: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Sonntag, 25. Juli 2004

Und da wundert Ihr Euch

dass es der Wirtschaft schlecht geht?



Nein, man sollte sich besser über überhaupt nichts wundern. Aber es gibt immer noch Momente, in denen man sprachlos ist. Mein Gast erzählte mir heute von einem gemeinsamen Bekannten aus der Munich Area, der nach dem Niedergang und einer eineinhalbjährigen Arbeitslosigkeit mit einer Zwischenabsahnung des Ich-AG-Zuschusses jetzt ein neues Business Model hat: Er gibt sich als Mitarbeiter einer Firmenzeitung aus, bestellt Rezensionsexemplare von Büchern und was es sonst noch gibt, und verhökert die über Ebay. Muss er letzte Woche ziemlich laut in einer Bar in München verbreitet haben, wo ihn mein Gast nach längerer Zeit mal wieder zufällig gesehen hat.

2000 flatterte mir mal eine seiner grandiosen PMs auf den Tisch. Er forderte damals zusammen mit einem der typischen NE-Netzwerke eine neue Ethik im E-Commerce. Der Wisch war von den Dingern, bei dem nachher der PR-Agentur-Escada-Kleiderbügel anruft und nachhakt, wann und wie man es denn bringt - ob man es bringt, stand wohl ausser Frage.

Es ist wohl eine Laune des Schicksals, dass ich letzte Woche von anderer Seite hörte, wie bei ihr die geschichte weiter ging: Die PR-Frau von damals sitzt zu Hause und ist praktisch arbeitslos und ohne Einkommen, gibt sich aber beim Geiern nach Aufträgen als Chefin eines Communication-Networks aus. Damit meint sie wahrscheinlich ihre anderen arbeitslosen Bekannten aus der Werbebranche.

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Samstag, 24. Juli 2004

Business Model Handtasche revisited

Es gibt hier in Berlin gerade einen Boom an derartigen Handtaschenläden, stand auf dieser Site am 21. Juni.



Wie man sieht, hat jeder Boom auch mal ein Ende. Demnächst soll dort eine Galerie für junge Kunst aus Mitte anfangen. Für den ehemaligen Handtaschenladen gibt es noch nicht mal eine Kontaktadresse an den Fenstern.

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Freitag, 23. Juli 2004

Mal was ganz anderes

Ich versuche hier eine Art Bestandsaufnahme der Post-new-economy-Depression, die mein früheres Leben und das meines Umfeldes atomisiert hat. Es geht um die Frage, wie "WIR" leben, wie es zu diesem Versagen kommen konnte, und wie die Story weitergeht, nachdem die Medien die Lust daran verloren haben.

Es sind keine guten Zeiten, keine Frage. Viele gut ausgebildete Leute sind arbeitslos, Autoren kriegen bei den Verlagen nichts mehr unter, und manche sind Sozialfälle geworden. Ich will mich darüber nicht lustig machen, und ich will auch kein Mitleid erwecken. Es gab 1999 die einzigartige Chance, den Hauch einer Chance, die Welt und das Leben anders zu gestalten. Neu zu erfinden. Es gab diese Chance nicht wirklich, in Wahrheit war das Rennen 1999 längst gelaufen, und die Protagonisten standen als Verlierer fest, aber in den Köpfen war diese Chance real.

Wie wir alle wissen, hat es nicht funktioniert mit der Rebellion gegen die grünen Ökopaxe, die altkonservativen Säcke der Old Economy, und die lahmarschigen Berufsbedenkenträger. Die Marginalisierung ist ein teil des Preises, den die Rebellen von damals dafür zahlen. Es gibt keinen Markt mehr für sie.

Ich bin eine Ausnahmeerscheinung, nicht nur, weil ich weiterhin auf diversen Märkten agieren kann. Ich war Teil des Systems und Teil seiner Vernichtung. Ich war einer von ihnen und kann es immer noch sein, ein paar Minuten, und ich habe auf ihre Values geswitched. Ich weiss, wie sie ticken, und ich weiss, warum sie Dotcomtod und das hier lesen. Es ist nicht nett, aber es ist zumindest noch etwas. Man existiert, wenn darüber berichtet wird. Das "Wie" ist dann gar nicht mehr entscheidend.

