Finch'han del vino

calda la testa
una gran festa
va preparar....

Oooops, da klingelt es, schon, wer mag das sein? Sollte sie zu früh? Ja bitte...? Oh, ein Leser meines Blogs, nein, du störst gar nicht, sie kommt erst gegen Abend, komm hoch, aber bitte, nein, ich habe Zeit, wirklich, ja, gerne.

Darf ich Dir virtuell einen Tee anbieten? Etwas Konfekt? Bitte... nein wirklich, ich habe Zeit, sie kommt erst gegen 6, aber ich habe schon mal für sie gedeckt, das muss alles ordentlich geplant und ausprobiert werden, denn der Tisch ist klein und das Geschirr ist gross - so sieht das dann aus, biegen muss sich der Tisch, wie man das in Bayern mag - hier in Bayern hält man so gar nichts von den leeren Tischen der nüwäl Küsien, hier gilt der alte Spruch: Wer ko, der ko.



Genauer gesagt, es gilt als Zeichen der Unhöflichkeit, Gäste unter den eigenen Möglichkeiten zu bewirten. Dabei achtet man allerdings in meiner Generation auf eine gewisse Balance; man versucht nicht, wie unsere Mütter das zwischen Kachelöfen und Butzenscheibenimitat betreiben, die anderen durch immer neue, immer prächtigere Gedecke zu beschämen. Da könnte ich Geschichten erzählen, aus dem grossen Probierlweger Rosenthalkrieg Anno 93... schreckliche Zeiten, damals, es ging nur zu Ende, weil die Beteiligten alle irgendwann keinen Platz mehr hatten, sie sind förmlich an ihren Waffen erstickt, und heute ist das ein kalter Krieg, ausgetragen vor den übervollen, extra für 24er Service angeschafften Vitrinen.

Aber es könnte jederzeit wieder losgehen, und erste Anzeichen sind schon da; es wird wohl diesmal auf dem Schlachtfeld des Tafelsilbers ausgetragen. Ja, gut, das ist meine Schuld gewesen, mein Berlinaufenthalt hat die Gewichte in meiner Heimat so verschoben wie die Endeckung des Silberbergs von Potosi zugunsten der Spanier im 16. Jahrhundert. Und das setzt sich gerade endemisch fort; justament gibt es sicher irgendeine Dame der hiesigen Gesellschaft, die ihre verlotterte Tochter in Berlin auf die Flohmärkte scheucht, um mit dem Porcamadonna-Clan gleichzuziehen.

Wie auch immer: Ich finde das lang-wei-lig, die immer gleichen, passenden Strecken Goldrand und Augsburger Faden, klassisch, uniform, fast schon faschistoid, dieser sklavische Zwang, dass alles identisch sein muss. Nebenbei gesagt ist das auch grauenvoll ahistorisch; die vorbürgerlichen Zeiten, denen von den hiesigen Bauern-, Handwerker- und Grattlernachfahren nachgeeifert wird, waren geprägt von einem grossen Durcheinander. Aber für diese Erkenntnis müssten die Spiesser hier sich wirklich mal die Prunkstilleben in der Alten Pinakothek anschauen, und nicht nur am Samstag von Velasquez zu Böcklin rennen, bevor es nach Nymphenburg zum Nippesshoppen geht, oh, schau mal Georg, dieser entzückende Porzellanmops, das wäre doch was für unsere Tochter, oder sollen wir ihr ein paar Serviettenringe mit Blümchen kaufen?

Ich schweife ab, pardon, jedenfalls ist hier alles durcheinander. Ich könnte auch anders, ich habe auch diese riesigen Geschirrsätze, aber ich pfeife drauf, ich nehme die Teller und grossen Platten, die mir mal eine Enkelin eines hiesigen Brauereibesitzers geschenkt hat -nemas des, Herr Porcamadonna, i hob koan Platz mea dofia, do feit scho wos - böhmische Gläser, portugiesische Karaffen - die auch ihre ganz eigene Geschichte haben - eigenes Familiensilber und Berliner Trouvaillen als Besteck gemischt, leichtes für die Vorspeise, schweres für den Hauptgang und Zweizacke zum Aufspiessen der Trauben, gelegt in mexikanische Schalen, dazu ein zarter Art-Deco-Brotkorb, ein englischer Leuchter und schwere Vorlegegabeln von Christofle und das alles auf Leinen aus der Zeit um 1860, und einem Lärchentisch, der 30 Jahre auf einem Balkon stand und davor 60 Jahre in einer Schneiderei... alles hat hier seine Geschichten

