: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Montag, 9. Juni 2008

Die Rettung des Raben Teil 1

ich verstehe, dass manche mich nicht verstehen: Ein Kilo Erdbeeren kostet draussen im Feld 1,70 Euro, imVergleich zu 4 Euro beim Gemüsehändler. Und ich bin nicht so versessen darauf, dass ich in diesem Sommer mehr als 10 Kilo bräuchte. Macht also 23 Euro Gewinn, wenn wir den Genuss des Selberpflückens und die Auswahl der Schönsten gegen den Zeitverlust rechnen. Dazu kommen noch 10 Kilo Zwetschgen von Wegesrändern im Spätsommer, womit ich - unter gleichen Bedingungen - 30 Euro spare. 40 Euro nun hat der blaue Rabe gekostet, mit dem ich diese Touren unternehmen möchte. Das wären dann 13 Euro Gewinn, wenn ich nicht schon ein paar Räder hätte. Und wäre da nicht die Arbeitszeit, die ich in das praktisch fahruntüchtige Stück deutscher Wirtschaftswundergeschichte stecke. Sagen wir grob: 15 Stunden. Würde ich diese Zeit nehmen und darin kluge Sachen über den grauen Kapitalmarkt schreiben, und einmal Haifische zu einer Gesellschafterversammlung fahren, würde ich auch nach Steuern genug Geld haben, um mich an Erdbeeren und Zwetschgen mit Lieferservice totzufressen. Aber.



Da ist einmal der Arbeitsplatz. Auch das werden manche vielleicht nicht verstehen, aber es ist allein schon befriedigend, hier oben zu sitzen, etwas zu polieren und dabei diesen Ausblick zu haben. Man kann das nicht aufrechnen, das ist so idiotisch wie Blogleser in Tausenderkontaktpreisen zu verhökern. Diese Stunden sind nicht irgendwas, sie stehen für sich selbst, sie sind. Und ich lerne dabei. Ich lerne etwas über Licht am Fahrrad; ein Thema, das bislang immer nur im Zusammenhang mit dem Verb "wegschrauben" auftauchte. Normalerweise halte ich am Rad Gepäckträger, Schutzbleche, Ständer, Licht und überhaupt alles, was nicht direkt dem Fahren, Lenken und Bremsen dient, für überflüssiges Gewicht. Entsprechend puristisch sieht dann auch der restliche, erdbeeruntaugliche Fuhrpark aus. Einen Moment habe ich natürlich auch überlegt, den Raben radikal bis auf die Schutzbleche zu strippen, aber das wäre eine Schande. Statt dessen lasse ich ihn so original wie möglich. Denn jedes Teil erzählt Geschichte.



Wie dieser Bosch-Dynamo. Das fängt schon beim Typenschild an, das auf französisch verkündet: "Importe d´Allemagne". Möglicherweise noch eine Spätfolge der Besatzung Südwestdeutschlands durch die Franzosen nach dem zweiten Weltkrieg; ein West vor dem Germany fehlt noch. Vielleicht kommt auch das Material vom Krieg: Denn der Dynamo ist aus Aluminium, das damals in grossen Mengen zur Verfügung stand. Die Besatzer verschrotteten nicht nur die deutsche Luftwaffe, sondern auch ihre eigenen, im Düsenzeitalter mittlerweise obsolet gewordenen Propellermaschinen. Bosch baute mit seinem RL/WQ2 eine Lichtmaschine für die Ewigkeit: 4 Spulen, 4 Anker, kein einziges Teil, das nicht aus Metall ist, komplett zerlegbar und oben mit einer Schraube versehen, um das Gleitlager - noch so eine Eigenheit des zweiten Weltkriegs, besonders unter Rüstungsminister Albert Speer wurde die Nazi-Wirtschaft angewiesen, möglichst wenig Kugellager zu verwenden, nachdem die Alliierten gezielt die Kugellagerfabriken bombardiert hatten - zu ölen. Der Dynamo ist nicht leicht, aber er ist nach 56 Jahren wie neu und dreht sich vermutlich noch, wenn all die modernen Entsprechungen aus Taiwan mitsamt der daran hängenden Räder schon verschrottet sind. Weil die Konstrukteure in Produktzyklen dachten, die heute mit den jährlich in Modefarben produzierten Rädern unvorstellbar sind. Und daran, dass die Kunden dauerhaft besitzen und nicht nur mit einem billigen Trumm das Recht zum jährlichen Werkstattbesuch leasen wollten. Wer sowas wegmacht, zieht vermutlich auch nach Berlin, testet für Geld Opel Astra, macht sich mit seinem Gestotter für Zoomer und Watchberlin zum Deppen, wirbt für die Büttel chinesischer Mörder, und würde mit dem Bericht über den Kapitalmarkt hudeln, um dann zum pablik viuing zu gehen.

Man kann natürlich so rechnen. Ich nenne es die Rechnung der armen Schweine.

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Eine Frage des Stils

Ein Kauf war gut, wenn man auf dem Weg vom Flohmarkt zum Auto angesprochen wird, ob man es nicht verkaufen möchte. Manche erkennen es erst, wenn ein anderer es fortträgt, wenn es befreit ist, von der manchmal skurrilen oder gar bedauerlichen Umgebung, aber dann begreifen sie. Heute ist mir das fünf mal passiert, zweimal in München und dreimal beim photographieren daheim. Ich werde ein Schloss brauchen.

Um Stil zu begreifen, sollte man keinesfalls Berliner Modeblogs anschauen, oder Hochglanzzeitschriften, oder amerikanische Serien. Stil hat ein Zuhause, und es befindet sich ziemlich genau unter den Sonnenschirmen der Bar Venezia inmitten der Altstadt von Mantua, von wo aus die Arkaden ihren Anfang nehmen. Dort setzt man sich hin, bestellt einen Eistee und schaut zu, was da kommt. Es kommt vieles, es kommt oft mit dem Rad, und machmal ist es besser als jede Modenschau.



