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Samstag, 31. August 2013
Transalp 2013/1,5 - von Hall nach Mühlbachl
Nachträglich kann ich sagen, dass die einzige Stelle, wo wir geschoben haben, der Ortskern von Hall war. Steil, Kopfsteinpflaster und ausserdem auch nicht radtauglich - und obendrein waren wir auf der Suche nach etwas, das den Schlaf versüssen würde. Wir suchten und fanden Marillenknödel.
Über die Eigenheiten der Tiroler Hotelzimmerdekoration möchte ich mich hier übrigens nicht weiter auslassen, und statt dessen sagen, dass ich vermutlich auch auf einem Bachbett lang und gut geschlafen hätte. Am Abend davor habe ich noch ein paar kleine Reparaturen gemacht, Schrauben nachgezogen und alles überprüft, denn heute wurde dann alles weitaus weniger lustig als gestern: Der Patscher Sattel und der Brenner sind nicht gerade Pässe, die zum Scherzen mit Nachlässigen aufgelegt sind. Früher empfand man diese Stecken als gefährlich und dankte seinem Herrgott, wenn man sie überstanden hatte; wir Radler mögen Atheisten sein und kein Kerzerl mehr anzünden, aber auch wir sollten das Schicksal nicht herausfordern.
Nur - warum fahre ich dann überhaupt diese Strecke? In Ampass pflegt sogar mein Auto schon zu keuchen, der Anstieg dort ist steil wie mein Osterberg daheim und vier mal so lang, und die Kirche oben drauf kündet vom Elend der Fuhrknechte, die von hier aus das Salz und Silber über die Berge transportierten. Da schiebe ich, habe ich mir vorher gesagt, aber geschoben habe ich dann doch nicht. Das Elend ist: Man verausgabt sich auf den ersten 10 Kilometern und dann wird der Rest eine Qual. Ampas, Aldans, Lans, Heiligwasser, das sind die Orte, entlang derer man sich vom Inntal auf halber Höhe des Patscher Kofels ins Wipptal schleppt. Und es ist wirklich steil, kraftraubend und nicht wirklich ein Vergnügen. Um ehrlich zu sein: Von Hall bis zur Ellbögenstrecke war der Tiefpunkt dieser Fahrt. Steile Rampen, nicht enden wollende Anstiege, langsames Keuchen und die Erkenntnis, dass 12 Kilo Gepäck mehr schon einen Unterschied machen.
Ungefähr 2 Zähne hinten. Ich fahre immer einen Gang weniger dick als sonst. Oder anders gesagt, einer fehlt mir nach oben hin. 30 vorne 27 hinten war ohne Gepäck gut, jetzt wäre 30/30 nett. Oder 32.Oder ein Pedelec, oder der Alpenbus. Daheim steht eine halbfertige Kiste mit 22/32, das wäre fein. Aber irgendwann bin auch ich oben und dann kommt die Ellbögenstrecke und damit die Erklärung, warum man das macht. Schon mit dem Auto ist die Strecke ein Traum, aber mit dem Rad - man kann überall anhalten und schauen - ist es noch schöner. Drüben im Stubaital grüsst der Gletscher herüber, und ganz tief unter uns sind die Autobahn und die Europabrücke. Die ist sehr hoch, aner wir sind schon sehr viel höher. Es ist noch nicht mal Mittag, aber in der Ferne sieht man schon den Brenner.
Es erwachen die Lebensgeister, wir werden überholt und schiessen hinterher, fahren Löcher zu und bleiben dran; gut, eigentlich nur eine Serpentine, aber immerhin, es läuft, und wir sind gut unterwegs. Man wird schnell übermütig und vergisst, was für eine jämmerliche Figur man vor 10 Kilometern noch abgegeben hat. Und die Strecke ist mehr so wie Wellenreiten; es geht nie so lang und so steil hoch, dass man nicht auch noch ein wenig Schwung mitnehmen könnte. Um ehrlich zu sein, hatte ich befürchtet, dass dieser Teil der Fahrt eine Schinderei wird. Aber in Wirklichkeit war der Wechsel von Abfahrten, Kurven, Ausblicken und kurzen Rampen viel zu schnell zu Ende. Dafür konnte ich wenigstens anhalten und ein Bild machen, das mit dem Auto aufgrund der Stelle über dem Abrund nicht möglich ist:
Pfons bzw. Mühlbachl heissen diese Orte, sie sind versteckt unterhalb von Matrei und werden von der Autobahn aus sowieso vollkommen übersehen. In Mühlbachl quert die östlich glegene Ellbögenstrecke den Fluss und vereint sich leider, leider mit der normalen und viel befahrenen Brennerstrecke. Davor aber ist noch die überaus prächtige Pfarrkirche von Pfons, die Zeugnis vom alten Reichtum dieser Region ablegt, als jeder Seidendamast, jedes Zuckerwerk und jedes Gemälde, das den Brenner passierte, an der Kirche vorbeigekarrt wurde.
Wir haben Glück, denn kaum betreten wir die Kirche, beginnt der Chor auch schon seine Probe und zeigt die famose Akustik des Raumes: So in der Art muss das auch für die Menschen des Rokoko gewesen sein, wenn sie hier nach den Strapazen den Gottesdienst besuchten. Wobei es damals ja auch noch Wölfe und Bären und Wegelagerer und Zollstationen und die Pest und Schneebretter und die Inquisition gab, und der Weg auch keine asphaltierte Strasse war. Da kann man schon mal niedersinken und hochschauen und sich wünschen, man würde auch so leben wie die an der Decke.
