: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 19. Juli 2007

Empfehlung heute: Ich habe es ja schon mal gesagt

Wenn Ihre Tochter einen Porsche will: Kaufen Sie ihn. Wenn Ihre Tochter reisen will: Lassen Sie sie fahren, und geben sie ihr die Karte mit. Wenn Ihre Tochter in Mailand studieren will: Warum nicht? Und falls sie eine Wohnung im Lehel braucht: Kaufen Sie. Nur um Gottes Willen, wenn Sie in einer Beilage einer bekannten Wirtschaftszeitung schlecht getarnte Werbung für Doba lesen, und glauben, das ist Sicherheit für Ihre Tochter - lesen Sie das hier. Und wenn Ihre Tochter Anteile von Doba haben will, zwingen Sie sie zum Porsche.

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Hübsch machen für die Sat1isierung

Welches bekannte deutsche Qualitätsmedium bietet heute online folgende Themen an?

Bin ich schlau? Testen Sie ihren Schlaumeier-Faktor!
Die witzigsten Bilder im Netz: Damals im Café Penis
Etikette im Job: Die schönsten Dresscode-Fehler (Mit monströsem Ausschnittbild)
Knapp, knapper... Bikinis! (noch viel mehr Fleisch)
Ehefrau mit Bolzenschussgerät getötet (ohne Bild, allerdings)
Das verstehe wer will: Sprachpannen (Bildergalerie)

und, folgerichtig das Special

50 Jahre Sommerloch

Na?

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Sehr zu empfehlen: Die Kirschen der Frau Moretti

Hinten in der Küche, wo kaum das Licht des Tages hinfällt und auch im Sommer die Temperaturen kaum mehr als 20 Grad erreichen, in dieser kühlen Ecke also und in der Dunkelheit eines alten Holzregals verborgen, stehen die Opfer der Lust, fern der Hitze und des Sonnenscheins, die ihre Schöpfer sind, eingeschlossen im Glas wie der Teufel Asmodeuas in Alain Rene Lesages Romen "Der hinkende Teufel", und was sie bewirken, unterscheidet sich kam vom Treiben des Höllengeistes, der für Triebe und Fleischeslust zuständig ist. Es sind die Kirschen der Frau Moretti, die im Halbschatten ihrer Erfüllung harren, scheinbar unschuldig mit grossmütterlichen Lappen um den Deckel, und neben den bereits geleerten Gläsern, die Frau Moretti bald wieder füllen wird.



Um ehrlich zu sein: Ich weiss noch nicht mal, was industriell gefertigte Marmelade kostet. Ich mag Marmelade nicht besonders, von einigen studentischen Fressanfällen bei Aprikosenmarmelade einmal abgesehen. Das war noch zu Zeiten der D-Mark, doch ich wage zu bezweifeln, dass auch mit der Teuerung irgendeine Fabrikpampe preislich auch nur in die Nähe von Frau Morettis Kirschen kommt. Frau Moretti ist eine nicht mehr ganz junge Dame aus einem Dorf nahe der kleinen Provinzstadt, und hat nicht nur einen Mann, sondern auch dessen Garten geheiratet. Der Garten ist vermutlich ein Vermögen wert, auf seinen 3000 m² könnte man 10 Toskana-Doppelhäuser unterbringen, aber Frau Moretti bevorzugt es, den alten Obstbestand zu pflegen und daraus Marmelade zu machen, die...

Wie soll ich das erklären. Zuerst mal gibt es dort keine Kirschmarmelade. es gibt Mischungen. Das Glas links enthält Kischen-Mirabellen-Marmelade. Wer jetzt sagt, Mischungen würden den Geschmack verfälschen, kennt Frau Moretti nicht. Im Gegenteil, es ist so, dass die weicheren Mirabellen gewissermassen die feuchte Basis für die härteren Kirschen ergeben. Es ist also nicht eine Mischung, sondern ein kombiniertes Geschmackserlebnis - wir probieren das jetzt einfach mal.



Wenn man die Marmelade mit dem Löffel zum Münd führt, berührt zuerst die Zunge die Unterseite des Löffels, auf der die feuchte Substanz der Mirabelle ist. Es prickelt, es verbreitet sich auf allen Rezeptoren, als würde die Zunge gekitzelt werden, fast unerträglich,aber dann zieht man den Löffel zurück, die Marmelade erfüllt nun auch die Zungenspitze und die Innenseite der Lippen, und gerade, wenn man denkt, das ist zu viel, dieses Nitroglycerin am Fruchtgeschmack auf der Zunge muss gleich explodieren - fühlt man die inmitten der Süsse verbliebene Kirsche, wie ein wicher Brustnippel einer schönen Frau und nein, man kann das nicht anders beschreiben, die Zunge drückt sie gegen den Gaumen, die retliche Marmelade verteilt sich durch diese Bewegung auf die Zungenränder, die ebenfalls zu kitzeln beginnen -

und dann platzt die Kirsche und überschwemmt alles mit dem Glanz der Sonne, die über Monate in ihrem Inneren gefangen gehalten wurde und nun einen mit der Wucht einer Bombe zwingt, die fast schon tränenden Augen zu schliessen. Die Kirschen der Frau Moretti sind purer Sex. Sex und nichts anderes. Als Marmelade sind sie nicht gerade billig, aber als Sex sensationell günstig, sie schlagen locker das schlechtere Drittel der Frauen, mit denen ich geschlafen habe, sie wären auch in der Lage, die süssesten Küsse zu optimieren, und sie sind zu jeder Tages- und Nachtzeit verfügbar, wenn man genügend Vorräte hat. Verwendungstipp: Gerade bei Raucherinnen vorher anwenden, das wirkt Wunder!

Die Sache hat natürlich einen Haken: Die Kirschen der Frau Moretti gibt es nur auf dem Wochenmarkt der Provinz. Und kaum einem meiner Leser wird es je vergönnt sein, sie mitsamt der Mirabellen zu kosten.

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Lust auf eine kleine Bergtour?

Nachdem es gestern Abend nicht mehr ganz so heiss war, bin ich auf einen kleinen Berg gestiegen, um den Kopf frei zu bekommen. Hat nicht wirklich funktioniert, aber hier sind zumindest die Bilder mit der Ursache für mein Scheitern am Berg.

Und noch ein Veranstaltungshinweis: Am kommenden Montag, den 23. Juli rollen die "2000 Kilometer durch Deutschland" durch diese Region. ich werde sicher in Eichstätt und möglicherweise auch in Donauwörth sein. Wer Lust hat, mag sich melden.

