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Sonntag, 19. Juni 2005
Country Auction
Und dann ist der Moment da, auf den alle gewartet haben: Die Nachlieferungen. All das, was schnell in den Handel kommen musste, ohne Rücksicht auf die Preise, und das schnell gekauft werden muss, ohne es vorher studiert zu haben. Die Nummern rattern nur so durch, und weil es grosse Sammlungen sind, fällt für jeden Interessenten etwas ab. zum 1., 2., und 3., für 10 Euro an die Nummer 538.
Das bin ich. Eine von 20 Nummern Flacons, und man kann nur vermuten, dass sie, wie schon die Elfenbeinschnitzereien, aus Japan kommen. Vorher war schon ein grosses Konvolut Ständer für Asiatika im Angebot, über 100 Stück. Da war die Sammlung früher mal drauf, die jetzt zerrissen und in alle Winde zerstreut ist. Da hat sich jemand sehr viel Mühe gemacht, hat oft mit Händlern gefeilscht und sie beauftragt, nach neuen Preziosen zu suchen, und in 30 Minuten löst sich das alles in Nichts auf.
Etwas verwundert frage ich mich dann, was ich nun mit einem japanischen Glasflacon, etwa 100 Jahre alt mit delikater Hinterglasmalerei anfangen soll. Es ist eines dieser Wunderkammerstücke, die japanische Form des Buddelschiffs: Der Hals ist keine 5 Millimeter dick, und trotzdem hat der Künstler durch dieses Loch den Pinsel akkurat eingeführt und vier Vögel auf Zweigen gemalt, kaum grösser als ein Quadratzentimeter.
Wer immer das gemacht hat, muss dafür sehr lange geübt haben. Wer immer so etwas gesucht hat, musste vielleicht Jahre auf diesen Fund warten. Wer immer die Sammlung so zertrümmern hat lassen, wird mit dem Geld allenfalls ein paar Tage Urlaub machen können. Auf Malle, vielleicht.
Das bin ich. Eine von 20 Nummern Flacons, und man kann nur vermuten, dass sie, wie schon die Elfenbeinschnitzereien, aus Japan kommen. Vorher war schon ein grosses Konvolut Ständer für Asiatika im Angebot, über 100 Stück. Da war die Sammlung früher mal drauf, die jetzt zerrissen und in alle Winde zerstreut ist. Da hat sich jemand sehr viel Mühe gemacht, hat oft mit Händlern gefeilscht und sie beauftragt, nach neuen Preziosen zu suchen, und in 30 Minuten löst sich das alles in Nichts auf.
Etwas verwundert frage ich mich dann, was ich nun mit einem japanischen Glasflacon, etwa 100 Jahre alt mit delikater Hinterglasmalerei anfangen soll. Es ist eines dieser Wunderkammerstücke, die japanische Form des Buddelschiffs: Der Hals ist keine 5 Millimeter dick, und trotzdem hat der Künstler durch dieses Loch den Pinsel akkurat eingeführt und vier Vögel auf Zweigen gemalt, kaum grösser als ein Quadratzentimeter.
Wer immer das gemacht hat, muss dafür sehr lange geübt haben. Wer immer so etwas gesucht hat, musste vielleicht Jahre auf diesen Fund warten. Wer immer die Sammlung so zertrümmern hat lassen, wird mit dem Geld allenfalls ein paar Tage Urlaub machen können. Auf Malle, vielleicht.
donalphons, 01:49h
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1 (in Worten ein) "Vetrauter"
oder das, was man halt so als Vertrauten bezeichnet, von Bundeskanzler Schröder also soll dem Spiegel gesteckt habem, man plane eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 20%.
Ich kenne auch 1 Spiegelmitarbeiter, der den Chefredakteur schon mal allein gesprochen hat, und der sagt, dass beim Spiegel momentan die Parole ausgegeben wurde, Rot-Grün wegzuschreiben. Und noch so ein paar Sachen.
Stimmt wahrscheinlich mehr als die Wahlpropaganda des Spiegels für die Union, würde ich aber auch nicht dahingehend aufsexen, dass der Spiegel eine politische Agenda hat. Zumindest nicht in einer seriösen Zeitung, wo man mehr erwartet als einen namentlich nicht genannten "Vertrauter" aka Hinterträger aka vielleicht auch einfach aufgesextes Geblubber eines Hinterbänklers und eine fette Schlagzeile, die nach 3 Stunden schon wieder Müll ist, weil ich nichts nachzulegen habe.
Natürlich, in der Bild-Gosse, da wo die dicken Umsätze gemacht werden und sie alle hinwollen, ist das nartürlich anders.
Ich kenne auch 1 Spiegelmitarbeiter, der den Chefredakteur schon mal allein gesprochen hat, und der sagt, dass beim Spiegel momentan die Parole ausgegeben wurde, Rot-Grün wegzuschreiben. Und noch so ein paar Sachen.
Stimmt wahrscheinlich mehr als die Wahlpropaganda des Spiegels für die Union, würde ich aber auch nicht dahingehend aufsexen, dass der Spiegel eine politische Agenda hat. Zumindest nicht in einer seriösen Zeitung, wo man mehr erwartet als einen namentlich nicht genannten "Vertrauter" aka Hinterträger aka vielleicht auch einfach aufgesextes Geblubber eines Hinterbänklers und eine fette Schlagzeile, die nach 3 Stunden schon wieder Müll ist, weil ich nichts nachzulegen habe.
Natürlich, in der Bild-Gosse, da wo die dicken Umsätze gemacht werden und sie alle hinwollen, ist das nartürlich anders.
donalphons, 00:44h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Freitag, 17. Juni 2005
Die Asiatin in der eigenen Wohnung
In der Adoleszenzphase der schlechteren Söhne der besseren Gesellschaft dieser Provinzstadt gab es den Moment, wo sie alle davon träumten. ein Mal, nur ein einziges Mal eine schöne, leere Wohnung zu haben, ein Loft, durch die dann eine traumhaft schöne Asiatin mit undurchschaubarer Zielsetzung, aber vielleicht doch auch Sex, geht und Dinge von existenzieller Bedeutung sagt. Und das Ganze zu Musik aus der Oper Die Wally von Alfredo Catalani...
Es ist nicht so, dass diese Söhne meinten, sich mit einer derartigen Beziehung aus der Spiessigkeit ihrer Heimatstadt herausficken zu können, wo die Zuchtanstalten der Apothekersnachfahrinnen ihrer harrten, es ging auch nicht um das Ausprobieren von Sex jenseits der Stammesgrenzen oder um einen neuen Musikgeschmack. Oder doch, eigentlich ging es genau darum. Das nachzuleben, was man gesehen hatte. Diese Söhne hatte kurz nach 1981 einen Film gesehen, der ihr Leben veränderte. Ein Film voller Figuren ohne Vergangenheit, ohne Charakter, ohne Werte ohne Zukunft ausser Dekor oder Tod.
Diva von Jean-Jaques Beineix, 1980.
Kommt heute um 22.30 Uhr in 3Sat.
Es ist nicht so, dass diese Söhne meinten, sich mit einer derartigen Beziehung aus der Spiessigkeit ihrer Heimatstadt herausficken zu können, wo die Zuchtanstalten der Apothekersnachfahrinnen ihrer harrten, es ging auch nicht um das Ausprobieren von Sex jenseits der Stammesgrenzen oder um einen neuen Musikgeschmack. Oder doch, eigentlich ging es genau darum. Das nachzuleben, was man gesehen hatte. Diese Söhne hatte kurz nach 1981 einen Film gesehen, der ihr Leben veränderte. Ein Film voller Figuren ohne Vergangenheit, ohne Charakter, ohne Werte ohne Zukunft ausser Dekor oder Tod.
Diva von Jean-Jaques Beineix, 1980.
Kommt heute um 22.30 Uhr in 3Sat.
donalphons, 23:33h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Donnerstag, 16. Juni 2005
Right here, right now
19.55 Uhr, Richtung Westen.
Morgen geht es in die Berge.
Morgen geht es in die Berge.
donalphons, 23:56h
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Dubai sein
Es ist schon hart. Das mit der finanziellen Situation, in dieser Stadt. Hat auch der Bürgermeister gesagt. Sparen muss sein, denn so viel Geld ist auch nicht mehr da. Die Stadt jedenfalls setzt auf die Eigeninitiative der Bürger. Die sollen es richten. Das mag der Bürger natürlich auch nicht hören, obwohl sein Steuerberater letztes Jahr wirklich sein Geld wert war. Spitzensteuersatz, was soll das sein. Ein Gerücht, solang es noch Verlustzuschreibungen gibt, und - ähem - Sache, die das Finanzamt nichts angehen. Die sollen ruhig mal die Ledercouch im Wohnzimmer als Büroeinrichtung berücksichtigen, für ihr Geld.
Leicht grantig geht er über den penibel gereinigten Platz in Richtung seines Autos. Natürlich werden sie jetzt Rot-Grün zum Teufel hauen, aber so richtig gut ist das hier auch nicht mehr. Bei den Benzinpreisen überlegt man es sich, ob man für ein Mittagessen nach Salzburg fährt. Und dass er bald für seine Tochter wird Studiengebühren zahlen müssen, passt ihm auch nicht. Da kann er sie gleich nach Amerika schicken, das hat mehr Zukunft. Hier geht alles den Bach runter, in 20 Jahren, da hat der wütende junge Mann schon recht gehabt, sieht das hier aus wie Hintersachsen, überall diese Grattler aus der Shopping Mall, das ist nicht mehr seine Stadt.
Weg müsste man, in Ruhe das hart erarbeitete Vermögen geniessen. Aber Mallorca, wo die Giancretinos hingezogen sind, ist ihm zu jung, all die zugekoksten Nackerten, das will er nicht. Er will was, wo die Leute anständig sind, aber sogar in Sizilien ist inzwischen das linke Pack, der Doktor Vialerosso, der dreckade Sozi, ist da hin und sein Baracklerweib macht so Kunstakademien. Thailand kommt nicht in Frage, er mag ja nicht ersaufen. Er kommt an der Raiffeisen-Bank vorbei und schaut auf die Immobilienangebote - und da ist das, was er sucht:
Dubai. Die haben noch richtige Sitten. Und von dem Palm Island hat er auch schon mal im Focus gelesen - und was kostet das? Nur knapp 300.000? Ah so, Anfangspreis... aber für 600.000, da müsste man schon was Ordentliches bekommen, das hätte er grade flüssig, aber nicht hier. Oha, keine Steuern in Dubai, die werden auch nicht fragen, wenn das Geld aus der Schweiz kommt. Und wenn er dann in zwei Jahren in Rente geht, kann er sich ja dort niederlassen.
Das wäre dann doch was, denn das hier, das geht nicht mehr lang gut. In 10 Jahren gibt es garantiert nicht mehr bei jeder kleinen Raiffeisen-Filiale seiner kleinen Stadt solche Angebote, sondern nur noch Grattlerwohnungen. Gleich morgen mal mit Luisa besprechen, das wär´s, dabei sein in Dubai...
Leicht grantig geht er über den penibel gereinigten Platz in Richtung seines Autos. Natürlich werden sie jetzt Rot-Grün zum Teufel hauen, aber so richtig gut ist das hier auch nicht mehr. Bei den Benzinpreisen überlegt man es sich, ob man für ein Mittagessen nach Salzburg fährt. Und dass er bald für seine Tochter wird Studiengebühren zahlen müssen, passt ihm auch nicht. Da kann er sie gleich nach Amerika schicken, das hat mehr Zukunft. Hier geht alles den Bach runter, in 20 Jahren, da hat der wütende junge Mann schon recht gehabt, sieht das hier aus wie Hintersachsen, überall diese Grattler aus der Shopping Mall, das ist nicht mehr seine Stadt.
