Mittwoch, 11. Juli 2007
Werbefrei
Soziale Distinktion und Grenzen zwischen Schichten können sehr unterschiedlich aussehen. Dort allerdings, wo sich Schichten räumlich zusammenballen, gibt es Merkmale, die sich durch Jahrzehnte und Herrschaftsformen bewahrt haben. Dort, wo sich Reiche, Besserverdienende, die Elite, die Bonzen, man nenne sie, wie man will, niederlassen, gibt es gewisse Dinge einfach nicht. Und es ist besonders das Ausgrenzen einer Sache, die global in das Auge sticht: Werbung.
An der Zufahrt zum guten Viertel der Provinzstadt liegt eine Kunstmühle, die im Laufe der Jahrzehnte von den Repräsentationsbauren von Ärzten, Managern und Mittelständlern eingeschlossen wurde. Sie war ein Fremdkörper in einer Gegend, die sie früher beherrschte, und der Müller hatte wenig Verständnis für seine neuen Nachbarn. Desgleichen nicht für seine Mühle, und so liess er an der Hofmauer zwei Reklametafeln anbringen. Seit nicht allzulanger Zeit jedoch ist die Mühle im Besitz seines Sohnes, der ihn zu einer Wohnanlage umbaut, und nach dem Auslaufen der Verträge mit dem Aussenwerber sieht die Wand jetzt so aus:

denn Werbung macht jetzt die Preise kaputt. Das, was das Ensemble durch die Wirkung optisch im Wert verliert, ist durch die paar Euro des Plakatklebers nicht mehr herein zu holen. In der Ecke der Stadt leben nur 2% der Bevölkerung, es ist der Teil, der diese Stadt zum grössten Teil gehört, und auf diese Menschen kommt jetzt exakt 0 % der gesamten Aussenwerbung. An den Briefkästen wird überall Werbung untersagt. Man muss hier gar nicht darüber reden: Werbung ist unfein. Dass die Werbetafeln verschwinden, war jedoch durchaus Thema: Sie störten. Und man ist froh, dass sie verschwunden sind.
Man kommt ohne Werbung aus. Man muss es laut aussprechen: Man kommt ohne Werbung aus. Und jetzt das Ganze mal inhaltlich umdrehen: Man kommt nicht ohne Werbung aus. Man vergleiche
A muss nicht darüber reden: Werbung ist unfein.
B kommt ohne Werbung aus.
C kommt nicht ohne Werbung aus. Oder noch schlimmer, C kommt nur mit Werbung aus.
So wie das Fehlen von Werbung ein Kennzeichen einer Klassengrenze ist, wird ihre Anwesenheit zum Stigma derer, die sie benötigen und betreiben. Wenn man noch bedenkt, dass Werbung nicht vom Himmel fällt und durch den Preis wieder von den Kunden bezahlt wird, wenn man sich die gesamte asoziale Dimension von kommerzieller Werbung vor Augen hält, sollte verständlich sein, warum man sich, so man kann, davon entkoppelt.
Natürlich sucht sich Werbung Lücken im System. Werbekataloge von Sotheby´s schaffen es, gekauft zu werden, weil sie die Werbung mit Gegenwert verbinden. Es ist nicht unmöglich für Werbung, sich aus dem stinkenden Pfuhl der Verarsche zu erheben, die ihr Urgrund ist. Es gibt faire Geschäfte, und faire Information. Wenn hinten in einem Buch erwähnt wird, dass es von gleichen Autor noch weitere Bände gibt - wieso nicht? Wenn Labels CDs verschenken, in denen ein Querschnitt des neuen Programms zu hören ist - feine Sache!
Aber das Reindrängeln, das Rumschreien, das Anschleimen, und besonders der Versuch, auf der sozialen Schiene anzukommen, das Kaufen von Leuten, die Beziehungen monetarisieren wollen, das geht gar nicht. Und da darf man sich dann auch nicht wundern, wenn man Werbung nötig Habender schneller aus der Freundesgalerie fliegt, als die Plakatwände bei der Kunstmühle verschwinden.
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Empfehlung heute - Die Abrechnung kommt
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Mittwoch, 11. Juli 2007
Ma non troppo

