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Sonntag, 6. Dezember 2009
Schöne Dinge für hässliche Tage
Letztes Jahr, in diesem harten, langen Winter, lag um diese Zeit schon genug Schnee zum Rodeln ab 750 Meter. Und ansonsten war das Wetter zwischen sagenhaft und keinesfalls zu kalt zum Aufsteigen. Dieses Jahr ist es enorm berlinerisch, fies windig und einsig, aber der Schnee ist noch viel zu niedrig, um mehr als eine Illusion abzugeben.

Entsprechend kurz sind die Wege durch die Kälte, entsprechend lang sitze ich in Restaurants und Lokalen, rede, verweile, denn draussen kann man es kaum ertragen. Draussen, wo der Postmann die Ergebnisse der grossen Krise des Vereinigten Königreiches anschleppt, denn als Dubai den Bankrott verkündete, wollte gerade wieder kein von den letzten Jahren gestresster Inselbewohner sein Geld für sinnlose Teekannen ausgeben, auch wenn sie schwer und bestens erhalten sind, und vom Hoflieferanten kommen. Krise ist, wenn man auch am Nationalstolz spart. Dabei ist Mappin & Webb stets ein klarer Kauf; ich habe mehr als eine Kanne von ihnen, und alle sind aussergewöhnlich hochwertig, so, wie man das zugunsten einer langen, intensiven Nutzung auch haben möchte. Dass sich diesmal die britische Post beeilte, kann eigentlich in dieser Jahreszeit nur ein Indiz sein, dass Briten gerade auch nichts zu verschenken und verschicken haben.

So aber bekomme ich wenigstens eine gute Tasse Tee aus einer feinen Kanne eines guten Hauses. Und wenn ich schon weder raus noch Rodeln gehen kann, so bleibt mir doch der Traum von der Abfahrt auf weissen Wegen, wenn ich mit dem Schleifpapier die Stahlkufen von Rost befreie. Ähnlich wie bei Teekannen habe ich zwar schon mehr als einen Rodel, aber wer aufmerksam über die Flohmärkte läuft, weiss, welche Unmengen an mehr oder weniger veralteten Rennskiern es gibt, und wie wenig Rennrodel - zeitlos und auch nach Jahrzehnten noch elegant - dort zu finden sind. Kinderschlitten sind leicht zu entdecken, aber echte Rennrodel fand ich bislang nur zwei - ein extrem überteuertes Exemplar eines Irren und heute ein tschechisches Produkt namens Jested, benannt nach einem hohen Berg und dem Ort der ersten österreich-ungarischen Rodelmeisterschaft - in Jested soll es heute noch Reste dieser Anlage geben. Jedenfalls entspricht der gerade entdeckte Rodel all den Erwartungen, den man auch an einen alten Bär, Köck oder Gasser aus Österreich haben würde; er ist flach, geschwungen, aus Eschenholz und hat dicke Eisenkufen.

Einer allein braucht nicht so viele Rodel, allein, es haben sich viele Gäste angekündigt, und dieses Stück ist sogar zweisitzig, falls sich jemand zusammen mit einem Kind in die Eisrinnen stürzen will. Nun sitze ich also da, poliere das Eisen für das kommende Eis, trinke Tee und schaue in den grauen Himmel. Die Freunde sind schon wieder fern, abgeflogen und auf Autobahnen, ich bin allein, es ist kalt draussen, und unten wäre der Nikolaus, die Kinder zu beschenken - aber ich muss arbeiten, kochen und hoffen, dass der Winter bald endlich richtig losgeht. Mit viel Schnee und viel Tee, den ich nach der Kälte und dem Rasen durch weiss bespitzte Wälder in der Wanne trinken werde. Dann aber wird der eisige Wind über dem Matsch andere heimsuchen, und ich werde sie fernmündlich sehr bedauern.