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Donnerstag, 19. Juli 2007

Immer nur Asambauten ist auch langweilig

Deshalb diesmal Weltkulturerbe als Abendbild:



Römerstrasse im Jura dirkt hinter dem Limes.

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AAL Extrem bei Eltern.de

Ein besonders krankes Beispiel für Nutzerinhaltabsauge aus dem Hause Gruner + Jahr findet sich an der Blogbar - bitte halten Sie bei den Originalzitaten der AGB die kleinen, blauen Tüten bereit.

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Empfehlung heute - Rollfilme sind

inzwischen schwer zu bekommen. Und überhaupt sieht es nicht gut um den Fotoeinzelhandel aus, meint Goetzeclan anhand eines Beispiels.

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Licht aus

Im schwindenden Licht des Tages bleibt, als die Sonne hinter der niedrigsten Wolkenbank ihre Ruhe gefunden hat, nur ein hell erleuchtetes Rechteck zurück, das sich vom Dunkel des Innenhofs abhebt.



Es ist dies eines dieser hohen Fenster des Wohnheims, in dem die Leistungselite bitte nur 8 Semster bleiben soll, bevor sie wieder geht, brav studieren und nicht nach links oder rechts schauen, aber dort unten dreht man wohl wirklich die Köpfe, denn es sind Beine zu sehen, zwei nackte Frauenbeine und ausserdem noch zwei weitere Beine daneben in kurzen Hosen, vergleichsweise horizontal auf einer Liegegelegenheit ausgestreckt. Dass ich es sehe, ist unvermeidlich, denn das Licht reicht gerade noch, um ein paar Seiten im famosen, christenfeindlichen Roman "Die Reliquie" von José Maria Eça de Queiroz zu lesen, und jedesmal, wenn ich auf einer rechten Seiten am Zeilenende ankomme, ist dort nach dem Ende des Papiers eben jenes Fenster.

"Wenn ich erhitzt eintrat, zog sie sich eben aus, kämmte..." Zeilenende, Papierende, Lichtfleck, und da bewegt sich was, die Frauenbeine entfernen sich von den kurz behosten Beinen, rutschen vor, der Oberkörper kommt nach, sie erhebt sich, und es dauert ein paar Schritte im Raum, bis das knapp unter Armhöhe befindliche Kleid der Schwerkraft Tribut zollt und hinabsinkt, so wie sie selbst wohl auch hinabgesunken ist, nachdem sie das Licht ausgemacht hat, bei dem kurz behosten Herrn, der jetzt halb aufgerichtet ihre Bewegungen verfolgt.

"sich, träge, schlaftrunken und..." erzählt José Maria Eça de Queiroz weiter, unter einem Himmel, den zu geniessen nicht jedem vergönnt ist, zumal, wenn man Besseres zu tun hat. Wie zum Beispiel Vorhänge erwerben?

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Dienstag, 17. Juli 2007

Gesund durch die Hitze

Das Problem für Vegetarier wie uns ist natürlich die Zuführung von Milchprodukten im Sommer. Milch, das passt einfach nicht. Und zudem kann man auch nichts Warmes essen, und schon gar nicht wie üblich in einem normalen Durchgang. Vitamine wären auch prima Man bräuchte also etwas mit Milch, das kalt ist, langsam nebenbei gegessen werden kann und vitaminreich ist. Zwetschgendatschi eignet sich nicht dafür, denn den isst man bekanntlich heiss vom Blech, und Sahne ist dazu ein Verbrechen. Aber es gibt Alternativen, und die gehen so:



Zuerst nehme man Verwandte oder Bekannte mit einem Garten und einer gewissen Neigung, Grün hemmungslos wuchern zu lassen.



Dort radelt man hin, stellt das Rad im Schatten des Weinstocks hin, und macht sich auf einen längeren Weg durch den Urwald, bewaffnet nur mit einer Tüte und dem festen Vorsatz, die hier ohnehin nicht geschätzten Früchte zu plündern.



Aus mir unverständlichen Gründen nämlich gelten Johannesbeeren als gemein, bäuerlich, banal und dann auch noch dieser saure Beigeschmack. Pah! Denn gerade dieser saure Beigeschmack verleiht den Früchten diese Spritzigkeit, mit der auch Milchprodukte in der grössten Hitze geniessbar werden. Und das geht so:



500 Gramm Magerquark in eine Schüssel tun und 30 Gramm Butter im Wasserbad verflüssigen, darüberschütten und einrühren - das macht Kraut fett und den Quark cremig. Dann 150 Gramm Johannesbeeren in weiss und rot dazu tun und fest umrühren, so dass einige Früchte platzen und die Mischung rötlich färben. Dazu zwei Esslöffel Zucker, umrühren, fertig.

Und jetzt langsam essen. Silberlöffelchen für Silberlöffelchen. Nicht alles sofort reinstopfen wie ich gerade, das erzeugt Gefühle, die einer Stopfgans nicht unbekannt sein sollten. Örps.

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Empfehlung heute: Einer der Gründe,

warum ich keinen Fernseher habe, ist die erbärmlichen "Informationssendung" "Report aus München", mithin eine der letzten 34.789 Bastionen der politischen Nähe zur CSU beim Bayerischen Rundfunk, die nicht von ungefähr an Maos "Amt für gute Nachrichten" erinnern. Insofern freut es mich natürlich, wenn eben jener Report bei Lobbycontrol ein Packerl Watschn für Lobbyistenunterstützung mitbekommt. Immer nur zu, ihr treffst da keinen Falschen.

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Von 9 bis 5

Als ich im Februar in Israel war, lagen die betreiber meines Hotels in Jaffa ab 12 Uhr auf dem Dach, und schliefen. Im Sommer, erzählten sie, würden sie hier oben jede Nacht schlafen. An sich wegen der Hitze keine schlechte Idee. Hin und wieder bleibe ich wie a breddada Hedsch im Liegestuhl, und kann mich nicht fortbewegen.



Und da könnte ich noch länger bleiben, bis um 12, 2 oder sigar 7 Uhr morgens. Aber leider wird es hier draussen zu früh hell. So gegen 5 Uhr leuchtet der Himmel bereits wieder in französischen Farben.



Nett. Aber eher störend, wenn man schlafen will.