So lebt man also in der Provinz. Zumindest bei mir. Es gibt noch ein paar Besonderheiten; ich lege nur das Besteck für den ersten Gang "richtig" hin. Das erleichtert es den Gästen, sich durch das verschiedenartige Besteck zu wühlen. Es gibt nichts widerlicheres als die alten Weiber in der Vorstadt, die extra prächtig decken und sich vor empörter Geilheit gar nicht mehr einkriegen, wenn jemand einen Fehler macht; sei es nun, dass er zum falschen Löffel greift, das Brot mit dem Messer schneidet oder es wagen sollte, jedes Stück, das dort liegt, wirklich zu benutzen. Dann ist das beglückte Getratsche gross, nichts ist schöner als das Runtermachen, und die Dame des Hauses verbreitet, dass der Gast auf der Brennsuppe dahergeschwommen sein muss. Und sie denkt, dass sie ihm in Zukunft vielleicht doch besser silberne Untersetzer unter das Weinglas stellt, man weiss bei solchen Leuten ja nie, ob die nicht alles versauen...

Und das alles von einem dummen Gschleaf, das nicht kapiert, dass seine runden, kurzzinkigen, angeblichen Kuchengabeln eigentlich für Austern gedacht sind. So ist das bei uns in der Provinz. Kein Wunder, wenn man sich hier eigene Sitten erfindet, deren oberster Leitsatz heisst: Anything goes. Solange es nicht von Ikea und Muttern ist (meine Frau Mama ausgeschlossen).

Mittwoch, 15. Juni 2005, 16:41, von donalphons | |comment

 
Na, dann lade ich mich doch mal auf einen virtuellen Chateauneuf Du Pape oder Pedro de Almagro Gran Reserva ein und bringe meinerseits etwas von jenem langblättrigen Yünnan mit, der so optimal geeignet ist, schreibende Dons nachtsüber bei Laune zu halten.

Flohmärkte: Alles Tafelsilber der französischen Flohmärkte wurde in den letzten Monaten von Engländern aufgekauft. Ist das jetzt die neue Deckungsreserve für das Pfund? Fast könnte man es meinen, bei den Mengen. Vielleicht weiß Weltregierung mehr.....

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In England ist Silber im Moment extrem teuer, sogar prewar electroplated findet man zunehmend selten. Berichtet mein Hoflieferant für englisches Silber. Das hat mit deren Einrichtungsmoden zu tun, man werfe nur mal einen Blick in die World of Interiors. Genauso schlimm geht es im Moment bei venezianischen Spiegeln zu. Deshalb weichen die Briten nach Frankreich, Holland oder Dänemark aus. Und auch in Berlin gibt es momentan vieles, was von Briten gekauft wird.

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Mich hätte ja zusätzlich...
...noch der Belag der Platten und Teller, sowie die Füllung der Schüsseln und Gläser interessiert. Aber vielleicht gibt es dazu ja einen neuen Eintrag?

Der vielleicht auch so beginnt, dass eine gewisse Elitessean der Tür klingelt, angelockt durch leckere Düfte aus der Nachbarschaft, frustriert durch die Nichtfertigstellung ihrer notwendigen Reparaturen ("an Körper und Geist" darfst Du hinzufügen ;o) ) und von Schwäche gekennzeichnet...

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Keine Elitesse. Höhere, nicht mehr ganz junge Tochter eines Clans mit Stadthaus, allerdings nur ca. 30 Zimmer und 5 Geschossen. Gut, aber kein Palast. Wir gehen danach zusammen zum Beckstein, wegen Pakt für die Altstadt.

Apetizer:

eingelegte Champignons mit Parmigiano

1. Gang:

junge Kartoffeln und Spargelspitzen mit Asiago überbacken und Kräuterbutter

Hauptgericht

Kürbisravioli und Pfifferlinge a la "Valeggio sul Mincio"

Nachspeise

Weintrauben, 4 Käsesorten

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Und zu allem Überfluss: Man kann hier einfach auf den Wochenmarkt gehen und am Käsestand sagen, dass die Tochter vom alten Apotheker Venumbracchio zu Besuch kommt, und der Käser stellt einem dann die kleinen, passenden Käseecken für die Nachspeise zusammen. So ist das hier.

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Porzellanmops
selten so gelacht: Porzellanmops. Für die Tochter, die anämisch blass auf ihren ikeamöbeln lümmelt und sich über ihr langweiliges, stream-ge-lintes Studium aufregt. Aber tapfer weiter macht. Wunderbar. Vielleicht noch ein paar o-ri-gi-na-le tibetanische Geburtsteppiche?

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hunger
das hab ich jetzt und du bist schuld.

da ich jetzt eine ausrede zum schlemmen habe, hör ich jetzt auch auf zu schreibe. danke, bitte... aber was hat beckstein damit zu tun? bei dem namen kann ich irgendwie nur an schily reloaded denken... hmmm ok, jetzt hab ich keinen hunger mehr.

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@ booooster: Da hast hier noch nie die hiesigen Kommodenoberflächenfüllung gesehen, da gibt es Dinge, da denkt man gar nicht, dass es sowas geben würde. Der Mops ist da noch eher stilsicher.

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