Entsprechend kurz sind die Wege durch die Kälte, entsprechend lang sitze ich in Restaurants und Lokalen, rede, verweile, denn draussen kann man es kaum ertragen. Draussen, wo der Postmann die Ergebnisse der grossen Krise des Vereinigten Königreiches anschleppt, denn als Dubai den Bankrott verkündete, wollte gerade wieder kein von den letzten Jahren gestresster Inselbewohner sein Geld für sinnlose Teekannen ausgeben, auch wenn sie schwer und bestens erhalten sind, und vom Hoflieferanten kommen. Krise ist, wenn man auch am Nationalstolz spart. Dabei ist Mappin & Webb stets ein klarer Kauf; ich habe mehr als eine Kanne von ihnen, und alle sind aussergewöhnlich hochwertig, so, wie man das zugunsten einer langen, intensiven Nutzung auch haben möchte. Dass sich diesmal die britische Post beeilte, kann eigentlich in dieser Jahreszeit nur ein Indiz sein, dass Briten gerade auch nichts zu verschenken und verschicken haben.

So aber bekomme ich wenigstens eine gute Tasse Tee aus einer feinen Kanne eines guten Hauses. Und wenn ich schon weder raus noch Rodeln gehen kann, so bleibt mir doch der Traum von der Abfahrt auf weissen Wegen, wenn ich mit dem Schleifpapier die Stahlkufen von Rost befreie. Ähnlich wie bei Teekannen habe ich zwar schon mehr als einen Rodel, aber wer aufmerksam über die Flohmärkte läuft, weiss, welche Unmengen an mehr oder weniger veralteten Rennskiern es gibt, und wie wenig Rennrodel - zeitlos und auch nach Jahrzehnten noch elegant - dort zu finden sind. Kinderschlitten sind leicht zu entdecken, aber echte Rennrodel fand ich bislang nur zwei - ein extrem überteuertes Exemplar eines Irren und heute ein tschechisches Produkt namens Jested, benannt nach einem hohen Berg und dem Ort der ersten österreich-ungarischen Rodelmeisterschaft - in Jested soll es heute noch Reste dieser Anlage geben. Jedenfalls entspricht der gerade entdeckte Rodel all den Erwartungen, den man auch an einen alten Bär, Köck oder Gasser aus Österreich haben würde; er ist flach, geschwungen, aus Eschenholz und hat dicke Eisenkufen.

Einer allein braucht nicht so viele Rodel, allein, es haben sich viele Gäste angekündigt, und dieses Stück ist sogar zweisitzig, falls sich jemand zusammen mit einem Kind in die Eisrinnen stürzen will. Nun sitze ich also da, poliere das Eisen für das kommende Eis, trinke Tee und schaue in den grauen Himmel. Die Freunde sind schon wieder fern, abgeflogen und auf Autobahnen, ich bin allein, es ist kalt draussen, und unten wäre der Nikolaus, die Kinder zu beschenken - aber ich muss arbeiten, kochen und hoffen, dass der Winter bald endlich richtig losgeht. Mit viel Schnee und viel Tee, den ich nach der Kälte und dem Rasen durch weiss bespitzte Wälder in der Wanne trinken werde. Dann aber wird der eisige Wind über dem Matsch andere heimsuchen, und ich werde sie fernmündlich sehr bedauern.
donalphons, 22:11h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Sonntag, 6. Dezember 2009
Pommersfeldener Schlosskatzencontent
Generell denke ich, dass es nicht das Schicksal, sondern die grenzenlose Dummheit der Menschen ist, die unser Leben bestimmt: Der eine macht die Kredutkrise, der andere schmiert die FDP, der dritte ist ein Schweizer Rassist und Chefredaktor, der vierte bescheisst als amerikanischer Präsident seine Wähler und macht noch mehr Krieg, und das alles trägt dazu bei, dass die Welt, in der ich mich bewege, so klein, hässlich und widerlich ist. Ginge es nach den Deppen, dann würden sie noch mehr auf mein Leben drücken, als es ein normales Schicksal es sich je herausnehmen würde. Mit in die Reihe der Arschlöcher gehört auch der Raser auf der Autobahn zwischen Würzburg und Nürnberg. Man weiss nie, wo sich dieser Freund der Lichthupe gerade befindet, aber irgendwann habe ich so ein Gefühl, dass es nun an der Zeit ist, dem unerbittlichen Lauf der Arschlöcher ein Schnippchen zu schlagen und sie ins Leere fahren zu lassen, wo sie hoffentlich einen Baum und nicht mich treffen. Ich möchte gern mindestens ein weiteres Jahr für die FAZ, wie jüngst ausgemacht, schreiben, und zwar gesund und in einem Stück. Deshalb schlage ich, karnickelgleich, einen Haken und fahre nach Pommersfelden.