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Montag, 16. Juli 2007

Empfehlung heute - Gummiboot

mit freibeutendem Luxusinhalt. das zeige ich dem nächsten, der behauptet, Blogger seien bleiche Kellermaden.

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Grünwald oder die Langlebigkeit von Klischees

Gestern Nacht stand in der Stadt, gar nicht weit von mir in einem nur wenig schlechteren Viertel mit Quadratmeterpreisen von knapp 10 Euro ein KFZ, das manche vielleicht noch als das Spät-80er-Automobil der Münchner Szene kennen: Ein Saab 900 Turbo Cabrio.



Der Wagen ist mit seinen Spoilern und dem Bürzelheck nicht wirklich das, was man als schön bezeichnen würde, aber er hatte das Glück, eine Rolle in der Fernsehsendung "Leo´s Magazin" zu spielen. Moderator Andreas Lukoschik fuhr in einem Wagen dieses Typs durch die Stadt, und es könnte sogar dieses Exemplar gewesen sein: Baujahr 1987, wie die Sendung. Und ja, er ist zu verkaufen. Und ja, einen Moment habe ich aus nostalgischen Gründen überlegt. Immerhin gab es Schlimmeres als Leo, was den medialen Eindruck von München in den 80ern prägte.

Da ist noch der Film "Die Story" von 1984, der den Ruf Münchens als Koksmetropole bundesweit verbreitete - neben einigen "Modeerscheinungen", die Miami Vice als dezent erschienen liessen. Und 1986 kam Kir Royal auf die Mattscheiben der Republik. Das alles hat den Ruf von München zementiert, und wer damals dabei war, musste sich schon etwas wundern über dieses mehr als schräge Bild, das da von München gezeichnet wurde. "So" war weder das Parkcafe noch das P1 noch das BaBaLu und auch nicht die Seehaus-Parties, die im Übrigen nicht von Grünwaldern organisiert wurden, sondern von jemandem, der aus einem mässig vorzeigbaren Kaff nahe meiner Heimat stammt und dort auch lange gelebt hat. Das P1 war "so", aber da ging man nicht hin, wenn man nicht Tennisspieler oder Fussballer gucken wollte. Was eigentlich nur eine Bekannte aus Neuburg wollte, die dann tatsächlich schwer von einem gewissen Rothaarigen zu lösen und zurück in die Provinz zu verfrachten war, aber das ist eine andere Geschichte.

Dieses München ist eine Medienerfindung, so wie das Berlin der Telenovelas. Mit gewissen Anklängen an die Realität, mehr aber auch nicht. Aber der Gegensatz zwischen dem kaputten, streetcrediblen Berlin und dem Reichen, etwas debilen München zieht natürlich, und das ist der Grund, warum die Comedy von Aggro Grünwald die Aufmerksamkeit bekommt. Weil Restdeutschland und hier besonders Berlin Angst hat, es könnte stimmen. Dass es wirklich ein Viertel gibt, in dem Reichtum cool ist und auch so zur Schau getragen wird. Alle reichen Erben - werft das Geld! - wenn das der neue Schlachtruf sein soll, schaut es schlecht aus für die Hungerleider in Kreuzberg in ihren Kellerbüros mit der Latte und dem Döner als Standardernährung. Selbst wenn Aggro Grünwald bis hinunter zu den Farben und der Kleidung selbst nur aus alten Klischees der 80er Jahre besteht. Nur ein paar Namen muss man austauschen - Negerhalle durch 8 Seasons, Piccolo Osteria gegen Lenbach, und schon kann man sich tatsächlich in den Saab setzen, oder seinen legitimen Nachfolger, den geleasten SLK 200 mit Wegfall der Typenbezeichnung und grossen Chromringen um den Auspuff. Habe ich schon mal erwähnt, wie furchtbar banal das Afterwork im Lenbach eigentlich ist?

Eigentlich müsste man davor keine Angst haben. Wenn man es kennt, verliert es schnell jeden Glanz. Fingerfood ist nicht zwingend besser als Döner, und die Leute, die bei Lesungen im Kokon C-Sternchen lauschen, sind auch nicht klüger als Berliner, die Sarah Kuttner Talent und Ausstrahlung unterstellen. Es ist bei höherem Mehrwert erheblich teuerer, und das ist es eigentlich auch schon -

es sei denn, es ändert sich was in der Gesamtrepublik. Und das könnte zu einem Existenzproblem von Berlin werden, was meines Erachtens auch die hysterischen Reaktionen auf Aggro Grünwald verursacht. München, das alte München ging 1992/3 unter, als Techno aufkam. Berlin wurde das neue Ziel, darauf konzentrierten sich Illusionen und Hoffnungen, in München blieb die Lindenstrasse. Aber jetzt sind 15 Jahre vergangen. Berlin hat es nicht geschafft, und seine propagierten Lebensentwürfe gehen nur dort. Es mag stimmen, dass sich Max Mütze aus dem Schwäbischen Berlin immer noch so vorstellt, aber:

Die Wirtschaft kommt im Westen voran. Berlin ist pleite. Berlin hat ein Verliererimage. Kann sein, dass sie so sind, aber was 1995 noch als cool galt, ist heute vielleicht nur noch sehr retro. Es ist kein Lebensentwurf, der andernorts Gültigkeit haben würde. Berlin ist "Rütli", und egal, wie überzogen das sein mag, da geht man nicht gerne hin. Und in diese Lücke stösst nun Aggro Grünwald mit einem Ulk, der bei genauerer Betrachtung und in abgemilderter Form - gar nicht mal so schlimm ist. Denn es macht Spass, mit dem Motorboot über den Starnberger See zu fahren. Wirklich.


Don Tauchmeister is on da quietschred Gummiboat, rechts: STA-Chick beim Ankleiden ;-)

Es macht Spass, auch mal mit Frauen auszugehen, die andere Themen als Prekariat und Arbeitslosigkeit haben. Die einem davor die neuesten Erwerbungen vorführen. Die einen von dem Existenzgerede mit einer halben Stunde über die Handtaschen erlösen, die in Berlin nur deshalb nicht Thema sind, weil sie sich keine leisten kann. ich erinnere mich da an den ersten Besuch einer Münchnerin in Berlin, als wir unter den Linden an einer Ampel halten mussten und sie mit Abscheu feststellte, dass die Frau dort Prada aus der vorvorvorvorletzten Saison trug. Das mag arrogant sein, eingebildet, München - aber ist es schlimmer als der Sozialneid (sorry für das Wort, aber ich kenne kein anderes dafür), der einem aus X-berg entgegenschlägt, sobald man dortselbst ein paar Silberschalen kauft?

