: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Dienstag, 31. August 2010

Das Ende des freien Willens

Ich glaube, was ich jetzt bräuchte, um mich auszukurieren, wäre eine harte, lange Radltour im Sonnenschein, damit sich im Körper alles wieder setzt. Aber das Wetter ist nicht danach, und dunkel meine ich mich erinnern zu können, dass der Arzt das nicht ganz so angeraten hat. Überhaupt, gerade wird mir sehr viel geraten, so dass ich fast von einer Entmündigung meiner Person im fortgeschrittenen Alter sprechen möchte. In der FAZ.

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Das Dürfen und das Müssen

Ich habe mich ja lang gefragt, wer in der deutschen Medienlandschaft so bescheuert ist und einen Michael Seemann, bekannt durch ein hingefuxeltes Blog bei der FAZ, etliche Urheberreechtsverletzungen und schlussendlich einen vergeigten Shitstorm gegen die FAZ, als er deshalb rausflog, nochmal die Tore öffnen wurde. Im Verdacht hatte ich Carty.ionfo, aber das ist kein Medium, sondern eine Lagerstätte für pseudojournalistischen Sondermüll. Ich hatte aufgrund einer - sagen wir es so, durchaus überraschenden - Annäherung wenig erbaulicher Personen einen gewissen Verdacht, dass man einer Heise-Publikation so etwas bald würde nachsagen können. Gestern nun sass ich in Erlangen bei den Poetentagen auf dem Podium, wohin ich mich wider besseres Wissen geschleppt hatte, und, um es kurz zu machen: Die Heimfahrt war kein Spass mehr. Aber die Veranstaltung war sehr amüsant, und der Raum...



Da ging es dann um Fragen, wie man mit der neuen Kommunikation im Internet und dem verteilten Lesen so vieler unterschiedlicher Texte umgeht. Ich bin da, offen gesagt, zwischen den Welten: Einerseits als Blogger, der die Kommunikation für den wichtigsten Aspekt seiner Arbeit hält. Und andererseits als Autor und Leser, der kein TV und Radio mehr nutzt, sondern jenseits des Internets die Bücher. Ich kann das alles in mir vereinen, da sind keine Widersprüche - aber das sieht nicht jeder so.

Auch heute bin ich noch ein wenig ratlos ob der Geringschätzung, die dem Diskurs als Lesemittel entgegen schlägt. Ich bin erstaunt über die Haltung, ein Journalist müsse nach der Rezension nicht mit seinen Lesern und Kunden reden. Diese alte Sender-Empfänger-Ideologie. das Oben-Unten-Schema, das "Wir wissen es besser". Ich will das gar nicht prinzipiell bestreiten, man kann eine Zeitung nicht als Forum ins Internet übertragen, aber ich sehe eine Verpflichtung für beste Inhalte und beste Diskurse. Wer sich nicht darum kümmert, wird mittelfristig feststellen, dass es leicht ist, einen guten Text zu schreiben, aber schwer, einen guten Diskurs zu begleiten. Und die Frage, wo die Leute hingehen, zu denen, die zu ihnen reden oder zu jenen, die mit ihnen reden, ist nicht schwer zu beantworten. Man kann es auch bleiben lassen, aber klug ist das vermutlich nicht.

Aber gross, immer noch zu gross ist die Angst, sich darauf einzulassen, vermischt mit der langen Erfahrung, dass man auch ihne solche Ideen veröffentlichen kann. Man mag keine Trolle und kann sich nicht vorstellen, mit Menschen zu reden, die keinen echten Namen verwenden. Ich glaube nicht, dass man die Energie hat, sich auf das "Communitymanagement" freiwillig einzulassen, denn dazu fehlt die Erfahrung, daraus erwächst Unsicherheit und Ablehnung. Ich jedoch denke, gerade für das Lesen muss der Diskurs sein: Denn wenn ich nachher über etwas rede, lese ich anders, als wenn meine Meinung nachher keinen juckt. Ich tendiere zur Meinung, dass der kommentierende Leser der beste Leser ist, den man haben kann. Aber dazu darf man sich keinesfalls als totalitäres Stück Basta hinstellen und sagen: Interessiert mich einen Dreck, was Ihr denkt, Ihr werdet sowieso von der Entwicklung, von meiner Haltung gleichgeschaltet.

Auf dem Podium war auch Jens Jessen von der Zeit, der dort das Feuilleton leitet. In nämlichen Organ lässt man, wie ich zu spät gesehen habe, Seemann wieder schreiben. Schön blöd, aber noch blöder für mich, denn der neueste "Ihr werdet vom Internet assimiliert und habt keine Chance"-Rülpser wäre eine feine Sache gewesen, um das mit dem Internet mal zu erklären, und was dort genauso falsch läuft, wie im Print. Um zu zeigen, dass wir nicht über Online oder Offline sprechen, sondern über Menschenbilder. Da gibt es ganz unterschiedliche Möglichkeiten, mit dem Leuten umzugehen, man kann versuchen, ihnen genau das zu erlauben und zu ermöglichen, was sie tun wollen, und ihne dabei nicht das Gefühl geben, sie seien der Dreck, auf dem die immer Recht habende Journaille oder der Mob der Berliner Billigdönerfresser in ihre tolle Zukunft marschieren.

Was ich am Internet so ujnglaublich mag,. was ich daran so liebe, ist die Kann-Option. Jeder kann. Niemand soll irgendwas müssen. Ich habe kein Problem mit Pornoangeboten, Goldbugs und SM-Foren, solange die Leute können und nicht müssen, oder niemand anderen zu irgendwas zu zwingen. Die Devise des Internets ist in meinen Augen das "Du darfst" und nicht ein "Du musst" oder ein"Es bleibt Dir nichts anderes übrig". Es ist einer der grossen Webfehler des Netzes, dass es nicht durchgängig ein Opt-In-Internet ist, sondern bestenfalls zu einem Opt-Out-Internet gemacht wird, ein Ort ohne Vergessen und mit steigendem Misstrauen. Vieles von dem, was ich mit aufgebaut habe, funktionierte als "Mach mit, wenn Du magst", und nicht als "Du bist so oder so dabei". Es ist ganz erstaunlich, wie genau das Pack, das den umfassenden Tod der "Holzmedien" ausruft und sich über schwindende Abozahlen freut, weil es das Internet nach vorne bringt, das sie beherrschen, sich nun bei einem Holzmedium tummeln und dort die neue Unfreiheit des Netzes mit sich selbst als Nutzniesser ausrufen.

Insofern sehe ich die Fronten gar nicht zwischen Online und Print, oder zwischen Lesen und Teilnehmen, sondern zwischen Können und Müssen. Mich widert der Lesebefehl genauso an, wie der Mitmachbefehl, dieses "Wer nicht dabei ist und das nicht so sieht und meine Bedingungen nicht akzeptiert, der wird eben im Internet gestript/ist kein Bildungsbürger und kann nicht mitreden." Arroganzstinkendes Fäuleton mit braunen Hirnbrocken. Zwischen Dürfen und Gezwungen werden. Zwischen Freiheit und Totalitarismus. Natürlich darf die Zeit den Rauswurf der FAZ aufessen. Vom nur vermuteten Gegensatz zwischen Online und Print abgehoben, passt sowas wie der Seemann gar nicht so schlecht zu Leuten wie Iris Radisch und ihrer Bastahaltung.

Aber ich denke nicht, dass beides Bestand haben wird.

Edit: Noch mehr Betriebsunannehmlichkeiten finden sich hier aufgespiesst.

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