Optik jedoch ist nicht alles. Nachdem wir wieder alle drin sitzen und die Katze schon auf das Befeuern des Kachelofens wartet, und ausserdem das Dasein zu kurz ist, um sich immer nur mit Abschaum und Kommerzdreck im Netz auseinanderzusetzen, wird es hier eine weitere, neue Kategorie geben, die sich mit dem Schönen und Angenehmen auseinandersetzt. Wie allgemein bekannt ist, schreibe ich gern über Themen, die meine Leser hoffnungslos überfordern, um herauszufinden, was man eigentlich tun muss, um sie zu vergraulen. Nachdem mein Wegzug aus Berlin aber ebenso wenig geholfen hat wie Erzählungen aus der langweiligen Provinzgesellschaft oder 300 Jahre alte Bücher oder die immer gleichen Flohmarktbesuche und das Herzeigen meiner Silberbestände, kommt nun nochmal schwerere Kost.
Ich habe zu allem Sonderlichen nämlich auch noch einen höchst eigenen Musikgeschmack. Selbst aus Sicht der Liebhaber klassischer Musik höre ich immer noch mit Vorliebe Aufnahmen, die dem üblichen Konzertvereinsmitglied verschlossen bleiben. Meine Lieblingslabels führen auf, welches Kabel sie an welche B&K-Mikrophone angeschlossen haben, und welche Monitore sie zum Abmischen verwendeten. Um überhaupt die nötige Menge an Käufern zu erreichen, werden die CDs global gehandelt; in kleinen High-End-Geschäften, deren Besitzer genau diese exzellenten Tonträger brauchen, um den Verkauf von Spezialkabeln zu rechtfertigen. Von so einem Herrn beziehe ich auch meine Musik, was die ganze Sache zusätzlich auf sehr ungerechte Weise auf wenige Labels beschränkt.
Will sagen: Ich werde wöchentlich eine CD in höchsten Tönen loben, die die meisten Leser vermutlich nicht mal erwerben könnten, verstünden sie überhaupt, was ich da von mir gebe. Aus diesem Grunde der beabsichtigten Überlastung nenne ich die Kategorie auch "ma non troppo". Dazu kommt noch ein wenig hochspezalisierter, kulturgeschichtlicher Hintergrund, und so bin ich also guter Dinge, dass in baldiger Zukunft die grosse Mehrheit meiner Leser Entspannung bei Subplebs sucht, der auch in einem Alter jenseits des Kindergartens der Kombination von Hundekot und Zahnbürsten amüsante Seiten abgewinnen kann. Vielleicht geligt es mir sogar, damit einen feindlichen Kommerzmitleser einzuschläfern. Das würde mich jedenfalls sehr freuen.
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SC
Aber volle Kanne. Holt die Mistgabeln, die Fackeln, die Äxte, die silbernen Kugeln und die Eichenpflöcke, sie sind wieder da, und Heise heult wieder mit ihnen.
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Empfehlung heute: Kurz und lakonisch
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Alternativbilder

Bücher einsortieren und dazu endlich einen kleinen, passenden Lesesessel finden. Das bedeutet zwar, sich mit der misslungenen Farbe im Eingang abzufinden, aber so ist es eben.

Man findet zudem nach etwas Suchen und Probieren passende Orte für Trouvaillen und Familienstücke.

Und man kann es sich leisten, die Uhr eine Weile nicht aufzuziehen. Für die Muse, auf dass sie sich das mit dem Weiss nochmal überlegt.
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Dienstag, 10. Juli 2007
Empfehlung heute - Wenn ich als Autor dank Yahoo
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Liebe Mitblogger!
könnte ein spannender tag werden, morgen an der blogbar.
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Jahrestag
Dachte ich erst auch. Aber mein Aufenthalt in Berlin endete mit der Ansage meiner Eltern, dass ich zwei Alternativen hatte: Einerseits mich um den ganzen Krempel daheim und die Familie zu kümmern, oder irgendwo in der Weltgeschichte zu bleiben, dazu noch eine Stadt in der Schweiz - und dafür würden sie den Stadtpalast und noch ein paar andere Sachen verkaufen, die ihnen über den Kopf wuchsen. Ich dachte, dass die Betreuung der sog. "Überlebendengeneration" und die Restaurierung eines Stadtpalastes nebenbei geht, denn schliesslich gibt es auch noch Pflegekräfte und Handwerker. Es ging, aber so, wie ich in Berlin lernte, Bayern zu lieben, lernte ich in den zwei Jahren, was es heisst, die Verantwortung zu übernehmen. Nicht das Bröckchen, das man als Journalist für sich selber und das Medium hat, sondern so richtig.

Geht nicht anders, sonst ist keiner da, der es machen könnte. Ausserdem hat man nicht gerade ein Recht, die Klappe aufzureissen, denn es ist immer noch ein läppisches Luxusproblemchen im Vergleich zu dem, was die anderen mit 30 Jahren erlebten. Heim in die Provinz zu kommen ist nichts gegen das, was ein junges Mädchen mitmacht, wenn es aus der bürgerlichen Atmosphäre herausgerissen wird und pötzlich im Blitzkrieg in London steht, von den anderen Dingen ganz zu schweigen. Also tut man das, was zu tun ist. Nur ist dann eben nicht mehr viel Zeit, die man dauernd in München verbringen könnte, und bevor das Ding an 350 Tagen leer steht - gibt man es halt auf. Eine Sorge weniger, dafür eine Wohnung in der Stadt meht.
Das ist übrigens auch der Grund, warum ich es hier aushalte. Weil ich genau genommen nicht in der Provinz bin. Drei bis vier Monate im Jahr bin ich unterwegs, und den Rest der Zeit bin ich in meiner Wohnung in meinem Haus in der Altstadt, und erst die ist in der Provinz. Der Schrecken beginnt draussen vor dem alten Stadttor und weiter im Westen, wo sich die ehrenwerte Dame vom Tennislehrer knallen lässt und der Gemahl in der CSU mitzureden hat, bei den Edelstahlkapitellen der Discountergründerneffen und der generellen Unfähigkeit, all das Schöne und Reiche zu erkennen und zu nutzen.

