: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 28. Januar 2010

Die Realität, die wir uns machen

Ich würde keinesfalls bestreiten, dass die Zeiten von Intarsien, Lederbindung, Vollholz und Silberkannen vorbei ist. Natürlich ist das so, die Geschichte hat anders entschieden, der Geschmack hat sich gewandelt und, auch das muss man sagen, man könnte und würde sich das heute auch nicht mehr leisten. Es gibt zu viel anderes, das man bezahlen muss, die Handyrechnung etwa und das Internet, die Downloads und die neueste Generation eines Technikdings. Billiger als Intarsien auf kurze Sicht, langfristig und zusammenaddiert aber auch nicht ganz billig. Nur nicht so dauerhalt. Aber alle schreiben darüber, da muss man es haben. Niemand schreibt über Intarsien. Muss man also auch nicht haben. So einfach ist das.



Ausserdem widersprechen 100 Kilo Nussholz, gefüllt mit 800 Kilo Büchern, ja auch irgendwie dem Wunsch des modernen Menschen nach Mobilität und Flexibilität. 900 Kilo einräumen ist wie ein Anker, der ausgeworfen wird. Danach verspürt man keine Lust auf schnellen Wechsel. Und weil man bleiben wird - und sich dessen auch bewusst ist, im Gegensatz zu vielen in der Führerreserve der Globalisierung, die stets bereit, aber dann doch nicht mobil sind - macht man es sich eben auch so hübsch wie möglich. Und fällt dabei auch schnell raus aus dem, was allgemein als normal gilt.

Ich habe es ja nicht so mit der Normalität. Historisch betrachtet, ist Normalität ebenso wenig wertbeladen wie Zeitgeist. Um ehrlich zu sein, war die Normalität schon immer schlimm und nie wirklich angenehm, sie roch immer nach Kraut und war wenig belesen. Ich verstehe teilweise, warum die einen Fernseher brauchen, um über die Runden zu kommen. Da sehen die etwas, was besser als die Realität ist, die sie haben. Ich dagegen sehe gern das, was ich habe, und dazu brauchte ich keinen Fernseher, sondern nur den Platz auf meinem Sofa. Draussen fegt ein Schneesturm vorbei, ich bleibe ohnehin hier.

Die Welt muss das nicht verstehen, ich bin, offen gesagt, auch ganz froh, dass sie sich darüber so wenig Mühe macht und statt dessen die Normalität akzeptiert. Ich stehe auf verlorenem Posten, historisch betrachtet, aber es ist ein Posten, der mir gefällt und der, mag ber auch verloren sein, Bestand haben wird. Man kann ihm seine Existenz nicht absprechen, und die Normalität zieht weiter in ihrem Feldzug für die Veränderung, in die Vorstädte, zu den Toskanabunkern, in die Kasernen und Büros, und würde mich auch vergessen, wenn ich ihr nicht immer wieder sagen würde, wie schäbig und billig sie ist, so ganz ohne Intarsien. Das ist fraglos nicht nett. Ich weiss.

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