Das Mysterium besteht darin, dass es nur Alltag und dennoch wie ein inszeniertes Theater, und dass sie nicht so verkleidet sind, sondern es einfach leben. Während man in München jederzeit damit rechnen muss, von einem blankkeputzten Mountainbike plattgewalzt zu werden, geht es hier langsam zu, und die Leute schaffen diesen Stil vollkommen problemlos mit dem alten Hollandrad von Oma. Gerade mit diesen Rädern. Während die meisten Fiat 500, Lancia Aprilia und Alfa Giulias in ihren Bonbonfarben, dem celeste, dem rosso und biancho längst von den Schrottpressen zerdrückt wurden, haben sich viele alte Räder von Bianchi, Legnano und Battaglin in Quietschbunt über die Jahrzehnte gerettet und tragen heute noch dazu bei, dass Italiens Innenstädte ruhig und voller schöner, nicht zu schneller Menschen sind.

Das schmerzt natürlich. Weil man in Deutschland weder diese Ruhe, noch diesen Stil und natürlich auch nicht diese Räder in diesen Farben hat. Omaräder gibt es in Schwarz, Schwarz mit weissen Streifen und Schwarz mit grauen Streifen. Wenn überhaupt. In Deutschland versteht man sich vor allem auf das Wegwerfen. Und würde man nicht ohnehin schon leiden, kommt dann noch ein Herr und stellt einem das hier vor die Nase:



Das ist nicht nett. Das tut weh. Noch schlimmer als das Celeste-Blau, das der Kundige auch als Bugatti-Blau kennt und schätzt, noch schlimmer als all das Leder und das Täschchen hinten ist das Wissen, dass es zu diesen Repliken auch Originale gibt. Man kommt in Versuchung, sich so etwas zu, nun, sagen wir mal borgen, aber ich habe natürlich "Ladri di biciclette" von Vittorio de Sica gesehen, ich kenne das neorealistische Ende und würde dergleichen nicht tun. Die Copilotin hatt dagegen so ein unheilvollen Zucken in der Hand, und am Ende standen wir in Salurn und versuchten, einem Händler ein ähnliches, originales Exemplar abzuschwatzen, das leider nur zur Reparatur dort stand. Die Bemühung ist um so verständlicher, als das radeln mit einem für mich Rennradpiloten ungewöhnten 1-Gang-Rad mit Körberl und quietschendem Sattel neu, aber auch sehr spassig war. Ja, auch ich muss zugeben: Für kleinere Strecken, zum See oder zu den Erdbeeren, wäre so ein himmelblaues Herrenrad mit Chrom ganz wunderbar, man müsste es nur finden und über die Pässe bringen. Denn in Deutschland gibt es solche Räder nicht.

Ausser im Keller eines mittelalten türkischen Herren, der ein Rabeneick Modell 59 von 1952 von seinem Schwiegervater geerbt hat, wo es nun schon Jahrzehnte vor sich hingammelte, und nun endlich raus sollte. Er hatte keinen Platz mehr, also ab damit auf den Flohmarkt.



Es kommt zwar nur aus Bielefeld, aber es ist in diesem wunderbar optimistischen Strand- und Wirtschaftswunderblau, mit weiss und vielen verchromten Details, rostig, aber bis auf den Satten und die Reifen original, mit Heckflossenornamenten am Sportschutzblech und Schnellspannschrauben mit Firmenlogo. Mit grau marmorlierten Bakelitgriffen und einem gigantischen Bosch-Scheinwerfer, der auch noch geht. Mit verchromtem Werkzeugkastendeckel und Schutzblechen, die den Namen verdienen. Dieses Rad stand einen halben Tag am Stand herum, keiner wollte es haben, und als ich es dann für - nun wirklich läppische 40 Euro - gekauft hatte, begannen die Fragen. Woher, was kostet, sie würden mir auch 50. Und so weiter. Was fehlt, sind Weisswandreifen, ein neuer Ledersattel - beides daheim im Fundus - und eine ordentliche Putz- und Poliereinheit, sowie neue Bremsgummis.



Ich stand heute morgen vor dem Flohmarktbesuch auch vor einem Bitter CD, einem dem Ferrari 400 nachempfundenen Sportwagen auf Opelbasis, den mir jemand vermitteln wollte. Vielleicht das letzte hübsche Auto, das jemals mit dem Namen Opel in Verbindung zu bringen war. Er wäre gar nicht teuer gewesen, ich hätte auch ein paar Parkplätze am Tegernsee, aber 20 Liter auf 100 Kilometer ist dann doch etwas zu viel, und brauche ich einen geschlossenen Zweitwagen?

Zumal, wenn ich so ein Rad habe. Detailphotos im Kommentar.

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Sonntag, 8. Juni 2008

7 Tage Regen

Wenn das Gespräch peinlich, unanständig oder aggressiv wird, sprich über das Wetter.
Ratschlag meiner beim Rommé gewohnheitsbetrügenden Tante Mammi, die ein eigenes Blog wert wäre und als anerkannte Herrin über die Putzmacherinnen der besseren Gesellschaft sehr genau wusste, wie man sichin allen Lebenslagen (ausser Rommé) zu verhalten hat.

Ich vermute, dass die durchschnittlichen Regentage und Tage mit einer Temperatur von unter 16° Celsius für diesen Sommer am Tegernsee vorbei sein dürften, so nah war stets der feuchte Schauer jedem noch so zaghaften Sonnenschein. Es ballt sich schnell zusammen in den Bergen, da kommt das eine zum anderen, und prompt ergiesst es sich über Wiese und See, klatscht an Mauern und trieft die Markisen herab.