Am Ende bleibt die Frage, welcher Lebensentwurf Max Mütze, dem ewigen schwäbischen Dorfbewohner und all seiner Cousins, die aus Altötting kommen, gefällt. Ich glaube, dass Aggro Berlin der Stadt Berlin nicht gut tut. Es sorgt für ein Lebensgefühl, das bei der Mehrheit nach Alternativen verlangt. München war so lange Zeit unbeachtet - vielleicht kommt jetzt die Renaissance. Weil es die besseren Clubs, die besseren Leute, das bessere Umfeld und die bessere Landschaft hat. Und eine Vergangenheit, die etwas anderes verspricht als die Gewalt der Berliner Kapuzenträger. Ich verstehe, dass diese Leute München hassen. Ein München, dessen Lebensstil wieder als vorbildlich betrachtet werden könnte. München könnte Max Mütze so umarmen, dass sie demnächst in ihrem Trümmerhaufen und dem Ruinengürtel aussenrum alleine bleiben. Und ohne Max Mütze, der als dummer Jobber der Medienbranche das System, ihr System am laufen hält.

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Sommerfrust

Eigentlich hätte ich nur die Treppe hinaufgehen müssen, dort einkaufen und wieder fahren. Alles, was diesmal in Pfaffenhofen zu finden war, lag im Umkreis von 20 Metern. Der Spiegel war ohnehin das erste, was ich sah.



Leider etwas beschädigt, was mir vergleichweise egal ist, so sind eben die Spuren der zeit, aber schlimmer, die Vergoldung war braun übermalt. Was sich positiv auf den Preis auswirkte, zumal dort noch zwei Kerzenhalter dazu kamen. Und eine Ecke weiter stand ein schlichter Biedermeierspiegel aus Nussholz.

Man kann nun einwenden, dass ich schon nicht wenige Spiegel besitze, und ja, es stimmt. Aber dazu besitze ich auch rund 50 Meter Treppenhaus allein im Vorderhaus, und dieses Treppenhaus, das momentan seine weisse Nacktheit Richtung Norden ausstreckt, wo die Arkaden zum Innenhof nochmal Licht wegnehmen, braucht mehr Licht. Kronleuchter hängen da schon länger, und jetzt geht es darum, das vorhandene Licht besser zu verteilen. Nach vorsichtigen Schätzungen suche ich also rund 10 alte Spiegel, davon noch drei bis vier Biedermeierexemplare in eckig, und ansonsten altvergoldete Stücke, wobei zwei grosse Trummeauspiegel für den Hausgang unten wirklich fein wären. Gerne auch mit Konsolen. In etwa von der Art, wie ich vorgestern eine habe stehen lassen.

Zum Frustabbau eignet sich übrigens der Kampf gegen klebrige, braune Farbe auf alter Vergoldung wirklich hervorragend.

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Sonntag, 15. Juli 2007

Touristische Globalisierung

eines der postings, die mich 10 stammleser kosten werden, aber mir ist gerade danach

Manchmal wüsste ich gerne, ob die Geschichte der frühneuzeitlichen Religionskriege in Mitteleuropa Stoff an den fernasiatischen Schulen ist. Muss wohl so sein. Sonst ist es nämlich nicht erklärbar, warum in den letzten Sommern zunehmend asiatische Reisegruppen vor dem Stadtpalast standen. Ich bin durchaus mariannische Gruppen aus Bayern gewohnt, die das alles kühl finden, hier den Ort des Ablebens ihres Idols zu sehen. Aber wenngleich Jesuitentum und Konfuzianismus viel gemeinsam haben, nimmt es mich schon Wunder, wenn ich gerade im Hof bin, das Tor aufgeht und ein paar Japaner wie zuvor schon Bayern und Italiener reinschauen. Aber ich bin der höflichste Mensch von der Welt, beantworte auch gern Fragen und erkläre ein paar Dinge über die Geschichte das Hauses, und bewahre auch die Fassung, wenn einer der Bayern sagt, es sei doch schade, dass es heute eben kein Jesuitenkolleg mehr ist. Ich lächle und gehe nachher etwas Holz hacken. So ist das eben. Man kann nicht immer nur die Vorteile so eines Gebäudes haben.



Zu den Vorteilen des Gebäudes zahlt die grosse Wohnung und im Sommer besonders das weisse Zimmer, das eine sehr angenehme Kühle auch bei der grössten Hitze vor den Fenstern bewahrt. Das haben sie sauber gemacht, die Bauleute der Gesellschaft. Kann man wirklich nichts dagegen sagen. Bei angenehmen 22 Grad kann man hier also unter der kaltblauen Stuckdecke liegen und Grand Balett von Marin Marais hören.

Kühle Musik vom Hof Ludwig XIV. Die sonntägliche Ruhe und Gelassenheit benötigt. Und da stört es, wenn Busse durch die Strasse rumpeln. Besonders aber stört es, wenn ein Bus genau unter dem halboffenen Fenster stehen bleibt. Und den Motor laufen lässt. So laut, dass auch das Schliessen der Fentser wenig bringt. Aber was bleibt schon anderes übrig, also steht man auf, und in der Zwischenzeit hat sich der Buss gelehrt, 4o Menschen asiatischer Herkunft stehen auf der anderen Strassenseite, machen das obligatorische Bild mehrheitlich mit dem Mobiltelefon, mit dem orange-blauen Bus vor der delikaten Renaissancefassade, steigen wieder ein, die Türen schliessen sich, und mit einer Abgaswolke des immer noch laufenden Motors holpert der Bus weiter die Strasse hinunter.


Pilze in der extrablingbling-massivsilber-Version für Erbgutritter des spreenixblickenden Malteserorden, sucke dis!

