorwinter, Allerseelen, und draussen, vor dem Fenster der Gottlosen, ziehen die Scharen zu den Friedhöfen. Wir haben hier derer zwei, den alten unten bei der Kirche, wo die Alteingesessenen liegen, und den neuen oben auf dem Berg, den die Zugewanderten frequentieren, und jene, die unten keinen Platz mehr haben. Die Strasse ist vollgeparkt, sie alle sind gekommen, und zu Isabellas Beobachtung darf ich noch hinzufügen, dass inzwischen auch Männertrachtenhüte ganz schwer im kommen sind - allerdings bei Frauen. Da sind dann die Schleifen und Schnüre grösser und auffälliger, und dazu trägt sie gern Reiterhosen, Janker und Lodenmantel. Vermutlich werden sie sagen, weil es so kalt ist, aber ich glaube das nicht. Auch Byern kennt seine Queerdressing-Folklore mit Reitpeitschen-SM. Alles strotzt vor latifundamentalistischem Selbstbewusstsein, alle sind da und alle werden sich überlegen, wer vielleicht zu wem passen könnte. Grossgrundbesitzer ist keiner, aber bei den Immobilienpreisen geht es nach Quadratmeter und was sonst noch gebaut werden könnte. Wer heiraten will, braucht schliesslich ein Eigenheim, so ist das hier in Calabrien Bayern.







Die Gottlosen gehen nicht auf den Friedhof zur Beschau lebendigen und toten Fleisches, sondern an den See. Da sitzen dann zwei junge Menschen, Sie und Er, seit an Seit auf dem Bankerl in der Sonne, und jeder schaut in sein mobiles Endgerät, viel moderner als das, das ich vor Wochen de facto abgeschafft habe. Und sie wischen. Früher hätten sie sich vielleicht geküsst oder den See betrachtet, aber das Wischding übt weitaus mehr Faszination auf sie aus. Was ist schon ein Mensch, wenn man auch viele Menschen in Pixeln und Bits haben kann, dauernd, immer, jeder macht datenmässig die Beine so breit er kann, und dann tritt alles andere zurück. Da oben am Berg ist die eiskalte Vergangenheit, hier unten ist die bitterkalte Zukunft, und dazwischen bestelle ich mir die erste Tomatensuppe der Saison. Das wird jetzt oft so sein. So kurz ist der Tag, so viel kürzer wird er noch werden: Ich packe dann die Datenströme in die Finternis und mache es am Tag, hoffentlich, ganz anders.







Ich werde noch ein paar Tage hier bleiben, denn die Bedrückungen schwinden; die einen haben keinen Feiertag mehr, und müssen zurück in die Arbeit, und die anderen wissen nun, wie sich die Familien entwickelt haben, und können bis Weihnachten überlegen, welche zarten Bande wünschenswert wären, und welche so eine die sowieso weggeht man besser ignoriert. Wobei sie auch alle wiederkommen werden, die einen, weil sie es auch in der Stadt nicht aushalten, und die anderen, weil sie irgendwann merken, dass vieles hier doch einfacher ist, wenn die Familie das Netz spannt, die Kosten sinken und auch andernorts die gleichen Spiesser anzutreffen sind, nur dann als Piraten verkleidet, oder als sozialdemokratische Vortragsmillionäre, die alles tun, damit die Lodenmantelgrünen rechts und leicht links der Mitte die Zukunft sein werden. Das letzte Jahrzehnt gehörte noch den Werbern, das neue Jahrzehnt wird den grünen Besitzern gehören. Die Städte verländlichen im Herzen, und das Land wird öko. Man kann heute grün wählen und grün leben und auf dem Freidhof schauen, welche Kleidung bei den anderen nicht grün genug ist.

Die Gottlosen aber sind und bleiben am See im Lichtgefunkel.

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