Aber es mag mir immer noch besser erscheinen, das Vergnügen hier ist immer noch grösser, drüber lacht die Sonne und darunter ich, weil, und das will ich an dieser Stelle doch nicht verheimlichen, dass ich eine ganze Menge Leutefast schon bemitleide, denen ich keinesfalls die Hand geben wollte und das auch ohne diese hier beschriebene schäbige Aktion von diversen schäbigen Leuten; dass ich tatsächlich dazu tendiere, mir lieber den Regen anzuschauen, als deren belanglose Versuche, irgendwas mit einer Software zu reissen, die ich auch verwende, für Sätze jenseits von Konstruktmoral und Auftrag. Ich mag mein Blog, ich mag viele andere Blogs, ich lese hier gern gute Geschichten, anderes überblättere ich, besonders die Kranken, die nicht damit fertig werden, dass es halt nicht klappt, dass die kritische Masse nicht erreicht wird und auch nie wieder kommt, weil sie irgendwann den Spagat zwischen dem Leben, das interessieren könnte, und dem Aktionismus, den sie sich in der Glotze und beim Broder abgeschaut haben, nicht mehr hinbekommen. Soweit sie überhaupt sowas wie Leben haben. Haben sie? Oder klatschen sie nur irgendwas im netz, damit es weiter geht? Damit sie andere treffen, die auch nicht klarkommen?



Aber - reden wir wieder über daas Wetter, das eintönige Wasser aus allen Richtungen, das den See und die Mangfall anschwellen lässt, das die Segler vergrault und die Touristen trist durch Pfützen stapfen lässt. Reden wir vom Blei des Himmels und nicht vom Blei der Beschränktheit, reden wir von den kostbaren Momenten und dem, was man auch im Grau an Abstufungen finden kann, immerhin hält es die Tagestouristen draussen und die Auswahl beim Konditor gross. Man kann wunderbar im Regen arbeiten, es geht leicht von der Hand, früh erglimmen die Kerzen und mit einer Panoramascheibe vor dem Sessel und der Kanne lässt sich dem allem auch etwas abgewinnen, wenn man es nur versteht.

Es ist vielleicht nicht schön.

Aber hässlich, liebe Leserschaft, hässlich ist es woanders.

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Freitag, 6. Juni 2008

Zum ersten Mal

jemanden, den ich sonst respektiere und gern lese, von der Blogroll gelöscht, weil ich die ungefragt von selbst loslaufende und sich trotz Nichtklickens von "Wiederholen?"erneut startende Werbung in Auslieferung von Adical Nads so nervt, dass ich inzwischen fast sowas wie Verständnis für andere Firmen aufbringe, wenn sie mit denen nicht verwechselt werden wollen.

Edit 18.50: Oh. Jetzt ist die Werbung wieder verschwunden. Da hat möglicherweise der Verschmutzungsbeauftragte von Adic äh Nads Handlungs- aber keinen Kommunikationsbedarf gesehen. Erinnert an Korrekturen von Bild online.

Edit 19.10: Jetzt ist der Dreck wieder da, und läuft wieder durch. Wie verzweifelt müssen die eigentlich sein, um dieses Zeug zu schalten?

Edit 19.00 am Folgetag: Wieder weg. Ts. Sie bezeichnen es als "Professionalisierung der Blogosphäre".

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Die schlecht genähte Brieftasche.

Und das Geld fällt, prasselt auf den Boden, rollt unter Koffer, Kisten und Fahrradteile, und dazu ertönt ein "Hoid! So fui wui I ah ned", und dazu Gelächter. Es ist mal wieder passiert, beim Kauf eines neuen Pralinenstuhls. Denn nach nunmehr 21 Jahren, mehr als die Hälfte meines Lebens, löst sich mein Geldbeutel in seine Bestandteile auf. Das Deckleder ist zerrissen, die Seitenwand des Geldfachs hat keine Naht mehr, und wenn ich die Brieftache zu schnell ziehe, ergiesst sich ein Münzregen über den Boden. Langsam wird es zu einer teuren Angelegenheit, denn nicht alles findet sich wieder. Aber - seit 21 Jahren habe ich ihn nun, er war damals schon extrem teuer, so teuer, dass selbst Ralph Lauren, die ihn damals hergestellt haben, so etwas heute nicht mehr anbietet. Er hat lange gehalten, alles mitgemacht, und ich habe ihn nie verloren. Ich würde ihn reparieren lassen, wenn ich Ersatz hätte, aber so eine Brieftasche habe ich seit langem nicht mehr gesehen.

Sie brachan a neis Bortmönäh, sagt die Frau der Stuhlverkäufers, und ich erzähle ihr die Geschichte, warum ich nicht vorhabe, mich davon zu trennen. Weil ich keinen Ersatz habe, den ich verwenden könnte, solange meine Brieftasche beim Schuster ist. Do hed i oan, meint die Frau, an ganz nein von meim Obba, dea hodn nia bnutzt, dea woa spoasam und hod imma ois aufghom, schans amoi, sagt die Frau, wühlt in einer Kiste, findet eine flache, aufklappbare hellbraune Ledertasche, die meiner vom Funktionsprinzip nicht unähnlich ist, sieht man davon ab, dass er natürlich noch keinen Platz für Plastikgeld hat. So aus den 60er Jahren dürfte er sein, er ist tatsächlich neu, noch immer ist das Platzhalterpaier für den Personalausweis drinnen, kostet nur ein Euro und wird mir aufgedrängt.