Danke, beehren Sie uns wieder. Und während ich 400n Gramm kleine, niederbayerische Champignons putze, drei Minuten in kochendes Wasser tue, einen Sud aus Olivenöl und Balsamicoessig, sowie frischen Kräutern und gemörsertem Pfeffer bereite und dann den Grana Padano über die heiss eingefüllten Pilze reibe, bevor das alles in den Kühlschrank kommt und dort 2 Stunden zieht - währenddessen frage ich mich: Ich opfere jeden Tag Zeit, um den Kasten in Schuss zu halten. Ich habe heute morgen den Müll des Bürgerfestes erntfernt. Jedes einzelne der ichhabsieniegezählt Fenster kostet laut letzte Woche eingegangenem Kostenvoranschlag die Kleinigkeit von 1700 Euro mehr, weil sie handgefertigt sind, damit das Haus seine historischen Proportionen bewahrt. Wenn ich das hier an Ärzte und Firmen vermieten würde, könnte ich doppelt so viel Miete verlangen. Wenn ich es verticken würde, könnte ich den (nicht mehr allzu langen) Rest meiner Tage auf Malle ballern. Ich tue es nicht, weil es das Haus und seine historische Substanz schädigen würde. Ich tue es für mich, ich will mich nicht beschweren, aber auch für alle, die vorübergehen und etwas anderes sehen wollen, als totsanierten Zweckbau.

Und dann knipsen sie das Ding mit dem eigenen Bus davor. Dieses Haus wurde für Ruhe und Kontemplation gebaut, und davor brummt der Diesel direkt unter meinem Fenster. Das letzte Mal, dass ich so sauer war, war in den Uffizien, als ein mitgeschleifter amerikanischer Jüngling der Durchschleusergruppe "Road to Rome" - so zumindest der Aufdruck auf den Käppis - versuchte, seinen Kaugummi klebenderweise an der Basis einer Statue loszuwerden.

Kommt. Bitte. Reisen bildet. Aber wenn Ihr nur genug Zeit habt, ein Bauwerk mit über 600 Jahren Geschichte durch das Display Eurer Handies zu sehen, während vor Euch der Bus denen, die darin leben, die Bude vollstinkt: Bleibt daheim, Ihr verpasst hier nichts, was Euch irgendwas bedeuten würde. Ganz gleich, wo Ihr herkommt.

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Sonntag, 15. Juli 2007

Empfehlung heute: Finger weg

vom Internet! Es ist viel zu schön da draussen.



Und wenn Ihr arbeiten müsst, dann arbeitet, husch husch, und macht, dass Ihr rauskommt.

Nur, falls Ihr auf der Dachterasse seid und ohnehin ein klassisches Automobil mit wenig PS und ohne Klimaanlage sucht, wie etwa einen Volvo Amazon, dann ist hier vielleicht was für Euch. Und wenn Ihr schon einen Amazon habt, dürft Ihr hier auch kommentieren und mir erklären, wieso ich das Ding wirklich nicht brauche und mich damit unglücklich mache, denn unter einer rostigen Karre liegend, bringt das Wetter auch nichts.

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Lebende Fossilien.

Nachdem man hier in fast schon rufschädigender Manier - Diät? ICH??? Wozu, meine Damen, wollen Sie verdörrte Pleitenheringe vom Fischmarkt? - erwähnt werde, darf ich anmerken: Nein. Natürlich gibt es hier zum Tee immer Kuchen. Manchmal, aus wissenschaftlichem Interesse heraus, aber auch schon früher. So wie heute:



Das hier ist ein Kirsch-Mandel-Kuchen vom Wochenmarkt. Und zwar so, wie man ihn aus dem späten Mittelalter, der Renaissance und überhaupt aus der Zeit vor dem industriell erzeugten Zucker kannte: Flach, breit, dünn, was früher angesichts der noch nicht bekannten Kuchengabel beim Zerkleinern auch sinnvoll war. Direkt von der Tapisserie also auf meinen Tisch. Wenn man so will, ein lebendes Fossil aus dem Tortenjura. Ein Fossil, das hier seine perfekte Lebensumgebung gefunden und ausser ein paar gefrässigen Bayern keinerlei natürliche Feinde hat.



Die Spezies des gefrässigen Bayern jedoch, die unter solchen Torten trefflich gedeiht, hat es auf die interessante Kombination der Mandelschuppen und dem süssen Kirschfleisch im Inneren agbesehen, weshalb es wirklich auch für ausgewachsene Exemplare des Kirsch-Mandel-Kuchen gefährlich wird, sich auf dem Wochenmarkt herumzutreiben. Er ist zudem leicht von Aussen zu erkennen, denn am Rand sind immer einige dunkelrote Kirschstücke, die dem äusserlich eher unscheinbar-braunen Kuchen dem Kenner schnell verraten.

Das war schon so in der Renaissance, und wird wohl noch lange so bleiben.

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40 Minuten







Wenn heute nicht das sog. "Bürgerfest" in der Altstadt wäre, könnte es wirklich ein schöner Abend sein.

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Freitag, 13. Juli 2007

Dein Vater ist reich und Deine Mutter sieht gut aus

Es ist ganz seltsam. Ich kann das selbst nicht niederschreiben, ohne dass es nicht eine leichte negative Aufladung hätte. Nochmal: Dein Vater ist reich und Deine Mutter sieht gut aus. Dein Vater ist reich und Deine Mutter sieht gut aus. Dein Vater ist reich und Deine Mutter sieht gut aus. Irgendwann, nach ein paar mal, verflüchtigt sich das Negative.

Dein Vater ist reich. Ist das ein Problem? Und was ist reich? Welche Bedeutung hat das Wort im Kontext? Genug zum Leben und noch etwas mehr? Reich ist immer der, der mehr hat als man selber. Ist das ein Problem? Nein. Und so zerfranst sich langsam dieser negative Unterton. Ist halt so. Ich würde das niemandem so sagen, ich würde das Wort "wohlhabend" oder "begütert" verwenden, zwei Worte übrigens, die auf dem Rückzug sind und vom umfassenden reich verdrängt werden. Früher war man reich, wenn man jeden Tag Fleisch essen konnte, heute kann sich jeder Billighack im Kilo leisten, ohne an die leute zu denken, die wegen des Sojaanbaus in der Dritten Welt vor die Hunde gehen, und für die auch die Gropiusstadt eine Oase des Rechtums wäre. Reich. Warum nicht.

Und Deine Mutter sieht gut aus. Das ist bei vielen Müttern so. Frauen bemühen sich eigentlich sehr oft, jenseits der 40 gut auszusehen, fast so, als sei Alter eine Schande. Es ist ok, gut auszusehen, es macht aber niemandem zu einem schlechteren Menschen, wenn er es - immer nach unseren aktuellen Kulturdefinitionen - nicht tut. Auch hier wieder, die Frage der Grenze. Wer definiert das, muss es wirklich schön sein, reicht nicht hübsch und Lebenserfahren auch aus, geht es nicht ohne liften, zählt Ausstrahlung eigentlich nicht mehr als die Fassade, sei es nun Aussehen oder das Geld, oder besser, die Rücklagen auf der Bank? Aber wenn es so ist: Gut. Schön ist erst mal nur schön, weder dumm, arrogant, eingebildet, was auch immer.