In Pommersfelden mache ich stets eine halbe Stunde Urlaub: Begleitet von Musik von Telemann gleite ich über die sanften, fränkischen Hügel, stelle den Wagen vor dem Eingang von Schloss Pommersfelden ab, gehe über den Schlosshof und bewundere die Ansicht - es wird mir auch nie langweilig - sehe mit Freuden, dass sie nun den Barocksaal restauriert haben, und darin ihr Restaurant führen, und gehe dann über die Allee hinter zum Konditpr, wo ich Käse- und Apfelkuchen kaufe. Diesmal schickt mir das Schicksal jedoch die wohlgenährte Pommersfeldener Schlosskatze in den Weg. Als ich den Schlosshof verlassen will, kommt sie mir entgegen, schaut mich an, streicht mir um die Beine und maunzt. Also streichlich ich sie. Nach einer Weile bewegt sie sich etwas weg, ich gehe ein paar Schritte, sie bemerkt, dass sie noch etwas mehr Zuneigung möchte, läuft mir maunzend hinterher, lässt sich streicheln, und so geht das eine halbe Stunde, bis sie wirklich genug hat. Sie ist sehr hübsch, mit einem Harlekingesicht und einem dicken, weichen Fell.

Vielleicht weiss die Pommersfeldener Schlosskatze einfach mehr vom Schicksal und berechnet in ihrem Kopf, wie weit der Raser ist, der mich von der Strasse schubsen will, stellt komplizierte Stochastik an und berücksichtigt die Fraktalität der Ereignisse, realisiert Veränderungen und beschliesst, dass ich sie noch streicheln sollte, um etwas Sicherheitspuffer zwischen mich und den nicht stattfindenden Ereignissen zu legen. Ich kann das nicht, und die Wahrscheinlichkeit, dass die Katze es beherrscht, ist sicher nicht kleiner. Also tue ich, was sie will. Dann kaufe ich Kuchen, gehe zu meinem Auto, während die Schlosskatze vielleicht schon wieder zufrieden auf der Bank beim Kachelofen sitzt, dessen Feuer einen würzigen Rauch in den Himmel über dem Schloss schickt. Kurz vor Nürnberg kleben ein BMW und ein Schnelllaster an der Leitplanke. Ich komme gesund und froh am Tegernsee an, der Kuchen ist wie immer exzellent, und die Schlosskatze überlegt schon, wen sie morgen vor den Arschlöchern der Prädestination rettet.

In Pommersfelden mache ich stets eine halbe Stunde Urlaub: Begleitet von Musik von Telemann gleite ich über die sanften, fränkischen Hügel, stelle den Wagen vor dem Eingang von Schloss Pommersfelden ab, gehe über den Schlosshof und bewundere die Ansicht - es wird mir auch nie langweilig - sehe mit Freuden, dass sie nun den Barocksaal restauriert haben, und darin ihr Restaurant führen, und gehe dann über die Allee hinter zum Konditpr, wo ich Käse- und Apfelkuchen kaufe. Diesmal schickt mir das Schicksal jedoch die wohlgenährte Pommersfeldener Schlosskatze in den Weg. Als ich den Schlosshof verlassen will, kommt sie mir entgegen, schaut mich an, streicht mir um die Beine und maunzt. Also streichlich ich sie. Nach einer Weile bewegt sie sich etwas weg, ich gehe ein paar Schritte, sie bemerkt, dass sie noch etwas mehr Zuneigung möchte, läuft mir maunzend hinterher, lässt sich streicheln, und so geht das eine halbe Stunde, bis sie wirklich genug hat. Sie ist sehr hübsch, mit einem Harlekingesicht und einem dicken, weichen Fell.