Ich nehme ihn, und mein Geld prasselt noch dreimal über den Boden, bis ich heute morgen beschliesse, endlich mal umzuräumen. Ich fülle die Münzen in das Münzfach - und die Enttäuschung ist gross: Man hat das Fach unten nicht zugenäht, das Geld rutscht durch auf die andere Seite der aufklappbaren Tasche und verschwindet. Pfusch. Ich klaube mühsam die Münzen aus dem hintersten Winkel hervor, und fühle noch etwas Papier, und siehe -



Opa war sparsamer, als letztlich gut für ihn und seine Erben war. Baujahr 1960, fast neu, drei Erinnerungen an eine Zeit, als 50 Mark noch sehr viel mehr war, als 25 Euro heute sind. Liebesgrüsse aus der Wirtschaftswunderzeit.

Das war einmal sehr viel Geld.

* * *

Ich habe gestern mal geschaut, welche der Wohnungen, die ich mir vor dem Kauf meiner Bleibe zu Gemüte führte, heute noch im Angebot sind. Ausser den ganz schlechten und extrem überteuerten Objekten ist alles weg, der Markt hier am See ist leergefegt. Die Bekannten meiner Eltern bringen ihr Geld in Sicherheit, man sucht Stabilität und flieht die Inflation, es geht nicht mehr um Rendite, sondern nur noch um Werterhalt. Schlagzeilen wie 20% Steigerung bei den Mieten weisen den Weg. Zumindest in Deutschland. In den USA dürfte es bald sehr billig werden: Gestern wurden die beiden Monoliner Ambac und MBIA im Bonitätsranking um zwei Stufen runtergesetzt, zusammen versichern sie Kredite von 1,5 Trillionen Dollar - eine Versicherung, die faktisch nichts mehr wert ist.

* * *

D-Mark fühlen sich übrigens schöner an als Euro.

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Freitag, 6. Juni 2008

Empfehlung heute - Welt heilen

Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, sich erst mal diese angenehm grüne Bilderserie vom lieblichen Tal der Mangfall anzuschauen.



Dann verträgt man die Schlechtigkeit der Welt im Allgemeinen und der Pharmaindustrie im Besonderen besser. Ich will auch so ein Belohnungsrecht für Skandalaufdecker.

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Real Life 5.6.2008: Eine Frage des Respekts

Vom Himmel fällt Wasser, als wäre es die amerikanische Notenbank, die einen Geldregen auf die Kriminellen an der Wallstreet niedergehen lässt. Der erste 1000er ist keine zwei Kilometer entfernt, aber du siehst ihn nicht, die Wolken schaffen es nicht mal knapp über Seehöhe, und schon auf der ersten Anhöhe über dem See schüttet es schon seit Stunden. Das Wetter ist schlecht; würde man im Hotel wohnen, hätte man sich längst in den sonnigen Norden verabschiedet. Aber da ist ein gutes Buch - die Liebestaten des Vicomte de Nantel von Crebillon d. J., in Form eines Privatdrucks des Kala Verlag Krohn KG, erschienen 1964, nummeriert 604, mit Bütten und Halbleder einer der letzten Höhepunkte der libertinen Privateditionen zur Subskription, bevor Porno mit den 68ern normal, holländisch und vulgär wurde. Da ist eine gute Tasse Tee, ein bayerischer Hefezopf mit Weinberln, dazu italienische Pfirsichmarmelade und hin und wieder der entzückende Anblick von in Plastik gehüllten Menschen, die draussen mit hohen Verlusten versuchen, dem Wetter etwas abzugewinnen. "Crebillon in den Bergen" wäre ein schöner Titel für einen leichten Sommerroman. Irgendwo wird mal wieder gerated, in München zittert die Staatskanzlei vor neuen Löchern bei der Landesbank, und Akten gehen auf Reisen in die Keller von Sekretärinnen, man weiss nie, was kommt, also gilt es, den Augenblick zu geniessen -



der justament durch Geklingel gestört wird. Du gehst zur Tür, draussen ist eine ältere Dame, die sich als Frau Dr. T. vorstellt und dir mitteilt, welche Wohnung, genauer Sommerwohnung in diesem Komplex die ihre ist. Hier geht es noch zu wie früher, man lässt niemanden draussen stehen, also bittest du sie herein und zeigst ihr die Wohnung, von der sie dank der Tratscherei im Ort ohnehin schon alles wissen dürfte, angefangen vom Muster der Teppiche bis zu dem Teil deiner Lebensgeschichte, den du für zumutbar hältst. Frau Dr. T. jedoch ist vorsichtig, sehr, sehr vorsichtig, lehnt auch Tee und Kuchen ab, und setzt dann behutsam an.

Es sei nämlich so, dass sie jetzt ein paar Wochen hier sind, und sie hofft, es würde dich nicht allzusehr stören, ihre Kinder kämen auch ab und an vorbei, und dann könnte es, nun ja, die Tochter hat einen Hund, also, der könnte bellen. Das täte ihr sehr leid.

Das ist jetzt schon die dritte Hausbewohnerin, die bei dir in Frage von bellenden Hunden vorspricht. Die anderen beiden fraglichen Exemplare, Dackel Moritz und der ältliche Hund der Familie, die meistens ohnehin in Ibiza ist, waren alles andere als laut. Also erzählst du von Hermes, dem aufgerichtet 2,10 Meter grossen Golden-Retriever-Bernhardiner-Mischling, den du bestens kennst und den du trotz seiner Neigung, lautstark Harleys zu jagen, für absolut tolerabel und zumutbar hältst, Hunde seine gar kein Problem und Sabinchen, die Hunde verhaut, kommt eh nicht mit, also alles kein Problem.

Wir werden auch sonst versuchen, Lärm zu vermeiden, betont Frau Dr. T., und langsam wirst du etwas unsicher, ob das nicht eine Anspielung auf eigenes Verhalten ist - vielleicht Nachts geduscht? Crebillons Vorschläge lautstark praktisch umgesetzt? Der Auspuff hat ein Loch? Dir fällt absolut nichts ein, kaum klingt das Klappern der Thinkpad-Tastatur durch das Schlafzimmer, und Bütten blättert sich sehr leise. Du, das ist sicher, warst es nicht. Und um der Situation die Gezwungenheit zu nehmen, berichtest du leutseelig von daheim und dem Krach, den die Elitessen bei ihren Grillversuchen im Hof machen, und dass du überhaupt keinen Anlass siehst, in dieser nun wirklich ruhigen, dezenten Anlage irgendetwas zu bemängeln. Im Gegenteil, du hoffst, dass die Umbauarbeiten nicht zu laut waren.

