: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Freitag, 28. Mai 2004

Besuch aus Hamburg

Wir haben überlebt.
Wir sind noch da.
Wir sind die, die nebenan am Zionskirchplatz sitzen und sich wundern, warum es die anderen nicht geschafft haben.
Wir sehen anders aus.
Und wir haben guten Grund zum Lachen, auch wenn die Welt um uns herum in Stücke fällt.
Wir sind durch die Jahre hinweg über Schindanger gegangen, und unter den Ledersohlen unserer Schuhe zerfielen die Knochen der Verlierer zu Staub.
Manchmal glauben wir, dass wir so steinalt sind wie die menschliche Dummheit der anderen, die gerade mal 4 Jahre her ist.
Wir waren schon vorher da, wir waren dabei, und wir sind immer noch da.
Das nächste Mal werden wir auch dabei sein.
Wir werden die neuen Helden anlächeln, ihnen Ratschläge geben, und wissen, dass sie es wieder genau so falsch machen werden.



Und dann werden wir wieder in einem Cafe sitzen, die Preise lachhaft finden und zu viel Trinkgeld geben.
Um uns herum werden wieder Arbeitslose sein, und Frauen, für die die Mutterschaft die Rettung vor dem Nichts bedeutet.
Und wir werden innerlich froh sein, dass die neuen Helden alte Fehler machen.

Denn ihr Untergang ist unsere Überlebensgarantie.

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Real Life 27.5.04 - Beamer sind was Feines

Die Frage in den sagenumwobenen Zeiten des Jahres 2000 war nicht, ob man einen Beamer für den Vortrag brauchte, sondern welchen. Weil die Kunden meistens mehrere, je nach Besprechungsraum, im Schrank hatten. Ich habe selten Powerpoints gemacht, ein dummes Computerspiel, gegen das Minesweeper und Solitär hochgeistige Zeitvertreibe sind. Aber die paar mal, als es wirklich darauf ankam - bei Lesungen aus Liquide - konnte ich es, ohne zu üben.

Man gewöhnt sich das Präsentieren wahrscheinlich an wie eine schlechte Eigenschaft, Kettenrauchen, Alkoholismus, auf Dienstreise in Bordelle gehen und unter Spesen abrechnen. Man wird zum Gewohnheitspräsentierer, man rutscht in die Verkaufe rein, wie man als Journalist aus Versehen beginnt, ein Interview zu führen.

Sommer 2001, als die VC-finazierten Startups nach jahrelanger Verschwendung reihenweise am Ausbleiben der nächsten Runde verreckten, wurden Beamer zum ersten Mal erschwinglich. Die Dinger landeten entweder als Leasingrückläufer bei Ebay oder wurden vor der Insolvenz schnell beiseite geschafft.



Heute Nacht, in einer der früher hippen Gegenden der New Economy Berlins, komme ich an einem der typischen Lofts vorbei. In einem ehemaligen Laden hat sich etwas breit gemacht, was von New Media tönt. Die Firma hat offensichtlich schon mal bessere Zeiten gesehen, denn ein grosser Teil des Lofts steht leer.

Auf einem Sofa, mit dem Rücken zur Glasfront, liegen ein paar junge Männer rum. Lässig, und schlecht angezogen. Auf dem Boden stehen Bierflaschen. Auf einer Säule ist ein Beamer und wirft die Bilder eines billigen 80er-Jahre-Pornos in 4x2,5 Meter Grösse an die Rückwand des Raumes. Es ist ein sehr guter Beamer, denn das goldene Lamettakleid, die kurzen, blonden Haare und das manchmal etwas angewiderte Gesicht der Darstellerin sind sehr scharf und detailliert zu erkennen.

Damals, in den sagenumwobenen Zeiten des Jahres 2000, gab es zu viele Events, als dass man sich den Abend derartig niveaulos hätte vertreiben müssen. Es gab so viel Geld, dass niemand zu billigen Pornos greifen musste. Für eine gewisse Form der Prostitution an den Theken bestimmter New Economy Lokale waren das Goldene Zeiten. Pornofilme habe ich zum ersten Mal 2001 bei einem Startup gesehen, das ein Investor gerade hatte hochgehen lassen, weil die Jungs zu verschwenderisch mit seinem Geld umgegangen waren. Pornos sind ein Zeichen des Niedergangs und der Finanzschwäche, egal, wie gut der Beamer ist.

Ich würde denen kein Jahr mehr geben. 6 Monate, höchstens.

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