: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 14. August 2013

Moos, Wasser und Fels

Notte e giorno faticar,
Per chi nulla sa gradir,
Piova e vento sopportar,
Mangiar male e mal dormir.
Voglio far il gentiluomo.
E non voglio più servir
Non non voglio piu serviiiir...

so wuchte ich mich den Spitzingseesattel hoch, denn ich muss treten, treten, treten, ich habe Hunger, keiner gibt mir etas dafür und eigentlich wäre ich jetzt gerne im Bett. Was mache ich hier eigentlich, frage ich mich momentan viel zu oft, auf dem Rad und anderswo. Warum tue ich es? Und was werde ich sein, wenn ich es weiter tue und wohin bringt es mich?Reichen nicht schon die normalen Hindernisse in meinem Lebensweg und muss es das auch noch sein?







Ich mein, andere schaffen es doch auch, leistungsfrei und im üblichen Trott durch das Leben zu kommen, sie fallen njcht weiter auf, weil das alle so machen; unten im Tal gurken 1000e das ganze Leben einfach nur so rum und finden es affig, sich auch nur eine Sekunde mehr als nötig anzustrengen. Sie gehen in der Normalität auf und sorgen schon dafür, dass jeder, der es anders haben möchte, im Strom des Durchschnittlichen untergeht. Man will das gar nicht und wenn ich mich da zum Sattel hochwuichte, frage ich mich auch, warum ich das wollen sollte: Es ist nicht einfach. Es bedeutet mehr Engagement und Selbstüberwindung und alles, wirklich alles lässt einen wissen, dass das gar nicht sonderlich gefragt ist. Kurve für Kurve schraube ich mich in den grauen Himmel, und oben wird nichts mehr sein als ein schnell erkaltender Kaiserschmarrn in herbstlich frischer Luft. Aber: Was für ein Essen. Eigentlich sollte ich das auf meine Visitenkarte drucken lassen:

Kaiserschmarrnschreiber.

Denn das bin ich und ich bin es eigentlich gerne, auch wenn es nicht jedem zu schmecken beliebt. Ist halt eine besondere Speise. Lokal. Urig. Üppig. Das passt nicht in die Welt der uniformierten Information, aber in diese Welt passt auch nicht die Klage des Leporello und nicht der Tanzwunsch von Don Giovanni. Dann geht es hinunter zur Valepp, rasend durch eine sehr herbstliche Kälte.







Dann ist da dieser Zusammenfluss der Wildbäche, das Wasser hat sich seine Schluchten und Rillen über Jahrtausende in den Fels gegraben, und schiesst, alles zu Sand zerreibend, durch die Kanäle. Was, frage ich mich, werde ich in Zukunft sein? Bin ich harter Stein, der noch lange widerstehen kann? Oder bin ich das Wasser, das arbeiten, arbeiten und arbeiten wird, mit dem Wissen, dass es irgendwann den Stein bricht? Oder bin ich einfach nur das Moss, das sich an Felsen klammert und irgendwann von der nächsten Flut weggewaschen wird? Das hängt alles davon ab, wie man die Sache sehen will, und im Moment sehe ich sie eher nur so mittelprächtig. Unten rauscht das Wasser dahin, der Fels wehrt sich plump, das Moos zittert im kalten Wind: Das alles erscheint mir nicht gerade angenehm.

Ich sinniere und komme zu keinem Schluss, bis mein Blick wieder auf mein Rad fällt, und dann kommt es mir wieder: Ich muss gar nichts sein, weder Wasser, noch Fels oder Moos. Es ist nicht meine Sache, ich bin nicht in Schluchten gezwängt, der Erosion ausgesetzt oder verdammt, mir einen Lebensraum zu sichern. Ich bin Rennradler. Und Kaiserschmarrnschreiber. Stein, Moos und Felsen müssen bleiben, wo sie sind, aber ich kann auf den Sattel steigen und weiter radeln. Sie sind verflucht.

Ich bin es nicht.







Ich bin frei. Ich bin natürlich auch Zwängen unterworfen, ich entgehe dem kommenden Herbst ebenso wenig wie den Klängen der Heimat. mein Lebensraum ist nicht gross und meine Optionen sind manchmal auch nicht breiter als ein Bergweg zwischen den Abgründen. Aber ich komme rauf und runter, und ich mache das, weil es mir Spass machen kann. Und wenn nicht, dann halt nicht. Ich mag die Einfachkeit solcher Entcheidungen, das "Es is, wias is" meiner Heimat, mögen auch Imperien fallen und schlimme Zeiten für andere kommen.

Ich kann auf den Pass und ich kann Kaiserschmarrn. Und ich bin eigentlich gar kein Leporello, ich bin ein Don, und ich bin es wirklich gerne.

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