: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Montag, 11. Oktober 2010

Messenendspurt

Letztlich ist es in der Buchmessenzeitung ja eine kleine Serie über E-Books und den Betrieb geworden; eine Art 20.000-Zeichen-Beitrag mit fünf Folgen, und

hier geht es um das Nutzergefühl und

hier um das grössere Fazit.

Ich glaube, dass es einen Unterschied zwischen jenen gibt, die an einen Fortschritt glauben, und jenen, die fortschrittsgläubig sind. Klingt wie Wortklauberei, ist es aber nicht (und ich bitte dabei auch diesen Beitrag von Christian Jakubetz zu lesen). Das Elend am Fortschritt ist, dass er stets eine Menge Marktschreier und Scharlatane begünstigt. Das Elend am Beharren ist, dass es den Dummen, Bornierten und Verbohrten zum Schaden aller in die Hände arbeitet. Das ist nicht neu, jede Entwicklung geht auf einem schmalen Grat und rutscht immer wieder auf eine der beiden Seiten hinab. Die einen argumentieren mit Prognosen, die anderen mit veralteten Daten. Der grosse Schub kommt immer erst im vierten Quartal, die Verluste sind vorbei, jetzt konsolidiert man sich, so wird die Meinungsführerschaft auf beiden Seiten behauptet und Kritik mundtot gemacht. Und beide Seiten nisten sich in ihrer Attitüde ein.

Der Fortschritt, nach meiner Überzeugung zumeist eine Evolution und recht nachdenklich, ist beiden verhasst: Den einen zu langsam und den anderen zu zweifelnd. Und so gibt es Leute, die das Erreichte gleich wieder einplanieren wollen, weil es ihnen nicht gross und toll genug ist: Blogs brachten nichts, lasst uns was ganz FETT anderes machen. Und es gibt Leute, die das Errreichte klein halten wollen, weil es ihrer Bräsigkeit und Sitzfleischhaftigkeit widerspricht: Nur Gefasel, das neue Zeug, das schalten wir gare nicht frei oder machen es absichtlich so mies, dass denen, die es wollen, der Spass vergeht.

Das ist das Elend in den Medien, und resignierend möchte ich - hier, bewusst nicht in der FAZ - sagen: Was Bücher erwarten wird, in den nächsten Jahren, ist die Übertragung dieser die Medien ruinierenden Haltung. Ich glaube nicht, dass das E-Book den Buchmarkt ruinieren wird. Das ist nur ein Format. Menschen, ihre Gewohnheiten und Dummheiten ruinieren Märkte. Kunden, die bei Thalia kaufen, Verlage, die auf Form und Hype statt Inhalt setzen, Agenten, die nach neuen Typen von Autoren suchen und Windbeutel finden, hektische Bewegungen und Trends statt interessiertes Beobachten und Lernen. Vielleicht kommt das EBook, aber der Markt wird dann kein Buchmarkt mehr sein, sondern eingebundener Dreck zwischen SPON und BILD. Haben wir ja heute schon. Nur haben wir dann nicht mehr die Wahl, das abzulehnen.

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Ich war eingeladen

Ich war dort. (Und es klingt vielleicht negativer, als es gemeint ist. Meine innere. negative Weltsicht passt sich nur knirschend positiv drehenden Veranstaltungen an)



Manchmal frage ich mich, was mich so verändert hat. Ist es einfach nur das Alter? Die Erfahrung? Die New Economy? Die einsetzende Unbeweglichkeit? Bin ich einfach nur unsozial geworden, ein wenig früh, aber sicher nicht zu spät?

Ich besuche Einladungen, weil ich eingeladen bin, und wenn ich denke, dass es angenehm wird. Aber mir fehlt der Elan, restlos begeistert zu sein. Lustigerweise war auch der Besitzer jenes Hotels in den Bergen da, dem (und der bayerischen Staatsregierung) ich die beiden besten Empfänge der New Economy verdanke: Damals war ich, war es dezidiert anders. Früher gab es Einladungen, zu denen ich gern ging, und andere, zu denen weniger gern ging. Aber ich ging meistens. Heute gehe ich so gut wie nie, wegen Desinteresse. Wenn ich noch auf einer Podiumsdiskussion bin, und dann die Frage gestellt wird, ob wir uns nachher noch zusammensetzen und das tun, was vielen wichtig ist - die Chancen für Weiteres ausloten - habe ich vorher immer schon einen überzeugenden Vorwand, es nicht zu tun.



Es ist mir auf solchen Empfängen angenehm, einen unscheinbaren Realnamen zu haben, der nicht auffällt - den kann man quasi als Pseudonym nehmen, ohne dass Leute, mit dene man nicht reden möchte, eine Chance haben, einen gleich zuzutexten. Es gab da im Vorfeld eine gewisse Befürchtung, die dann auch prompt auf mich zusteuerte, Typus Kontaktemacher, Witzfigur von Spiegel Onschleim, der mich mit diesem Namen gleich als "keine Ahnung wer das sein soll" einsortierte, und sich weiter drückte, zu anderen, mit denen er mehr anfangen konnte. Und mir den Dialog ersparte:

"Ah, Sie sind Don Alphonso! Ich habe ja schon so viel von Ihrem Blog gehört."

"Nun, ich habe Ihren schleichwerbenden Blogversuch in der Gosse drüben sogar gelesen und würde jetzt gerne duschen gehen."



Immerhin war ich pünktlich am Hotel, trotz 320 Kilometer Anreise und etlichen Staus, 15 Minuten zu früh, und dann wusste ich auch wieder sofort, warum ich die Buchmesse nicht mag: Da war ein Jungautor vor mir. Nichts gegen finanzielle Probleme und abgerissene Hosen, aber wie man, wenn die anderen offensichtlich nur schnell den Schlüssel brauchen, 15 Minuten den Betrieb aufhalten kann, um die Dame am Empfang mit einer Recherche für die billigsten Möglichkeiten in Frankfurt zu blockieren, die man auch hätte selbst im Netz durchführen konnte - Iphone hatte er natürlich, WLAN ist überall vorhanden - das ist mir rätselhaft.

Da stand ich dann und musste mir Fragen anhören wie "Gibt es hier auch Taxis, die Nachts einen Sonderpreis machen" oder "Wenn ich nur schnell was mampfen will, wo gehe ich da hin?" Das passiert halt, wenn Verleger meinen, in Berlin finden sie angesagte Erstlingsautoren, und ihnen das Zimmer, aber sonst nichts stellen.



Tags drauf dann: Wieder daheim, und allein über Wiesen und Felder.

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