Darüber verliert man schnell den Blick für das Wesentliche. Es gibt noch andere Realitäten. Eine Rubrik hier heisst "Katastrophentourismus" und bringt Bilder aus restlos überteuerten Lokalen, scheusslichen Büros und geschmacklosen Läden, sie zeigt Bilder einer Konsumkultur, die manche für ihren Daseinszweck erachten. Bitte das Wort Konsumkultur nicht negativ verstehen, es ist nicht gut oder schlecht, es ist wertneutral.

Katastrophentourismus kann auch ganz anders aussehen.



Dieses Bild stammt aus Vockerode; rund 100 Kilometer die A9 von Berlin aus Richtung München. Vockerode war ab 1937 ein Energiezentrum in Mitteldeutschland und generierte den Strom für die Chemieregion Bitterfeld.

Heute ist Vockerode weitgehend eine Geisterstadt. Am Rande des Ortes liegen Ruinen von grösseren Gebäuden. Ich denke, im Vergleich zu dem, worüber ich hier sonst schreibe, sind das die wahren Probleme. Ich mochte - trotz des Borderline-Journalismus - immer gern diese Tschernobyl-Motorrad-Geschichte. Ohne das wirklich vergleichen zu wollen: Wahrscheinlich ist es nicht nötig, für solche Bilder nach Weissrussland zu fahren. Wir haben unsere eigenen Katastrophenregionen. Und die Bilder ähneln sich.

Zu den weiteren Bildern bitte auf das Bild klicken.

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Ruine in Vockerode

Wahrscheinlich handelt es sich dabei um die Reste einer aufgelassenen Vergnügungsstätte für Arbeiter eines Volkseigenen Betriebes, der mitsamt Siedlung auf der anderen Strassenseite vor sich hin rottet.



Das Betreten ist verboten. Allerdings lebt im Umkreis von 500 Meter niemand mehr, der das Verbot überwachen könnte. Der Zaun um das Gebäude herum ist eingedrückt. Der Zutritt ist ohne Probleme möglich



Im Erdgeschoss, links neben dem Eingang ist eine grosse, niedrige Halle. Die Betonträger waren mit Holzbögen verkleidet.



Die grossen Fensterfronten existrieren nicht mehr. Wahrscheinlich sind sie Vandalismus zum Opfer gefallen. Im Inneren liegen grosse Mengen von Glasscherben.



Im hinteren Teil des Raumes ist noch die tapete an den Wänden. Sie ist rosa. Das Muster wäre heute wieder modern. Irgendwann nach dem Ende der regulären Nutzung hat man die Dielen durchschlagen und den Boden aufgerissen.



Lampen, Kabel, Schalter und Rohre haben offensichtlich Liebhaber gefunden.



Dabei ist man planmäsig vorgegangen. Alles, was verwertbar war, wurde entfernt. Wo es keine Lampen mehr gibt, braucht man auch keine Lichtschalter.



Auch von der Kegelbahn ist wenig übrig. Der Metallschrott auf dem Boden war Teil der Entlüftungsanlage. Auch hier sind die fenster eingeschlagen; die Trennung zwischen Drinnen und Draussen ist aufgelöst.



Eine Aussentreppe hat in den ersten Stock geführt, aber die Stufen fehlen.



Innen jedoch sind die Treppen erhalten. Mehr im zweiten Teil, morgen.

Update: Der zweite Teil.

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Freitag, 23. Juli 2004

Hedonismus

für die 9/10 Verlierer der 1/10 Gesellschaft.



Enjoy. Enjoy the steel.
Enjoy the traffic and the jam.
Enjoy grey and brown.
Enjoy the noise of trains passing by.

The sky ist the limit above.
The walls of your flat
are the borders of your living,
but you´re allowed to look outside.

Look and enjoy the writing on the wall.

It´s for free. That´s not too bad
for a world where freedom
is just another word for simply
giving up thinking. Just enjoy.

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Zu viel Licht

Es gibt Bars, die ein bestimmtes Ambiente haben, das einen bestimmten Typ Frau anzieht. Es gibt dafür auch einen gewissen Typ Mann, den halb kreativen, halb wirtschaftlich orientierten Mittdreissiger auf beruflicher Reise.