Weg müsste man, in Ruhe das hart erarbeitete Vermögen geniessen. Aber Mallorca, wo die Giancretinos hingezogen sind, ist ihm zu jung, all die zugekoksten Nackerten, das will er nicht. Er will was, wo die Leute anständig sind, aber sogar in Sizilien ist inzwischen das linke Pack, der Doktor Vialerosso, der dreckade Sozi, ist da hin und sein Baracklerweib macht so Kunstakademien. Thailand kommt nicht in Frage, er mag ja nicht ersaufen. Er kommt an der Raiffeisen-Bank vorbei und schaut auf die Immobilienangebote - und da ist das, was er sucht:
Dubai. Die haben noch richtige Sitten. Und von dem Palm Island hat er auch schon mal im Focus gelesen - und was kostet das? Nur knapp 300.000? Ah so, Anfangspreis... aber für 600.000, da müsste man schon was Ordentliches bekommen, das hätte er grade flüssig, aber nicht hier. Oha, keine Steuern in Dubai, die werden auch nicht fragen, wenn das Geld aus der Schweiz kommt. Und wenn er dann in zwei Jahren in Rente geht, kann er sich ja dort niederlassen.
Das wäre dann doch was, denn das hier, das geht nicht mehr lang gut. In 10 Jahren gibt es garantiert nicht mehr bei jeder kleinen Raiffeisen-Filiale seiner kleinen Stadt solche Angebote, sondern nur noch Grattlerwohnungen. Gleich morgen mal mit Luisa besprechen, das wär´s, dabei sein in Dubai...
donalphons, 23:29h
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Schockiert?
Ja. Klar. Ich habe nie solche Lokalpolitik gemacht. München ist was anderes, eineinhalb Millionen Menschen, fast schon ein Bundesland, aber das hier...
Du kannst dich eigentlich nicht beklagen. Ein Auftritt bei denen, und schon zwei Jobangebote, das gibt es wohl auch nur hier. Echte Traumjobs, eigentlich.
Wir sehen wieder in den Abendhimmel. Ich sage nichts mehr, ich habe heute schon zu viel geredet. Es lag allen auf der Zunge, aber alle haben sie versucht, die Kritik an den Machthabern positiv rüberzubringen. Ich habe gewartet und gewartet, keiner wollte es tun. Niemand hat gesagt, dass das Problem nicht die schlechte Anbindung des Flusses an die Altstadt ist oder sonstige kosmetische Petitessen, sondern das Shopping-Mall-Drecksteil vor der Stadt, das alles hier kaputt macht, und die Politik, die das einfach zulässt. Is hoid a so. Und statt dessen Events wie ein Lederhosenfest in der Innenstadt veranstaltet, tolle Aldi-Süd-Tradition. Das ist der Feind, der Elefant, der im Vortragssaal steht. Dann eben doch, aufstehen, den Clan nennen, damit sie wissen wer das ist, und dann losgehen auf die, die alles mit einem Witzchen abbürsten wollen.
Danach hat sich eine von denen da vorne fast schon entschuldigt, dass sie auch manchmal in dem Stück Westwall da draussen einkauft. Innen drin wissen sie auch, dass sie da ein Stück Wessikapital-Ossislum verbrochen haben, ein Arschgeweih-Mutterschiff, wo sie auch nichts mehr zu melden haben, auch wenn die Disco Alpenmax heisst und irgendwo ein paar weissblaue Neonrauten drankleben. Jetzt hat es ihnen mal jemand gesagt. Trotzdem...
Sag mal...
Hm?
Wie hast du es hier all die Jahre ausgehalten?
Ging so, sagt sie und schenkt sich noch ein Glas Wein ein. Sie sieht immer noch sehr gut aus, wie damals, als ich sie auf der Empore des besseren Tennisclubs kennen gelernt habe. Wir hätten uns schon früher kennen lernen können, aber das Turnier war dann einfach der perfekte Rahmen. Eigentlich geht es für uns immer so, der Stil passt, wir haben die guten Plätze, niemand rührt an den Privilegien, und es wird für unsereins immer eine Ausnahme gemacht, ein Posten geschaffen, ein Job angeboten, man kennt sich schon so lange, wer wird denn da was kritisieren wollen. Wir sind hoch über der Stadt und den Nöten der anderen, die Abendluft ist so wunderbar mild, wie die Dummheit hier alt ist.
Du kannst dich eigentlich nicht beklagen. Ein Auftritt bei denen, und schon zwei Jobangebote, das gibt es wohl auch nur hier. Echte Traumjobs, eigentlich.
Wir sehen wieder in den Abendhimmel. Ich sage nichts mehr, ich habe heute schon zu viel geredet. Es lag allen auf der Zunge, aber alle haben sie versucht, die Kritik an den Machthabern positiv rüberzubringen. Ich habe gewartet und gewartet, keiner wollte es tun. Niemand hat gesagt, dass das Problem nicht die schlechte Anbindung des Flusses an die Altstadt ist oder sonstige kosmetische Petitessen, sondern das Shopping-Mall-Drecksteil vor der Stadt, das alles hier kaputt macht, und die Politik, die das einfach zulässt. Is hoid a so. Und statt dessen Events wie ein Lederhosenfest in der Innenstadt veranstaltet, tolle Aldi-Süd-Tradition. Das ist der Feind, der Elefant, der im Vortragssaal steht. Dann eben doch, aufstehen, den Clan nennen, damit sie wissen wer das ist, und dann losgehen auf die, die alles mit einem Witzchen abbürsten wollen.
Danach hat sich eine von denen da vorne fast schon entschuldigt, dass sie auch manchmal in dem Stück Westwall da draussen einkauft. Innen drin wissen sie auch, dass sie da ein Stück Wessikapital-Ossislum verbrochen haben, ein Arschgeweih-Mutterschiff, wo sie auch nichts mehr zu melden haben, auch wenn die Disco Alpenmax heisst und irgendwo ein paar weissblaue Neonrauten drankleben. Jetzt hat es ihnen mal jemand gesagt. Trotzdem...
Sag mal...
Hm?
Wie hast du es hier all die Jahre ausgehalten?
Ging so, sagt sie und schenkt sich noch ein Glas Wein ein. Sie sieht immer noch sehr gut aus, wie damals, als ich sie auf der Empore des besseren Tennisclubs kennen gelernt habe. Wir hätten uns schon früher kennen lernen können, aber das Turnier war dann einfach der perfekte Rahmen. Eigentlich geht es für uns immer so, der Stil passt, wir haben die guten Plätze, niemand rührt an den Privilegien, und es wird für unsereins immer eine Ausnahme gemacht, ein Posten geschaffen, ein Job angeboten, man kennt sich schon so lange, wer wird denn da was kritisieren wollen. Wir sind hoch über der Stadt und den Nöten der anderen, die Abendluft ist so wunderbar mild, wie die Dummheit hier alt ist.
donalphons, 05:31h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Mittwoch, 15. Juni 2005
Finch'han del vino
calda la testa
una gran festa
va preparar....
Oooops, da klingelt es, schon, wer mag das sein? Sollte sie zu früh? Ja bitte...? Oh, ein Leser meines Blogs, nein, du störst gar nicht, sie kommt erst gegen Abend, komm hoch, aber bitte, nein, ich habe Zeit, wirklich, ja, gerne.
Darf ich Dir virtuell einen Tee anbieten? Etwas Konfekt? Bitte... nein wirklich, ich habe Zeit, sie kommt erst gegen 6, aber ich habe schon mal für sie gedeckt, das muss alles ordentlich geplant und ausprobiert werden, denn der Tisch ist klein und das Geschirr ist gross - so sieht das dann aus, biegen muss sich der Tisch, wie man das in Bayern mag - hier in Bayern hält man so gar nichts von den leeren Tischen der nüwäl Küsien, hier gilt der alte Spruch: Wer ko, der ko.
Genauer gesagt, es gilt als Zeichen der Unhöflichkeit, Gäste unter den eigenen Möglichkeiten zu bewirten. Dabei achtet man allerdings in meiner Generation auf eine gewisse Balance; man versucht nicht, wie unsere Mütter das zwischen Kachelöfen und Butzenscheibenimitat betreiben, die anderen durch immer neue, immer prächtigere Gedecke zu beschämen. Da könnte ich Geschichten erzählen, aus dem grossen Probierlweger Rosenthalkrieg Anno 93... schreckliche Zeiten, damals, es ging nur zu Ende, weil die Beteiligten alle irgendwann keinen Platz mehr hatten, sie sind förmlich an ihren Waffen erstickt, und heute ist das ein kalter Krieg, ausgetragen vor den übervollen, extra für 24er Service angeschafften Vitrinen.
Aber es könnte jederzeit wieder losgehen, und erste Anzeichen sind schon da; es wird wohl diesmal auf dem Schlachtfeld des Tafelsilbers ausgetragen. Ja, gut, das ist meine Schuld gewesen, mein Berlinaufenthalt hat die Gewichte in meiner Heimat so verschoben wie die Endeckung des Silberbergs von Potosi zugunsten der Spanier im 16. Jahrhundert. Und das setzt sich gerade endemisch fort; justament gibt es sicher irgendeine Dame der hiesigen Gesellschaft, die ihre verlotterte Tochter in Berlin auf die Flohmärkte scheucht, um mit dem Porcamadonna-Clan gleichzuziehen.
Wie auch immer: Ich finde das lang-wei-lig, die immer gleichen, passenden Strecken Goldrand und Augsburger Faden, klassisch, uniform, fast schon faschistoid, dieser sklavische Zwang, dass alles identisch sein muss. Nebenbei gesagt ist das auch grauenvoll ahistorisch; die vorbürgerlichen Zeiten, denen von den hiesigen Bauern-, Handwerker- und Grattlernachfahren nachgeeifert wird, waren geprägt von einem grossen Durcheinander. Aber für diese Erkenntnis müssten die Spiesser hier sich wirklich mal die Prunkstilleben in der Alten Pinakothek anschauen, und nicht nur am Samstag von Velasquez zu Böcklin rennen, bevor es nach Nymphenburg zum Nippesshoppen geht, oh, schau mal Georg, dieser entzückende Porzellanmops, das wäre doch was für unsere Tochter, oder sollen wir ihr ein paar Serviettenringe mit Blümchen kaufen?
Ich schweife ab, pardon, jedenfalls ist hier alles durcheinander. Ich könnte auch anders, ich habe auch diese riesigen Geschirrsätze, aber ich pfeife drauf, ich nehme die Teller und grossen Platten, die mir mal eine Enkelin eines hiesigen Brauereibesitzers geschenkt hat -nemas des, Herr Porcamadonna, i hob koan Platz mea dofia, do feit scho wos - böhmische Gläser, portugiesische Karaffen - die auch ihre ganz eigene Geschichte haben - eigenes Familiensilber und Berliner Trouvaillen als Besteck gemischt, leichtes für die Vorspeise, schweres für den Hauptgang und Zweizacke zum Aufspiessen der Trauben, gelegt in mexikanische Schalen, dazu ein zarter Art-Deco-Brotkorb, ein englischer Leuchter und schwere Vorlegegabeln von Christofle und das alles auf Leinen aus der Zeit um 1860, und einem Lärchentisch, der 30 Jahre auf einem Balkon stand und davor 60 Jahre in einer Schneiderei... alles hat hier seine Geschichten
So lebt man also in der Provinz. Zumindest bei mir. Es gibt noch ein paar Besonderheiten; ich lege nur das Besteck für den ersten Gang "richtig" hin. Das erleichtert es den Gästen, sich durch das verschiedenartige Besteck zu wühlen. Es gibt nichts widerlicheres als die alten Weiber in der Vorstadt, die extra prächtig decken und sich vor empörter Geilheit gar nicht mehr einkriegen, wenn jemand einen Fehler macht; sei es nun, dass er zum falschen Löffel greift, das Brot mit dem Messer schneidet oder es wagen sollte, jedes Stück, das dort liegt, wirklich zu benutzen. Dann ist das beglückte Getratsche gross, nichts ist schöner als das Runtermachen, und die Dame des Hauses verbreitet, dass der Gast auf der Brennsuppe dahergeschwommen sein muss. Und sie denkt, dass sie ihm in Zukunft vielleicht doch besser silberne Untersetzer unter das Weinglas stellt, man weiss bei solchen Leuten ja nie, ob die nicht alles versauen...