Vielleicht weiss die Pommersfeldener Schlosskatze einfach mehr vom Schicksal und berechnet in ihrem Kopf, wie weit der Raser ist, der mich von der Strasse schubsen will, stellt komplizierte Stochastik an und berücksichtigt die Fraktalität der Ereignisse, realisiert Veränderungen und beschliesst, dass ich sie noch streicheln sollte, um etwas Sicherheitspuffer zwischen mich und den nicht stattfindenden Ereignissen zu legen. Ich kann das nicht, und die Wahrscheinlichkeit, dass die Katze es beherrscht, ist sicher nicht kleiner. Also tue ich, was sie will. Dann kaufe ich Kuchen, gehe zu meinem Auto, während die Schlosskatze vielleicht schon wieder zufrieden auf der Bank beim Kachelofen sitzt, dessen Feuer einen würzigen Rauch in den Himmel über dem Schloss schickt. Kurz vor Nürnberg kleben ein BMW und ein Schnelllaster an der Leitplanke. Ich komme gesund und froh am Tegernsee an, der Kuchen ist wie immer exzellent, und die Schlosskatze überlegt schon, wen sie morgen vor den Arschlöchern der Prädestination rettet.
donalphons, 00:54h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Freitag, 4. Dezember 2009
!
Na also.

Die Wunde schmerzt nicht mehr so.

Irgendwo da vorne: Frühling und Riviera. Nicht mehr lang.

Die Wunde schmerzt nicht mehr so.

Irgendwo da vorne: Frühling und Riviera. Nicht mehr lang.
donalphons, 12:45h
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Gentrifizierung
Man liest über die Gentrifizierung von Städten eigentlich immer nur aus Sicht der Opfer, oder aber aus Sicht des diesen Vorgang finanzierenden Kapitals. Was es überhaupt nicht gibt, sind Beiträge über die gentrifizierung aus Sicht der Begünstigten. Das liegt meines Erachtens daran, dass man sich offen gesagt keine Gedanken darüber macht. Es passiert einfach.

Jedenfalls habe ich mir jetzt doch mal die Mühe gemacht, über den Vorgang nachzudenken und zu erklären, wie das so von Seiten der Begünstigten passiert. In der FAZ.

Jedenfalls habe ich mir jetzt doch mal die Mühe gemacht, über den Vorgang nachzudenken und zu erklären, wie das so von Seiten der Begünstigten passiert. In der FAZ.
donalphons, 12:45h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Donnerstag, 3. Dezember 2009
Urbanmistig
Manchmal wüsste ich gern, wie ich das früher ausgehalten habe. Und ob ich ein anderer war, als ich in richtigen Städten - und nicht nur einer urbanen Simulation an der Donau - lebte. berlin war & ist ein Anlass für stete schlechte Laune und Abwanderungswünsche, aber davor habe ich in München gelebt, und bin viel in anderen grossen Städten rumgekommen. Ohne mir je wtwas dabei zu denken. Heute fahre ich in grössere Städte, und meine Laune wird schlecht.

Mir gefallen grössere Städte nicht mehr. Jede Romantik zugunsten den Lichtermeeren geht mit inzwischen vollkommen ab, jede beschönigung von Menschenansammlung auf kleinem Raum. Ich merke an mir selbst, wie ich laut, aggressiv und fahrig werde. Es dauert eine Weile, bis ich so weit runter komme, dass ich wieder normal schreiben kann. Irgendwie konnte ich das früher alles wegdrücken oder anderweitig verarbeiten. Aber nach über drei Jahren ohne Dauererleben von urbanen Srukturen habe ich verlernt, wie das geht. Was bleibt, ist schnelles Ein- und Ausfallen, ein wenig Schlängelei in die Zentren und schnelles Verlassen.

Irgendwann muss man ohnehin raus; grosse Städte sind nur sehr begrenzt angenehme Lebensumfelder für alte Menschen; Berlin ganz sicher nicht, Frankfurt hat auch so seine miesen Ecken, aber selbst München ist wegen des Verkehrs nicht unbedingt lebensverbessernd. Vielleicht fange ich einfach nur zu früh damit an, und bin mal wieder Vorreiter. Trotzdem wüsste ich gerne, warum ich über ein Dutzend Jahre in München so vollkommen ungerührt von Lärm, Hektik und sozialem Druck durchgestanden habe. Vielleicht war damit - und dem nachfolgenden Berlin - einfach die Kraft ausgebraucht, die dafür zur Verfügung stand.