In Wirklichkeit war es wohl eher so tödlich, wie es am Eingang gezeigt wird; der Friedhof bei der Kirche ist gross und den brauchte man auch so, denn viele haben den Weg hier hoch nicht überlebt. Wir bekommen davon auf dem Rad, wenn wir uns schinden, allenfalls einen Hauch einer Ahnung, wie das damals gewesen sein muss. Die Alpen sind mörderisch, aber bis hierher habe ich überlebt, und ruhen dürfen nur die Toten. Sie bleiben zurück. Wir machen uns auf zum Brenner und nach Italien.
Über die Eigenheiten der Tiroler Hotelzimmerdekoration möchte ich mich hier übrigens nicht weiter auslassen, und statt dessen sagen, dass ich vermutlich auch auf einem Bachbett lang und gut geschlafen hätte. Am Abend davor habe ich noch ein paar kleine Reparaturen gemacht, Schrauben nachgezogen und alles überprüft, denn heute wurde dann alles weitaus weniger lustig als gestern: Der Patscher Sattel und der Brenner sind nicht gerade Pässe, die zum Scherzen mit Nachlässigen aufgelegt sind. Früher empfand man diese Stecken als gefährlich und dankte seinem Herrgott, wenn man sie überstanden hatte; wir Radler mögen Atheisten sein und kein Kerzerl mehr anzünden, aber auch wir sollten das Schicksal nicht herausfordern.
Nur - warum fahre ich dann überhaupt diese Strecke? In Ampass pflegt sogar mein Auto schon zu keuchen, der Anstieg dort ist steil wie mein Osterberg daheim und vier mal so lang, und die Kirche oben drauf kündet vom Elend der Fuhrknechte, die von hier aus das Salz und Silber über die Berge transportierten. Da schiebe ich, habe ich mir vorher gesagt, aber geschoben habe ich dann doch nicht. Das Elend ist: Man verausgabt sich auf den ersten 10 Kilometern und dann wird der Rest eine Qual. Ampas, Aldans, Lans, Heiligwasser, das sind die Orte, entlang derer man sich vom Inntal auf halber Höhe des Patscher Kofels ins Wipptal schleppt. Und es ist wirklich steil, kraftraubend und nicht wirklich ein Vergnügen. Um ehrlich zu sein: Von Hall bis zur Ellbögenstrecke war der Tiefpunkt dieser Fahrt. Steile Rampen, nicht enden wollende Anstiege, langsames Keuchen und die Erkenntnis, dass 12 Kilo Gepäck mehr schon einen Unterschied machen.
Ungefähr 2 Zähne hinten. Ich fahre immer einen Gang weniger dick als sonst. Oder anders gesagt, einer fehlt mir nach oben hin. 30 vorne 27 hinten war ohne Gepäck gut, jetzt wäre 30/30 nett. Oder 32.
Es erwachen die Lebensgeister, wir werden überholt und schiessen hinterher, fahren Löcher zu und bleiben dran; gut, eigentlich nur eine Serpentine, aber immerhin, es läuft, und wir sind gut unterwegs. Man wird schnell übermütig und vergisst, was für eine jämmerliche Figur man vor 10 Kilometern noch abgegeben hat. Und die Strecke ist mehr so wie Wellenreiten; es geht nie so lang und so steil hoch, dass man nicht auch noch ein wenig Schwung mitnehmen könnte. Um ehrlich zu sein, hatte ich befürchtet, dass dieser Teil der Fahrt eine Schinderei wird. Aber in Wirklichkeit war der Wechsel von Abfahrten, Kurven, Ausblicken und kurzen Rampen viel zu schnell zu Ende. Dafür konnte ich wenigstens anhalten und ein Bild machen, das mit dem Auto aufgrund der Stelle über dem Abrund nicht möglich ist:
Pfons bzw. Mühlbachl heissen diese Orte, sie sind versteckt unterhalb von Matrei und werden von der Autobahn aus sowieso vollkommen übersehen. In Mühlbachl quert die östlich glegene Ellbögenstrecke den Fluss und vereint sich leider, leider mit der normalen und viel befahrenen Brennerstrecke. Davor aber ist noch die überaus prächtige Pfarrkirche von Pfons, die Zeugnis vom alten Reichtum dieser Region ablegt, als jeder Seidendamast, jedes Zuckerwerk und jedes Gemälde, das den Brenner passierte, an der Kirche vorbeigekarrt wurde.
Wir haben Glück, denn kaum betreten wir die Kirche, beginnt der Chor auch schon seine Probe und zeigt die famose Akustik des Raumes: So in der Art muss das auch für die Menschen des Rokoko gewesen sein, wenn sie hier nach den Strapazen den Gottesdienst besuchten. Wobei es damals ja auch noch Wölfe und Bären und Wegelagerer und Zollstationen und die Pest und Schneebretter und die Inquisition gab, und der Weg auch keine asphaltierte Strasse war. Da kann man schon mal niedersinken und hochschauen und sich wünschen, man würde auch so leben wie die an der Decke.
In Wirklichkeit war es wohl eher so tödlich, wie es am Eingang gezeigt wird; der Friedhof bei der Kirche ist gross und den brauchte man auch so, denn viele haben den Weg hier hoch nicht überlebt. Wir bekommen davon auf dem Rad, wenn wir uns schinden, allenfalls einen Hauch einer Ahnung, wie das damals gewesen sein muss. Die Alpen sind mörderisch, aber bis hierher habe ich überlebt, und ruhen dürfen nur die Toten. Sie bleiben zurück. Wir machen uns auf zum Brenner und nach Italien.
donalphons, 16:47h
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