Und das alles von einem dummen Gschleaf, das nicht kapiert, dass seine runden, kurzzinkigen, angeblichen Kuchengabeln eigentlich für Austern gedacht sind. So ist das bei uns in der Provinz. Kein Wunder, wenn man sich hier eigene Sitten erfindet, deren oberster Leitsatz heisst: Anything goes. Solange es nicht von Ikea und Muttern ist (meine Frau Mama ausgeschlossen).
una gran festa
va preparar....
Oooops, da klingelt es, schon, wer mag das sein? Sollte sie zu früh? Ja bitte...? Oh, ein Leser meines Blogs, nein, du störst gar nicht, sie kommt erst gegen Abend, komm hoch, aber bitte, nein, ich habe Zeit, wirklich, ja, gerne.
Darf ich Dir virtuell einen Tee anbieten? Etwas Konfekt? Bitte... nein wirklich, ich habe Zeit, sie kommt erst gegen 6, aber ich habe schon mal für sie gedeckt, das muss alles ordentlich geplant und ausprobiert werden, denn der Tisch ist klein und das Geschirr ist gross - so sieht das dann aus, biegen muss sich der Tisch, wie man das in Bayern mag - hier in Bayern hält man so gar nichts von den leeren Tischen der nüwäl Küsien, hier gilt der alte Spruch: Wer ko, der ko.
Genauer gesagt, es gilt als Zeichen der Unhöflichkeit, Gäste unter den eigenen Möglichkeiten zu bewirten. Dabei achtet man allerdings in meiner Generation auf eine gewisse Balance; man versucht nicht, wie unsere Mütter das zwischen Kachelöfen und Butzenscheibenimitat betreiben, die anderen durch immer neue, immer prächtigere Gedecke zu beschämen. Da könnte ich Geschichten erzählen, aus dem grossen Probierlweger Rosenthalkrieg Anno 93... schreckliche Zeiten, damals, es ging nur zu Ende, weil die Beteiligten alle irgendwann keinen Platz mehr hatten, sie sind förmlich an ihren Waffen erstickt, und heute ist das ein kalter Krieg, ausgetragen vor den übervollen, extra für 24er Service angeschafften Vitrinen.
Aber es könnte jederzeit wieder losgehen, und erste Anzeichen sind schon da; es wird wohl diesmal auf dem Schlachtfeld des Tafelsilbers ausgetragen. Ja, gut, das ist meine Schuld gewesen, mein Berlinaufenthalt hat die Gewichte in meiner Heimat so verschoben wie die Endeckung des Silberbergs von Potosi zugunsten der Spanier im 16. Jahrhundert. Und das setzt sich gerade endemisch fort; justament gibt es sicher irgendeine Dame der hiesigen Gesellschaft, die ihre verlotterte Tochter in Berlin auf die Flohmärkte scheucht, um mit dem Porcamadonna-Clan gleichzuziehen.
Wie auch immer: Ich finde das lang-wei-lig, die immer gleichen, passenden Strecken Goldrand und Augsburger Faden, klassisch, uniform, fast schon faschistoid, dieser sklavische Zwang, dass alles identisch sein muss. Nebenbei gesagt ist das auch grauenvoll ahistorisch; die vorbürgerlichen Zeiten, denen von den hiesigen Bauern-, Handwerker- und Grattlernachfahren nachgeeifert wird, waren geprägt von einem grossen Durcheinander. Aber für diese Erkenntnis müssten die Spiesser hier sich wirklich mal die Prunkstilleben in der Alten Pinakothek anschauen, und nicht nur am Samstag von Velasquez zu Böcklin rennen, bevor es nach Nymphenburg zum Nippesshoppen geht, oh, schau mal Georg, dieser entzückende Porzellanmops, das wäre doch was für unsere Tochter, oder sollen wir ihr ein paar Serviettenringe mit Blümchen kaufen?
Ich schweife ab, pardon, jedenfalls ist hier alles durcheinander. Ich könnte auch anders, ich habe auch diese riesigen Geschirrsätze, aber ich pfeife drauf, ich nehme die Teller und grossen Platten, die mir mal eine Enkelin eines hiesigen Brauereibesitzers geschenkt hat -nemas des, Herr Porcamadonna, i hob koan Platz mea dofia, do feit scho wos - böhmische Gläser, portugiesische Karaffen - die auch ihre ganz eigene Geschichte haben - eigenes Familiensilber und Berliner Trouvaillen als Besteck gemischt, leichtes für die Vorspeise, schweres für den Hauptgang und Zweizacke zum Aufspiessen der Trauben, gelegt in mexikanische Schalen, dazu ein zarter Art-Deco-Brotkorb, ein englischer Leuchter und schwere Vorlegegabeln von Christofle und das alles auf Leinen aus der Zeit um 1860, und einem Lärchentisch, der 30 Jahre auf einem Balkon stand und davor 60 Jahre in einer Schneiderei... alles hat hier seine Geschichten
So lebt man also in der Provinz. Zumindest bei mir. Es gibt noch ein paar Besonderheiten; ich lege nur das Besteck für den ersten Gang "richtig" hin. Das erleichtert es den Gästen, sich durch das verschiedenartige Besteck zu wühlen. Es gibt nichts widerlicheres als die alten Weiber in der Vorstadt, die extra prächtig decken und sich vor empörter Geilheit gar nicht mehr einkriegen, wenn jemand einen Fehler macht; sei es nun, dass er zum falschen Löffel greift, das Brot mit dem Messer schneidet oder es wagen sollte, jedes Stück, das dort liegt, wirklich zu benutzen. Dann ist das beglückte Getratsche gross, nichts ist schöner als das Runtermachen, und die Dame des Hauses verbreitet, dass der Gast auf der Brennsuppe dahergeschwommen sein muss. Und sie denkt, dass sie ihm in Zukunft vielleicht doch besser silberne Untersetzer unter das Weinglas stellt, man weiss bei solchen Leuten ja nie, ob die nicht alles versauen...
Und das alles von einem dummen Gschleaf, das nicht kapiert, dass seine runden, kurzzinkigen, angeblichen Kuchengabeln eigentlich für Austern gedacht sind. So ist das bei uns in der Provinz. Kein Wunder, wenn man sich hier eigene Sitten erfindet, deren oberster Leitsatz heisst: Anything goes. Solange es nicht von Ikea und Muttern ist (meine Frau Mama ausgeschlossen).
donalphons, 16:41h
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Real Life 14.06.05 - Auf der Dachterasse
Er ist sehr früh aufgestanden, irgendwo im Norden der Republik, hat das Werkzeug zusammengesucht, in einen Karton gepackt, und ist losgefahren. Stunde um Stunde, in Richtung Süden, bis er dann durch die verwinkelten Strassen der Altstadt beim Wohnheim seiner Tochter ankam. Er hat die überteuerten Parktarife geschluckt, die Kiste ausgepackt, und ist dann hoch zu ihr, wahrscheinlich ohne zu bemerken, dass auf der Dachterasse hoch über ihm ein junger Mann an einem Laptop etwas schreibt. Wenn man zu früh aufsteht, hat man keinen Blick für Details übrig, und die kommenden Aufgaben verleiten auch nicht gerade dazu, genussvoll den Reiz der umgebenden manieristischen Baukunst in sich aufzunehmen.
Er klingelt, und heraus kommt eine typische Elitesse, seine Tochter. Sie hat ihr schnurloses Telefon dabei, und eine Schachtel Zigaretten. Er geht hinein, und als er eine viertel Stunde später wieder herauskommt, redet sie schon etwas länger mit einer Freundin, denn es geht um das Studium und das ewige, nervtötende Lernen. Er hat sich umgezogen, Arbeitskleidung, kurze Hose und offenes Hemd. Und er fragt sie etwas, was sie mit einem ungenauen Deuten in Richtung Wohnungstür quittiert. Er verschwindet, kommt gleich wieder, sie folgt ihm kurz und ist gleich wieder da, um eine zu rauchen und wieder jemanden anzurufen. Inzwischen räumt ihr Vater ihr Bad leer und schichtet den Inhalt, Handtücher, etwas saubere und einen grossen Haufen zusammengeknüllter Wäsche auf die Balustrade. Als er auch noch die Kosmetika bringt, greift sie ein und dirigiert ihn zu einem Ort, wo die Fläschchen sicher stehen.
Er verschwindet, sie telefoniert und raucht etwas. Sie steht gelangweilt an der Balustrade, neigt sich etwas über den Hof, eine dünne, elegant geschwungene Linie, blond und nach den Massstäben der Plastic-Techno-Clips von MTV und Viva sehr gut, idealtypisch aussehend, in weiss, pastellorange und dazwischen solariumsbraun um den Bauchnabel. Sie ist nicht wirklich begeistert über den Ablauf dieses Vormittags, aber vermutlich muss das jetzt einfach sein. Es ist wohl auch mehr als das Bad, denn ihr Vater schleppt Teile der Einrichtung heraus, stellt ab und zu eine Frage, die sie meist mit einem Achselzucken beantwortet. Da drin muss es einige Probleme geben.
Nach zwei Stunden hat sie keine Fluppen mehr und geht, um sich neue zu beschaffen. Ihr Vater kommt kurz darauf heraus, schaut sich um, sieht sie nicht. Auch aus 20 Meter Entfernung ist dem Mann am Laptop auf der Dachterasse klar, dass er innerlich erregt ist. Er hat immer alles bezahlt, die riesige Garderobe, das Pferd, die Friseurtermine und die Unmenge an Kosmetika, die Schuhe, die jetzt auf einem Haufen im Gang liegen, das Telefon und die Fluppen, dieses Luxusstudium und das gesamte Styling, das sie hier braucht, um für die Assessment Center ansprechend zu wirken. Als er sie zur Aufnahmeprüfung gebracht hat, dachte er vielleicht an den glanzvollen Weihnachtsball der Elite-Uni.
Er hat ganz sicher nicht erwartet, dass er nach zwei Stunden Dreckschippen im morastigen, runtergekommenen Wohnloch seiner Tochter auch noch auf diese blöde Kuh warten muss. Wahrscheinlich dämmert es ihm gerade, dass er ein paar grundlegende Fehler in der Erziehung dieses unterernährten Luxusmädchens gemacht hat, aber jetzt ist es zu spät, neu zu beginnen.
Dann sieht er sie die offene Treppe hochkommen, und will wissen, wo sie war. Sie ist von den lauten Tönen sichtlich genervt, und als sie bei ihm ist, hebt ein kurzer, bissiger Streit an, leise und dennoch intensiv, in etwa so, wie sie später mal als angehenden HR-Zicke ihre Untergebenen abkanzeln wird. Er verschwindet wieder in der Wohnung, sie raucht noch eine, bis der Ruf "Jetzt komm endlich!" so laut aus der Wohnung dringt, dass es auch der Mann auf der Dachterasse in der Hektik seines Aufbruchs versteht.