Denn man muss es der Provinz lassen: Sie ist zum Heulen schön und zum Erbrechen reich. Im Umkreis von 80 Kilometern gibt es ausser Meer und Gebirge nichts, was man vermissen würde. Städte, Weltkulturerbe, Landschaften, Seen, es gibt nichts, was man nicht in einer Stunde erreichen könnte. Es gibt hier keinen Ruinengürtel, durch den man fahren muss, und abgesehen vom regionalen Journalismus auch keine Hungerleiderbranche. Man kann sich hier wirklich wundern, dass diese Welt und der Osten oder der Norden ernsthaft zu ein und demselben Land gehören, und genauso sehen das die Bewohner. Es ist eine Welt für sich, in der ich meine eigene Welt habe.
Was zur Folge hat, dass hier kaum einer weg will. Weniger, weil sie begreifen würden, dass sie draussen bestenfalls nur eine grössere Provinz mit schlechteren Chancen bekommen, sondern einfach aus Faulheit und Selbstzufriedenheit. Diese gnadenlose Ignoranz kann einem tierisch auf die Nüsse gehen, aber dann wechselt man eben das Thema und redet über das Essen und das Wetter, und ich erzähle, dass meine Freunde in Hamburg und Berlin mal wieder eingesaut sind; und während über uns dieser sagenhaft blaue bayerische Himmel glänzt, einigen wir uns schon irgendwie darauf, dass es ganz gut ist, hier unten.

Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Ohne Internet und Freunde in Restdeutschland würde ich hier schnellstens eingehen. Es gibt zwar mittlerweile eine rege Geschiedenenszene in meinem Umfeld, aber das alles ist zu sehr verhaftet, bishin zur vollverdrahteten Sozialkontrolle. Auch das gibt es überall, da unterscheidet sich das Kaff nicht vom maulhaltenden Koofmichnetzwerk Berliner Provinienz, nur bleibt mir das Netz als das Fenster, aus dem ich hüpfen kann, wenn der Provinzüberdruss durch die Schlafzimmertürpoltert, wo ich mich gerade noch mit seiner drallen Frau, der wochenmarktgefüllten Schönheit des Landes, vergnügte.
Es geht. Es geht so gut, dass ich es nicht merke, wenn es nicht gerade einen Sommertag verregnet, und mir auffällt, dass schon wieder ein Jahr vergangen ist. In Berlin oder beim Nomadenleben zwischen den Städten würde es mir mutmasslich nicht so gut gehen. Das hier ist mein Istanbul, und nun ist es an der Zeit, den Dachgarten zu bestellen.
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Montag, 9. Juli 2007
Die Quelle des Reichtums oder Messer wetzen gegen die Globalisierung
Und ich antworte: Nein. Es ist natürlich ungerecht, wie immer, wenn Besitz im Vergleich auf posende Unterschichtenvertreter trifft. Die Ungerechtigkeit hat natürlich historische Ursachen, denn wer von früh auf vermittelt bekommt, worauf sich Besitz im Gegensatz zu Schein gründet, hat später alle Möglichkeiten, dieses Wissen zu nutzen. Ich glaube nicht an genetisch bedingte Veranlagung, sondern an die schlichte Erkenntnis: Man ist nie so reich, dass man es sich leisten kann, etwas Minderwertiges zu kaufen.
Und das fängt schon bei den Kleinigkeiten an. Nehmen wir nur mal: Messer. Manche werden sagen: Naja, ein Verschleissgegenstand. Zuerst hat man im Starterpaket von 1kea ein paar Küchenmesser, die werden stumpf, dann schmeisst man sie weg - sie haben ja nichts gekostet, war ja ein Paket - und benutzt die normalen Besteckmesser, bis die stumpf werden, dann schmeisst man die auch weg. Das Prinzip erkennt man auf dem Flohmarkt, wenn man Bestecke durchwühlt: Es sind meistens die Messer, die fehlen. Flohmarkt jedenfalls ist das Stichwort, denn da war ich heute. Ich brauchte Rahmen, und es gibt da einen Markt, dessen Qualität zwar durchschnittlich mies ist, aber dennoch ein paar spezalisierte Profis für Bäuerliches anzieht. Manche von denen haben restaurierte Werkzeuge, und einer von denen, ein rundlicher, aber rüstiger Rentner aus der Nachbarstadt, hatte das hier für 8 Euro dabei:

Dazu muss ich jetzt was erklären: Dort, wo ich wohne, habe ich zwei Wohnungen; meine alte Wohnung unter dem Dach, wo ich mich im Sommer auf der Dachterasse aufhalte, und die grosse, neue Wohnung ein paar Stockwerke weiter unten. Ich habe desweiteren schon seit Ewigkeiten einen Wetzstahl, aber auch nur einen. Mit dem Ergebnis, dass ich im Sommer oben koche, und dann jede Woche runter muss, um die Messer zu wetzen. Das kann mitunter ganz schön nerven, wenn man die fehlende Schärfe beim Schneiden des harten Grana Padano bemerkt, und im Herd der (preussisch auch "die") Butter
Das hier ist, wirtschaftlich gesprochen, ein langfristiges Investment. Ich besitze einige gute Küchenmesser deutscher Produktion, die ich damit viele Jahrzehnte scharf halten kann. Danach sterbe ich, und der Wetzstahl wird anderen Freude bereiten. Er hat jetzt schon über 100 Jahre auf dem Buckel, und macht es sicher nochmal - wie lange wohl? Messing ist so gut wie unzerstörbar, der Griff ist aus völlig glattem Kernholz, das bei guter Lagerung mehr als 1000 Jahre schafft, und der Stahl muss alle 100 Jahre mal mit neuen Riefen versehen werden. Wenn das Stück dauernd benutzt wird, wird es nicht viel anders aussehen, wenn man es in ein paar Jahrhunderten das Museum hängt. Für, wie erwähnt, 8 Euro.
Es geht natürlich auch anders. Nicht zum Flohmarkt radeln, aber alle zwei Jahre feststellen, dass die heimischen Messer der Schrott sind, die sie schon immer waren. In die Stadt - am besten mit dem Auto - fahren, und dort im Sonderangebot Messer made in Germany kaufen, 2,99 Euro das Stück. Made in Germany ist allerdings nur die Verpackung, der Inhalt kommt aus China und sieht täuschend echt aus. Das kleine Problem bei der Sache: In China werden diese Messer aus Schrottstahl hergestellt; also aus dem Wertstoffmüll des Westens, und der Hunger Fernasiens ist inzwischen so gross, dass Schrottautos und abgewirtschaftete Industrieanlagen dorthin exportiert werden. Was ich daran so irrsinnig finde: Das Zeug würde hier kein Stahlbauer, der was auf sich hält, verwenden, noch nicht mal für Abflussrohre - aber als Küchenmesser tut es der Deutsche an sein Essen.
Ein hoher Schrottstahlanteil sorgt leider dafür, dass man mit dem Wetzen fürwahr nicht anzufangen braucht. Damit sich die Schneide eines Messers bei diesem Arbeitsvorgang wirklich wieder ausrichtet, muss es aus einem wirklich guten Stahl sein. Die besten Stahle für das Zerlegen von Speisen sind übrigens nicht rostfrei, aber mein entsprechend narbiges Besteck des späten Rokoko kann ich wirklich nur Kennern zumuten. Der Chinadreck dagegen ist generell unzumutbar und nach zwei Jahren erkennbar schrottreif. So fährt man wieder in die Stadt, und kauft das nächste Messer für 2,99 Euro.
Man kann das alles von der Umweltbilanz her betrachten, von der Nachhaltigkeit, von der Frage, wo das Geld hingeht, und ob es mein Rentner besser verwendet, wenn er dafür eine Brotzeit kauft, oder der Megakonzern, der irgendwo in Südchina die Umwelt mit der Verwertung von verseuchtem Schrottstahl ebenso ruiniert wie die Gesundheit seiner Mitarbeiter, die bestochene Funktionäre unterdrücken; man kann überlegen, wer seine Zeit sinnvoller einsetzt, und am Ende ausrechnen, wer in 40 Jahren mehr Geld ausgegeben hat: Der eine, der immer noch wetzt, oder der andere, der inzwischen wegen der gestiegenen Rohstoff- und Transportpreise nach dem Spaziergang in die Stadt mit 2,99 Euro nicht mehr mal die Zinken einer Kuchengabel bekommt. Womit wir beim natürlichen Opfer des Wetzstahls wären: Dem Messer.

WosgostndösBschtegg? - fragte ich den Herrn. Ois? Ois. 12 Eiro.
Für 12 Euro bekommt man nicht mal das Silbertuch, auf dem es liegt. Es ist ein Silbertuch, weil das Besteck versilbert ist. Schliesslich ist es grossenteils von WMF. Enthält 6 grosse Gabeln, 6 kleine Vorspreisengabeln, 6 Kuchengabeln, 6 Löffel, leider nur 4 Messer, siehe oben, 6 Kaffeelöffel, und einen Vorlegelöffel, und dann noch ein Haufen anderer Stücke. Da hat sich jemand wirklich mal was geleistet. Das alles würde von WMF heute weit über 2000 Euro kosten. Eine einzige versilberte Kuchengabel kostet nämlich schon 42 Euro. Und sie ist es wert.
Sie ist es wert, im Gegensatz zum Dreck der Globalisierung und seinen Mechanismen: Der Wohlstandsverwahllosung hier und der Menschenverachtung dort, und der daraus folgenden bangen Frage, ob wir unseren Vorsprung noch werden halten können, bis die Explosion der Transportpreise die Schotten dicht macht, oder ob wir den Dreck für die paar Cent Preisunterschied weiter kaufen, bis wir alle global auf dem gleichen verkommenen, asozialen Müllhaufen sitzen, den wir uns gerade billigimportieren.
Ich weiss es nicht. Alles, was ich weiss ist, dass ich auch dann noch in meinem Stadtpalast sitzen werde, die Messer wetze und es nicht nötig haben werde, mich für Sponsoren zum käuflichen Deppen zu machen, oder mein Blog an die Helfer der chinesischen Mörder zu verticken.
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Empfehlung heute: Was ich gelernt habe,
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Der passende Rahmen

