Real Life 14.06.05 - Auf der Dachterasse

Er ist sehr früh aufgestanden, irgendwo im Norden der Republik, hat das Werkzeug zusammengesucht, in einen Karton gepackt, und ist losgefahren. Stunde um Stunde, in Richtung Süden, bis er dann durch die verwinkelten Strassen der Altstadt beim Wohnheim seiner Tochter ankam. Er hat die überteuerten Parktarife geschluckt, die Kiste ausgepackt, und ist dann hoch zu ihr, wahrscheinlich ohne zu bemerken, dass auf der Dachterasse hoch über ihm ein junger Mann an einem Laptop etwas schreibt. Wenn man zu früh aufsteht, hat man keinen Blick für Details übrig, und die kommenden Aufgaben verleiten auch nicht gerade dazu, genussvoll den Reiz der umgebenden manieristischen Baukunst in sich aufzunehmen.

Er klingelt, und heraus kommt eine typische Elitesse, seine Tochter. Sie hat ihr schnurloses Telefon dabei, und eine Schachtel Zigaretten. Er geht hinein, und als er eine viertel Stunde später wieder herauskommt, redet sie schon etwas länger mit einer Freundin, denn es geht um das Studium und das ewige, nervtötende Lernen. Er hat sich umgezogen, Arbeitskleidung, kurze Hose und offenes Hemd. Und er fragt sie etwas, was sie mit einem ungenauen Deuten in Richtung Wohnungstür quittiert. Er verschwindet, kommt gleich wieder, sie folgt ihm kurz und ist gleich wieder da, um eine zu rauchen und wieder jemanden anzurufen. Inzwischen räumt ihr Vater ihr Bad leer und schichtet den Inhalt, Handtücher, etwas saubere und einen grossen Haufen zusammengeknüllter Wäsche auf die Balustrade. Als er auch noch die Kosmetika bringt, greift sie ein und dirigiert ihn zu einem Ort, wo die Fläschchen sicher stehen.

Er verschwindet, sie telefoniert und raucht etwas. Sie steht gelangweilt an der Balustrade, neigt sich etwas über den Hof, eine dünne, elegant geschwungene Linie, blond und nach den Massstäben der Plastic-Techno-Clips von MTV und Viva sehr gut, idealtypisch aussehend, in weiss, pastellorange und dazwischen solariumsbraun um den Bauchnabel. Sie ist nicht wirklich begeistert über den Ablauf dieses Vormittags, aber vermutlich muss das jetzt einfach sein. Es ist wohl auch mehr als das Bad, denn ihr Vater schleppt Teile der Einrichtung heraus, stellt ab und zu eine Frage, die sie meist mit einem Achselzucken beantwortet. Da drin muss es einige Probleme geben.

Nach zwei Stunden hat sie keine Fluppen mehr und geht, um sich neue zu beschaffen. Ihr Vater kommt kurz darauf heraus, schaut sich um, sieht sie nicht. Auch aus 20 Meter Entfernung ist dem Mann am Laptop auf der Dachterasse klar, dass er innerlich erregt ist. Er hat immer alles bezahlt, die riesige Garderobe, das Pferd, die Friseurtermine und die Unmenge an Kosmetika, die Schuhe, die jetzt auf einem Haufen im Gang liegen, das Telefon und die Fluppen, dieses Luxusstudium und das gesamte Styling, das sie hier braucht, um für die Assessment Center ansprechend zu wirken. Als er sie zur Aufnahmeprüfung gebracht hat, dachte er vielleicht an den glanzvollen Weihnachtsball der Elite-Uni.

Er hat ganz sicher nicht erwartet, dass er nach zwei Stunden Dreckschippen im morastigen, runtergekommenen Wohnloch seiner Tochter auch noch auf diese blöde Kuh warten muss. Wahrscheinlich dämmert es ihm gerade, dass er ein paar grundlegende Fehler in der Erziehung dieses unterernährten Luxusmädchens gemacht hat, aber jetzt ist es zu spät, neu zu beginnen.

Dann sieht er sie die offene Treppe hochkommen, und will wissen, wo sie war. Sie ist von den lauten Tönen sichtlich genervt, und als sie bei ihm ist, hebt ein kurzer, bissiger Streit an, leise und dennoch intensiv, in etwa so, wie sie später mal als angehenden HR-Zicke ihre Untergebenen abkanzeln wird. Er verschwindet wieder in der Wohnung, sie raucht noch eine, bis der Ruf "Jetzt komm endlich!" so laut aus der Wohnung dringt, dass es auch der Mann auf der Dachterasse in der Hektik seines Aufbruchs versteht.

Denn im Westen hat sich vor dem Wohnheim eine imposante, dunkle Wolke aufgebaut; eines dieser barocken Ungetüme, in das auf den Kirchengemälden dieser Region bevorzugt Luzifer, Dämonen, Sünder und Ungläubige gestürzt werden. Der Mann auf der Dachterasse weiss, dass es nur noch wenige Minuten dauern wird, bis dichter, kurzer, apokalyptischer Regen hernierderprasselt, die warme Luft kühlend und reinigend, gut für die Pflanzen, aber schlecht für den Laptop. Und erst, als er mit frischem Tee an seinem Bureau Plat sitzt, die Beine behaglich auf dem kaukasischen Teppich ausgestreckt, überlegt er, wie es jetzt auf den 18 verdreckten Quadratmetern da unten gerade zugehen mag. Vielleicht raucht sie am leicht offenen Fenster und bekommt ein paar Tropfen ab, während er unter dem Waschbecken an einer nicht passenden Zange verzweifelt. Und die richtige Zange ist weit, weit im Norden der Republik.

Mittwoch, 15. Juni 2005, 14:02, von donalphons | |comment

 
Was der junge Mann so alles mitkriegt, por ca Madonna!

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Der junge Mann hätte sich die Augen ausbrennen müssen, um das nicht mitzubekommen. Aber es passte ohnehin zu den sonstigen Erlebnissen des jungen Mannes, der ein ganzes Wohnheim wie ein tief gelegtes barockes Theater vor seiner Terasse hat, mit allen Leidenschaften wie Anorexie, Handyismus, Sportrauchen und Pillenichtvergessen.

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Ich hatte mal ein Bordell vor meiner Dachterrasse...

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look!
http://www.der- goldene- fisch.de
;)))

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Che, lass uns tauschen...

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So allmählich bekomme ich Lust, diesen Goldfisch da meinerseits mit Eigenwerbung zuzuspammen.

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Macht der das öfters? Falls ja, gibt´s Sanktionen... oder Steckerlgoldfisch :-)

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bei der Lu...
...steckt auch so ein Kommentar fest. Ist das nun die neueste Möglichkeit, Eigentraffic zu generieren? Um dann ein VC zu finden und denen das Blog zum höchstmöglichen Preis als die unwiederbringliche Gelegenheit mit hohem ROI zu verkaufen? Oh, oh, ich schweife schon wieder ab in den Urschlamm der NE...

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Frau arboretum: Einfach machen!

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Beim Kid37
und bei Miss Kinky hat dieser Fisch seinen ekligen Laich auch hingeschleimt...

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Na, dann schieben wir ihm doch gleich mal ein Editierungssteckerl durch die Schwimmblase :-)

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@ che: Hatte mich beim sofortigen Löschen schon etwas abreagiert.

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