: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 23. Juli 2008

Entschuldigt mich

Die kommenden Tage wird es hier etwas ruhiger - ich war peinlicherweise seit meiner Kindheit nicht mehr in Admont, und danach geht es ins Ennstal, mit einem Tortenintermezzo in Bad Ischl.



Es könnte ganz angenehm werden, wenn diesmal das Wetter mitspielt. Soundtrack: Missa Salisburgensis von H. I. F. v. Biber in dieser wunderbaren Aufnahme.

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Ende eines Imperiums

Seitdem ich in den letzten Wochen die amerikanische Form der Postnichtzustellung kennengelernt habe, ihre Lahmarschigkeit unabhängig von der sie betreibenden Firma und die Unzuverlässigkeit der Trackingsservices - eigentlich kenne ich das ja noch von früher, aber es ist jedes mal wieder ganz erstaunlich - und obendrein noch die Ostblockmentalität des Kundenservices, weiss ich, warum diese Nation es nötig hat, in Deutschland um Soldaten und in China um Kredite zu betteln. Sechs Sendungen, drei verschiedene Anbieter, keine einzige in time, auch nicht mit noch so teuren Zusatzdiensten. Gemessen am Versagen, das in etwa der nigerianischen Staatspost entsprechen dürfte, und den dadurch entstandenen Kosten von 160 Euro sollte der Dollar jetzt ungefähr mit 7 Cent bewertet sein.

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Empfehlung heute - Vor dem Wecker

Lu hat geträumt.

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Dienstag, 22. Juli 2008

Mia san mia.

Manche beschweren sich, wenn ich Tippfehler stehen lasse, weil ich finde, dass sie auch eine Berechtigung haben, wie Patina oder Kratzer. Die Welt ist nicht immer perfekt, und wer einen Beitrag nicht liest, weil er sich an einem falschen Buchstaben stört, der ist mir wurscht oder, norddeutsch, schnuppe. Und wie ich feststellen durfte, tendierten auch meine Vorfahren schon zu dieser - nicht wirklich hochgeistigen, aber doch im Charakter verwurzelten, weil starrsinnig sei der Bayer, selbstbewusst und leger - Haltung, und zwar von den heimischen Bergen bis zum Nordseestrand im feindlichen Ausland, dem klar gemacht wurde, wer hier als hieriger ist, und sich als uns auch uns schreibt, allerdings mit einer kleinen Ausnahme beim "N":



Man betrachte dabei auch den mit angedeuteten Schiessscharten versehenen Wall, der aufgeschüttet wurde. Doch. Wir haben die Absicht, eine Mauer zu errichten.

und nach 1955 kam auch keiner von uns mehr so hoch in den norden!

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Montag, 21. Juli 2008

Mechanik oder In die Art geschlagen

Beim Durchschauen alter Familienalben festgestellt: Die Neigung, sich mit benzingetriebenen Gefährten bildlich zu verewigen, gibt es bei unserer Familie seit 100 Jahren, hier etwa meine Grossmutter Anno 1948, mit Kleid, Brille und hohen Absätzen auf etwas Lautem, das man nur bedingt als damenhaft bezeichnen kann.
Ist doch nett, wenn man sich ans Auto lehnen und sagen kann: Das ist keine Angeberei, das ist nur die Familientradition.

Das ist auch der einzige Punkt, warum mich die Benzinpreise wirklich ärgern. Bekanntermassen halte ich weder veränderte Urlaubsgewohnheiten noch ein Ende der überflüssigen Mobilität für unerfreulich; ganz im Gegenteil, die Welt wurde in den letzten Dekaden doch etwas zu klein, und das beim Verlust von Heimat, Herkunft und Geschichte -oder glaubt jemand ernsthaft, dass Berlin-Mitte-Prekaristen den Raum haben, einen Meter Photoalben aufzuheben? Aber es sind diese Bilder, die weniger die Mobilität ausdrücken, als vielmehr die Möglichkeit, mobil zu sein. Wenn wir übereinkommen, dass die Seestücke der Niederländer Ausdruck der Kultur des 17. Jahrhunderts sind, und die Eisenbahnen die Ikone der Fortbewegung des 19. Jahrhunderts, müssen wir auch dem Auto, trotz allem, Umwelt, Gefahr, Raubbau, eine gewisse Kultur zusprechen.