Mir gefallen grössere Städte nicht mehr. Jede Romantik zugunsten den Lichtermeeren geht mit inzwischen vollkommen ab, jede beschönigung von Menschenansammlung auf kleinem Raum. Ich merke an mir selbst, wie ich laut, aggressiv und fahrig werde. Es dauert eine Weile, bis ich so weit runter komme, dass ich wieder normal schreiben kann. Irgendwie konnte ich das früher alles wegdrücken oder anderweitig verarbeiten. Aber nach über drei Jahren ohne Dauererleben von urbanen Srukturen habe ich verlernt, wie das geht. Was bleibt, ist schnelles Ein- und Ausfallen, ein wenig Schlängelei in die Zentren und schnelles Verlassen.

Irgendwann muss man ohnehin raus; grosse Städte sind nur sehr begrenzt angenehme Lebensumfelder für alte Menschen; Berlin ganz sicher nicht, Frankfurt hat auch so seine miesen Ecken, aber selbst München ist wegen des Verkehrs nicht unbedingt lebensverbessernd. Vielleicht fange ich einfach nur zu früh damit an, und bin mal wieder Vorreiter. Trotzdem wüsste ich gerne, warum ich über ein Dutzend Jahre in München so vollkommen ungerührt von Lärm, Hektik und sozialem Druck durchgestanden habe. Vielleicht war damit - und dem nachfolgenden Berlin - einfach die Kraft ausgebraucht, die dafür zur Verfügung stand.
donalphons, 22:45h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Mittwoch, 2. Dezember 2009
Botticelli in Frankfurt
Ich würde ja gerne mal eine Besprechung einer Ausstellung lesen, in der steht: 3 Knaller und viel Müll aus dem Umfeld. Man verstehe mich nicht falsch, im Staedel sind aktuell wirklich drei aussergewöhnlich schöne Hauptwerke von Botticelli zu sehen, und ansonsten ist der Lebenskonflikt des Künstlers nach dem Sturz der Medici und während der Diktatur Savonarolas gut herausgearbeitet.
Aber die Mittel dafür sind nun mal so, wie es aktuell im Leihgabengeschäft bedeutender Werke wohl generell ist: Eher mittelprächtig. Das tut den -ohnehin meist ahnungslosen - Besuchern und ihrem Vergnügen keinen Abbruch, und es ist auch nicht die "Schuld" des Hauses. Aber es ist nicht "die" Botticelliausstellung, die man gesehen haben muss. Es ist mett, es wäre noch netter, wenn es nicht so voll wäre, und das könnte man vermeiden, wenn man solchen Schauen Gerechtigkeit wiederfahren liesse. So habe ich leicht den Eindruck, dass vielleicht etwas weniger eher mehr gewesen wäre, die ganzen Werkstatt- und Umfeldarbeiten - mit zum Teil höchst mutiger Fragezeichenzuschreibung hätte es vielleicht nicht unbedingt gebraucht.
Aber wie schon gesagt: Drei Bilder - allesamt im weltlichen Teil aus der Medicizeit - reissen es heraus. Die alte Frage, ob eine echte, prunkvolle Diktatur kulturell nicht besser ist als eine verkniffene Scheinrepublik, kann daran natürlich neu aufgemacht werden. Boticelli als Frömmler ist uns nun mal so fern, wie er uns als Hofmaler nackter und leicht bekleideter Frauen nah ist.
Aber die Mittel dafür sind nun mal so, wie es aktuell im Leihgabengeschäft bedeutender Werke wohl generell ist: Eher mittelprächtig. Das tut den -ohnehin meist ahnungslosen - Besuchern und ihrem Vergnügen keinen Abbruch, und es ist auch nicht die "Schuld" des Hauses. Aber es ist nicht "die" Botticelliausstellung, die man gesehen haben muss. Es ist mett, es wäre noch netter, wenn es nicht so voll wäre, und das könnte man vermeiden, wenn man solchen Schauen Gerechtigkeit wiederfahren liesse. So habe ich leicht den Eindruck, dass vielleicht etwas weniger eher mehr gewesen wäre, die ganzen Werkstatt- und Umfeldarbeiten - mit zum Teil höchst mutiger Fragezeichenzuschreibung hätte es vielleicht nicht unbedingt gebraucht.
Aber wie schon gesagt: Drei Bilder - allesamt im weltlichen Teil aus der Medicizeit - reissen es heraus. Die alte Frage, ob eine echte, prunkvolle Diktatur kulturell nicht besser ist als eine verkniffene Scheinrepublik, kann daran natürlich neu aufgemacht werden. Boticelli als Frömmler ist uns nun mal so fern, wie er uns als Hofmaler nackter und leicht bekleideter Frauen nah ist.
donalphons, 12:40h
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Manchmal sind es die Selbstverständlichkeiten
Wenn ich, wie heute etwa, sage: "Ich fahre nach Frankfurt" - dann wird mir erst klar, was für einen Luxus es bedeutet sagen zu können: "Ich fahre zum See." Nichts gegen meinen Arbeitgeber und die dortige Botticelli-Ausstellung, aber es ist eben Frankfurt. Niemand wird da seufzen und ach ja sagen, und dieses Bild vor Augen haben:

Weil der See einfach für eine starke sehnsucht jener steht, die dort wohnen. Seit gerade mal zwei Jahrhunderten, maximal. Früher hätte das keiner gemacht. Dieser Wandel im Aufenthaltsort von der Mitte der Städte hin zum See ist eigentlich, gemessen an historischen Entwicklungen, eine Ausnahmeerscheinung, die zu ergründen ich in der FAZ mich anheischig mache.

Weil der See einfach für eine starke sehnsucht jener steht, die dort wohnen. Seit gerade mal zwei Jahrhunderten, maximal. Früher hätte das keiner gemacht. Dieser Wandel im Aufenthaltsort von der Mitte der Städte hin zum See ist eigentlich, gemessen an historischen Entwicklungen, eine Ausnahmeerscheinung, die zu ergründen ich in der FAZ mich anheischig mache.
donalphons, 12:39h
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Dienstag, 1. Dezember 2009
Empfehlung heute - Das grosse Fressehalten
Eigentlich müssten die Medien heute überquellen vor Texten wie: Wir wurden verarscht! Wir sind aufgesessen! Wir sollten kündigen, weil wir jeden PR-Dreck abdrucken, solange die Story geil klingt!
Denn sehr viele haben die absolut tolle Geschichte vom absolut tollen deutschen Ebook Txtr abgeschrieben, das auf der Buchmesse unter Kaufschmierern als der Konkurrent für Amazon Kindle schlechthin galt. Nun gab aber Txtr gerade bekannt, dass sie angeblich aus Kostengründen das versprochene WLAN streichen, was nicht eben gut ankommt, nachdem es einen Tag vor der Bestellmöglichkeit veröffentlicht wird. Und das wusste man nicht schon bei der Buchmesse? Bei den Produktionsvorlaufzeiten, die solche Geräte haben? Kurz, da sind die Schmierfritzen hübsch aufgesessen, als sie einfach die Versprechungen übernonmen haben (Und ja, ich weiss: Ich blogge bei einer Zeitung, bei der sich manche auch nicht mit Ruhm bekleckert haben.)
Aber es gibt ja noch Blogs wie nurmeinstandpunkt, die das tun, wozu Medien offensichtlich nur sehr begrenzt in der Lage sind: Genauer hinschauen, überprüfen, sich eigene Gedanken machen.
Denn sehr viele haben die absolut tolle Geschichte vom absolut tollen deutschen Ebook Txtr abgeschrieben, das auf der Buchmesse unter Kaufschmierern als der Konkurrent für Amazon Kindle schlechthin galt. Nun gab aber Txtr gerade bekannt, dass sie angeblich aus Kostengründen das versprochene WLAN streichen, was nicht eben gut ankommt, nachdem es einen Tag vor der Bestellmöglichkeit veröffentlicht wird. Und das wusste man nicht schon bei der Buchmesse? Bei den Produktionsvorlaufzeiten, die solche Geräte haben? Kurz, da sind die Schmierfritzen hübsch aufgesessen, als sie einfach die Versprechungen übernonmen haben (Und ja, ich weiss: Ich blogge bei einer Zeitung, bei der sich manche auch nicht mit Ruhm bekleckert haben.)
Aber es gibt ja noch Blogs wie nurmeinstandpunkt, die das tun, wozu Medien offensichtlich nur sehr begrenzt in der Lage sind: Genauer hinschauen, überprüfen, sich eigene Gedanken machen.
donalphons, 23:26h
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Zeiten & Wunder
Das hier mag jetzt viele Leser überraschen, aber: Nicht nur, dass der Sunbeam gestern Abend angesprungen ist - er wurde auch weggebracht. Gerüchten zufolge nicht auf den Schrottplatz, sondern vielleicht sogar rechtzeitig zur nächsten Mille Miglia zum Schweisser.
donalphons, 20:11h
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Pirat anstelle der Piraten
