: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Dienstag, 5. Oktober 2010

Mit den Touristen kaufen

Das ist Monteriggione.



Wenn man von Florenz nach Siena fährt, sieht man den Ort mit seiner imposanten, fast schon idealtypisch runden Ringmauer zu spät, um noch schnell den Beschluss zu fassen, dort anzuhalten. Das ist nicht weiter schlimm, denn der Touristenparkplatz ist grösser als der historische Ortskern. Das Kastell wurde von den Sienesen angelegt, um eine Strasse zu bewachen und einen Rückzugsort nach Schlachten mit Florenz zu haben. Entsprechend karg und wenig relevant ist die Bebauung, ganz im Gegensatz zum ungleich bedeutenderen und heute kaum bekannten Kloster Isola in ein paar Kilometer Entfernung. In Monteriggione kann man anhalten, wenn man sich für Befestigungskunde der frühen Gotik interessiert, als aus kleinen, kompakten Burgen geplante Festungen wurden. Ansonsten ist es eine Touristenfalle.



Davor wird ja allgemein gewarnt. Irgendwann in den 90ern wurde es unfein, zu kaufen, wo die Touristen kauften. Das war nur was für Gläsermitbuntennudelnmitbringer, die den doppelten Preis für die halbe Qualität zahlten. Italien wurde zum Land für Kenner, hier ein Delikatessenladen und dort ein Weingut, in jenem Dorf gäbe es noch ein Genie, das Rahmen baute, und in jener Strasse einen Seidenwirker, dessen Tücher gut und billig wären. Weit ab vom Strom der Touristen arbeitet noch ein Schuster, und erst nach sieben Strassen findet man den besten Besenmacher und seine kleine Werkstatt...

Das war mitunter tatsächlich so. In einem höhlenartigen Gewölbe bei Malcesine gab es einen alten Mann, der jedes Rad fast umsonst reparierte und alle Lager sauber schmierte - heute ist dort ein Kleidungsgeschäft. Wie auch an Stelle der Bäckerei in einem Gässchen von Verona, die Zwiebelbrot machten, das richtig nach Zwiebeln schmeckte. Ich kenne noch einen Schuster, und ein paar unscheinbare Geschäfte mit gutem Essen, ein Haushaltswarengeschäft in Brixen und Meran. Der Rest in den kleinen Gassen und vergessenen Dörfern ist weg. Aber heute war ich in Monteriggione, und da ist obiges Schuhgeschäft.



Die Schuhe aus der zugehörigen Werkstatt sind dort nicht so perfekt verarbeitet, wie die Mantelassi-Monks, über die ich danach in Parma gestolpert bin. Handarbeit, Gebrauchsschuhe, wie Leder halt aussieht und riecht, wenn es gegerbt, von Hand geschnitten und nicht allzu sehr nachbearbeitet wird. Ich habe mich bemüht, kritisch zu sein, aber es gab daran nichts auszusetzen. Es ist nicht die beste Qualität, nicht im Mindesten so gut wie das, was ich morgen in Verona bekomme, aber um Klassen besser als der normale deutsche Fabrikschuh gleicher Preisklasse. Und zweifarbige Schuhe muss man nehmen, solange man sie kriegen kann.

Das ist jetzt nicht das erste Mal, dass es mir passiert, aber da ist auch etwas anderes: Italienische Männer tragen, wenn sie nicht gerade alt und vermögend sind, fast durchgehend miserable Schuhe, die sie in Ketten und Hallen mit Sconto-Aktionen erwerben. In Siena kaufen in den Geschäften der Altstadt nur die Touristen, und die Italiener unten in den langen Reihen der Industriegebiete, wo es billiger ist. Nicht billig, aber erheblich billiger. Made in Itlay ist das nur noch begrenzt. Was - jenseits von Louis-Vuiton-Taschen für die Frauen - handgemacht, teuer und hochwertig ist, sammelt sich an den Stellen, wo vor allem die Touristen sind. Womöglich, weil es andernorts nicht überleben kann. Das ist bitter. Aber besser so als anders.

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Brumm

Ich wusste ja schon immer, warum ich die Bahn nicht leiden kann. Unhoefliche, aufgeblasene, spiessige Langweilerbehoerde, die meint, Menschen das Demonstrieren verbieten zu koennen, weil, wer braucht schon Grundrechte. Geht doch nach Schwaben, wuerde man ihnen zurufen wollen. Aber da sind sie ja schon, mit den passenden Politikern.

Ich fahre jetzt mit dem Auto nach Mantua. Sehr fein, das.

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