Dein Vater ist reich und Deine Mutter sieht gut aus.

Es ist Sommer, das Leben ist einfach, im See nebenan springen die Fische, und das Getreide auf den Feldern steht hoch. Dein Vater ist reich und Deine Mutter sieht gut aus.
Es gibt also keinen Grund, Dir Sorgen zu machen.

Besonders der Nachsatz. Da kommt sicher manchen die Galle hoch bei der Vorstellung. Muss sich nicht strecken, kein Risiko, Kind reicher Eltern, bäh Grünwald Westend Kö Maxstrasse Elbvorort und was da noch alles mitschwingt. Und irgendwo unten der Wunsch, dass es den betreffenden mal richtig auf die Schnauze haut, und man dann vorüber geht und nochmal drufspuckt, die kleinen Träume des grossen Sozialneides. Und die Ahnung, dass es nie so weit kommen wird. Denn der wird einfach irgendwann loslegen, ab in den Himmel, nichts hält ihn auf, und bis dahin ist alles gesichert, denn Vater und Mutter passen ja auf. Sommer, gestern, heute, es wird immer Sommer sein, und das Leben im Sommer, draussen am See, das ist wirklich fein.

Das alles packen manche nicht. Auf Deutsch. Dabei ist es einfach nur Summertime von Renee Olstead.

summertime...
and the living is easy
fish are jumping and the cotton is high
your daddy´s rich and your ma´ is good looking
so hush little baby, don´t you cry

one of these mornings
Summertime you gonna rise up singing, then you spread your little wings and then take to the sky...take to the sky
but till that morning, there´s nothing that can harm you
with daddy and mommy, standin´ by

summertime, yestertime, I´m talking ´bout summertime
and the living, summerliving, and the living is so fine.

Hier. Jetzt. Weit entfernt.

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Gosse hat einen neuen Namen

Kann mir mal einer erklären, wie man eigentlich zwischen BILD-Lesern und bei Stefan Niggemeier aufschlagenden Bildbloglesern unterscheidet? Antworten werden an der Blogbar entgegengenommen.

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Donnerstag, 12. Juli 2007

Segler, Golfer, Lobo

Während drüben bei Yahoos früherem Werbepartner Spreeblick ein wenig biologistische Hetze gegen die Kinder von Besserverdienenden betrieben wird, kann man im Werbenetzwerk Adical auch noch ganz anders. Ich persönlich meide solche Wäb tuh oh Iwänts wie die Cholera, ich war da zu oft und ertrage diesen Unsinn da nicht mehr, aber es begab sich, dass der grosse Schweiger und Adical-Geschäftsführer Sascha Lobo plötzlich doch den Mund auftat, und zwar bei einem Ontröprönör-Treffen im schönen - oder so - Bremen. Und wie es der Zufall so wollte, ist unter den High Potentials der altehrwürdigen Wrackplünderermetropole auch ein alter Bekannter das Dotcomtodzeiten, der freundlich genug war, mir einen kleinen Bericht über Lobos Auftritt bei den Seglern und Golfern mit dem longen Tail zu schicken. Und bevor einer nörgelt: Ich arbeite nicht wie Stefan Niggemeier, ich habe natürlich vorher eine weitere, unabhängige Quelle befragt:

Bei der adical-yahoo-Geschichte war Sascha Lobo abgetaucht. Wieder aufgetaucht ist er in der Bremer Provinz. Dort gibt es noch Leute, denen Lobo die digitale Bohème als Panazee verkaufen kann und die begeistert jedem zuhören, der ihnen hilft, ihr Pleite-Bundesland schön zu fabulieren. Da sieht man routiniert über die verrosteten Eisenträgern im heruntergekommenen Hangar am Airport Bremen hinweg.

Willkommen in der deutschen Realität abseits der schicken DLDs, Barcamps und web2.0-Tagungen. War (fast) alles so wie früher. Bunte Punkte auf dem Namensschild (gelb=Dienstleister, rot=Investor, grün=Gründer, usw. - die Älteren werden sich erinnern), die Subventionshaie aus der Wirtschaftsförderszene, Start-up-Gründer, Verwaltung, Politik und sogar zwei Landesminister (Senatoren) - nur die Location und das Catering waren Web2.0 und nicht NE.

Warm-Upper Dirk Beckmann gab den Massstab vor: Milliarden werden investiert, Web2.0 ist eine "Kulturrevolution", eine "Haltung". Und wie auf Bestellung wird "Yahoo Clever" gelobt. Er nutzt es regelmässig. Er also.

Alles bereit zur Lobo-Selbstvermarktungsshow. Irgendjemand hatte Lobo wohl eingeredet, dass er vor honorigen hanseatischen Kaufleuten auftritt. Sein Iro blieb im Schrank, und er wandte sich in sonorem Ton an die "Golfer und Segler" im Publikum. Zwei eigene NE-Pleiten sollten als Ausweis der Erfahrung herhalten und natürlich sein Netzwerk. Wie die Freundin in New York, die als Beispiel für die beeindruckende Macht des Longtails herhalten musste. "Jamie", so ihr Name, beklebt Lichtschalter mit Renaissance-Motiven und vertickt diese im Internet. Ein Business-Konzept, das uns ohne Web2.0 erspart geblieben wäre.

Natürlich spielen blogs eine Rolle in Lobos Social Media Welt, obwohl er eigentlich gekommen war, "um Sie vor Blogs zu warnen". Sieht aus, als hätte aus der adical-Diskussion gelernt. Blogs sind eine gefährliche Sache: "ab heute wird zurückkommuniziert". In der Provinz galt es für den Propheten bahnbrechende Entwicklungen zu verkünden. Vor 10 Jahren musste ein Experte ein Buch schreiben, um von den Medien wahrgenommen und zu Talkshows eingeladen zu werden. Heute reiche ein Blog aus - ohne zu darauf einzugehen, dass er selbst doch ein Buch brauchte. Der Vorteil von Web2.0 ist die Ansprache ohne Streuverluste. Da gäbe es einen Blogger, der Monoblock-Stühle [ja, der Garten-Sondermüll] als Thema auserkoren hätte. Ein echtes Expertenblog. Verlustfreie Werbeplattform für Plastikfetisch-Artikel?