Letzte Woche war ein Photograph hier, der nach guten Locations für ein medial verwendbares Bild suchte (falls Sie aktuell von Spon oder vom Spiegel kommen, genau, das Bild, schönen Tag übrigens). Nach all den Bildern im 408 Jahre alten Kollegiatsgebäude hätte es ihm gefallen, noch ein Bild mit einem alten Auto zu haben. Diese Blechkisten, die alten zumal ohne Katalysator und ABS, die keine fahrenden Computer sind und in denen man noch richtig starb, wenn man sich vor der Kurve verbremste, die reine, anfällige Mechanik, die wir sonst nur noch haben, wenn wir eine alte Uhr tragen, das alles übt einen enormen Reiz aus, weil es noch da war, weil man es noch kennt, aber gerade zu Ende geht und nie mehr kommen wird.

Ich musste letzte Woche schnell von Heidelberg zurück nach Bayern. Es war Nacht, und ich sass am Steuer eines modernen Sportwagens mit 270 PS, der stehenbleibt, wenn man den eingebauten Computer ausschaltet, und der erst mal booten muss. Es war schnell, gefahrlos und gestorben wird nur vor Langeweile. Eine Woche davor war ich mit der Barchetta - kein ESP, kein ABS - auf verwinkelten Bergstrassen hoch über dem Inntal, nie schneller als 80.



Das kleine Risiko, das man mit mechanischen Uhren eingeht - sie können stehen bleiben, und man versäumt die wichtigsten Termine des Lebens - ins Grosse übertragen, das lebt auf den holprigen Strassen, aber es fehlt bei der heutigen Mobilität vollkommen. Mechanik ist wie eine Droge, sie liefert bestenfalls das, was sie kann, und schlechtestenfalls ein Ende, von dem noch Generationen reden werden. Vor allem, weil es das später nicht mehr geben wird, weil es zunehmend verboten ist, gefährliche Dinge zu tun, mit dem Tod zu wetten und auf der Messerschneide zwischen Lebensgier und Todestrieb loszubrettern. Meine Grossmutter war eine über die Stadtgrenzen hinaus gefürchtete Pilotin, und selbst im Wissen, dass sie all ihre Rasereien immer gut überstanden hat, würde ich nach diesem Bild , wenn sie so losfährt, mit diesesn Schuhen und ohne Helm, auch in Versuchung kommen, ihr mehr Sicherheit einzureden. Allein schon, weil es für die Kinder ein schlechtes Beispiel gibt.

Folgerichtig wurde meine Mutter dann aber die sicherste und dezenteste Autofahrerin der Welt. Man kann es nie wissen. Alles, was ich weiss ist, dass mir die Mechanik in der Zukunft fehlen wird, und es ist nicht gut, dass sie zum Sklaven der Computer gemacht wird. Ich mein, was soll der Scheiss: Ein gedämpftes Gaspedal? Niemand wird sich jemals so auf einen Rechner setzen. Alles wird leiser werden, abgesicherter und mit der Sicherheit, dass wir im Altersheim nochmal 10 Jahre länger an Demenz leiden, als unsere Eltern. Meine Oma hat zwar auch sehr schnell gelebt, ist aber in geistiger Frische mit 92 alles andere als jung gestorben.

Und das erscheint mir auch ein ganz ordentliches Analogkonzept für die biologische Mechanik zu sein, die man Leben nennt.

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Montag, 21. Juli 2008

Zugesagt.

Obwohl ich jetzt schon weiss, dass es ein Fehler ist.



Beschlossen, den schlimmsten Fall - sie nimmt den Termin auch wahr auch und ist schwanger/bekindet/mit Freund/wieder solo/in weniger als 20 Meter Entfernung/wegen mir absagend - als Inspiration für ein wenig Literatur zu nehmen: Komödie ist schliesslich Tragödie + Zeit.



Hoffend, dass sieben Jahre dafür reichen.

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Empfehlung heute - Harte Lektüre

mit vielen Fachbegriffen, und dennoch würde ich jedem raten wollen, sich den Beitrag im Economist zur Finanzkrise in den USA genau zu studieren, der sich kompetent mit der komplexen Materie der Kreitversicherer auseinandersetzt.