Denn im Westen hat sich vor dem Wohnheim eine imposante, dunkle Wolke aufgebaut; eines dieser barocken Ungetüme, in das auf den Kirchengemälden dieser Region bevorzugt Luzifer, Dämonen, Sünder und Ungläubige gestürzt werden. Der Mann auf der Dachterasse weiss, dass es nur noch wenige Minuten dauern wird, bis dichter, kurzer, apokalyptischer Regen hernierderprasselt, die warme Luft kühlend und reinigend, gut für die Pflanzen, aber schlecht für den Laptop. Und erst, als er mit frischem Tee an seinem Bureau Plat sitzt, die Beine behaglich auf dem kaukasischen Teppich ausgestreckt, überlegt er, wie es jetzt auf den 18 verdreckten Quadratmetern da unten gerade zugehen mag. Vielleicht raucht sie am leicht offenen Fenster und bekommt ein paar Tropfen ab, während er unter dem Waschbecken an einer nicht passenden Zange verzweifelt. Und die richtige Zange ist weit, weit im Norden der Republik.
Er klingelt, und heraus kommt eine typische Elitesse, seine Tochter. Sie hat ihr schnurloses Telefon dabei, und eine Schachtel Zigaretten. Er geht hinein, und als er eine viertel Stunde später wieder herauskommt, redet sie schon etwas länger mit einer Freundin, denn es geht um das Studium und das ewige, nervtötende Lernen. Er hat sich umgezogen, Arbeitskleidung, kurze Hose und offenes Hemd. Und er fragt sie etwas, was sie mit einem ungenauen Deuten in Richtung Wohnungstür quittiert. Er verschwindet, kommt gleich wieder, sie folgt ihm kurz und ist gleich wieder da, um eine zu rauchen und wieder jemanden anzurufen. Inzwischen räumt ihr Vater ihr Bad leer und schichtet den Inhalt, Handtücher, etwas saubere und einen grossen Haufen zusammengeknüllter Wäsche auf die Balustrade. Als er auch noch die Kosmetika bringt, greift sie ein und dirigiert ihn zu einem Ort, wo die Fläschchen sicher stehen.
Er verschwindet, sie telefoniert und raucht etwas. Sie steht gelangweilt an der Balustrade, neigt sich etwas über den Hof, eine dünne, elegant geschwungene Linie, blond und nach den Massstäben der Plastic-Techno-Clips von MTV und Viva sehr gut, idealtypisch aussehend, in weiss, pastellorange und dazwischen solariumsbraun um den Bauchnabel. Sie ist nicht wirklich begeistert über den Ablauf dieses Vormittags, aber vermutlich muss das jetzt einfach sein. Es ist wohl auch mehr als das Bad, denn ihr Vater schleppt Teile der Einrichtung heraus, stellt ab und zu eine Frage, die sie meist mit einem Achselzucken beantwortet. Da drin muss es einige Probleme geben.
Nach zwei Stunden hat sie keine Fluppen mehr und geht, um sich neue zu beschaffen. Ihr Vater kommt kurz darauf heraus, schaut sich um, sieht sie nicht. Auch aus 20 Meter Entfernung ist dem Mann am Laptop auf der Dachterasse klar, dass er innerlich erregt ist. Er hat immer alles bezahlt, die riesige Garderobe, das Pferd, die Friseurtermine und die Unmenge an Kosmetika, die Schuhe, die jetzt auf einem Haufen im Gang liegen, das Telefon und die Fluppen, dieses Luxusstudium und das gesamte Styling, das sie hier braucht, um für die Assessment Center ansprechend zu wirken. Als er sie zur Aufnahmeprüfung gebracht hat, dachte er vielleicht an den glanzvollen Weihnachtsball der Elite-Uni.
Er hat ganz sicher nicht erwartet, dass er nach zwei Stunden Dreckschippen im morastigen, runtergekommenen Wohnloch seiner Tochter auch noch auf diese blöde Kuh warten muss. Wahrscheinlich dämmert es ihm gerade, dass er ein paar grundlegende Fehler in der Erziehung dieses unterernährten Luxusmädchens gemacht hat, aber jetzt ist es zu spät, neu zu beginnen.
Dann sieht er sie die offene Treppe hochkommen, und will wissen, wo sie war. Sie ist von den lauten Tönen sichtlich genervt, und als sie bei ihm ist, hebt ein kurzer, bissiger Streit an, leise und dennoch intensiv, in etwa so, wie sie später mal als angehenden HR-Zicke ihre Untergebenen abkanzeln wird. Er verschwindet wieder in der Wohnung, sie raucht noch eine, bis der Ruf "Jetzt komm endlich!" so laut aus der Wohnung dringt, dass es auch der Mann auf der Dachterasse in der Hektik seines Aufbruchs versteht.
Denn im Westen hat sich vor dem Wohnheim eine imposante, dunkle Wolke aufgebaut; eines dieser barocken Ungetüme, in das auf den Kirchengemälden dieser Region bevorzugt Luzifer, Dämonen, Sünder und Ungläubige gestürzt werden. Der Mann auf der Dachterasse weiss, dass es nur noch wenige Minuten dauern wird, bis dichter, kurzer, apokalyptischer Regen hernierderprasselt, die warme Luft kühlend und reinigend, gut für die Pflanzen, aber schlecht für den Laptop. Und erst, als er mit frischem Tee an seinem Bureau Plat sitzt, die Beine behaglich auf dem kaukasischen Teppich ausgestreckt, überlegt er, wie es jetzt auf den 18 verdreckten Quadratmetern da unten gerade zugehen mag. Vielleicht raucht sie am leicht offenen Fenster und bekommt ein paar Tropfen ab, während er unter dem Waschbecken an einer nicht passenden Zange verzweifelt. Und die richtige Zange ist weit, weit im Norden der Republik.
donalphons, 14:02h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Dienstag, 14. Juni 2005
Für Andrea
Bayerische Biergärten haben ausserhalb von Bayern einen etwas derben, rustikalen Ruf, man erwartet darin Lederhosen und Kampftrinker, Fingerhakler und Schnauzbartträger. So zumindest das Bild, das multinationale Braukonzerne von den zwei an und für sich überhaupt nicht idealtypischen Biergärten am Chinesischen Turm und beim Parkcafe in München verbreiten. Der Chinesenturm ist touristisch verseucht, und wer beim Parkcafe an den Holztischen sitzt, sollte bedenken, dass sich darauf über fast 10 Jahre eine ganze Generation Münchner Jeunesse Doree nächtens die Seele aus dem Leib gekokst und gefickt hat, schliesslich konnte man das in der damals angesagten Disco Parkcafe schlecht auf dem Klo tun ... und bei zweiterem weiss ich, wovon ich rede, und dann erst der Brunnen im Sommer - wie auch immer, das sind keine echten Biergärten.
Das hier schon.
Das hier ist einer der schönsten Biergärten, die ich kenne. Am alten Graben meiner Heimatstadt gelegen, wo es Enten, Schwäne, Pfauen und im Wasser fette Hechte und Karpfen gibt, alles wohlgenährt vom Bürgertum, das hier sein altbachanes (wie heisst das auf Schriftdeutsch) Brot zum Gaudium der Tierwelt verwendet. Auch im Hochsommer ist es kühl, die Kinder der hier sitzenden Twentysomethings werden auf dem Spielplatz entsorgt. Nur ab und zu fällt eines hin, dann gellen die Schreie durch die hohen Bäume und die konkreten Stahlkunstwerke, die die Stadt im Überfluss besitzt und die hier praktisch versteckt werden. Dann beginnt das Gerenne, aber sonst ist es ruhig. Und das alles nur 5 Minuten von meiner Wohnung entfernt.
So ist das hier, im Biergarten. Damit Andrea das auch mal sieht (Wir hatten hier vor einer Woche eine Blogger-Convention).
Das hier schon.
Das hier ist einer der schönsten Biergärten, die ich kenne. Am alten Graben meiner Heimatstadt gelegen, wo es Enten, Schwäne, Pfauen und im Wasser fette Hechte und Karpfen gibt, alles wohlgenährt vom Bürgertum, das hier sein altbachanes (wie heisst das auf Schriftdeutsch) Brot zum Gaudium der Tierwelt verwendet. Auch im Hochsommer ist es kühl, die Kinder der hier sitzenden Twentysomethings werden auf dem Spielplatz entsorgt. Nur ab und zu fällt eines hin, dann gellen die Schreie durch die hohen Bäume und die konkreten Stahlkunstwerke, die die Stadt im Überfluss besitzt und die hier praktisch versteckt werden. Dann beginnt das Gerenne, aber sonst ist es ruhig. Und das alles nur 5 Minuten von meiner Wohnung entfernt.
So ist das hier, im Biergarten. Damit Andrea das auch mal sieht (Wir hatten hier vor einer Woche eine Blogger-Convention).
donalphons, 20:04h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Montag, 13. Juni 2005
Stell dir vor
du bist hellwach und trotzdem in einem Bild von Spitzweg, beschaulichstes, schlimmstes Biedermeier.
Stell dir vor, du bist gerade durch ein besseres Viertel gefahren, wo sich Bankdirektoren, Hofapotheker und Medizinalräte schon lange nicht mehr um das Unkraut auf den Wegen und die wuchernden Hecken kümmern, wo die Katzen auf der Strasse schlafen und man um sie einen Bogen fährt. Stell dir vor, die Frau da vorne in der Wiese ist eine alte Freundin, und sie erzählt dir, dass sie schon vor 10 Jahren einen alten Freund geheiratet hat, mit dem sie schon in der Schule zusammen war, und immer noch da vorne wohnt. Stell dir vor, die Luft ist mild, ein leichter Wind streichelt über die Gräser, und sie reicht dir zum Abschied zart die Hand.
Das müsste jetzt noch jemand mit Könnerschaft malen, dann würde es auch einen Platz in der alten Pinakothek in München bekommen. Und als Postkarte tausendfach gedruckt werden, und Mädchen, die Evelyn oder Ann-Sophie heissen, würden es sie an ihre männlichen Bekannten verschicken, die versprochen haben, sie nur platonisch zu lieben. Es grüsst Dich von ganzem Herzen, Deine Evelyn, würde dann am Ende stehen.
P.S.: Schöne Grüsse an Deine liebe Mutter.
Stell dir vor, du bist gerade durch ein besseres Viertel gefahren, wo sich Bankdirektoren, Hofapotheker und Medizinalräte schon lange nicht mehr um das Unkraut auf den Wegen und die wuchernden Hecken kümmern, wo die Katzen auf der Strasse schlafen und man um sie einen Bogen fährt. Stell dir vor, die Frau da vorne in der Wiese ist eine alte Freundin, und sie erzählt dir, dass sie schon vor 10 Jahren einen alten Freund geheiratet hat, mit dem sie schon in der Schule zusammen war, und immer noch da vorne wohnt. Stell dir vor, die Luft ist mild, ein leichter Wind streichelt über die Gräser, und sie reicht dir zum Abschied zart die Hand.
Das müsste jetzt noch jemand mit Könnerschaft malen, dann würde es auch einen Platz in der alten Pinakothek in München bekommen. Und als Postkarte tausendfach gedruckt werden, und Mädchen, die Evelyn oder Ann-Sophie heissen, würden es sie an ihre männlichen Bekannten verschicken, die versprochen haben, sie nur platonisch zu lieben. Es grüsst Dich von ganzem Herzen, Deine Evelyn, würde dann am Ende stehen.
