: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Sonntag, 24. Oktober 2010

Der fertige Franzose

Es dauert inmer etwas, bevor diese Welt Leute, die es verdient haben, in die Tonne haut. Franz Josef Strauss bekäme heute in Bayern sicher keine Mehrheit mehr; sogar im schwärzesten Bayern sagt man heute, dass es gut ist, dass es vorbei ist. Es kann halt nicht jeder Loki Schmidt sein, könnte man sagen.

Nun kann den Toten ihr Nachruf - zwangsweise - egal sein, wichtiger scheint mir die Frage, wer noch zu seinen Lebzeiten mitbekommt, dass sich etwas ändert. Bei Nixon hat es geklappt, aufgrund der Verkommenheit deutscher Medien bei Feldbusch bislang noch nicht, die muss vermutlich noch 10, 15 Jahre warten, bis man ihr Gesicht zeigt und sie für das auslacht, was sie geworden ist: Die Sache mit Maxwell ist nun mal im Gegensatz zum Altern verzeihlich.

In der New Economy pflegte man zu witzeln, dass ein guter Berater derjenige sei, der nie auf die Idee käme, seine Ratschläge an einer eigenen Firma auszuprobieren. Es gab damals zu viele von hochbezahlten Consultats gegründete Klitschen, die den Nachweis führten, dass diese Leute es genauso wenig konnten: Das mit dem Geschäfte machen, nicht das mit der Beratung, denn das klang immer noch toll. Das war eigentlich immer eine gute Art, den eigenen Ruf zu verspielen. Natürlich ist es etwas ungerecht, denn andere kommen trotz Problemen einfach so durch. Dass beispielsweise Spreadshirt seine früher fest zementierte Position im Markt verloren hat, wird immer noch überstrahlt vom Zufall, dass die Gründer mit ihrem Einstieg bei StudiVZ und mit der Dummheit von Holtzbrinck bestens verdient haben. Spreadshirt wird einfach irgendwie vergessen.

Ich weiss nicht, wie genau die diversen Märkte das Internet beobachten, aber wenn sie es tun, könnte mit Sascha Lobo auch bald jemand Probleme bekommen. Angebersprüche aus dem Netz rülpsen ist leicht, aber nach der Vodafone-Kampagne und dem immer noch nicht eingestandenen Scheitern von Grosskotz-Adnation gab es in letzter Zeit nochmal den gestellten Eklat rund um seinen Roman, punktgenau zur Einführung der App: Lobo immer noch auf allen Kanälen, aber ein Leedreher für die Buchumsätze. Natürlich begaffte man früher auf dem Jahrmarkt gegen Geld absonderliche Mutationen des Menschen. Aber hätte man auch ein Buch von denen gekauft? Lobo hat zu lang zu gossig die Internetzukunft verkräht, er wird langsam auch ein bisserl alt und Behaupten allein hilft auch nicht, wenn die Verkaufe zeigen, dass er einfach nicht wirkt. Noch nicht mal bei seinen 40000+x Followern. Und in den Startlöchern stehen schon genug andere, die keine Lust auf Arbeit haben und mit Luhmann und Radiotheorie wenigstens etwas Bildung vortäuschen - auch an seinen Scharlatanen erkennt man, dass das Internet erwachsen wird.

Ich bin eigentlich recht guter Dinge, dass es irgendwann auch den Stefan Niggemeier nochmal richtig derbröselt (Die hier etwas nachlassende Postingfrequenz hat neben akutem Zeitmangel auch etwas damit zu tun, dass ich mich gerade etwas davor ekle, mich mit Blogs zu beschäftigen). Ich kann nicht beweisen, dass er, als er sich bei seinem Angriff auf die Netzeitung in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in ein paar Punkten eine einstweilige Verfügungen eingefangen hat, unter falschem Namen bei der Blogbar aufgeschlagen ist und dort dann in diesem etwas erhitzten Klima dort weitergemacht hat, wo ihm das Gericht den Mund gestopft hat. Vielleicht war das ein Freund oder Kollege oder sonst jemand mit genauen Kenntnissen der Intention, die Stefan Niggemeier verfolgt hat, jemand, der auch sehr aufgebracht war, dass ich es wage, den Niggemeier zart in Zweifel zu ziehen. Aber wenn ich die Bigotterie sehe, mit der Niggemeier erst einen des Borderlinens überführten Bildblogger und dessen Rechte zu verteidigen meint und seinen Mob gegen die Berichterstattung loslässt, und nun den aktuellen Fall sehe - dann wünsche ich ihm nicht einen Knick wie damals, als er in Sachen eines phantasierten Übernahmeversuchs von Kress juristisch untergegangen ist. Ich muss ihm das nicht wünschen, oder dazu beitragen. Ich muss nur etwas warten. Und sicher nicht so lange wie bei Strauss.



So ist das eben mit der Geschichte: Mancher geht unter, weil alles Beschweren über den Dreck nicht hilft, den eigenen Dreck zu vertuschen, andere scheinen unterzugehen und werden doch wieder gerettet, weil sie zu gut sind und doch wieder geschätzt werden. Ich hatte unvorhergesehen ein paar Stunden übrig, und konnte endlich das alte Peugeot, das zuerst bei der Caritas und dann auch noch von seinem frustrierten Käufer weggeworfen werden sollte, hergerichtet und fahrbereit gemacht.



Und was soll ich sagen: Es ist genau das richtige Rad für kalte Herbsttage. Man muss sehr viel mehr treten, es ist schwerer und langsamer, aber man kann sich damit im Park gut anstrengen, ohne dabei irgendjemanden zu gefährden. Ausser vielleicht selbst von überholenden Kindern auf Dreirädern und joggenden Grossmüttern mit Krückstöcken gefährdet zu werden, die dauernd gnadenlos vorbeiziehen, wenn man nach weiteren 50 Metern atemlos im Graben liegt. Selten einen so blauen Bleianker gesehen.



Die Bremsen sind überraschend gut, von 6,2 auf 0 in 10 Metern, die Übersetzung dafür überrachend schlecht, statt der thoretischen 10 Gänge sind allenfalls drei in der Ebene zu gebrauchen, und Steigungen von mehr als 2% sind die Hölle. Die Idee, das Rad nächstes Jahr auf die l'ERoica mitzunehmen, habe ich verworfen: Damit brauche ich noch nicht mal zum Tweed Run nach London.



Ich habe damit gleich den Wochenmarkttest gemacht und geschaut, ob es irgendwie wirkt: Das tut es. Mancher bleibt stehen und schaut. Ich finde, es ist einfach eine hübsche Ergänzung des dortigen Ambientes, auch wenn es, um ehrlich zu sein, zum Transport von Lebensmitteln eher schlecht taugt. Es taugt eigentlich zu gar nichts, aber es ist sehr hübsch.



Trotzdem ist es sehr französisch. Man ahnt die Vorgaben der Designabteilung: Bauen Sie ein Rad, das schick und sportlich ausschaut, dynamisch, aber nicht angestrengt, und das gerade mal reicht, um ein Baguette und Zigaretten zu holen - und trotzdem wirkt, als würde der Besitzer gleich nochmal 50 Kilometer in die nächste Stadt radeln, um dort entspannt Rotwein zu probieren. Es soll schön sein, wie das Leben, das reicht.



Und so wurde es denn auch, selbst wenn das Leben nicht immer so schön ist, wie die Franzosen denken.

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