Und - also - was hat ihnen eigentlich der Vorbesitzer gesagt, fragt Frau Dr. T. verlgen, und langsam wunderst du dich, ob es da nicht noch irgendeinen Knaller hinter der Fassade gibt, ein privater Folterkeller vielleicht oder sonst einen Haken, der keine Erwähnung fand beim zügig durchgeführten Notverkauf im März.

Nichts, alles in Ordnung, und du lässt die ganze Geschichte des abrupten Besitzerwechsels Revue passieren, soweit der Verkäufer dabei mit seinen Spekulationen im Nebel des grauen Kapitalmarkts, die ihn am Ende zum Verkauf brachten, nicht zu schlecht wegkommt.

Ahhh, sagt Frau Dr. T., plötzlich gar nicht mehr so dezent und zurückhaltend, aha! Sie sind also nicht mit ihm verwandt oder befreundet? Und er hat ihnen nichts erzählt?

Nun aber erzählt sie. Seit dem Tod seiner Tante habe die Hausgemeinschaft unter diesem Mann gelitten, ein Scheusal sei das gewesen, wegen jedem Bellen hätte er die Polizei geholt, wenn er mal da war, Prozesse hätte er geführt wegen kleinster Vorteile, eine Delle in einem Ferrari hätte zu übelsten Verdächtigungen geführt, wo er war, sei Krieg gewesen, man habe sich gefürchtet und sei Wandern gegangen, wenn er kam, sein Sohn wäre genauso gewesen, und nach dem, was im Hause gemunkelt wurde, hätte er die Wohnung an einen Geschäftspartner der gleichen Sorte weiterverkauft, der mit ähnlichen Praktiken die Sonne über dem schönen Leben am See auch so verdunkeln würde.

Äh - nein, sagst du, die Quelle des Respekts erkennend und gleichzeitig negierend, die in den letzten Wochen diese Sturzbäche von Respekt und vorsichtigen Fragen über dich hat hereinstürzen lassen. Du redest noch etwas über erfolgreiches Konfliktmanagement im heimischen Stadtpalast, Konditoreien und den Umstand, dass du hier keinesfalls als knallharten Haifischtransporteur, sondern eher als Schriftsteller gesehen werden möchtest, und fängst dir damit auch gleich das Angebot ein, dich in Tegernsee bei der Gestaltung einiger literarischer Veranstaltungen einzubringen, sie kennt da nämlich Frau Prof. Dr. F., die macht das und ist sicher begeistert, wenn die junge deutsche Literatur hier auch etwas repräsentiert ist, neben Heimatdichtern und Dorfchronisten. Ob du denn auch sowas mit dieser Imail machst?

Mit dem Verprechen, das allseits verhasste Namensschild (mit Wappen) des Vorbesitzers an der Tür zu entfernen, um das es übrigens auch einen Rechtsstreit gab, verabschiedest du Frau Dr. T. und hoffst, dass der vergangene Krieg keinen auf die Idee bringt, Ungleiches nun mit Gleichem zu verbinden. Die Tage des Respekts jedenfalls sind jetzt vorbei.

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Mittwoch, 4. Juni 2008

Ich schwanke noch.

Gnädig gesehen könnte das, was bei uns hier gut sichtbar an den Laternenpfählen über der Brücke hängt, auch ein Platzhalter für elitenändernde Aktivitäten während der nächsten Weltrevolution sein.



Ich denke aber, dass es zwar nicht übel gemeint, aber letztlich doch ein Zeichen für den Umstand sind, dass wir zwar alle formal in einem Staat namens Deutschland leben, dieser Staat aber mit höchst unterschiedlichen Realitäten aufwartet.

Denn ich wohne an einer Anliegerstrasse. Hier kommt keiner vorbei, der nicht hier wohnt. Damit das so bleibt, gibt es auch massive Strassenrandvorsprünge, 10 Meter lang und zwei Meter breit. Auch die hat der Ort komplett durchbeblumt, zur Freude der paar Dutzend Anwohner, von denen ein Drittel im Sommer ohnehin auf Ibiza, Mallorca oder Florisa weilt. Es gibt in diesem Land Orte, die sich Gedanken machen über den Blumenschmuck auf halber Höhe ihrer Laternenpfosten, was man da pflanzt und welcher Gemeindearbeiter an sonnigen Tagen dort das Wasser bringt. Es gibt aber auch ganz viele ganz andere Orte, in denen weggeworfene Kühlschränke und Hundekot den Strassenrand säumen.

Und vermutlich dennoch keine Weltrevolution. Weil jeder auf seine Art mit und ohne Blumen ruhig schläft und zufrieden ist, und es gar nicht anders kennt.

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Und der Engel sprach:

So stehet auf, erhebet die Glieder und gehet hinüber an die Blogbar,



wo verkündet wird der Stand dessen, was manche für die Professionalisierung der Blogosphäre gehalten haben in der Hoffnung, die Worte würden nicht in ihren Mäulern verfaulen.

(Jubelperserengel in der Pfarrkirche zu Schwaz, linker Seitenaltar, XVIII. Jahrhundert)

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Dienstag, 3. Juni 2008

Von oben ist es in Ordnung

Vom Zintberg - Ende der befahrbaren Strasse nach 20 Serpentinen auf 1250 Meter, darunter das reichste Siberbergwerk der europäischen Geschichte - hat man einen grandiosen Blick von Innsbruck bis nach Schwaz direkt darunter im Tal. Man sieht vieles, aber nicht alles.