P.S.: Schöne Grüsse an Deine liebe Mutter.
donalphons, 21:24h
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Real Life 12.06.05 - Matinée
Gegenüber von deinem Haus, das früher auch der Gesellschaft Jesu gehörte, hat die Vermessenheit, die Prunksucht, der Weltmachtsanspruch dieser ehrenwerten Gesellschaft eine dauerhaften Manifestation hinterlassen; rosa, weiss, innen bunt und hell, ein Bau, gegen den die hiesigen Hochzeitstorte einer Brauereibesitzerstochter schlicht wirkt. Es drückt eine überschäumende Lebensfreude des Rokoko aus, und man würde überhaupt nicht auf die Idee kommen, dass die Bauherren daneben noch solch Zeitvertreib hatten wie Ketzer verfolgen, Andersdenkende ermorden lassen, protofaschistische Strukturen legitimieren und Hasspredigten schreiben. Nein, das würde niemand erwarten, denn kurz ist die Schandtat, schnell vergisst der Spiesser die Stiefel, die ihn lange knechteten, und ewig währt die Kunst - besonders am Sonntag um 12, zwischen Kirchgang und Schweinsbraten.
Und so pilgert die bessere Gesellschaft der kleinen Provinzstadt von Frühjahr bis Herbst unter dem weissblauen Himmel zu dieser Perle der Baukunst, ausgemalt von keinem geringeren als Cosmas Damian Asam, der hier in zwei Monaten den Sieg der auf Maria zentrierten Heilsvorstellung der Gesellschaft an die Decke pinselte. Da oben ächzen, stöhnen und geifern der Jungfrau - daran herrscht hier kein Zweifel! - die Kontinente zu, liefern ihr freiwillig die Schätze aus, die in der Realität fern dieser Provinz mit dem ein oder anderen Vernichtungskrieg, Völkermord oder Versklavung der Dargestellten erreicht wurde. Oben an der Decke, gemalt dürfen sie nochmal jauchzen, auch wenn die zarten Töchter Asiens fett aufgeqollen mit riesigen Glupschaugen und langen Nasen verunstaltet sind, und der wilde Mann Afrikas so obszön grinst, wie er das sonst nur als rassistischen Niggerstatue in den amerikanischen Südstaaten vor 1968 tat.
Darunter treffen sie dann zusammen, die Vertreter des kunstliebenden Publikums. Es kommen die Herrschaften aus den Kirchengemeinden, die den Besuch der Kathedrale genau so legen, dass sie nach Gottesdienstnickerchen und einer viertel Stunde Geratsche über die neuesten Scheidungsskandälchen der Stadt frühzeitig hier eintreffen und die besten Plätze bekommen. Es folgen in loser Reihe diejenigen, die man nur mit Kunst, Weihnachten, Beerdigungen oder Hochzeiten in die Kirchen bekommt, und natürlich mit dem gesellschaftlichen Anlass, den dieser Moment darstellt. Denn hier, bei dieser dreiviertel Stunde in einer Rokoko-Kirche und feinsinniger Orgelmusik vergangener Seaculi, offenbart sich das Wesen dieser besseren Gesellschaft der kleinen Stadt. Hier ist die Welt so, wie sie sein soll: In Ordnung, und dass die eigene Ordnung hier erkauft wird eine Sonderkonjunktur, durch eine Abspaltung dieser greater Munich Area vom desolaten Rest der Republik, das stört sie nicht, solange nur die sponsornde Stadtsparkasse ihnen jeden Sonntag diese Zeit hier unter Asams Deckengemälde garantiert.
Du nimmst Platz unter ihnen, unter ihren selbstzufriedenen Frauen und blöden Bratzn, die später einmal das alles hier auch als gottgegeben betrachten werden, die totsanierte Altstadt, die pittoresken, innen entkernten Häuser, die brummende Wirtschaft, die gesellschaftlichen Verpflichtungen, ihre eigene Heirat, ihre beschissene Ehe und das absurde Haus in der Vorstadt mit den beiden Autos und der Doppelgarage. Sie werden es nicht anders kennen und nicht wissen wollen, dass ihre Sonderstellung in diesem Land mittelfristig durch die brutale Durchsetzung einer regionalen und asozialen Oligarchie erkauft wird. Hier ist niemand, der nicht auch 20 Euro für eine Karte zahlen könnte, aber das hier ist Kulturförderung, und zahlen werden sie, wenn sie ihre grossen Limousinen zu den Sommerkonzerten in andere Städte der Region bringen, zu den grossen Namen, die man für sie ankarrt, und danach werden sie andere privilegierte Vorstadtmenschen treffen und in der Pause darüber reden, dass der Staat ihnen alles nimmt, da ist es ja kein Wunder, wenn man sein Geld in den grauen Kapitalmarkt trägt.
Du lauscht den feinen Klängen der historisch korrekten Orgel, sie haben hier sogar ein Apfelregister, und für ein paar Minuten spült die Musik die kranken Visionen aus deinem Kopf, aber dann siehst irgendwo die Gesichter von Leuten deiner Peer Group, deiner Klasse, deiner Schicht, alte Bekannte, du siehst ihre dreiste Zufriedenheit mit dem Fortbestand des goldenen Zeitalters und das immer gleiche, aufmerksame Lächeln, mit dem sie in Kulturertragungsstarre verharren, wie die gemalten Gestalten oben an der Decke, und danach werden sie zu den Mitgliedern selbsternannten Kulturführerclans der kleinen Stadt gehen, blassen, seltsam verstockten und überzeugt christlichen Blondinen aus alten Familien der Stadt, mit Lippen wie aus Stahl gefräst, echte Jungfrauen und garantiert mangels Neigung treu, Skandälchen ausgeschlossen, deshalb begehrt, und ein wenig über Musik reden, über Heiraten und das Anbringen weiterer zartrosa Fassaden vor dem Nichts ihrer wirtschaftlich erfolgreichen Existenz. Dann werden in noch die Galerie gegenüber schauen, ob da irgendwas an deutscher Moderne ist, was zum Picasso-Druck passen könnte. Oder weiter zum Verkäufer von Hi End Musikgerätschaften, von denen es hier gleich drei gibt. Oder zur Sparkasse, wegen Immobilienangeboten in der bevorzugten westlichen Vorstadt.
Und so löst sie sich auf, in kleine Gruppen der üblichen Kreise, manche fahren heim zum Sonntagsbraten, andere suchen die Gastwirtschaften auf, und du wirst auch angesprochen, niemand muss hier allein bleiben, wenn er den richtigen Namen und die richtige Geschichte hat. Denn diese Woche wird der schwarze Sheriff kommen, der zukünftige Landesvater, und den alten Stadthausbesitzern, einen Pakt anbieten. Also auch dir, du musst da natürlich kommen, denn dein wird sein der Jesuitenpalast nebenan, du bist einer der wenigen, die wieder zurückgekommen sind in die dicken Mauern ihrer Vorfahren, dich wollen sie dem zukünftigen Landesvater präsentieren - und du sagst zu, denn nach dieser Woche hier bist du genau in der richtigen Stimmung, um dem Kerl mal zu sagen, was du von der verfickten Kaputtmacherei der Altstadt durch seine Lederhosen-Musikantenstadl-Traditionsbewahrer und ihren Shopping Malls a la Berlinaise auf der grünen Wiese hältst.
Und so pilgert die bessere Gesellschaft der kleinen Provinzstadt von Frühjahr bis Herbst unter dem weissblauen Himmel zu dieser Perle der Baukunst, ausgemalt von keinem geringeren als Cosmas Damian Asam, der hier in zwei Monaten den Sieg der auf Maria zentrierten Heilsvorstellung der Gesellschaft an die Decke pinselte. Da oben ächzen, stöhnen und geifern der Jungfrau - daran herrscht hier kein Zweifel! - die Kontinente zu, liefern ihr freiwillig die Schätze aus, die in der Realität fern dieser Provinz mit dem ein oder anderen Vernichtungskrieg, Völkermord oder Versklavung der Dargestellten erreicht wurde. Oben an der Decke, gemalt dürfen sie nochmal jauchzen, auch wenn die zarten Töchter Asiens fett aufgeqollen mit riesigen Glupschaugen und langen Nasen verunstaltet sind, und der wilde Mann Afrikas so obszön grinst, wie er das sonst nur als rassistischen Niggerstatue in den amerikanischen Südstaaten vor 1968 tat.
Darunter treffen sie dann zusammen, die Vertreter des kunstliebenden Publikums. Es kommen die Herrschaften aus den Kirchengemeinden, die den Besuch der Kathedrale genau so legen, dass sie nach Gottesdienstnickerchen und einer viertel Stunde Geratsche über die neuesten Scheidungsskandälchen der Stadt frühzeitig hier eintreffen und die besten Plätze bekommen. Es folgen in loser Reihe diejenigen, die man nur mit Kunst, Weihnachten, Beerdigungen oder Hochzeiten in die Kirchen bekommt, und natürlich mit dem gesellschaftlichen Anlass, den dieser Moment darstellt. Denn hier, bei dieser dreiviertel Stunde in einer Rokoko-Kirche und feinsinniger Orgelmusik vergangener Seaculi, offenbart sich das Wesen dieser besseren Gesellschaft der kleinen Stadt. Hier ist die Welt so, wie sie sein soll: In Ordnung, und dass die eigene Ordnung hier erkauft wird eine Sonderkonjunktur, durch eine Abspaltung dieser greater Munich Area vom desolaten Rest der Republik, das stört sie nicht, solange nur die sponsornde Stadtsparkasse ihnen jeden Sonntag diese Zeit hier unter Asams Deckengemälde garantiert.
Du nimmst Platz unter ihnen, unter ihren selbstzufriedenen Frauen und blöden Bratzn, die später einmal das alles hier auch als gottgegeben betrachten werden, die totsanierte Altstadt, die pittoresken, innen entkernten Häuser, die brummende Wirtschaft, die gesellschaftlichen Verpflichtungen, ihre eigene Heirat, ihre beschissene Ehe und das absurde Haus in der Vorstadt mit den beiden Autos und der Doppelgarage. Sie werden es nicht anders kennen und nicht wissen wollen, dass ihre Sonderstellung in diesem Land mittelfristig durch die brutale Durchsetzung einer regionalen und asozialen Oligarchie erkauft wird. Hier ist niemand, der nicht auch 20 Euro für eine Karte zahlen könnte, aber das hier ist Kulturförderung, und zahlen werden sie, wenn sie ihre grossen Limousinen zu den Sommerkonzerten in andere Städte der Region bringen, zu den grossen Namen, die man für sie ankarrt, und danach werden sie andere privilegierte Vorstadtmenschen treffen und in der Pause darüber reden, dass der Staat ihnen alles nimmt, da ist es ja kein Wunder, wenn man sein Geld in den grauen Kapitalmarkt trägt.
Du lauscht den feinen Klängen der historisch korrekten Orgel, sie haben hier sogar ein Apfelregister, und für ein paar Minuten spült die Musik die kranken Visionen aus deinem Kopf, aber dann siehst irgendwo die Gesichter von Leuten deiner Peer Group, deiner Klasse, deiner Schicht, alte Bekannte, du siehst ihre dreiste Zufriedenheit mit dem Fortbestand des goldenen Zeitalters und das immer gleiche, aufmerksame Lächeln, mit dem sie in Kulturertragungsstarre verharren, wie die gemalten Gestalten oben an der Decke, und danach werden sie zu den Mitgliedern selbsternannten Kulturführerclans der kleinen Stadt gehen, blassen, seltsam verstockten und überzeugt christlichen Blondinen aus alten Familien der Stadt, mit Lippen wie aus Stahl gefräst, echte Jungfrauen und garantiert mangels Neigung treu, Skandälchen ausgeschlossen, deshalb begehrt, und ein wenig über Musik reden, über Heiraten und das Anbringen weiterer zartrosa Fassaden vor dem Nichts ihrer wirtschaftlich erfolgreichen Existenz. Dann werden in noch die Galerie gegenüber schauen, ob da irgendwas an deutscher Moderne ist, was zum Picasso-Druck passen könnte. Oder weiter zum Verkäufer von Hi End Musikgerätschaften, von denen es hier gleich drei gibt. Oder zur Sparkasse, wegen Immobilienangeboten in der bevorzugten westlichen Vorstadt.