Lobo sah in Zukunft "für jeden Markt eine Community". Second Life wird es jedoch nicht sein, "da brauchen Sie nicht zu investieren" - "geben Sie kein Geld aus". Selbstkritisch vermerkte er, dass dies sich in seinem Buch noch anders angehört hatte. Nicht jeder Trendzug fährt halt zum Erfolg. Wenn es Richtung Kinderpornos und Cybersex geht, springt auch Lobo besser ab.

Das urbane Pennertum, die Experten für beklebte Lichtschalter und Billigstühle, wurde in der Veranstaltung als neue "creative class" gefeiert, das von den Städten anlockt werden müsste, damit die Unternehmen dann von selbst kommen. Da stellt man sich unwillkürlich das von Lobos ZIA geplante Schlafsacklager "9to5" vor. Nachdem in Bremen die übliche Wirtschaftsförderung das Land an die Wand gefahren hat, muss man befürchten, dass die Senatoren Lobo ernst nehmen und Campingplätze freiräumen.

Gott sei Dank wurde die abschliessende Diskussion ganz schnell abgesagt. Ein Blick nach draussen hätte genügt, um das reale Business zu sehen und nicht die Gaga-web2.0-Geschäftsideen. Die Boombranche der letzten Jahre: Die Jets der Billigflieger für Ausflüge in die Realität statt ins virtuelle Netz. Leider werden nie Digitalnomaden in den Fliegern sitzen, auf dem Weg zum Strand, wo sie mit dem Notebook arbeiten und Aufträge nur zwischen 20:00 und 24:00 Uhr entgegennehmen.

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Vielen Dank, A.! Und um das an der Stelle auch noch gleich loszuwerden: Aufgrund einer massiven Uneinsichtigkeit eines wenig seriösen Autors und trotz mehrerer Warnungen musste ich jetzt auch noch eine Strafanzeige gegen ein kommerzielles Medienangebot stellen lassen. Nur damit sich demnächst keiner wundert, wenn es wieder etwas härter zugeht - sage bitte keiner, ich würde das heimlich tun.

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Der beste Kauf des Sommers

Ich so, vor drei Wochen: Oh, ein hübscher Kerzenhalter!

Iris so: Oh Gott nicht schon wieder, es ist Sommer, da braucht das kein Mensch, und es steht dann nur wieder rum.

Ich so (vollkommen ungerührt): Was kostet der?

Händler so (mit Blick auf die zeternde Iris): 10 Euro

Ich so: Gekauft!

Iris so: ichfassesnichtschonwiedereintrummderhatnenhau (oder so ähnlich)



Ich so: Jetzt bitte. es wird sicher irgendwann wieder Winter. Da kann man den gut brauchen. Ausserdem hat sie eine hübsche Nase.

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Empfehlung heute: Eine gute Idee für Schäuble

hat Sven Scholz, denn vielleicht kennt der Innenkriegsminister einfach nicht das Grundgesetzt - und das kann man ja leicht ändern.

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Ma non troppo I: Bolivian Baroque Vol.2

Es ist, denke ich, allgemein bekannt, was der "Stadtpalast" war, bevor er von meinem Clan erworben wurde: Eines der Zentren der Gesellschaft Jesu, eine ihrer wichtigsten Bildungseinrichtungen nördlich der Alpen, und nur der historische Abstand mildert eine harte Beurteilung nach unseren heutigen Standards. Wer hier wohnte und arbeitete, war führend beteiligt an der Bekämpfung von Vernunft, Aufklärung und der Freiheit des Menschen. Ich bin in diesem Haus geboren worden, ich bin sein Hüter, und es ist ein Stück historischer Gerechtigkeit, hier heute ganz andere Dinge zu tun und schreiben zu dürfen, unfassbar weit entfernt von dem, was sich die Erbauer und Bewohner je hätten vorstellen können. Und dennoch beginnt diese Serie nun mit dem Wirken und der Musik eben jener Herrschaften, die in mir eine Ausgeburt der Hölle sehen würden, deren Vernichtung ihnen einst mit netten Zuwendungen vergütet werden sollte - man kennt das mit den Jungfrauen von 1 bis 70 ja auch aus anderen terroristischen Kulturkreisen.



Voltaire nimmt in seinem Candide so gut wie alles an Zeitgeschichte mit. In einem Parforcereritt durch vier Kontinente lässt er seinen Helden die Schattenseiten der Welt des 18. Jahrhunderts erfahren, und überall lauert Betrug, Gier, Dummheit und religiös motiviertes Verbrechen auf die Helden. Eine Ausnahme aber macht er, und die betrifft ausgerechnet die ihm ansonsten höchst verhasste Gesellschaft Jesu. Denn bevor Candide den sog. Jesuitenstaat in Paraguay erreicht und dort den Bruder seiner Angebeteten ersticht, erzählt ihm sein derber Diener Cacombo von den Sitten im Herrschaftsgebiet der Gesellschaft. Und es ist gar nicht so arg negativ: Es geht dort "nur" um die Ausbeutung von den Eingeborenen, Durchsetzung der jesuitischen Staatsdoktrin und um Machtspiele gegen die spanischen Siedler und die spanische Krone. Das ist für Voltaire, relativ betrachtet, ein sehr mildes Urteil, zumal es erkennbar die schlechte Nachrede einer Buffofugur ist.

Der Jesuitenstaat bringt die Aufklärer in Argumentationsnöte. Viel ist darüber in Europa nicht bekannt, denn die rund 30 Mustersiedlungen für einen Indiostamm, die von der Gesellschaft im heutigen Bolivien, Paraguay und Argentinien in abgelegenen Regionen gebaut werden, legen keinen Wert auf Einmischung von aussen. Die Jesuiten hatten die Erlaubnis direkt von der spanischen Krone, sich nach ihren eigenen Vorstellungen um die Indios zu kümmern. Im Gegensatz zu den weltlichen Siedlern, die Indios gnadenlos bis zur - man kann es nicht anders sagen - Vernichtung durch Arbeit treiben durften, solange sie nur einen Geistlichen zu ihrer Bekehrung unterhielten, versuchten die Jesuiten, die eingeborene Bevölkerung behutsam für ihre Werte zu begeistern und ihre Existenz zu sichern. Die heute als Weltkulturerbe geschätzten Jesuitenreduktionen waren tatsächlich eine Art gelebte Sozialutopie, die sich zumindest von der umgebenden Ideologie der Ausrottung fundamental unterschied.