Ich möchte Wahlalternativen und keine Vielversprecher, denen alles andere wurscht ist. Das habe ich vor einer Wahl über die Piraten geschrieben, die einem Sozialdemokraten wirklich nicht leicht gefallen ist. Und aus meinem anderen Erfahrungsschatz würde ich hinzufügen: Ich würde nie eine Partei wählen, in deren Spitze jemand ist, der sich philosemitisch-überidentifiziert an meine Leute ranschleimt.
Ich weiss explizit nicht, ob das ein Deutscher gezielt macht, der sich von Stefan in Aaron umbenennt - aber der muss noch nicht mal Broderist sein, um für mich inakzeptabel zu sein. Es gibt da genug hauseigene psychisch schlimme Fälle. Wir brauchen keinerlei überidentifizierte Schleimbatzen mehr, egal aus welcher politischen Richtung - und ich denke auch, dass Leute, die sich entsprechend umlabeln, ungeeignet sind, ernsthaft über was auch immer zu debattieren.
Neben der menschlichen Peinlichkeit so eines Verhaltens, das allenfalls zwischen 1933 und 45 mutig gewesen wäre, bleibt da noch die politische Dimension dieses rechtslastigen Ausrutschers auf dem Oberdeck des Piratenschiffs: Es ist ja leider nicht das erste Mal, dass rechte Kräfte sich bemühen, die schmale ideologische Nerd- und Geekbasis der Piraten unter ihre schmierigen Füsse zu bekommen, was um so leichter ist, je weniger sich die Partei inhaltlich festlegt. Man sollte denken, dass man über gewisse Selbstverständlichkeiten wie Freiheit der Religionsausübung nicht mehr gross debattieren muss, und dass gerade einem selbstgebastelten Aaron ach bewusst sein sollte, dass man dafür eben auch die entsprechenden Einrichtungen braucht - sonst kommt das nächste braune Arschloch auf die Idee und lässt jüdische Ritualbäder verbieten, um die Schweizer Hetzer mal ein wenig weiter zu denken. Aber offensichtlich denkt man da falsch, wenn man es mit den real existierenden Piraten komischer Art zu tun hat.
Ich glaube nicht mal, dass dieser angebliche Aaron in dieser Partei eine Mehrheitsmeinung vertritt, und ich hoffe, dass es dort auch die enstprechenden Reaktionen gibt. Solche Leute über Bord werfen ist die eine Sache, die andere wäre es aber, ihnen mit einem klaren, breit aufgestellten Programm zu erschweren, sich dort weiter auszubreiten. Es kann durchaus sein, dass man damit etwas an Breite verliert, aber diese Positionen sind sicher nichts, was eine Partei mit halbwegs denkenden Menschen dauerhaft aushalten kann, egal wie wichtig Partikularinteressen sind.
Ausserdem wollen die auch gewählt werden - und da ist es den Wählern sicher wichtig, welche Personen da in Ämter kommen wollen. Irgendwelche Mogelpackungen, auf denen Freiheit steht und der Inhalt sofort auf die Bremse tritt, wenn es um die Freiheit anderer Leute geht, werden die Piraten sehr schnell an den Abgrund bringen: Denn nichts und niemand kann garantieren, dass Mandatsträger jene Politikfelder, die die Partei ignoriert, nicht selbst nach Gusto beackern. Aber um das nach draussen zu zeigen, muss man die entsprechenden Ausleger auch konsequent auf Linie bringen. Oder eben feuern. Was als politisches Signal sicher die deutlichere Variante wäre.
Ich weiss explizit nicht, ob das ein Deutscher gezielt macht, der sich von Stefan in Aaron umbenennt - aber der muss noch nicht mal Broderist sein, um für mich inakzeptabel zu sein. Es gibt da genug hauseigene psychisch schlimme Fälle. Wir brauchen keinerlei überidentifizierte Schleimbatzen mehr, egal aus welcher politischen Richtung - und ich denke auch, dass Leute, die sich entsprechend umlabeln, ungeeignet sind, ernsthaft über was auch immer zu debattieren.