Und so löst sie sich auf, in kleine Gruppen der üblichen Kreise, manche fahren heim zum Sonntagsbraten, andere suchen die Gastwirtschaften auf, und du wirst auch angesprochen, niemand muss hier allein bleiben, wenn er den richtigen Namen und die richtige Geschichte hat. Denn diese Woche wird der schwarze Sheriff kommen, der zukünftige Landesvater, und den alten Stadthausbesitzern, einen Pakt anbieten. Also auch dir, du musst da natürlich kommen, denn dein wird sein der Jesuitenpalast nebenan, du bist einer der wenigen, die wieder zurückgekommen sind in die dicken Mauern ihrer Vorfahren, dich wollen sie dem zukünftigen Landesvater präsentieren - und du sagst zu, denn nach dieser Woche hier bist du genau in der richtigen Stimmung, um dem Kerl mal zu sagen, was du von der verfickten Kaputtmacherei der Altstadt durch seine Lederhosen-Musikantenstadl-Traditionsbewahrer und ihren Shopping Malls a la Berlinaise auf der grünen Wiese hältst.
donalphons, 20:19h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Montag, 13. Juni 2005
Sehr zu empfehlen: Die Wohnungsauflöser.
Um es gleich vorauszuschicken: Das Credo, die dauernd zu wiederholende kabbalistische Beschwörung für die jetzt folgende Tätigkeit ist ein Spruch, den ich von meiner allzeit raffgierigen Grosstante gelernt habe - dofia find si scho no a Platzl - für dieses Objekt findet sich sicher noch ein passender Ort. Und meine Frau Mama, die es nicht mochte, dass meine Grosstante ihren Grossneffen schon als Kind zu solchen Plünderungstouren mitschleifte, antwortete bei jedem angeschleppten Trumm mit pikiertem Schriftdeutsch: Also, für so etwas (hier leichter Schauder in der Stimme) ist wirklich kein Platz mehr. Angesichts des riesigen, rappelvollen Lieferwagens aus Berlin sagte sie gar nichts mehr, da verschlug es ihr die Sprache. Nichtsdestotrotz sind in den letzten zwei Wochen seit meiner Rückkehr aus Berlin vier Stehlampen und zwei Spiegel von ihr konfisziert worden, und ich fragte mich heute morgen, wo die Kiste mit dem Bernadotteporzellan vom Zarenlieferanten Concordia wohl sein mag, bis ich es heute Nachmittag fand - meine Mutter hat es mitsamt Kuchen ihren neidig-blassen Freundinnen vorgesetzt, die garantiert kein Porzellan aus Karlsbad haben. Also immer daran denken: Dofia find si scho a Platzl.
Ob ich Berlin nicht doch schon vermisse, etwas zumindest, werde ich gefragt. Nein. Absolut nicht. Ich bin froh, dass ich weg bin. Ich habe Berlin schon immer nicht leiden können, und ich habe 15 Monate am Stück die Kälte, den Gestank, den Dreck, die unfreundlichen Berliner und ihre versifften Nachäffer aus der Provinz gehasst. Einmal die schmatzschaufelnden Tischsitten der Kastanienallee sehen heisst begreifen, dass das Oktoberfest eigentlich doch eine recht zivilierte Angelegenheit ist. Ich hatte eine Bauhaus-Wohnung, in der es sich aushalten liess, ich hatte das Blog hier zum Abreagieren, ich habe ein paar nette Leute kennengelernt, die sich nicht so haben gehen lassen, aber als vor einer Woche mein kleiner, blauer Punto spät Nachts die Landesgrenze nach Bayern passiert hat, dachte ich gar nicht mehr an das, was da hinter mir lag. Vorbei, aus, kein Thema, ich bin ein sonniges Gemüt, selbst mein Hass verfliegt nach ein paar Stunden. Hauptsache, ich muss da nie wieder hin.
Dennoch werde ich ab und zu hinauf fahren. Zum Plündern. Denn so sehr mir Berlin mittlerweile egal ist, so sehr fehlt hier in Bayern der Luxus, den einem der Berliner bereitwillig nachwirft. Berlin war schon immer die Blutzecke an der deutschen Lebenader, aber was heute als Privilegien- und Unterstützungsempfänger die Wirtschaft ruiniert, war etwa ein Jahrhundert lang, von 1840 bis 1940, der wirtschaftliche Motor dieses Landes. In Berlin wurde die Eisenbahn, die Dampf- und Elektroindustrie, und später dann die Industrie des Massenmords konzentriert; alles hochprofitabel und durch Exporte in andere Landesteile vorzüglich geeignet, um sie auszuplündern. Der Berliner verdiente gut anderthalb mal soviel wie der normale Deutsche, und das Verhältnis zum unterentwickelten Bayern lag bei 2:1. Setzt man voraus, dass die Lebenshaltungskosten annähernd identisch waren, konnte die bessere Gesellschaft von Berlin für Luxusartikel das drei- oder vierfache von dem ausgeben, was eine im Status entsprechende bayerische Familie (wie die meinige) zur Verfügung hatte.
Die Folgen sieht man, wenn in Berlin Haushalte aufgelöst werden. Die besseren Familien spucken Silber in Mengen aus, die alles, was man in Bayern an versilbertem Besteck findet, in den Schatten stellen. Der bayerische Antikhändler deutet auf die 90er oder 100er Stempel seiner auf schwarzem Samt ausgebreiteten Bestecke und sagt voller Stolz: WMF versilbert! Stück 10 Euro! Der Berliner Wohnungsauflöser stellt einem eine Kiste hin und sagt: Jedes Teil 2 Euro. Von einem 800er-Silberstempel hat er so viel Ahnung wie von dem Umstand, dass die Gebrüder Friedländer, die die Griffe der obigen Messer gefertigt haben, preussische Hofjuweliere waren. In Berlin habe ich nach kurzer Begeisterung über 36 versilberte Teile BSF für ein paar Euro ganz schnell aufgehört, etwas anderes als Silber zu kaufen. Alles andere lohnt sich nicht. Berlin hat solche Unmengen davon; offensichtlich waren weder die Russen noch die Metallkollekten der Weltkriege besonders effektiv.
Aber jetzt sterben die Leute, die das noch zu schätzen wussten, ihre Erben geben das Kilo für ein paar Euro an die Auflöser, und die finden noch nicht mal Kunden - denn Berlin ist heute arm. All die Illegalen dort berücksichtigt und die Steuerhinterzieher und Vermögensverstecker hier in Bayern mit einbezogen, hat sich das Verhältnis trotz Transferleistungen umgekehrt. Bayerischer Antiquitätenhandel ist fünf bis zehn mal so teuer wie Wohnungsauflöser in Berlin. In zwei Wochen Berlin kann man, wenn man die richtigen Adressen kennt, mehr zusammentragen, als in Bayern in einem Jahr - und das zu einem Bruchteil des Preises.
Das hier ist einer dieser Wohnungsauflöser. Er ist im Wedding, also einem Stadtteil, der seine Existenz dem grossen Industrieboom in der Zeit um 1900 verdankt. Es ist sinnvoll, sich bei der Suche nach derartigen Läden an die Gegenden zu halten, die früher von besseren Leuten bewohnt wurden, und das gab es im Wedding entgegen aller Gerüchte auch - in dieser Strasse, zum Beispiel. Heute ist sie heruntergekommen, die Stuckfassaden bröckeln, aber bei Nacht sieht man hinter dem ein oder anderem Fenster noch einen grossen Kristallleuchter erstrahlen.
Wohnungsauflösung in Berlin ist meist eine Kiezangelegenheit. Der Berliner geht zu den Auflösern um die Ecke, lässt sie die Einrichtung schätzen, nimmt ein paar hundert Euro für alles und glaubt, ein gutes Geschäft gemacht zu haben, für den alten Plunder. Der Wohnungsauflöser stopft das alles irgendwie in seinen kleinen Laden, der meist nur 2, 3 Zimmer hat, stapelt hoch bis unter den oft grandiosen Stuck, und so steht alles zusammen: Billige Stahllöffel neben silbernem Fischbesteck, Pressglas neben Kristallkelchen, Lausitzer Emailtopf neben japanischer Cloisonné-Vase, China-Nippes neben Murano, geschmackloser Webteppich neben Täbris, oder da oben:
Schreckliche Geschmacksverirrungen neben einem Paar Alabasterlampen aus den dreissiger Jahren, zeitlos klassisch mit speziell gefertigten Seidenschirmen. Die gleichen könnten ohne Probleme auch in einem englischen Landhaus stehen, oder bei einem Münchner Antiquitätenhändler. Tun sie auch, letzte Woche gesehen im Gärtnerplatzviertel für 550 Euro das Paar. Die auf dem Bild stehen jetzt allerdings bei mir, und gekostet haben sie 32 Euro.
Es gibt so viel davon... wie gesagt, mein Ford Transit war voll bis unter die Decke, als ich zurück kam. Manches habe ich stehen lassen. Für manches war ich einfach zu dumm. 72 Teile Hutschenreuther Porzellan für 12 Personen mit allem Drum und Dran, profiliert aus den 60er Jahren - das habe ich erst mal photographiert, meiner Mutter das Bild geschickt, festgestellt, dass ihre Gegenwehr nicht allzu gross war, und dann, als ich es kaufen wollte, war es weg. Eine Schwäbin verliess den Laden mit zwei Kisten, als ich ihn betrat. Hutschenreuther, K(rister)PM, Thomas, Seltmann, und all die alten, in den letzten Jahrzehnten untergegangenen Porzellanfirmen mit ihren exquisiten Produkten - das gilt dem Berliner wenig oder nichts, das kennt er nicht mehr. Wohnungsauflöser kennen Berliner KPM, Meissen, manchmal noch Rosenthal, das war´s dann aber auch schon. 1 Euro pro Stück ist meist schon die Obergrenze, oder bei diesem Service, 41 Teile Essgeschirr für 12 Personen:
35 Euro Ausgangspreis. Elfenbeinfarben, praktisch neu, wahrscheinlich ein mie benutztes Hochzeitsgeschenk. Mit einem damals, in den späten 50er Jahren, gewagten Motiv mit vielen kleinen, umlaufenden Sternchen auf den Spiegeln. Ein wenig verspielt, ein wenig glamurös. Es steht seit einem halben Jahr in diesem Laden, ich habe einfach keinen Platz dafür, und es passt stilistisch nicht in meine Wohnungen. Vielleicht kommt mal ein Leser in die Amsterdamer Strasse, direkt gegenüber vom Cafe Schraders, Berlin Wedding, da ist ein Laden namens Meyers Kaufhaus, im zweiten Schaufenster von links. Es ist sicher keine Rarität, keine Kostbarkeit, und so viel wird man nie brauchen - wer lädt heute noch 12 Personen ein? - aber wenn mal ein, zwei, drei, vier Teller herunterfallen, hat man immer noch genug. Oder, wenn man eine Freundin hat und sich trennt, kann man es in zwei 6er-Service teilen. Man kann sicher auch noch etwas handeln.
