: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Montag, 23. September 2013

Penser Joch wieder besucht

Ich schlafe gut und fest, und als ich dann so gegen halb neun aufwache, bewege ich mich erst mal vorsichtig. Man weiss ja nie, ob es am Vortag nicht doch zu viel war, und sollte es so gewesen sein, darf man nicht auch noch übertreiben. Leistung ist nur ein Teil des Bergsiegs, wichtiger ist aber die Einteilung der Kräfte. Und da war ich gestern etwas nachlässig. Fast übermütig. Dabei habe ich trotzdem noch viel Respekt vor dem Berg.







Das ist ein wenig so, als habe man am Vortag etas gemacht, an das man sich nicht wirklich erinnern will und erwartet, im Bad, im Bett oder vor der Tür eine böse Überraschuing zu finden. Aber dann zeigt sich, dass die Maschine läuft, kein Ziehen, keine Schmerzen, keine Verspannung, alles ist gerade und fühlt sich geschmeidig an. Ich gehe beschwingt zu Prenn für Strudel und Torte, ich schlendere durch die Stadt, und als dann das Wetter etwas besser wird, mache ich mich auf zum Penserjoch.







Wenn der Jaufenpass so etwas wie ein Berg der Freude ist, ist das Penserjoch eher sowas wie der Kalvarienberg. Ich halte nichts von Aberglaube, aber einmal wusste ich schon beim Hochfahren, dass eteas passieren würde, bis dann ganz langsam hinunter, habe vor jeder Kurve gebremst - und prompt kam dann einer, der mich beinahe in den Abgrund gerammt hatte. Das prägt. Ich fahre immer noch gerne, aber vorsichtig. Ich glaube nicht an Vorbestimmung und daran, dass man selbst etwas tun kann.







Deshalb habe ich übrigens auch solche enormen Probleme mit jenem Fake-Mercedes-Spot und den Cretins, die so etwas würdigen. Was dieser Spot, in dem Hitler als Kind und "als Gefahr, die erst noch entsteht"überfahren wird, aussagt, ist eigentlich: Du bist keine Bedrohung durch Deine Entwicklung, sondern per se vorbestimmt, eine Bedrohung zu sein. Das ist ziemlich deckungsgleich mit der Argumentation, mit der von Werbern zumeist unterstützte Regimes Völker ausrotten: Nicht der einzelne ist die Gefahr durch das, was er tut, jeder könnte eine Gefahr sein und muss deshalb schon vorher vernichtet werden. Ich würde deshalb auch nicht sagen, dass man jeden Werber mit dem Eisenrohr langsam ins Koma prügeln sollte, aber das Pack, das so etwas in Medien und Werbung propagiert, sollte geächtet werden.







An so etwas denke ich auch, weil dieser Sonntag nicht gerade dazu angetan ist, mein Verhältnis zu Motorradfahrern zu verbessern. Normalerweise fahre ich gerne gute Linien, aber hier bleibe ich hinter den Kurven draussen., damit man mich länger sieht. So ein Motorradfahrer, der mit 80 oder 90 Sachen auf der Ideallinie fährt, könnte in diesen Kurven kaum mehr bremsen, wenn ich dann mit 5 oder 6 Kilometer pro Stunde vor ihm stehe. Es ist eigentlich genug Platz für alle da, man müsste es nicht übertreiben, die Gefahr ist nicht die Strasse, sondern das, was sich in den Köpfen der Menschen entwickelt.







Das Penserjoch ist nochmal ein anderes Kaliber als der Jaufenpass; die eigentliche Strecke mit Steigungen ist etwas kürzer, dafür sind es auch 120 Höhenmeter mehr. Wo am Jaufenpass die Belastungsspitzen sind, ist am Penserjoch der Durchschnitt, und so eine flache Stelle zwischendrin, um etwas Luft zu holen, wäre auch mal nett. Oder nochmal zwei Zähne mehr am Hinterrad. Aber es geht schon, ich will da jetzt einfach hoch und auf die Uhr schaue ich erst gar nicht.







In einem weiten Bogen führt dann die Strasse nach den Serpentinen hinauf über die Hochfläche. Es sieht gar nicht mehr so weit aus, aber es hat manchen gefallen, in diese 2 Kilometer über 2000 Höhenmeter auch noch Stellen mit 15% Steigung einzubauen. Es geht schon, irgendwie, flüstere ich den Blaubeerwiesen in italienischen Farben neben mir zu. Es muss gehen. Es wird gelingen. Tritt für Tritt. Es sind nur 2 Kilometer, das ist nicht so weit. Es ist weit, aber nicht zu weit.







Es ist kalt. Kalt und windig und auch nicht allzu klar. Ich bin hier auch schon mal im Schneesturm hochgefahren, offen, das war auch ein besonderes Erlebnis, man muss für alles dankbar sein, aber diesmal ist es aus eigener Kraft. Und ich habe sie auch gut genug eingeteilt, dass ich nicht einfach vom Rad falle und wie meine eigene Leiche aussehe. Ich komme an. Ich steige ab. Ich bin dankbar, dass ich es geschafft habe. Das ist eigentlich alles.







Nach Süden würde es jetzt ins Sarntal gehen, 50 Kilometer nur bergab nach Bozen und dann weiter nach Italien. Nach Norden geht es zurück nach Sterzing. Ich verteile einen Orden an das Rad, und es dauert ein klein wenig, bis ich das begreife. Ich bin beide Pässe, Jaufenpass und Penser Joch, innerhalb von 24 Stunden gefahren. Dafür, dass ich Sorgen hatte, in diesem Jahr überhaupt über den Brenner zu kommen, ist das gar nicht schlecht. Und da wäre, so vom Gefühl her, auch noch genug Kraft für - nun, vielleicht nicht genug für das Timmelsjoch, das wären nochmal 350 Höhenmeter. 2014 ist aber auch nochmal ein Jahr. Vielleicht ist nach der Buchmesse noch Zeit.







So ganz verstehe ich es ja auch nicht. Das Hochfahren macht keinen Spass. man quält sich und man japst und wäre gern woanders. Aber dann hat man es hinter sich, ist zufrieden, und schon schaut man sich um und überlegt, was denn noch an Strassen da wäre. Wenn man überhaupt etwas denkt. Und dann geht es zurück ins Tal. Davon habe ich auch ein Video, aber das muss ich erst noch hochladen.

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