So etwa die beiden deutschen Hools aus Düsseldorf beim Getränkemarkt neben der Tankstelle, die 144 Dosen Bier gekauft haben. Oder die Fahnen, mit denen sich der Österreicher anschickt, sich von den Deutschen in Sachen dumpfer Nationalismus gerade beim Heimspiel nicht schlagen zu lassen, schliesslich hat man eine zeitweilig ministrable Nazipartei mit Handschlagqualität, das haben sie noch nicht mal in der Koksermetropole Hamburg so hinbekommen. Gott strafe Österreich, sagt man bei uns in Bayern, und es sieht so aus, als hätte er uns erhört. Könnte man da nicht ein Land Idiotanien einrichten, das in Zukunft jede Art von Arschkrampenparade beheimatet, von rechtsgerichteten Parteien über die ostdeutsche Landjugend mit Glatze und Kickdeppen bis zu den romtreuen, sexfeindlichen Kohorten in Erwartung der "goldenen Mesmernadel", von der ich heute in Schwaz erfahren durfte, dass es sie tatsächlich gibt? Ein Land mit 365/24/7-Oktoberfest und besoffenen Australiern, ohne Tempolimit innerorts, englischer Küche, Opel Astra als Standardauto und Komplettversorgung mit Atomkraftwerken, für die der neue Ö-Staatskonzern Siemens geschmiert und die Telekom aufgepasst hat? Und Wien als Zentrale für alle Lobbyisten und Korrupten? Sprich, ein Paradies für Deppen, die es toll finden, auf der grössten europäischen Müllkippe zu leben?

Nur den Achenpass und die Inntalstrecke bis zur Brenner-Staatsstrasse bitte ich, zum Korridor zu erklären.

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Empfehlung heute - Das Fenster zum Hof

im unnachahmlichen Stil der Modeste neu erzählt.

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Der Pferdefuss

Ich kenne mich mit Immobilien aus, egal ob Vorkrieg oder Nachkrieg, und mit Vorkrieg meine ich durchaus auch "vor dem bayerischen Erbfolgekrieg". Einerseits habe ich mich im Studium intensiv mit Mittelalterarchitektur auseinander gesetzt, sogar ein Seminar in Bauaufnahme gemacht, andererseits arbeite ich jetzt seit 20 Jahren an der ewigen Geschichte der Instandhaltung einer - für die Zeit um 1600 - ausgesprochen grossen Immobilie. Und wäre das nicht genug, liegen hier viele Akten von Fonds, die makellose Renovierungen versprochen haben, und Gutachten, deren Photomaterial vom Rohrbruch über verfaulte Böden bis zum gemeinen Schwamm im Dach belegt, dass es mit den Versprechungen nicht weit her ist. Und natürlich entgehe auch ich nicht bösen Überraschungen - meine Berliner Wohnung etwa lag bei der ersten Betätigung des Lichtschalters sofort im Dunkeln, weil da jemand nach Aussage des Elektrikers ein paar Kabel zusammengebracht hat, deren Anordnung man sonst nur von Weidegattern und elektrischen Stühlen kennt. Und auch meine grundsolide Wohnung in München entging eines Tages nicht der nächtlichen Konfrontation mit dem elektrischen Aufschlaggerät: Unter meiner Badewanne floss Wasser durch die Decke der darunter Wohnenden, und statt den Fehler in der Dachgartenüberlastung durch Pflanzen zu suchen, die dort die Fliessen zertrümmert und dem Wasser den Zugang zu den Trennfugen des Bauwerks erlaubt hatten, verdächtigte man vergeblich meinen Sanitärbereich. Irgendwann muss man sich bei jeder Immobilie darauf einstellen, dass man Pferdefüsse findet.

Man sollte also meinen, ich sei inzwischen gewitzt, würde genau aufpassen und durch meine Erfahrung schlimme Folgen vermeiden können. Und nun das: Keine drei Monate nun habe ich die Wohnung am Tegernsee, und schon finde ich Pferdefüsse. Nicht einen oder zwei, sondern acht Pferdefüsse, und das einfach beim Gang zum Müll, gleich hinter meinem Parkplatz, die nach Aussagen der Nachbarn ebenfalls zu dieser Wohnanlage gehören.



Acht Pferdefüsse, und die Pferde hängen auch noch dran, auf der anlageneigenen Koppel. Vielleicht sind da auch noch mehr. Kein Schwimmbad, kein Gym, aber eine Koppel. Vielleicht fahre ich jetzt nach Tirol und bitte dort jemanden im Hans-Moser-Stil folgende Ansage für den Anrufbeantworter zu sprechen: "Grüss Gott, werte Herrschaften, wen, den Herrn Porcamadonna? Ah, verzeihn´S, da Herr Porcamadonna weilt hinten auf der Koppel ned woah, ja, also späta is er wieda do, wenn`s so ned währadn, mia zu sogn was Ihr Begehr is, nochad werde ich es ihm mitteilen, wenn er wieder zu erscheinen geruht."

Und wer das für übertrieben hält: Die Haushälterin der Mutter einer Mieterin empfängt mich desöfteren so ähnlich am Telefon, und Mama entschuldigt sich dann immer, wenn sie draussen bei Püppi und Maxi das Handy im Range Rover vergessen hat.

(Man müsste wirklich mal ein Buch über den real existierenden Reichtum in Deutschland schreiben)

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Das Kekse-Mysterium

Zwischen Montag Morgen und Montag Nachmittag liegen ein paar Stunden. Ein paar Stunden, in denen man das ein oder andere erledigen könnte. Dinge besorgen, die noch fehlen. Da ist also dieser Herr, der ein Problem hat. Zu dessen Lösung lässt er Leute kommen. Oh, bitte, in meinem Fall ist das kein Problem, ich brauche nur 30 Minuten in diese Glasbetonbrache am alten Flughafen. Aber andere kommen aus Frankfurt, Hamburg und Berlin. Darunter einige, die Stundensätze verlangen, die eigentlich mehr zu erwarten liessen, als dass sie nur dasitzen und schweigen.