Man muss nur zwei Dinge können; man muss ich vorstellen können, wie es wirkt, wenn es auf einem ordentlichen Tisch steht. Und immer daran denken: Dafür findet man schon noch einen Platz. Garantiert. Und wenn nicht: Das junge Mädchen, das es bei einem sieht, sofort von den Sternchen begeistert ist und es soooo gern haben würde, das läuft schon zu Hunderten durch die angesagten Strassen von Berlin. Aber da zieht es mich nicht hin. Mich wird es in die schäbigen Gassen ziehen, in denen früher der Reichtum zu Hause war, der bei mir ein neues Zuhause bekommen wird.
Die Berliner, die geschmacklosen Vollproleten, wollen es ja nicht anders, solange sie dafür ihre zwei Euro bekommen.
Ob ich Berlin nicht doch schon vermisse, etwas zumindest, werde ich gefragt. Nein. Absolut nicht. Ich bin froh, dass ich weg bin. Ich habe Berlin schon immer nicht leiden können, und ich habe 15 Monate am Stück die Kälte, den Gestank, den Dreck, die unfreundlichen Berliner und ihre versifften Nachäffer aus der Provinz gehasst. Einmal die schmatzschaufelnden Tischsitten der Kastanienallee sehen heisst begreifen, dass das Oktoberfest eigentlich doch eine recht zivilierte Angelegenheit ist. Ich hatte eine Bauhaus-Wohnung, in der es sich aushalten liess, ich hatte das Blog hier zum Abreagieren, ich habe ein paar nette Leute kennengelernt, die sich nicht so haben gehen lassen, aber als vor einer Woche mein kleiner, blauer Punto spät Nachts die Landesgrenze nach Bayern passiert hat, dachte ich gar nicht mehr an das, was da hinter mir lag. Vorbei, aus, kein Thema, ich bin ein sonniges Gemüt, selbst mein Hass verfliegt nach ein paar Stunden. Hauptsache, ich muss da nie wieder hin.
Dennoch werde ich ab und zu hinauf fahren. Zum Plündern. Denn so sehr mir Berlin mittlerweile egal ist, so sehr fehlt hier in Bayern der Luxus, den einem der Berliner bereitwillig nachwirft. Berlin war schon immer die Blutzecke an der deutschen Lebenader, aber was heute als Privilegien- und Unterstützungsempfänger die Wirtschaft ruiniert, war etwa ein Jahrhundert lang, von 1840 bis 1940, der wirtschaftliche Motor dieses Landes. In Berlin wurde die Eisenbahn, die Dampf- und Elektroindustrie, und später dann die Industrie des Massenmords konzentriert; alles hochprofitabel und durch Exporte in andere Landesteile vorzüglich geeignet, um sie auszuplündern. Der Berliner verdiente gut anderthalb mal soviel wie der normale Deutsche, und das Verhältnis zum unterentwickelten Bayern lag bei 2:1. Setzt man voraus, dass die Lebenshaltungskosten annähernd identisch waren, konnte die bessere Gesellschaft von Berlin für Luxusartikel das drei- oder vierfache von dem ausgeben, was eine im Status entsprechende bayerische Familie (wie die meinige) zur Verfügung hatte.
Die Folgen sieht man, wenn in Berlin Haushalte aufgelöst werden. Die besseren Familien spucken Silber in Mengen aus, die alles, was man in Bayern an versilbertem Besteck findet, in den Schatten stellen. Der bayerische Antikhändler deutet auf die 90er oder 100er Stempel seiner auf schwarzem Samt ausgebreiteten Bestecke und sagt voller Stolz: WMF versilbert! Stück 10 Euro! Der Berliner Wohnungsauflöser stellt einem eine Kiste hin und sagt: Jedes Teil 2 Euro. Von einem 800er-Silberstempel hat er so viel Ahnung wie von dem Umstand, dass die Gebrüder Friedländer, die die Griffe der obigen Messer gefertigt haben, preussische Hofjuweliere waren. In Berlin habe ich nach kurzer Begeisterung über 36 versilberte Teile BSF für ein paar Euro ganz schnell aufgehört, etwas anderes als Silber zu kaufen. Alles andere lohnt sich nicht. Berlin hat solche Unmengen davon; offensichtlich waren weder die Russen noch die Metallkollekten der Weltkriege besonders effektiv.
Aber jetzt sterben die Leute, die das noch zu schätzen wussten, ihre Erben geben das Kilo für ein paar Euro an die Auflöser, und die finden noch nicht mal Kunden - denn Berlin ist heute arm. All die Illegalen dort berücksichtigt und die Steuerhinterzieher und Vermögensverstecker hier in Bayern mit einbezogen, hat sich das Verhältnis trotz Transferleistungen umgekehrt. Bayerischer Antiquitätenhandel ist fünf bis zehn mal so teuer wie Wohnungsauflöser in Berlin. In zwei Wochen Berlin kann man, wenn man die richtigen Adressen kennt, mehr zusammentragen, als in Bayern in einem Jahr - und das zu einem Bruchteil des Preises.
Das hier ist einer dieser Wohnungsauflöser. Er ist im Wedding, also einem Stadtteil, der seine Existenz dem grossen Industrieboom in der Zeit um 1900 verdankt. Es ist sinnvoll, sich bei der Suche nach derartigen Läden an die Gegenden zu halten, die früher von besseren Leuten bewohnt wurden, und das gab es im Wedding entgegen aller Gerüchte auch - in dieser Strasse, zum Beispiel. Heute ist sie heruntergekommen, die Stuckfassaden bröckeln, aber bei Nacht sieht man hinter dem ein oder anderem Fenster noch einen grossen Kristallleuchter erstrahlen.
Wohnungsauflösung in Berlin ist meist eine Kiezangelegenheit. Der Berliner geht zu den Auflösern um die Ecke, lässt sie die Einrichtung schätzen, nimmt ein paar hundert Euro für alles und glaubt, ein gutes Geschäft gemacht zu haben, für den alten Plunder. Der Wohnungsauflöser stopft das alles irgendwie in seinen kleinen Laden, der meist nur 2, 3 Zimmer hat, stapelt hoch bis unter den oft grandiosen Stuck, und so steht alles zusammen: Billige Stahllöffel neben silbernem Fischbesteck, Pressglas neben Kristallkelchen, Lausitzer Emailtopf neben japanischer Cloisonné-Vase, China-Nippes neben Murano, geschmackloser Webteppich neben Täbris, oder da oben:
Schreckliche Geschmacksverirrungen neben einem Paar Alabasterlampen aus den dreissiger Jahren, zeitlos klassisch mit speziell gefertigten Seidenschirmen. Die gleichen könnten ohne Probleme auch in einem englischen Landhaus stehen, oder bei einem Münchner Antiquitätenhändler. Tun sie auch, letzte Woche gesehen im Gärtnerplatzviertel für 550 Euro das Paar. Die auf dem Bild stehen jetzt allerdings bei mir, und gekostet haben sie 32 Euro.
Es gibt so viel davon... wie gesagt, mein Ford Transit war voll bis unter die Decke, als ich zurück kam. Manches habe ich stehen lassen. Für manches war ich einfach zu dumm. 72 Teile Hutschenreuther Porzellan für 12 Personen mit allem Drum und Dran, profiliert aus den 60er Jahren - das habe ich erst mal photographiert, meiner Mutter das Bild geschickt, festgestellt, dass ihre Gegenwehr nicht allzu gross war, und dann, als ich es kaufen wollte, war es weg. Eine Schwäbin verliess den Laden mit zwei Kisten, als ich ihn betrat. Hutschenreuther, K(rister)PM, Thomas, Seltmann, und all die alten, in den letzten Jahrzehnten untergegangenen Porzellanfirmen mit ihren exquisiten Produkten - das gilt dem Berliner wenig oder nichts, das kennt er nicht mehr. Wohnungsauflöser kennen Berliner KPM, Meissen, manchmal noch Rosenthal, das war´s dann aber auch schon. 1 Euro pro Stück ist meist schon die Obergrenze, oder bei diesem Service, 41 Teile Essgeschirr für 12 Personen:
35 Euro Ausgangspreis. Elfenbeinfarben, praktisch neu, wahrscheinlich ein mie benutztes Hochzeitsgeschenk. Mit einem damals, in den späten 50er Jahren, gewagten Motiv mit vielen kleinen, umlaufenden Sternchen auf den Spiegeln. Ein wenig verspielt, ein wenig glamurös. Es steht seit einem halben Jahr in diesem Laden, ich habe einfach keinen Platz dafür, und es passt stilistisch nicht in meine Wohnungen. Vielleicht kommt mal ein Leser in die Amsterdamer Strasse, direkt gegenüber vom Cafe Schraders, Berlin Wedding, da ist ein Laden namens Meyers Kaufhaus, im zweiten Schaufenster von links. Es ist sicher keine Rarität, keine Kostbarkeit, und so viel wird man nie brauchen - wer lädt heute noch 12 Personen ein? - aber wenn mal ein, zwei, drei, vier Teller herunterfallen, hat man immer noch genug. Oder, wenn man eine Freundin hat und sich trennt, kann man es in zwei 6er-Service teilen. Man kann sicher auch noch etwas handeln.
Man muss nur zwei Dinge können; man muss ich vorstellen können, wie es wirkt, wenn es auf einem ordentlichen Tisch steht. Und immer daran denken: Dafür findet man schon noch einen Platz. Garantiert. Und wenn nicht: Das junge Mädchen, das es bei einem sieht, sofort von den Sternchen begeistert ist und es soooo gern haben würde, das läuft schon zu Hunderten durch die angesagten Strassen von Berlin. Aber da zieht es mich nicht hin. Mich wird es in die schäbigen Gassen ziehen, in denen früher der Reichtum zu Hause war, der bei mir ein neues Zuhause bekommen wird.
Die Berliner, die geschmacklosen Vollproleten, wollen es ja nicht anders, solange sie dafür ihre zwei Euro bekommen.
donalphons, 00:12h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Sonntag, 12. Juni 2005
Aria di Passacaglia
Cosi mi disperazette?
Cosi voi, voi mi burlate?
Tempo verra, ch´Amore
Fara di vostre core
Quel, che fate del mio
Non piu parole, addio.
Arhythmisch, in schrillen Septen baut sich das Geklingel über Girolamo Frescobaldis Arie auf, viel zu schnell, viel zu laut, und bis ich dran bin, ist es schon wieder vorbei. Aber die Nummer ist noch da - da hat sie doch tatsächlich angerufen, nach gut und gern 10 selten beantworteten Mails. Dann eben andersrum - Hi.
Hi. Bist du da?
Ja.
Ich habe das Licht in deinem Fenster gesehen, und dachte, ich schau mal...
Ich habe dir geschrieben, dass ich da bin.
Ja, schon gut. Kann ich kurz hochkommen?
Gern. Der Tee ist fertig.
Aber nur kurz.
Sie muss neben der Tür gestanden haben, so schnell wie es klingelt. Sie sieht müde aus, fertig, gar nicht gut. Sie lässt sich das Mäntelchen von den Schultern nehmen, die in einen dicken, weissen Zopfpulli gut verpackt sind, zu gut vielleicht, aber es ist schon wieder Spätherbst, insofern - als ich den Mantel aufgehängt habe, sitzt sie schon auf dem nüchternen Küchenstuhl, gut, sie nimmt 1 Glas Tee, aber bitte nicht zu voll, weil sie nachher noch wohin muss, und also...
Also - gab es Ärger.
Ja.
...