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Mayumi Hirasaki, Barockvioline,

Concerto Es-Dur für Violine, Streicher und Basso continuo von Antonio Vivaldi, Op. 8 No. 5, RV 253.



(Grossbild)

Wenn schon Sonntag in der Provinz, dann genau so.

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Sonntag, 20. Juli 2008

Mysterium

Es gibt Menschen, bei denen es keine Rolle spielt, woher sie kommen. Sie sind anpassungsfähig, haben keine Eigenschaften, mit denen man sie verorten kann, keine Geschichte ausser dem Jetzt und keine Beziehung zu früheren Durchreisestationen. Sie sind in der Lage, sich überall einzufinden, ohne sich zu beteiligen, sie nehmen mit, was zu bekommen ist und wenn sie ihre Koffer packen, ist es nur wegen der Arbeit ärgerlich, die sie, wenn möglich, bezahlten Kräften überlassen. Dann gehen sie, kommen nie mehr zurück und arbeiten an einer neuen Gegenwart, die das Vorhergegangene ausblendet. Sie meinen das nicht böse, es ist ihnen einfach nur egal.



Und dann sind da die anderen, die gekommen sind, um zu bleiben. Auch sie reden ungern über ihre Herkunft, statt dessen erfinden sie sich neu und der Situation angepasst, ziehen an, was alle anziehen, sagen icke oder gehen auf reanimierte Volksbelustigungen, erklären die Tradition des Ortes für die ihrige und stellen alles in Frage, was dieses System in Frage stellt. Sie wählen CSU in Bayern und die Piratenpartei in Berlin, und irgendwann erfinden sie einen vierteladligen Opa aus dem Süden oder einen Roman, an dem sie schreiben.

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Ihr werdet schallend lachen,

wenn Ihr auf diesen Link drückt. Ich habe lang gebraucht, bis ich wieder so wenig Tränen in den Augen hatte, dass ich die Tastatur erkennen konnte.

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Freitag, 18. Juli 2008

Empfehlung heute - da lacht der Altkommunist

In Pakistan fand gerade die Generalprobe für den grossen südchinesischen Börsensturm statt, der nicht mehr weit weg sein kann, wenn jemand wie Ackermann den Anfang vom Ende der Finanzkrise sieht.

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Real Life 17.7.08 - Kunst für Haifische

Also, hebst du an, wenn du mich fragst, ist die Geburt der Venus nicht nur besser erhalten und gemalt, sie spricht auch zu mir. Sie hat dieses Expressionistische eines Freskos, vielleicht eine Vorstudie für eine Salondecke, sehr mutig in Farbe und Auflösung, eine gelungene Figurenauffassung, vielleicht sogar ein Asamschüler.

Hm, sagt der Haifisch.



Und du musst einfach nur aufsehen, und dann siehst du bei der Arbeit Vergnügen, schöne Frauen, Party, es geht wild zu auf dem Meer, alle haben ihren Spass, und du ahnst etwas von der Schönheit des Lebens. Der Schiffbrich dagegen ist schlecht restauriert und übermalt - an einer Stelle war mal eine Burgruine auf dem Felsen - die Firnis ist zu dunkel, das Vorbild war vermutlich nur ein Stich und dann auch noch das etwas, hm, unerfreuliche Thema, also...

Aber, sagt der Haifisch, wenn ich nackte Frauen sehen will, müsste ich nur mit dem P. und seinem Partner mit auf ihre Bordelltouren, und in dem absaufenden Schiff sehe ich meine Gegner, in den Ertrinkenden den K. und seine Konsorten, und ich selbst bin die kleine Figur, die dort unten mit dem Enterhaken das Treibgut ins Trockene bringt, während dort hinten für die Verbrecher die Sonne untergeht. Und das ist es, was ich sehen wil, wenn ich von der Arbeit aufschaue: Das Ziel, auf das ich hinarbeite.