Doch leider kennt die Arbeit am Haus keinen Aufschub, und wenn man sich während der Woche mit den Haien der Münchner Immobranche prügelt, die samt und sonders keine "niederen" Tätigkeiten in ihren Häusern kennen, dafür aber die Aussichten, den nächsten Urlaub ist Stadelheim zu verbringen - dann fragt man sich schon, ob so ein verarbeiteter Nachmittag nicht die bessere Alternative ist. Ganz abgesehen davon, dass es nicht sein müsste; spontan fällt mir unter denen jedenfalls keiner ein, der in den aktuellen Treppenhäusern der Investmentangebote dekorative Powerpoints aus der Erbauungszeit anbringen lässt. Genau das tue ich, bei genauer Betrachtung - endlich habe ich genug alte, identische Rahmen, um ein paar Blätter eines Missale aus der Zeit um 1600 aufzuhängen. Aber wer weiss schon, auf was für Ideen man im Jahr 2400 kommt, sollte man sich dann in Besitz eines maroden Dreckhaufens unserer Tage befinden, und die naheliegende Idee des präventiven Selbstmordes von sich weisen: So eine nette Powerpoint zum Thema "Risikoloses Investieren an der Börse in Shanghai" lenken sicher von dem ein oder anderen Riss* im Beton ab.
*Riss, der: Ungewollter Spalt im Mauerwerk, eine der Folgen des nachbarocken Niederganges der Baukunst in Repräsentationsbauten.
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Sonntag, 8. Juli 2007
Wie CDs aussehen müssen
Und so schrieb ich jeden Tag was über die aktuellen Entwicklungen. Als da war: Der Krieg der Industrie gegen MP3.com, Alternativen zu Napster, die lachhaften Versuche der Labels, mit Projekten wie musicdownload24.de etwas auszurichten, über den klugen und deshalb wenig erfolgreichen Zwischenweg von Epitonic, und was sonst noch so passierte. Und bis heute bin ich der Meinung, dass ein Verstoss gegen das Urheberrecht ein kleineres moralisches Dilemma ist, als die finanzielle Unterstützung dieser Firmen durch den Kauf ihrer CDs.
Dennoch habe ich weitgehend aufgehört, zu Recherchezwecken Downloadprojekte und Ähnliches zu besuchen. Ich kaufe CDs. Denn einerseits findet man die Musik, die ich höre, nicht im Internet. Andererseits ist es vollkommen legitim, meine Musik und ihre Labels gerecht zu entlohnen. Zumal es sich um Tonträger handelt, die man ohne Schamesröte in das Buchregal stellen kann.

Natürlich braucht ein Plastikpopnudler keine eingelegten Hefte mit 32 Seiten, um sich über seine Musik und deren jenseits von Kommerz nicht vorhandenen Inhalt auszulassen. Und für ein gewisses Klientel mag Plastik hochwertiger erscheinen als Karton. Aber wer schon mal versucht hat, ein etwas dickeres Heft zwischen die Schienen einer CD-Hülle zu schieben, wird die obige Art bevorzugen. Karton bricht nicht, wenn er mal fallen sollte. Und durch die doppelte Faltung sollten die Tonträger auch gegen alle anderen mechanischen beanspruchungen geschützt sein. So ist denn auch genug Platz für ein wenig passende Kunst aus der Zeit, die den optischen Rahmen zum Klangerlebnis stellt. Und ohne das Plastik ist auf den Rücken auch genug Platz, um den Titel und die Interpreten lesbar aufzudrucken. Übrigens, zwei Dinge wird man vergeblich suchen: Kopierschutz und kranke Lizenzvereinbarungen.
Es ist eigentlich ganz einfach. Und die Käufer von Kommerzplastikdreck bekommen auf ihre Art eben auch die perfekte optische Ergänzung zum Lebensstil. Wenn sie schon zu dumm sind, sich das Zeug dort zu beschaffen, wo es ausser für die Industrie keinen Schaden anrichtet.
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Empfehlung heute: Über den Zusammenhang
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Ich platz gleich vor Gift
Edit: Schnauze voll. Bericht folgt.
Edit 2:

Es nahm ein gutes Ende. Zumindest für mich.
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Samstag, 7. Juli 2007
Empfehlung heute: Am See
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Die Skalpe meiner Feinde - Das Danaergeschenk
Wie schon erwähnt - der Herr mit der Calatrava hatte Charme. Selbst, als es eng wurde, sagte er noch mit einem freundlichen Lächeln zu einem Haifisch: "Wie kann so eine schöne Frau nur so etwas hässliches denken" - und er hatte Erfolg damit. Zumindest genug Erfolg, dass ihm die Zeit blieb, sich halbwegs geordnet zurückzuziehen. Halbwegs. Aber nicht ganz. Denn jeder Verbrecher macht auch Fehler. Niemand kann, wenn nicht gerade ein offener Kamin im Raum und eine Badewanne voller Schwefelsäure im Bad ist, alle Spuren verwischen. Niemand kann beim Auräumen des Büros alles mitnehmen. Und selbst, wenn alles schnell in Kisten landet, gibt es immer noch Spuren der Vorgeschichte. Und diese Spuren sind in der Papiertonne. Die Papiertonne ist das, was diesen Leuten dann siedend heiss in der Nacht einfällt, wenn sie am Tag dachten, sie hätten alles mitgenommen.
Und so war es auch diesmal. Es ist eine Weile her, dass ich das letzte Mal nach Disketten und Papier gestochert habe: 2002 war das, im Winter, als einem Mandanten die Core Assets einer Firma angeboten wurden, in die ein anderer Mandant investiert hatte. Nachdem diese Firma eine Woche zuvor noch bei bester Gesundheit schien, war es kaum zu verstehen, dass jetzt schon ihr Nachlass verteilt werden sollte. Es war eine Nacht voller Überraschungen, und als ich dann am nächsten in deren Büro stand, war ebenfalls alles verschwunden. Alles - bis auf eine Tüte in der Mülltonne, mit ein paar CD-Roms.
Die Auswertung wird sich diesmal noch etwas hinziehen, aber es sind ein paar Volltreffer dabei. Die Kritzelunterlage aus dem Sekretariat, Postits, und zum Nachweis, dass es auch wirklich aus diesem Büro kommt, vieles, was man kennt. Aus einer Zeit, als man sich noch gut verstand. Vor einem Jahr, als er Geburtstag hatte. Da wurde lange überlegt, was man ihm, der eigentlich alles hatte, schenken sollte. Am Ende wurde über 1stdibs aus Paris ein Tischset im Stil Napoleon III. bestellt, mit vergoldeter Bronze und Glaseinsätzen, damit es zu seinem Glastisch passen möge, und dazu ein sündhaft teurer Exception-Füller von Waterman. Der Füller war offensichtlich ein gutes Geschenk, denn den hat er mitgenommen. Das Tischset war dagegen im Müll.

Menschen sind manchmal irrational. Jeder von uns weiss, was es damals gekostet hat. Aber es ist Glas, und es klirrt so schön, wenn man es zertrümmert, sowas hilft dem Plebs von den Slums bis zu den Beraterkreisen beim Stressabbau. Ich bin bekanntlich der höflichste Mensch von der Welt, aber einerseits war ich aufgrund der Umstände und der Zeit inmitten des Mülls ohnehin schon geladen, und andererseits werde ich zum Tier, wenn ich mutwillige Zerstörung sehe. Wenn es dir was bedeutet, kannst du es haben, sagte der Haifisch etwas kleinlaut angesichts der nicht wirklich erfreulichen Aussicht, dass ich ihm seine Flossen durch die Kiemen von hinten in das Maul gezogen hätte, hätte er die Schale wirklich, wie angedroht, an der Wand zerschmettert. So wäre unser Präsent beinahe zum Danaergeschenk dessen geworden, um den es eigentlich geht - fast, aber nur beinahe.
Jetzt ist es auf meinem Schreibtisch, es passt gut zum vergoldeten Leder, und zudem weitaus besser als zu dem Glasschreibtisch, an dem besagter Herr im Moment an einem Ort sitzt, der mir noch unbekannt ist. Aber das Löschpapier, mit dem ich eine Unterschrift aus dem Familien-Pelikan trockne, die ich unter eine Rechnung für die Verunschönerung seiner Tage setzen werde, liegt schon in der Schublade. Ich finde das Tischset schön, aber es ist nicht genug Skalp von meinem Feind.
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Hat schon was

Auch nett: Nach dem Schlusswort mit dem prognostizierten Niedergang der real existierenden klassischen Journalismusvortäuschung zu lesen, wie einer der grössten Verlage nach dem Arschtritt in Frankreich den Weg allen dummen Fleisches ins Digitale antritt:
"Im Geschäft mit gedruckten Medien würden erst einmal keine neuen Titel im In- und Ausland geplant. Jetzt setze der Konzern auf Onlinemedien, etwa in China."
(http://www.ftd.de/technik/medien_internet/222571.html?nv=nlt)
Ob die das auch den Anfängern der hauseigenen Journalistendarstellerschule beibringen? Zum Dessert dann die Überlegung, dass Mecom die Süddeutsche schlucken wird, und der Weg der Bild zur Gratispostille. Nur logisch, eigentlich: Print ist nicht tot, aber mit der gleichen Dummheit, mit der sie das Internet mal wieder ruinieren wollen, machen sie auch ihre Zeitungen kaputt.
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Freitag, 6. Juli 2007
Ich bin immer noch Münchner
Ich kann nicht sagen, wann der Bruch passiert ist. In den drei schlimmsten Momenten war ich nicht mal dort, sondern in Linz, am Meer und in Starnberg. Jeder Ort für sowas ist beschissen, aber Starnberg und Linz sind wirklich das Allerletzte. In München ist nichts passiert. Aber irgendwann 2001 erkannte ich die Stadt nicht mehr, in die ich über 10 Jahre davor gezogen war. Und jede Ecke enthielt so viel jüngste Geschichte der Jahre 1998-2001, dass ich ihr nicht entgehen konnte. 2001, Spätsommer bis Januar 2002 war ich dann weg und kletterte ganz allein aus dem tiefen, schwarzen Loch. Danach war ich nie mehr richtig in München. Es war dann auch nicht mehr schwer, die Wohnung aufzugeben.
Komische Zeit, das. Auf dem Papier gehört man zu den Gewinnern, zu denen, die zur richtigen Zeit den Absprung geschafft haben, zu den smart guys, die nichts vergeigt hatten, wiederverwendbar und gestählt durch das "Feuer der Vernichtung", diesen lächerlichen Crach lächerlicher Einfaltspinsel. Aber innerlich war man trotz allem zu lang dabei, um nicht zu wissen, was denen geschah, die es nicht geschafft haben. Ich kenne welche, die kamen durch, und damit war es für sie vorbei. Und jedesmal, wenn ich einen von denen erlebe, frage ich mich, wie zum Teufel die das mit sich ausmachen. Was fehlt diesen Leuten, welche ethischen Defizite haben diese Hurensöhne, dass sie einfach so weiter machen können. Der Hass kommt erst später, ich bin zuerst immer nur fassungslos, wenn ich einen von denen erlebe. Ich packe es nicht mal, deren Blogs zu lesen. Das heisst was, ich habe kein Problem mit Nazis, Hamas und Christofaschisten, der unüberwindbare Ekel kommt erst bei denen, die all das Vergangene nicht mehr berührt. Alles, was ich von denen lesen will, ist ihre verfickte
Egal.
Was ich eigentlich sagen wollte: Das Odeon, die New Economy Kneipe schlechthin, hat dichtgemacht, und ist jetzt ein Thairestaurant.