Es ist völlig normal in diesem Umfeld, dass es sich nicht um Geld dreht, das eingenommen wird. Seit 2000 habe ich eigentlich nur noch mit Leuten zu tun, die ihr Geld wiederhaben wollen. Und dafür ganz erhebliche Mittel aufwenden. Das fängt bei Details wie Nagelpflege auch für Männer an, die aktuell ziemlich wichtig zu sein scheinen, um ernst genommen zu werden, zieht sich hin über Hobbys, die man in diesen Kreisen braucht und endet bei der Büroeinrichtung von der richtigen Firma.



Aber als ich dann anderthalb Stunden vollkommen umsonst drinnen sass, weil alles doch wieder ganz anders gemacht wird, und meine Arbeit vorerst nicht gebraucht wird, überlegte ich, ob ich als Entlohnung für den jetzt kommenden Stress bei der Abrechnung nicht die Frage stelle, die mich nun schon seit einer Dekade von Konferenzen und Meetings quält, für die ich keine Lösung finde und die doch so leicht, für ein paar Euro in den Stunden vor dem Meeting von jeder Schreibkraft, von jedem Praktikanten einfachst zum allgemeinen Wohlbefinden zu lösen wäre: Wenn schon Schuhe, Uhren, Benzin, Möbel, Miete und Reisen so teuer sind, wenn das System an sich im Leerlauf exorbitante Kosten generiert, die dann bei solchen Meetings auch noch zu vollkommenen Verlusten umgewandelt werden, wenn das alles veranstaltet wird, um mich auch noch von Abendstimmungen am See abzuhalten, so dass ich die Bilder vom vorhergehenden Tag bringen muss -



wieso sind dann eigentlich die Kekse so schlecht? Man kann doch nicht Leute so lange in einen Raum sperren, nur ein paar trockene Kekse hinstellen und damit den Eindruck erwecken, man habe das Zeug gerade in einer hinteren Ecke der Cafeteria gefunden, angebrochen aber noch nicht verschimmelt, staubtrocken aber es gibt ja Mineralwasser, geschmacksneutral, wenn man mal von einer Ahnung Sand und einem kräftigen Nachgeschmack von dürrer Rinde im Abgang absieht. Und ich kann mich an kein einziges Treffen erinnern, zu dem das anders gehandhabt wurde. Immer nur die billigsten Kekse aus dem billigsten Supermarkt. All die Posen, die Luxusmarken, die vielfältigsten Symbole, Labels und Zeichen der Peer Group, alles dahin, wenn Zähne auf feinstem Schotter mahlen. Es ist das kleinste Detail, aber es stimmt ebensowenig wie die Jahresabschlüsse von Comroad oder die Gutachten der anderen Seite.

Schlechte Kekse sind der erste kleine Riss, das erste rieselnde Sandkorn, das Knirschen im Gefüge und der reissende Bolzen, der den Träger schwächt, an dem die Drahtseile hängen, die alles vor dem Einsturz bewahren. Kann sein, dass alles zusammenfällt, und ich in ein paar Monaten alle Zeit der Welt habe, den Abend am See zu geniessen, aber es wäre nett, wenn man dafür sorgen könnte, dass zumindest auf meiner Seite alles richtig ist. Der grosse Feind übrigens bietet die gleichen, schlechten Kekse an.

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Montag, 2. Juni 2008

Sommerfrische

24 angenehme Grad, der Baum macht leichten Schatten und flirrendes Licht. Das Essen.



Dazu der Blick nach Süden; es genügt, den Blick vom Essen zu heben.



180 Grad drehen, 35 Kilometer im Norden, dann München. Die Stadt, von deren Bewohnern manche das hier durch Entlohnung bezahlt haben. Und weil es leider auch noch sowas wie Nebenkosten gibt, muss ich da jetzt hin, in klimatisierte Räume. Gegenüber muhen die Kühe zum Abschied. Andernorts wird weiter gepicknickt. Ganz erstaunlich, München und Hamburg. Gibt es sowas wie Blogger-Memory?

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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Montag, 2. Juni 2008

Tage aus Blei

Es gibt solche Zeiten. Betrachten wir es realistisch: Ich habe wieder drei Wohnungen. Die Gästewohnung: Voll. Gestern führte ich dort die neue Mieterin, bei der ich mich absolut am Riemen reissen muss, nicht über sie zu schreiben, bei der Dachterassenbesichtigung hinein, und sie fand es - voll. Wo eine gerade Wand ist, hängen dort entweder Spiegel oder Bücherregale mit ungefähr 4600 Bänden. Meine grosse Wohnung: Voll. Zumindest so voll, dass ich das Angebot, eine durch einen Designwandel einer Beratungsgesellschaft überflüssig gewordene Biedermeiervitrine kostenlos zu übernehmen, ablehnen musste. Auch, weil sie in Kirschholz stilistisch absolut nicht zu meinen Mahagonimöbeln passte, aber auch, weil ich keinen Ort habe, wo ich sie noch stellen könnte. Ich brauche eigentlich nur noch zwei venetianische Spiegel und zwei grosse Bücherregale, 5 Reliefs nach griechischen Originalen, und ein Dutzend Qing-Teller, dann bin ich wirklich durch. Und am Tegernsee möchte ich den Eindruck einer halbwegs schlichten Sommerfrische erhalten. Wie schlimm es wirklich ist, sah ich vorgestern, als Frau Mama beschloss, die Anordnung ein wenig wie daheim haben zu wollen und einen Sessel auswählte, den man am See ins Schlafzimmer stellen kann, zum Ablegen der Kleidung und als Rückzugsplatz vor das noch fehlende Buchregal: Wir gingen durch meine Räume, begutachteten die acht Optionen, und als ich dann einen Sessel ins Auto gebracht hatte, sah der Raum nicht unbedingt entleert aus. Eigentlich merkte man gar nichts.