Der Haifisch läst also die venus im schaum vorübergleiten und hebt die Flosse, bis das Wrack und die Ertrinkendem in seinem Besitz sind. Du überlegst einen Augenblick, ob du den Haifisch für bescheuert, eigen oder nur für überarbeitet erklären sollst, entscheidest dich dann aber dafür, ihn ein wenig allein zu lassen und bis Nummer 396 - eine liebreizende Versuchung des Hl. Antonius - ein wenig Entspannung und auch Erholung vom seltsamen Parfumgeschmack badischer Auktionsbesucherinnen in einem Internetcafe zu suchen.

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Donnerstag, 17. Juli 2008

Nur durch Kurt Tucholsky kenne ich Heidelberg

Und zwar durch dieses Gedicht für achtstimmigen Männerchor.

Wenn die Igel in der Abendstunde
still nach ihren Mäusen gehn,
hing auch ich verzückt an deinem Munde,
und es war um mich geschehn,
Anna Luise!

Dein Papa ist kühn und Geometer,
er hat zwei Kanarienvögelein;
auf den Sonnabend aber geht er
gern zum Pilsner in'n Gesangverein
Anna-Luise!

Sagt' ich: "Wirst die meine du in Bälde?",
blicktest Du voll süßer Träumerei
auf das grüne Vandervelde,
und du dachtest dir dein Teil dabei,
Anna-Luise!



Und du gabst dich mir im Unterholze
einmal hin und einmal her,
und du fragtest mich mit deutschem Stolze,
ob ich auch im Krieg gewesen wär...
Anna-Luise!

Ach, ich habe dich ja so belogen!
Hab gesagt, mir wär ein Kreuz von Eisen wert,
als Gefreiter wär ich ausgezogen,
und als Hauptmann wär ich heimgekehrt
Anna-Luise!

Als wir standen bei der Eberesche,
wo der Kronprinz einst gepflanzet hat,
raschelte ganz leise deine Wäsche,
und du strichst dir deine Röcke glatt,
Anna-Luise - !

Möchtest nie wo andershin du strichen!
Siehst du dort die ersten Sterne gehn?
Habe Dank für alle unvergesserlichen
Stunden und auf Wiedersehn!
Anna-Luise!

Denn der schönste Platz, der hier auf Erden mein,
das ist Heidelberg in Wien am Rhein,
Seemannslos.
Keine, die wie du die Flöte bliese...!
Lebe wohl! Leb wohl.
Anna-Luise!

Was willst Du in Heidelberg?, fragte Susi heute Nachmittag am See. Ohne Tucholsky wird es abfallen, und du wirst unter lauten Burschenschaftlern und japanischen Touristen sein, oder gar Amerikanern, und ich muss allein zum baden.

Da hat sie leider recht.

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Die Erforschung der Nacht

Ich habe in der Provinz eine Dachterase, ein hohes Fenster und praktisch Rundumsicht über den Dächern der Altstadt. Ich habe auch ein altes Fernrohr aus Messing, das überraschend gut funktioniert. Ebenso überraschend war die nacht heute sehr klar, und ich konnte die eisigen Staubwüsten des Mondes betrachten.



Unter mir, im Hof des Wohnheims, ist es auch staubig und genauso frei von jeder menschlichen Existenz. Was dort einmal gewesen sein sollte, wurde schon vor Stunden in Alkohol ersäuft, und das sinnfreie Grölen aus drei Kehlen der kommenden Elite lässt erahnen, was da demnächst der Sachbearbeiterebene deutscher Konzerne blüht, die nach dem Ruf der Uni einstellen. Ab und an ein Blitzlicht, vielleicht später noch zu sehen auf StudiVZ. Fensterschlagen deutet an, dass andere morgen arbeiten müssen. Oder den Photographen vom Spiegel da haben. Oder gar nach Heidelberg müssen, und diese Störung durch die losgelassene Elite des Landes nicht brauchen können. Beim Treppensteigen grökt nur noch einer. Zurück bleibe ich, das Fernrohr und der Mond. Und eine sehr angenehme Stille.

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Donnerstag, 17. Juli 2008

Der 16. Juli 2008. Der Tag,

an dem die Hisbollah mit Hilfe der Weltöffentlichkeit darum bettelte, weiterhin Trainingsgebiet der israelischen Geheimdienste sein zu dürfen.