Die Decke ist noch wie früher, die Lampen auch, aber bei den neuen Tischen und Bänken haben sie beim Holz voll daneben gelangt. Um die Stühle ist es nicht schade, aber die Tische und die Deckenverkleidung hätte man erhalten sollen. Als Andenken an die schlechte, alte Zeit der einzigartigen Munich Area. Nie mehr also Artischocken, nie mehr Meetings mit VCs, das alles ist vorbei, vergessen, obwohl es keine 6 Jahre her ist. Aber was sind schon 6 Jahre, für die, die es nicht gepackt haben, gibt es keine Zeit mehr. Und die, die nicht begreifen, was das alles aus Menschen gemacht hat, die eigentlich nicht böse oder schlecht waren, werden es auch nicht mehr verstehen können. Vielleicht ist es ganz gut, dass dieses München verschwindet.
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Empfehlung heute: Mit dem Tod
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Statt Biergarten

Bayern hat es wie immer besser, denn um 20.30 Uhr kommt auf Bayern2Radio ein Politikfeature mit vielen Beiträgen zum Internet, teilweise interessanten Studiogästen und einem haspelnden Herren, dem man zwischen all den Fluchen auf StudiVZ und Vorratsdatenspeicherung nicht zutrauen möchte, dass er Radioerfahrung hat - und der eine erhebliche Ähnlichkeit mit meiner Kunstfigur haben wird. 2 Stunden von Blogs bis Hatesites, alles dabei ausser der Verknüpfung, denn über geifernde Koofmichs haben wir nicht gesprochen.
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Donnerstag, 5. Juli 2007
Hausbibliothek der Aufklärung IV

Drei Bände Titus Livius über die römische Geschichte, dann ein theologisches Lexikon aus Heidelberg in zwei Bänden, ein einzelner Band der 12-bändigen Erstausgabe des Apostolischen Wörterbuchs für Landpfarrer von Hyazinthe de Montargon, die komplette Polemiken gegen die Häretiker von Sardegna, ebenfalls in der Erstausgabe, dann jesuitische Marienminne, und dann wird es heiss, ganz heiss: Boccaccios Decamerone, gedruckt 1730 in Venedig, und dann die Erstausgabe von Rousseaus Brie... aber halt, so weit sind wir noch nicht - überlegen wir mal - nach welchem Buch würden wir am wenigsten greifen?

Des Augustinermönchs Hyazinthe de Montargon Dictionnaire Apostolique von 1752, avec Approbation & Privilége du Roi, das sich explizit an die Pfaffen wendet, die auf dem Kaff bitte die Schäfchen bei der Stange halten sollen, verspricht allergrösste Langeweile und theologische Debatten auf niedrigstem Niveau. Das mag der Grund für seinen grossen Erfolg sein, denn das auf Französisch abgefasste Werk erfreut sich vieler Nachdrucke bis ins 20. Jahrhundert. Ein Grund mag auch die Stellung von Montargon gewesen sein: Er war der Hofprediger von Ludwig XV., und damit am Hof der direkte Gegenspieler von Diderot, Voltaire und vielen anderen fortschrittlichen Geistern.

Kurz, Montargon ist einer der religiösen Fanatiker, die zu der Zeit langsam ins Hintertreffen geraten und zu retten versuchen, was zu retten ist. Schon das Inhaltsverzeichnis macht klar, dass es hier um einen Kampf ohne Rücksicht auf Verluste geht. Die Pfaffen in den Käffern sollen die Hölle anheizen und den Leuten die Schrecken des jenseits grell auspinseln. Montargon hat nichts Neues zu bieten, er gibt nicht nach, er will das eigene Klientel mit Druck und Zwang gefügig machen. Die beliebte Form des Wörterbuchs verkommt unter seiner Feder zur Waffe der Gegenaufklärung, und die geneigten Leser werden sich nun fragen: Was hat ein Scheusal wie Montargon in einer Serie über Aufklärung verloren?