Zwischen beiden Gruppen liegt dann meistens eine Distamz von 5 Metern, die nicht überwunden wird. Die Frauen saugen nur durch einen Strohhalm, denn mit 2 wäre es unverältnismässig, und für offensichtliches Besaufen sind sie zu sportlich. Die Männer wollen mit 500 Euro-Scheinen bezahlen und kramen dann verärgert doch noch irgendwo einen 50er aus einer Tasche der verbeulten Jacke heraus. Beim Zahlen klackt der Chronograph auf die Holztheke und durchbricht das Gefiepe der Lounge Music.

Ohne dass sie sich ansehen, fange sie dann später zeitgleich an, nochmal die Karte zu studieren. Er, weil er noch was zum festhalten braucht, sie, weil ihnen die Themen ausgegangen sind. Das sind die Momente, die nach der Überbrückung dieser 5 Meter verlangen, aber dazu ist es zu hell in dieser Sorte Lokal, man wäre wie auf dem Präsentierteller, also bestellen sie nochmal was, oder auch nicht, und gehen. Aber immerhin war es ein Lokal, wo man eben hingeht, mit der bekannten und ihrer künstlichen Einzellocke oder auf Geschäftsreise, und dessen Namen man am nächsten Tag in die Gespräche einfliessen lassen kann.

Zumal, die weissen Lederhocker, die wären auch was, wenn sie sich mal neu einrichten.

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Donnerstag, 22. Juli 2004

Money machine

Sie sagt, dass letztlich bei der Geschichte alles nur denkbare schief ging. Zuerst mal nicht, da war alles ok, aber dann ist alles über den Kerlen zusammengebrochen. Im Kern gab es einen Mechanismus, den einer drehte, und das Geld ging quer durch den Konzern zu jedem, der es wollte und der der Sache dienen konnte.

Einer hat dann den Fehler gemacht, das Geld über seinen Firmenrechner nach draussen zu tragen. Statt es ordentlich mit einer gefälschten Abrechnung zu unterschlagen, hat er es bei einem Auto-Importeur übers Internet direkt verpulvert, weil es so eine günstige Gelegenheit war. Ausserdem hat er eines Mittags noch einen Flug gebucht, über genau die Summe, die sie ihm am Morgen zugeschanzt hatten. Er war der Jüngste in dem System, eine kreative Ausnahmeerscheinung in einem Team älterer Mitarbeiter, die das System schon länger zum Schaden der Firma betrieben. Er war ein New Economy Drop-Out, der rechtzeitig dort untergekommen war, und sich nicht vorstellen konnte, dass dort mal jemand so schlau ist, still Ermittlungen zu führen, über Nacht die Festplatten auszubauen und Kopien zu ziehen.

Sie haben es gemacht. Nichts Ungewöhnliches war zu finden, bis zu seinen Daten. Seine Daten lieferten zwei ungewöhnliche Zahlen, die zu anderen Zahlen passten, das hatte zwangsläufig Folgen, und plötzlich lag die Money machine vor ihr, ein komplexer Mechanismus, intelligent und nicht wahrnehmbar. Sein E-Commerce war der Schlüssel. Er knickte sofort um.

Sie sagt, jetzt können sie mit ihm machen, was sie wollen. Er hat ihnen alles gesagt, was er wusste, aber die Art, wie er es tat, war so New Economy geschwätzig, dass sie ihm alle zugesagten Strohhalme zu seiner Rettung wieder weggenommen haben. Er war am Ende zu brilliant, und es macht ihnen Spass, ihm jeden Ausweg zu nehmen.

Ich würde mich an seiner Stelle umbringen, sagt sie und saugt an ihrem Longdrink. Aber das wird sie ihm so nicht ins Gesicht sagen. Das wäre selbst nach dem Auffliegen der Money machine unhöflich. Vielleicht kommt er ja von selbst auf die Idee.

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Internet kills Verona

Vielleicht erst übermorgen in der Bild - überübermorgen im Bildblog verrissen - heute schon bei Rebellinnen ohne Markt und Dotcomtod:

veronasdreams.de, da werden sie nicht mehr geholfen

Die prominenteste Online-Pleite des Jahres...

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Würden Sie diesem Herrn

ein Landungsboot abkaufen? Einen Spähpanzer tschechischer Produktion? Einen leicht gebrauchten F-84G Jagdbomber? Eine mobile Raketenabschussanlage Modell "Stalinorgel"?