Es ist schon ziemlich übel, in einem Westen mit den Folterknästen Guantanamo und Abu Graib zu sein, aber als islamische Welt käme ich mir heute von den kranken Hisballaballas in ihrem Drogen- und Waffenparadies ziemlich verarscht vor.

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Wann es endet

Meine Zeit in der New Economy war nicht halb so witzig, wie ich darüber geschrieben habe. Eigentlich war sie absolut nicht witzig, jeder Spass, den man hatte, produzierte auf der anderen Seite viel Leid und Ärger, und ich bin froh, den ganzen Komplex ohne Tablettenproblem, Drogen, Schulden, psychische Defekte und den Verlust des persönlichen Umfelds durchgestanden zu haben. Man musste aufhören, sich als Sanitäter zu sehen. Wir waren diejenigen, die den Leichen nacht der Pest die Goldzähne rausgebrochen haben. Manchmal waren sie auch noch gar nicht tot. Das war dann mitunter weniger schön. Als ein Tag mal wieder besonders beschissen war - Februar 2001 - sagte einer zu mir, ich solle das alles nicht so tragisch nehmen, was ich hier lernen würde, würde mir später bei den neuen Krisen helfen, ihre Mechanismen zu verstehen. Krise ist, wenn die Sekretärin mit Heulkrämpfen als Beschäftigungstherapie eine Aufstellung der Büroklammern macht. Krise ist, etwas zu schreiben und damit, ohne es zu wissen, real eine Freundin zu feuern. Krise ist extrem uncool. Und ich bin froh, dass die Krise, mit der ich aktuell zu tun habe, nicht die grosse Weltwirtschaftskrise von 2008 ist.

Trotzdem stellt sich für mich, wie für alle anderen auch die Frage der Abkopplung von der Krise. Manche glauben, dass es nicht möglich ist, weil die globale Wirtschaft zu stark verwoben ist. Schaut man sich den Kurs des an sich soliden Versicherungskonzerns Allianz an, oder was heute der Swiss Re zugestossen ist, oder die Entlassungen bei BMW, könnte man meinen, dass es tatsächlich überall schlimm wird. Aber, so meine ich doch, nicht überall gleich schlimm. Denn so eine Krise ist wie ein Erdrutsch.



Eine Krise, die durch eine Blase ausgelöst wird, ist wie ein Berghang nach einem heftigen Unwetter über einem Fluss. Der Fluss unterspült den Hang, und damit beginnt für den Berg ein ungleicher Kampf gegen die Schwerkraft. Obendrein ist das Erdreich voller Wasser und damit sehr viel schwerer. Es gibt natürlich auch Haltekräfte - die Wurzeln der Bäume etwa, die in der Lage sind, die oberen Schichten zu halten. Von oben sieht so ein unterspülter Hang wie ein ganz normaler Wald aus, grün, saftig, lebendig - bis er zusammenstürzt.

Das ist schlecht für den Hang - in unserem Fall die USA. Nicht nur, dass er stürzt, sein Material wird auch noch auf Nimmerwiedersehen abgespült. Noch schlimmer aber ist es für diejenigen, die sich darunter befanden. China zum Beispiel. Denn der unterspülte Hang der Kredite war genau das Naturwunder, das alle asiatischen Firmen anzog. Alles, was davon abhängig ist und keine Alternativen hat, kann man getrost falten. Genauso, wie in der New Economy irgendwann bei den am fallenden Nemax gelisteten Firmen kein Geld mehr da war, um konkurrierende Startups aufzukaufen, gibt es jetzt kein Geld, keine Kredite mehr für Zeug aus Asien.

Und natürlich bricht so ein Hang auch nicht exakt an der unterspülten Stelle senkrecht ab. Er rutscht weg und nimmt vieles mit, was nicht über, sondern auch neben ihm iist. Aktuell: Die amerikanische Autoindustrie, die Sparkassen, das Bruttoinlandsprodukt und alle Länder und Wirtschaftsräume, die ähnlich gepfuscht haben. Nicht sofort, denn weil alles verwurzelt ist, kann sich vieles erst mal an der Abbruchkante halten. Aber die Wurzeln hängen in der Luft, und der nächste schwere Regenschauer kann darunter die nächste Lawine auslösen. Unten liegen schon Indymac und Bear Stearns, an der kante sehen wir aktuell schräg oder kippend: Lehman Brothers, Washington Mutual, Freddie Mac, Fannie Mae. Noch nicht klinisch tot, aber offensichtlich am Ende.

