Schwabing for the masses

Wir kennen das Eck ja noch von ganz ganz früher. Da gab es noch ein Parkcafe, in das man gehen konnte. Und auf der anderen seite noch einen Metzger in der Türkenstrasse. Schwabing und besonders die Maxvorstadt hatte in den späten 80ern, so lang ist das schon her, eine gewisse Spannbreite. Es war sehr anders, das Refugium für schräge Vögel, Rentner, Nachtschwärmer und Studenten, die 18 Semester als völlig normal ansahen. Das war nicht immer friedlich, wenn wir mal etwas lauter waren, um 12, und dann Dialoge an der Wohnungstür geschahen wie: "Sie geben mir so-fort die Telefonnummer Ihres Vermieters! Können Sie haben! 089 2xxxxxxx! Nacht! Türenrummsss, Kicher, Telefonklingel, Jaha? Oh, Frau Wolf, so spät, was kann ich für Sie tun? ... Wieso ich Ihnen meine Nummer...? Nun, ich vermiete an mich selbst, es ist meine Wohnung, Sie wissen ja, wir jungen Drogenhändler müssen unser Geld irgendwie, und so, und jetzt möchte ich mit den drei jungen Frauen nicht mehr gestört werden..."

Nun, Frau Wolf, die nur gemietet hatte, fiel eines (wettertechnisch) schönen Tages tot um und erlebte so nicht mehr, wie sich das alles verändert hat. Denn die Rentner hat man hier erfolgreich rausgekegelt, von ein paar Honoratioren abgesehen, die ihre sagenhaften Penthouse-Wohnungen gekauft haben, oder das Flat nur für Opernbesuche nutzen. Ansonsten sind hier nur junge und mittelalte Leute, wie überhaupt in diesem kleinen Bezirk. Es ist alles sehr gleichförmig, die glatte, homogene Mischung schlägt sich auch in den Läden nieder, von der alten Vielfalt ist nur noch wenig da. Statt dem Metzger gibt es einen weiteren Murr, die Bäcker sind Ketten, Antiquariate verschwinden und Modernes Antiquariat kommt, Antiquitätenhändler werden durch Antique Shops ersetzt, und unsere Glühbirnen für die Provinz kaufen wir im Leuchtmittelladen in der Türkenstrasse, damit zumindest dieser eine Laden noch etwas überlebt. Manchen kuriosen Ladenbesitzern gehört das ganze Haus, und das Geschäft ist nur noch Nostalgie der alten Herrschaften, die eigentlichen Einnahmen kommen aus Vermietung an die angrenzende Boutique, die meistens keine 2 Jahre überlebt.

An einer dieser grossen, leeren, international üblichen Boutiquen für das gestandene Schwabinger Luxusgeschöpf nun ist dieses Plakat, das zeigt, wo wir angekommen sind.



Hüpfburg, Oldies, eine Hip Hop dance Group, und das alles bei einem Wirtefest. Sehr einzigartig, sehr anders, das alles. Als ob dieses Strasse noch sowas wie Wirte hätte. Weiter unten heisst ein Cafe "Soda". Kann es Wirte geben, die ein Lokal "Soda" nennen? Warum nicht gleich "Anja Anorexia"? Wir haben keine Wirte mehr, die sind Investoren, die etwas ausprobieren, und was weggeholzt ist, kommt nie wieder, dafür tritt das nächste mittige Business an. Es werden Schneisen geschlagen in den Mikrokosmos, man setzt die Pumpe an und füllt die Lücken mit international bullshit für die Touristen, die schnell noch irgendwo einen Cafe trinken und denken, das ist Schwabing. Könnte aber auch Hamburg sein, Brest, Manchester, oder Moskau. Die Buggyschubserquote ist hoch, die Abwechlung selten, und auf einmal fällt uns auf, dass die meisten Häuser hier nicht wirklich besonders tolle 60er-Jahre-Bauten sind. Es kommt darauf an, was man drin macht.

Wer hier am Sonntag schnell was zum Essen kaufen will, wird Probleme haben. Das türkische Restaurant, in dem eine Seite von "Liquide" spielt und die ein Fladenbrot zum hinknien hatten, existiert nicht mehr. Irgendwann werden sie das alles überdachen und die luxuriöse Maxvorstadt Mall draus machen. Und ein Freund vom Vetter eines hohen Tieres, der mit der Staatsregierung und der Stadt kann, verdient sich an den Parkplätzen dumm und dämlich.

Montag, 17. Juli 2006, 15:52, von donalphons | |comment

 
Sic transit gloria mundi. Ich oute mich ja jetzt endgültig als Gruftie, aber mein Schwabing-Bild ist noch durch bunte Subkultur und die Fernsehserie "Der Bastian" geprägt.

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schau, deswegen mag ich MEIN Viertel so... weil's nie wirklich schick war, hier zu wohnen, es aber schon lange nicht mehr günstig ist, hat sich eine bunte Mischung herausentwickelt. Von Alteingesessenen bis hin zum Yuppie-Pärchen, das sich aber nach kurzer Zeit irgendwohin schlägt, wo es angesagter ist oder sich auf Häusersuche begibt. Die Straßenzüge, in denen die Mietshäuser noch weitgehend fest in Familienhand sind - und das seit hundert Jahren, weil man sich lieber auf Grund von notwendigen Sanierungen verschuldet als dass man verkauft. Kleinbürgerlich ist woanders, aber auf gewisse Art ehrlich...

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Ich hatte das tatsächliche Vergnügen innert 5 Jahren
ständig und immer wieder in München zu weilen.
Und ich muß sagen, immer noch halte ich M. für
daueraufenthaltswerter als meine zweite Heimat
und ehem. Schaffensplatz Stuttgart.
Da schwingt Sehnsucht mit hoffe ich.
Diese Neu - Trendkneipen und Events laufen sich
schneller tot als die Sonnenfinsternisbrille.
Hoffe ich.
Dann kehrt Besinnung ein.
Ich kann wieder im Platzl nächtigen für 60 Mark (1980 ff)
incl. der Bühne nahem Platz.
Hoffe ich.
Ich habe allerdings schon oft vergebens gehofft.

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Nervlich bedingte Appetitlosigkeit nun also auch in Schwabing. Die fehlende Krankheitseinsicht führt oft zu Therapieabbrüchen und in etwa 5 Prozent der Fälle zum Tod.

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Ich sach nur: Hotel Lord auf der Herzogstraße, direkt an der Freiheit in den achtziger Jahren. Das war eine Seifenoper. Erst war's eine bevorzugte Adresse für Schwule, zwei Jahre später war alles voller Araber und dann war's auf einmal topchic. Gibt's das noch? Wie heißt/hieß das Kino direkt daneben?
Wegen der Ecke hab ich mal ernsthaft überlegt, ein Angebot aus München auszunehmen und meinem über alles geliebten Städtchen am Rhein den Rücken zu kehren. Bin ich froh, dass nicht...

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