Das hat zwei Folgen: Sollte ich jemals den Tegernsee wieder verlassen, muss ich als Ausgleich wieder etwas neues zur Unterbringung all der Möbel kaufen, und es wird wieder kein Ferrari sein. Das liesse sich irgendwo verschmerzen, selbst wenn es jedesmal aufs Neue kribbelt, den Vorbesitzer oder dessen Frau hier mit dem schwarzen 456er vorbeifahren zu sehen, den sie mir für einen geringen Aufpreis überlassen hätten - zur Abschreckung reicht ein Blick auf die Zapfsäulenpreise. Andererseits habe ich in letzter Zeit häufig das Gefühl, auf den Antikmärkten Dinge, die wirklich schön und begehrenswert sind, einfach nicht zu brauchen. Ich begegne den schönsten Antiquitäten mittlerweile mit stumpfer Agonie und dem dummen Gedanken "Kein Platz". Ich stand gestern Abend vor dem besten Antiquitätengeschäft von Rottach, die mit einem Schwung ganze Häuser ausstaffieren können, und dachte mir: Naja. Und gestern morgen ging ich über einen Flohmarkt und fühlte mich wie zwischen zwei Bleiplatten; oben das heisse, schwüle Blei der Sommerhitze, unten das Blei der Langeweile und des Überdrusses, Stand für Stand, Reihe um Reihe. Manches würde schon gehen, aber halt gerade so eben; sprich, man ärgert sich erst, dass es nicht das ist, was man wirklich will, und dann gleich nochmal, wenn man die bessere Alternative findet. Die Person mit der Biedermeiervitrine ist so ein Fall. Ein Reisekoffer war ganz nett, aber es fehlte ein Griff. Ein Quirl mit Drehrad und Holzgriff war in einem Haufen sehr unsauberem Besteck. Ich war fast schon durch. Und dann:



Ich habe schon einen. In der Provinz. Und am Tegernsee wieder gelernt, was bluten heisst. Einmal habe ich in München eine halbe Stunde vergeblich nach den Einsätzen gesucht, als ich einen Halter in einer Kiste gefunden hatte. Derlei Benehmen, wie Isnogud auf der Suche nach dem letzten Puzzleteilchen, ist mir an sich vollkommen fremd, aber ein Mouli Grater ist eine absolut grandiose Erfindung, es gibt keinen Tag, da ich ihn nicht nutze, und keinen Tag am Tegernsee, an dem ich das Fehlen desselben nicht verflucht habe. Es geschieht nicht oft, dass ich nur einen Euro ausgebe, und nur mit einem Trumm von der Jagd komme, aber gestern war dieser Tag, und dennoch war ich vollkommen zufrieden.

Bis ich dann beim vorletzten Stand noch diesen Pralinenstuhl sah, dieses wirklich entzückende Sesselchen für eine von Mama geschlagene Lücke, aber das ist eine andere Geschichte.

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Hausarbeiten

Es gibt Dinge, die würde ich in Berlin keinesfalls tun wollen. Berlin hat zwar viele Einwohner und ist gnadenlos anonym, wenn man überfallen, in einen Koffer gesteckt und angezündet wird. Aber es bedeutet nicht, dass man dort ungestört in der Öffentlichkeit arbeiten kann. Dem Gesindel dort ist der arbeitende Mensch ein Graus, zumal falls er sich mit Verschönerung auseinandersetzt. Das ist dieses Ding, das das Gegenteil der Berlinern wohlbekannten Schmierereien, Müllhalden und sinnloser Vandalismusaktionen darstellt. Eine Tätigkeit, derer man sich in Städten befleissigt, die Berliner aber spiessig finden. Überhaupt wundert es mich, dass Neapel inzwischen nicht voll mit Berlinern ist. Dann könnte ich vielleicht dort auch etwas Angenehmes machen.

Aber im Moment gäbe es sicher irgendwelche Leute, die es lustig fänden, das Verweilen auf der Leiter für allerlei Zeitvertreib zu nutzen, angefangen vom blöden anlabern über die demonstrative Notdurft im Beet bishin zu Versuchen mit der Leiter und der Schwerkraft. Es ist nicht so, dass es in der Provinz störungsfrei abgeht, aber die Störungen beim Hochbinden der überbordenden Pracht der Weinstöcke sind durchaus angenehmer Natir.



Da bieten wildfremde Leute an, die Leiter zu halten. Da wird bewundert und photographiert, da schätzt man die inzwischen enormen Ausmasse und die Kraft der Stämme, da will man alle paar Minuten hören, was es mit den Stöcken auf sich hat und was man später mal mit den Weintrauben macht. Und jeder findet es toll, dass es so etwas in der Altstadt noch gibt. Früher waren sie häufiger, aber heute ist es das einzige Haus mit einer durchgehenden Weinstocktradition von mindestens der Mitte des XVIII. Jahrhunderts bis heute.

Nur einmal gibt es milden Spott mit der Bemerkung, ich möchte doch die Fenster im 1. Stock zuwachsen lassen, dann würde man nicht sehen, dass sie nicht geputzt sind. Man kann das spiessig finden, aber lieber so, als die Schweine, die jedes Fleckchen Erde als Toilette für sich oder ihre Köter missbrauchen. Man bekommt viele gute Wünsche mit auf den Weg, in dieser Stunde beim Weinhochbinden, mehr als in Berlin im Laufe eines Jahres.

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