Die spannende Frage ist nun, wie es oberhalb der Bruchkante ausschaut. Kommt weiter oben noch mehr Last vom Berg runter, ist hier bislang nur die Hangflanke weggebrochen, die den Berg weiter oben gestützt hat? Wenn ja, schaut es schlecht für weiter oben stehende Bäume aus. Dann wird der Hang weiter bröckeln, und - nicht sofort, aber mit unangenehm grosser Wahrscheinlichkeit - runterkommen. Was die amerikanische Administration gerade tut, ist nichts anderes, als zu behaupten, der Berg sei innen sehr viel stabiler als der abgerutschte Hang, und das Konzept Berg sei ansonsten erdrutschsicher. Wir weiter oben könnten ruhig weiterwandern, alles in Butter.

Das ist natürlich Unsinn. Kein Mensch weiss, wie lange der Grund sandig ist, wann die Felsformationen kommen und ob sie halten. Allerdings liegt es auch in der Natur von Felsrutschen, dass sie irgendwann so viel Material abgetragen haben und in sich verkeilt sind, dass sie nicht weiter rutschen. Irgendwann kommt dann auch Vegetation, und das System fängt sich wieder. Stellt sich also für uns die Frage, wo wir uns auf diesem Hang zu postieren, um nicht mit abzurutschen. Das ist nicht einfach, denn aktuell geht das Unterspülen munter weiter, während die Amerikaner die Auffassung vertreten, man könnte das alles stoppen, indem man diejenigen Holzhändler einknastet, die mit den zerborstenen Baumstämmen Geschäfte machen.

Solange da unten in Idiot´s Valleyalso Verschwörungstheorien herrschen und an der Ursache der Unterspülung eines losen Hangs nur gearbeitet wird, in dem man sandige Kapitalspritzen in das reissende Wasser wirft, ist es dort am sichersten, wo der Hang möglichst flach und weit entfernt vom Fluss ist. Das garantiert nicht, dass es dort auch zu Abrutschen kommt, weil die fallenden Bäume andere nachziehen, und somit neue Ansatzpunkte für Zerstörung entstehen, aber Deutschland ist meines Erachtens so ein Bereich, in dem relativ wenig passieren kann und wird. Hohe Sparquote, relativ gute Kontrolle der Banken, stabiler Binnenmarkt. Und die Regionen, in denen dieses Land fest gefügt ist und ein stabiles Fundament hat, werden zwar den Regen der Inflation abbekommen, aber nicht viel mehr. Man sollte sich aber diesmal keine Illusionen machen: Die USA müssen jetzt abrutschen, damit der Rest des Berges stehen bleiben kann. Oder noch brutaler gesagt: Der Bergrutsch wird global ausgetragen, es ist an der Zeit dafür, und desto mehr die Schulden der USA sie selber treffen, desto besser ist es für den Rest.

Und ich hole jetzt wieder meine alte Zange für das Rausbrechen der Goldzähne. Manche sagen ja, dass der Erwerb von teuren Uhren in der Krise auch nichts bringt, weil man nicht davon abbeissen kann. Es gibt da jemanden in Kalifornien, der darüber nur lachen kann, wie ich auch. Einen Chronometer von Bucherer aus den 6oer Jahren für 74 Spielgeld-Dollar mit Versand wollte ich schon immer mal haben. Und wenn sich sie 100 mal aufgezogen haben werde, sitze ich immer noch in dem Land, das bei der Geschichte nicht gut, aber am besten gefahren ist. Mit gierigen Firmen, die dann alles tun werden, um im nächsten Boom den Abstand zur Dritten Welt inclusive USA (Uganda´S America) möglichst gross werden zu lassen.

Denn es ist so in der Krise: Entweder wir gehen alle drauf - oder die einen gehen drauf, und die anderen haben bessere Chancen. Kein Spass, nicht witzig, aber gelernt ist gelernt. Wer einmal in der Hölle war, kennt den Gestank.

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