Man könnte jetzt lange darüber diskutieren, ob das Angebot "sanfte Bekehrung gegen Schutz vor der Vernichtung und Sklaverei" fair war. Jedenfalls waren die Reduktionen durch ihre straffe Organisation wirtschaftlich so erfolgreich, dass man in Europa vermutete, die Siedlungen würden durch Gold- und Silberbergwerke und Ausbeutung der Indios das Vermögen der Nachfolger des Ignatius mehren. Genaues wusste keiner, denn der Zutritt zu den Siedlungen war Europäern nicht gestattet, und auch die Priester hielten sich weitgehend fern von den zumindest teilweise autonomen Gemeinschaften. Bis auf die Messen, die man zusammen zelebrierte, und die den Schäfchen alle Herrlichkeit des Ordens vorführen sollten.



Womit wir bei der CD "Bolivian Baroque volume 2" des auf alte Musik spezialisierten Ensembles Florilegium aus England und seiner Entdeckungsreise zu den musikalischen Schätzen der Gesellschaft in Bolivien sind. Florilegium hat früher schon eine Reihe aussergewöhnlicher Tonträger produziert, wie etwa feinste Aufnahmen der Kammerkonzerte von Telemann, die sich fundamental und wohltuend von den Kurorchesterfassungen unterscheiden, die man für 2,99 Euro in Massenmärkten in MP3-Krachwürfelabmischung bekommt.

Im Gegensatz dazu ist die vorliegende CD keine "sichere Bank". Die Komponisten, deren Musik in bolivianischen Archiven schlummerte, sind teilweise trotz der Recherchen des Ensebles anonym geblieben, und selbst Locatelli, Balbi, Bassani und Brentner gehören nicht zwingend zum Kreis derer, die man im Konzertverein Hinterbüschelhausen aufführen würde. Aber was für ein Verlust! Schon das Allegro Assai von Balbis Sonate No. 9, mit dem die CD eröffnet, lässt dem Ensemble freien Raum zur Entfaltung seiner ganzen Könnerschaft, die Aufnahme ist nicht weniger als brilliant, und wunderbar saftig im Hall der originalen Jesuitenkirche. Wenn man dem Ensemble glauben darf, ging es dem Tontechniker nicht allzu gut - aber davon hört man auf der CD absolut nichts.

Der Punkt, an dem ich wusste, dass ich die CD haben muss, und für den allein sich die 25 Euro für die Super Audio CD gelohnt haben, sind die knapp vier Minuten des "Glória et honóre" aus der Feder des tschechischen Komponisten Jan Josef Brentner, das voller Stolz und Selbstbewusstsein kongenial alles zusammenfasst, was so ein Jesuitenmissionar empfunden haben muss, wenn er sich im bolivianischen Dschungel zum Herrscher in seinem eigenen kleinen Reich aufgeschwungen hatte. Hybris, Arroganz, in dieser geistlichen Chormusik ist so viel von der schwärzesten Form der Weltzugewandtheit, ein völliges Fehlen jeder Demut, es ist ein fast schon totalitärer Lecktmich-Track, den man sich wirklich mitten im tiefsten bolivianischen Urwald vorstellen muss, tausende von Kilometer und ein Ozean entfernt von der nächsten Kontrollinstanz, zum Ruhme des Ordens aufgeführt und der Verherrlichung seiner Ziele. Dann entfaltetet das Stück seine volle Wucht. Sollte man vorhaben, sich jemals mit 30o Sachen auf Koks in einem Ferrari in den Brückenpfeiler zu knallen, den man voller Überheblichkeit noch mit "Verpiss Dich" anbrüllt - dann ist das der passende Soundtrack dafür.

Mit dem Arakaendar Bolivia Choir stehen dafür Stimmen zur Verfügung, die zudem nicht im Mindesten so gezügelt, kontrolliert und gefällig glatt sind, wie europäische Chöre. Es ist eben nicht mehr europäisches Barock, das in Bolivien aufgeführt wird, es ist Lateinamerika über europäischen Vorbildern, und es bemächtigt sich der strengen liturgischen Kompositionen wie der Urwald einer Kirchenruine. Wer allerdings Latino-Remmidemmi erwartet, wird enttäuscht - Arien wie "Quis me a te sponse separábit" stellen höchste Ansprüche an die Sänger. Wer etwas über die Aufnahmequalität wissen will, spiele Track 8 an - 8 Glockenschläge mit allen Nebengeräuschen in 31 Sekunden, danach kann man sich jede Debatte sparen, selbst wenn man im Booklet nicht nachgelesen hat, was da verwendet wurde.

Was ich persönlich ein wenig schade finde, ist die unvollständige Darstellung der Jesuitenreduktion und ihrer historischen Hintergründe. Die Grundlagen stehen zwar im ersten Teil der Serie, werden aber nicht tief genug diskutiert, um den kompletten geistesgeschichtlichen Hintergrund der Musik darzustellen. Die Musik steht zwar für sich selbst, aber es ist noch erheblich mehr als europäischer Barock in Südamerika. Es ist sicher nicht das übelste Kapitel in der Geschichte des Ordens, nicht im Mindesten, aber man sollte bei all der Gewalt und Kraft, die der Musik innewohnen, nie vergessen, dass es mit ein wenig Pech und Indoktrination an den Höfen des 18. Jahrhunderts ganz schnell zur Begleitmusik der Vernichtung der Aufklärung in Europa hätte werden können. Denn wer sich so masslos im Urwald feiern lässt, kennt keine Zurückhaltung und würde auch die Welt in Brand setzen, um seine Ziele zu erreichen.

Das ist es, was mir diese Musik sagt. Sie ist grandios, gewaltig und nicht weit entfernt von der Gewalttätigkeit. Es ist die Musik von Ausbeutern, Gehirnwäschern und Unterdrückern, sie ist es wert, gehasst zu werden, und zu allem Überfluss höre ich sie in diesem Moment genau an dem Ort, von wo aus sich der Orden über die Welt verbreitete. Wo ich sitze, war ihre Bibliothek, nebenan starb ihr brutalster Verfechter, und nur diese Musik und der Raum, allein in der Nacht mit drei Kerzen, während im Giftschrank neben mir Neumayrs Religio Prudentum von 1764 in ihrem weissen Pergamenteinband schimmert - das wäre zu viel. Diese CD von Channel Classics schafft etwas, das noch keiner vor ihr gelungen ist.

Sie macht mir Angst.

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