Nein? Sie haben kein Herz...

Aber egal - solange die Medien das Bild als Autorenphoto nehmen, und glauben, dass es der böse Don ist, der mal wieder was böses, niederträchtiges über seine Kollegen schreibt.

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Mittwoch, 21. Juli 2004

Hoffnung

Gemeint haben wir alle, die Hoffnung auf ein befreites Leben entwickeln zu können, jenseits von Ausbeutung und Entfremdung.

Ex-RAF-Mitglied Knut Folkerts in der Jungle World

Da trifft er diese jungen Menschen, die so furchtbar gut gelaunt sind und trotzdem viel Geld verdienen, die voller Hoffnung sind und Optimismus, vielleicht auch Naivität, [...]. Die sich selbstständig machen, weil sie wissen, was Ausbeutung ist, und sich lieber selbst ausbeuten, als ausgebeutet zu werden.

Brand1-Redaktionsmitglied Peter Lau, B1 7/2000

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Ich in 2 Sätzen für den Klappentext

irgendwo zwischen Demut und Grössenwahn.

Don Alphonso lehrte als Informant der Kultwebsite dotcomtod.com den Vorständen der deutschen Internetwirtschaft jahrelang das Fürchten. Mit dem Dotcom-Schlüsselroman "Liquide" (Schwarzkopf & Schwarzkopf 2003) hat er dem Untergang der New Economy ein literarisches Denkmal gesetzt.

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Tafel im Nichts

Die Ankündigung, das Bild auf der Tafel, der Text - das alles wäre sehr viel überzeugender, wenn es nicht schon etwas lang auf der öden Fläche nahe der Volksbühne in Berlin a.d. Spree stehen würde.



Auf der Tafel steht konkret was von 2004. Das Unkraut ist inzwischen hüfthoch; es gedeiht prächtig in den Trümmern, die hier seit 1945 liegen. Übr den Zaun haben Anwohner ihren Müll gekippt; Plastikflaschen, Computerschrott, abgenutztes Samtmobiliar.

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Dienstag, 20. Juli 2004

Real Life 19.7.04 - opt-out nach Osten

Seit heute liegen Einladungen nach Nepal und Australien vor, neben den üblichen Anfragen aus München, die sowieso nicht verstehen, warum ich wieder nach Berlin bin. Und es ist schwer, die Gemengelage aus Job, Projekten und Verpflichtungen erklären, wenn alle anderen Optionen klar und einfach strukturiert sind. Das Slum Berlin ist in etwa so bedingt, wie es einen Kriegsreporter nach Jenin zieht. Berlin/Jenin - das eine könnte glatt ein Vorort des anderen sein. Nach P´berg? also, quer durch Chatillaottenburg, den Kuhdamm hoch, dann über die langsam fliessende Kloake, dann geht´s durch Jenin bis zum Fernsehturm, dann links, und schon ist man da...

In Nepal tut jemand das, wovon hier in Berlin alle nur reden. In Australien scheffelt jemand das Geld, das hier alle brauchen. Beide haben es nicht nötig, ihre beruflichen Websites zu optimieren, wie das hier alle fordern. Berlin - if you can´t make it there, you can still make it anywhere.

Ach so, richtig: Buch fertig. Nicht immer so gut wie Sex, aber sicher besser als Privatfernsehen. Und die Ungepoppten sollen doch Illies lesen (c) Luna_Lu

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Wegen Blogbuch

und dringenden Arbeiten daran vorläufig geschlossen (bis heute ca. 20 Uhr)

*

wenn alles gut geht, natürlich...

*man beachte den kleinen grünen Kaktus, der draussen am Balkon steht, holleri, holleri, hollero.

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Sonntag, 18. Juli 2004

Ugly in Pink

Ich bringe ihr das Luxusobjekt vorbei, und sie kommt noch mit runter. In diesem Moment fährt ein Auto aus einem Parkplatz. Sie sagt, ich soll schnell parken, dann können wir doch schnell was essen gehen. Es wäre sehr unhöflich, Nein zu sagen, also stelle ich den Wagen ab und gehe mit ihr durch das Gärtnerplatzviertel.