Er hat es bemerkt. Und ich bin eine schlechte Lügnerin. Ich habe ihm nicht alles gesagt, aber er...
War nicht angetan.
Nein. Er wollte sich trennen.
Und jetzt?
Ich habe ihm versprochen, dass es nicht wieder passiert.
Irgendwann werde ich vielleicht ein Buch über Liebe und Sex in der New Economy schreiben, so ein schmales Ding mit Case Studies, gerade mal dick genug für die ICE-Fahrt Hamburg Frankfurt, das sie in Bahnhofsbuchhandlungen in Stapeln rumliegen lassen. Darin werde ich erklären, wie es die Neue Wirtschaft geschafft hat, eine Renaissance entsetzlich alter Pseudotugenden auf den Weg zu bringen. Früher, ganz ganz früher, war Sex mit BWLerinnen nichts, wessen man sich rühmen konnte. Solange man sich an die Regeln hielt, konnte nichts schief gehen. Die BWLer-Freunde waren sowieso nur kurzfristige Angelegenheiten, denn nach dem Studium würden beide den jeweils passenden Job nehmen und eine Weile, bis zum gehobenen Management, allein durch die Welt gondeln. Wer dabei treu bleibt, sitzt während der zweiten Hälfte der Jugend- und Sexblüte verdammt oft in unterurchschnittlichen Hotelzimmern vor der Glotze, säuft Martini D´Oro und hasst sich, weil die Pralinen von der Tanke gegenüber fett machen. Eine gewisse moralische Flexibilität passte ganz gut zur beruflichen Mobilität dieser Gruppe, solange es nicht in der Firma passierte...
Wie es dann fast üblich wurde, in den grossen Zeiten von 1997ff.. Damals ging alles ganz schnell, von Frankfurt aus verbreitete sich die After Work Party endemisch, irgrendwo zwischen Jahrmarkt der Eitelkeiten, PR-Rhetorik-Seminar und Swingerclub. Formal sortierte sich Gründer zu Gründerin, die Praktikanten fanden notwendigerweise zueinander, sobald sie von den höheren Herrschaften abgelegt wurden, und Heiraten war vor allen ein Tool zum Steuersparen. Darunter gab es unbegrenzte Möglichkeiten für alle und jeden, auch dank der Sogwirkung des Internets, die alles brauchen konnte, Sinologen als Vertriebschef East Asia, Kunstgeschichtlerinnen als Creative Consultants, abgebrochene Maschinenbauer als CEOs, und faule Luftnummern au besserem Hause für alles, was halbwegs seriös wirken sollte, idealerweise CFO. Da kam viel zusammen, auch viel Alk und wenig Freizeit, und deshalb waren Vorspiele und längeres Daten vor der ersten Nacht unangemessen, bei den 180 bpm der neuen Wirtschaft.
Heute hat man und besonders Frau wieder Zeit. In Berlin vergrössert sich jetzt jede Nacht das Sportbuggykampfgeschwader Mitte "Walküre", in den Bankentürmen Frankfurts merkt man, dass eine treue Ehe mit Kindern den Job retten kann, in München, erzählen mir alte Freunde, gibt es Einladungen, zu denen Begleitung vorrausgesetzt wird, und die Elitesse mir gegenüber -verspricht- ihrem Freund, dass -es- nicht wieder -passiert-. Und so, wie sie es sagt, so, wie sie nicht auf die Mails reagiert hat, meint sie es ernst. Und ehrlich. Nicht mit voller Überzeugung, aber mit Entschlossenheit.
Und du hast vor, dich daran zu halten
Ja.
OK. Es geht auch ohne -es-. Hast Du Hunger? Soll ich was kochen?
Du bist unmöglich.
Ja, durchaus. Gemüseravioli in Pfifferlingrahm? Sehr gesund, macht nicht dick..
...von dem Käse mit Doppelrahmstufe mal abgesehen, zum Glück stellt sie keine blöden Fragen, auf die ich mit einer 3%-Fett-Lüge reagieren müsste, sondern streift durch die Wohnung, betrachtet lange das Bild und findet auch, dass es nach Paris ausschaut, wo sie eigentlich mal mit ihrem Freund hinwollte, aber sie hat sicher keine Zeit, alles so stressig im Moment. Ich lasse die Hände bei mir und verkneife mir irgendwelche Bemerkungen über die Form meiner Tomaten, -es- passt einfach nicht. Nicht heute Nacht.
Irgendwann später steht sie auf, geht zum Fenster und fragt, wieviel Uhr es ist, denn da draussen wird es schon fast wieder hell. 4 Uhr, sage ich, und sie muss jetzt aber wirklich los, denn morgen ist sie eingeladen bei einem Studententreffen, da will sie noch etwas schlafen, vor diesem Abend, und ausserdem, tja - und weg ist sie. Ich drehe die Schallplatte mit Frescobaldi um, lege mich ins Bett und lese eine Geschichte von Fitzgerald, über einen Toten in einem Zug, der aus einer kleinen, elitären Provinzstadt seine letzte Reise ins ferne Chicago antritt, ohne die blonde Tochter aus besserem Hause zu treffen, für die er noch einmal unter die Lebenden zurückgekehrt ist.
Cosi voi, voi mi burlate?
Tempo verra, ch´Amore
Fara di vostre core
Quel, che fate del mio
Non piu parole, addio.
Arhythmisch, in schrillen Septen baut sich das Geklingel über Girolamo Frescobaldis Arie auf, viel zu schnell, viel zu laut, und bis ich dran bin, ist es schon wieder vorbei. Aber die Nummer ist noch da - da hat sie doch tatsächlich angerufen, nach gut und gern 10 selten beantworteten Mails. Dann eben andersrum - Hi.
Hi. Bist du da?
Ja.
Ich habe das Licht in deinem Fenster gesehen, und dachte, ich schau mal...
Ich habe dir geschrieben, dass ich da bin.
Ja, schon gut. Kann ich kurz hochkommen?
Gern. Der Tee ist fertig.
Aber nur kurz.
Sie muss neben der Tür gestanden haben, so schnell wie es klingelt. Sie sieht müde aus, fertig, gar nicht gut. Sie lässt sich das Mäntelchen von den Schultern nehmen, die in einen dicken, weissen Zopfpulli gut verpackt sind, zu gut vielleicht, aber es ist schon wieder Spätherbst, insofern - als ich den Mantel aufgehängt habe, sitzt sie schon auf dem nüchternen Küchenstuhl, gut, sie nimmt 1 Glas Tee, aber bitte nicht zu voll, weil sie nachher noch wohin muss, und also...
Also - gab es Ärger.
Ja.
...
Er hat es bemerkt. Und ich bin eine schlechte Lügnerin. Ich habe ihm nicht alles gesagt, aber er...
War nicht angetan.
Nein. Er wollte sich trennen.
Und jetzt?
Ich habe ihm versprochen, dass es nicht wieder passiert.
Irgendwann werde ich vielleicht ein Buch über Liebe und Sex in der New Economy schreiben, so ein schmales Ding mit Case Studies, gerade mal dick genug für die ICE-Fahrt Hamburg Frankfurt, das sie in Bahnhofsbuchhandlungen in Stapeln rumliegen lassen. Darin werde ich erklären, wie es die Neue Wirtschaft geschafft hat, eine Renaissance entsetzlich alter Pseudotugenden auf den Weg zu bringen. Früher, ganz ganz früher, war Sex mit BWLerinnen nichts, wessen man sich rühmen konnte. Solange man sich an die Regeln hielt, konnte nichts schief gehen. Die BWLer-Freunde waren sowieso nur kurzfristige Angelegenheiten, denn nach dem Studium würden beide den jeweils passenden Job nehmen und eine Weile, bis zum gehobenen Management, allein durch die Welt gondeln. Wer dabei treu bleibt, sitzt während der zweiten Hälfte der Jugend- und Sexblüte verdammt oft in unterurchschnittlichen Hotelzimmern vor der Glotze, säuft Martini D´Oro und hasst sich, weil die Pralinen von der Tanke gegenüber fett machen. Eine gewisse moralische Flexibilität passte ganz gut zur beruflichen Mobilität dieser Gruppe, solange es nicht in der Firma passierte...
Wie es dann fast üblich wurde, in den grossen Zeiten von 1997ff.. Damals ging alles ganz schnell, von Frankfurt aus verbreitete sich die After Work Party endemisch, irgrendwo zwischen Jahrmarkt der Eitelkeiten, PR-Rhetorik-Seminar und Swingerclub. Formal sortierte sich Gründer zu Gründerin, die Praktikanten fanden notwendigerweise zueinander, sobald sie von den höheren Herrschaften abgelegt wurden, und Heiraten war vor allen ein Tool zum Steuersparen. Darunter gab es unbegrenzte Möglichkeiten für alle und jeden, auch dank der Sogwirkung des Internets, die alles brauchen konnte, Sinologen als Vertriebschef East Asia, Kunstgeschichtlerinnen als Creative Consultants, abgebrochene Maschinenbauer als CEOs, und faule Luftnummern au besserem Hause für alles, was halbwegs seriös wirken sollte, idealerweise CFO. Da kam viel zusammen, auch viel Alk und wenig Freizeit, und deshalb waren Vorspiele und längeres Daten vor der ersten Nacht unangemessen, bei den 180 bpm der neuen Wirtschaft.
Heute hat man und besonders Frau wieder Zeit. In Berlin vergrössert sich jetzt jede Nacht das Sportbuggykampfgeschwader Mitte "Walküre", in den Bankentürmen Frankfurts merkt man, dass eine treue Ehe mit Kindern den Job retten kann, in München, erzählen mir alte Freunde, gibt es Einladungen, zu denen Begleitung vorrausgesetzt wird, und die Elitesse mir gegenüber -verspricht- ihrem Freund, dass -es- nicht wieder -passiert-. Und so, wie sie es sagt, so, wie sie nicht auf die Mails reagiert hat, meint sie es ernst. Und ehrlich. Nicht mit voller Überzeugung, aber mit Entschlossenheit.
Und du hast vor, dich daran zu halten
Ja.
OK. Es geht auch ohne -es-. Hast Du Hunger? Soll ich was kochen?
Du bist unmöglich.
Ja, durchaus. Gemüseravioli in Pfifferlingrahm? Sehr gesund, macht nicht dick..
...von dem Käse mit Doppelrahmstufe mal abgesehen, zum Glück stellt sie keine blöden Fragen, auf die ich mit einer 3%-Fett-Lüge reagieren müsste, sondern streift durch die Wohnung, betrachtet lange das Bild und findet auch, dass es nach Paris ausschaut, wo sie eigentlich mal mit ihrem Freund hinwollte, aber sie hat sicher keine Zeit, alles so stressig im Moment. Ich lasse die Hände bei mir und verkneife mir irgendwelche Bemerkungen über die Form meiner Tomaten, -es- passt einfach nicht. Nicht heute Nacht.
Irgendwann später steht sie auf, geht zum Fenster und fragt, wieviel Uhr es ist, denn da draussen wird es schon fast wieder hell. 4 Uhr, sage ich, und sie muss jetzt aber wirklich los, denn morgen ist sie eingeladen bei einem Studententreffen, da will sie noch etwas schlafen, vor diesem Abend, und ausserdem, tja - und weg ist sie. Ich drehe die Schallplatte mit Frescobaldi um, lege mich ins Bett und lese eine Geschichte von Fitzgerald, über einen Toten in einem Zug, der aus einer kleinen, elitären Provinzstadt seine letzte Reise ins ferne Chicago antritt, ohne die blonde Tochter aus besserem Hause zu treffen, für die er noch einmal unter die Lebenden zurückgekehrt ist.
donalphons, 01:38h
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