Nun, auch Montagon kann sich den modernen Fragen nach dem Bewusstsein des Menschen, seiner Fähigkeit zu Gut und Böse, nicht wiedersetzen. Es ist die Zeit, da Emilie de Chatelet - eine Frau! Eine Frau und damit etwas, das Montargon nicht einmal in sein Wörterbuch aufnehmen wird! - mit ihrem Discours sur le Bonheur das menschliche Bewusstsein als Unterstützer und Helfer der weltlichen Freuden definiert. Ein unfassbarer Affront, soll doch das Bewusstsein allein der Erkenntnis der Religion, der richtigen Religion dienen. Montargon verbeisst sich in das Thema "Conscience", belegt mit Bibelzitaten und älteren, kanonischen Schriften, wie es zu sein hat und was das Bewusstsein darf - bis Seite 54.
Ich weiss nicht, wem das Buch im 18. Jahrhundert gehört hat. Wer immer es war, er hatte eine diabolische Intelligenz und überhaupt kein Verständnis für Montargon, aber sehr viel bösen, zynischen Humor. Denn von Seite 55 an wurde das christliche Bewusstsein aus dem Buch herausoperiert, und statt dessen Platz für ganz andere Zeugnisse des menschlichen Bewusstseins geschaffen:

Wie gesagt: Draussen vor dem Fenster bringt man zu dieser Zeit Menschen um, wenn sie das Falsche glauben, oder auch nur das falsche Buch lesen. Justiz und Kirche lesen nicht Voltaire, sie machen kurze Prozesse. Mitunter gibt es Freiräume, aber viele Bücher erscheinen in Holland oder fingierten Druckorten. Kommt ein neues Skandalbuch, distanziert sich der Autor sofort. Nicht aus Koketterie, sondern wegen der Gefahr. Bücherverbrennungen sind ganz normal, wer Aufklärer ist, lernt oft für ein paar Monate das Innere der Bastille kennen. Da ist es gar nicht dumm, einen öden Montargon zu entdärmen, um sicher zu sein. Denn wer sollte schon nach so einem Langweiler greifen?

Selbst ich, der ich alte Bücher um ihrer selbst willen mag, hätte es beinahe wieder weggelegt. Ich habe schon ein Wörterbuch zum Thema, das mich nicht sonderlich interessiert. Nur der Einband erschien mir so prächtig und atypisch für diese banale Bauernverarsche, dass ich darin blätterte.
Und dann diese feine Gemeinheit entdeckte, und aus den Seiten fast das Kichern hörte, das in einem Salon des 18. Jahrhunderts erklungen war, wenn der elende Pfaffe endlich verschwunden war, im dummen, durch die Ansicht der Buchrücken genährten Glauben, man hätte dort wirklich Interesse am geistigen Ausfluss der römischen Krankheit.
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Empfehlung heute: Radfahren
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Schräg gegenüber,

In durchaus wechselnder Besetzung, übrigens. Es gibt wohl sowas wie Freunde, Partner und Kunden, oder zumindest eben Leute, die vorbeikommen. Ich hatte schon früher bei vielen Kommunikationsagenturen den Verdacht, dass deren Gründung lediglich zur Verbilligung von Wohnraum und zum günstigen Betrieb der "Firmenautos" dient. Es gibt so viele davon, und effektiv tun sie in München nichts, was man von aussen erkennen könnte.
Es ist nicht so, dass jeder einen Googleschatten haben müsste. Einer meiner Auftraggeber existiert im Netz schlichtweg nicht, und die paar mal, wo ihn jemand aus Gedankenlosigkeit ins Netz gestellt hat, ging er mit allen Mitteln erfolgreich dagegen vor. Bei uns ist das ratsam, da muss nicht jeder alles wissen. Aber unsichtbare Agenturen, dafür gibt es keine rationale Erklärung. Ich glaube wirklich, dass die kaum realen Geschäftsbetrieb haben, da gibt es vielleicht ein paar ähnlich gepolte Freunde, zwischen denen wird formal der immer gleiche Betrag rundum geschoben, um alle Vorteile dere Firma und keine Nachteile mit der Steuer zu haben. Ein Haifisch meint, dass man das schon so machen kann; in einem Fond, mit dem wir zu tun haben, sind nicht umsonst alle Beteiligten als eigene GmbH organisiert.
Vielleicht ist es an der Zeit, eine Art Erweiterung von John Mandevilles Bienenfabel zu verfassen, zumindest für diese Münchner Form des Dachterassenkapitalismus, seine Freuden und seine mutmassliche Einzigartigkeit, denn wo kann man sonst nach der nicht existierenden Arbeit, dem Spielen einer Agentur, am Abend mit Blick auf die Alpenkette das nicht Erreichte feiern.
ja. ich weiss. ich bin gerade wieder zu lang in münchen. geht nicht anders. leider.
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