Sie sagt, es hat sich sehr verändert, seit sie hier 1990 eingezogen ist. In jedem zweiten Haus wäre eine Boatzn gewesen, eine dieser kleinen, schmalen Kneipen mit den üblichen Sozialfällen an der Theke und einem wenig erbaulich riechenden Besitzer, der entweder Schorsch oder Franzl heisst. In der Fraunhoferstrasse haben die nach Hundebraten riechenden chinesischen Takeaways, die mediterranen Feinkötzler und ein paar immer leere Griechen die Oberhand gewonnen.

An der Ecke zur Klenzestrasse haben sie aber auch schon wieder verloren: Hier hat, nachdem der Grieche vor ein paar Jahren aufgab, das Parkcafe sein wechselndes Unglück mit einem neuen Restaurant versucht. 2002, nachdem die New Economy in Scherben lag, stellte das Munich Network seinen Event "Venture City" für die breite Masse ein, verliess die alte Location, den Schlachthof, und versuchte hier was kleines, feines zu machen. Die Fenster wurden zugehängt, an die Tür kam ein Schild: "Geschlossene Gesellschaft!". Angesichts der miserablen Stimmung bei dieser Niedergangserscheinung hätte man auch "Erschossene Gesellschaft" schreiben können.

Inzwischen wurde es nochmal umgebaut und trägt jetzt einen Namen, der verpflichtet: Noodles. Das Noodles war Ende der famosen 80er ein Kellerrestaurant in der Maximilianstrasse, das outfitmässig ziemlich auf Mafia machte. Herr Praschl wird sich wohl noch an die Werbung erinnern, auf der ein ranker Jüngling einer drallen Blondine eine Nudel von den T*tten grapschte. Ins Noodles konnte man gehen, wenn man es auf Wolfratshausener höhere Töchter abgesehen hatte, oder auf die Tempo- und Wiener-Redakteure, die manchmal genug Geld hatten, um sich auf dem Weg ins Schumann´s noch eine solide Grundlage in den Bauch zu schaufeln.

Jetzt also ein neues Noodles. Postmodern/Poststrukturalistisch weit, hell und bei Tag beige.



Abends schalten sie die Lichter ein. Die haben sie sich bei eo von Interlübke abgeschaut. eo ist noch nicht mal New Economy, eo ist schlimmer: eo ist pre-IPO-fullservice-Webagentur, es ist Pit Kabel, es ist Argonauten, vielleicht auch Pixelpark. Das waren die Leute, die langsam überblendenden Lichter total frisch fanden. Wenn sie grade nichts zu tun hatten, spielten sie an der Fernbedienung rum und suchten cooles Blau. Es hatte was von Flash-Animationen in Möbelform.

Mein eigener Flash lässt gleich wieder nach, nachdem ich mich an dieses Retro-Ambiete der neuesten Unzeit gewöhnt habe. Die Musik ist ziemlich chillig, in etwa wie das Zeug, das 99 in den Warteräumen vor den CEO-Büros gespielt wurde, wo man als Berater gewohnheitsmässig mit einem Stundensatz von 400 Euro warten durfte, bis der Typ dahinter genug Arbeitsüberlastung simuliert hatte. Kost ja nur VC.

Auf jedem Tisch steht eine tropische Obszönität von Blume, die Stühle sind unbequem, und die Nudeln das einzige, was hier an Italien erinnert. Was nicht lang dauert, denn die Portionen sind eher klein. Noodles eben. Keine Pasta, wie damals noch im Keller an der Maxstrasse. Da gab es sogar dunkles Holz und weissrotkarrierte Tischdecken.

Rotweiss ist das einzige, was es hier nicht gibt. Es bleibt nicht Pink. Rot, Grün, Blau, Gelb, alles durcheinander und in verschiedenen Mustern. Fast sowas wie Glotze. Wenn einem nichts mehr einfällt, was man dem Gegenüber sagen soll, kann man über das Licht reden. Chillig, nicht?

Wir sitzen in diesem monströsem Alptraum der dekadenten Endphase der New Economy, ich muss um den Parmesan bitten, und während ich darauf warte und die paar Kräuterbrösel am Tellerrand affig finde, überlege ich, ob man das hier nicht unter Denkmalschutz stellen solllte und jeden, der nochmal was von Förderung der Neuen Medien erzählt, oder IPO, oder auch nur von Marktpositionierung, hier eine Woche einsperren sollte. Für Noodles al Zahnfleisch.

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