Neben der menschlichen Peinlichkeit so eines Verhaltens, das allenfalls zwischen 1933 und 45 mutig gewesen wäre, bleibt da noch die politische Dimension dieses rechtslastigen Ausrutschers auf dem Oberdeck des Piratenschiffs: Es ist ja leider nicht das erste Mal, dass rechte Kräfte sich bemühen, die schmale ideologische Nerd- und Geekbasis der Piraten unter ihre schmierigen Füsse zu bekommen, was um so leichter ist, je weniger sich die Partei inhaltlich festlegt. Man sollte denken, dass man über gewisse Selbstverständlichkeiten wie Freiheit der Religionsausübung nicht mehr gross debattieren muss, und dass gerade einem selbstgebastelten Aaron ach bewusst sein sollte, dass man dafür eben auch die entsprechenden Einrichtungen braucht - sonst kommt das nächste braune Arschloch auf die Idee und lässt jüdische Ritualbäder verbieten, um die Schweizer Hetzer mal ein wenig weiter zu denken. Aber offensichtlich denkt man da falsch, wenn man es mit den real existierenden Piraten komischer Art zu tun hat.
Ich glaube nicht mal, dass dieser angebliche Aaron in dieser Partei eine Mehrheitsmeinung vertritt, und ich hoffe, dass es dort auch die enstprechenden Reaktionen gibt. Solche Leute über Bord werfen ist die eine Sache, die andere wäre es aber, ihnen mit einem klaren, breit aufgestellten Programm zu erschweren, sich dort weiter auszubreiten. Es kann durchaus sein, dass man damit etwas an Breite verliert, aber diese Positionen sind sicher nichts, was eine Partei mit halbwegs denkenden Menschen dauerhaft aushalten kann, egal wie wichtig Partikularinteressen sind.
Ausserdem wollen die auch gewählt werden - und da ist es den Wählern sicher wichtig, welche Personen da in Ämter kommen wollen. Irgendwelche Mogelpackungen, auf denen Freiheit steht und der Inhalt sofort auf die Bremse tritt, wenn es um die Freiheit anderer Leute geht, werden die Piraten sehr schnell an den Abgrund bringen: Denn nichts und niemand kann garantieren, dass Mandatsträger jene Politikfelder, die die Partei ignoriert, nicht selbst nach Gusto beackern. Aber um das nach draussen zu zeigen, muss man die entsprechenden Ausleger auch konsequent auf Linie bringen. Oder eben feuern. Was als politisches Signal sicher die deutlichere Variante wäre.
donalphons, 17:51h
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Montag, 30. November 2009
Ein mieser Beruf für miese Charaktere
Ich habe ja nicht allzu viel mit Journalisten zu tun, und wenn doch, dann weiss ich auch meist bald wieder, warum das so ist: Schlecht angezogen, ungebildet, kein Benehmen. Kein Wunder, wenn sie dauernd mit PRoleten rumhängen.
Als ich auf den Medientagen war, habe ich ein paar Dinge gesagt, die nicht wirklich gut ankamen. Zum einem ungefähr, dass ich eine arme Sau wäre, wenn ich von diesem Beruf und seinen schlechter werdenden Bedingungen leben müsste. Die vierte Hilfsmacht hört es nicht gerne, wenn man sie als arme Schlucker bezeichnet. Und dann war da noch die Frage, wo das Podium in seiner Einschätzung in vier Jahren sein möchte: Ich sagte Meran, und weit weg vom Journalismus, dem ich aus der Ferne beim Niedergang zuschauen möchte. Das war nicht nett, aber ehrlich.

Aber wenn ich dann solche Abmahnirrsinmsgeschichten vom Nordkurier lese, nur weil ein Blogger über die unschönen Zustände in diesem Beruf berichtet, denke ich mir: Dem Journalismus muss man die Verkommenheit seiner Existenz noch viel deutlicher vor Augen führen. Das macht nicht irgendein versiffter Plattenkonzern, das macht ein Medium, das sich ansonsten sicher gern auf Presseprivilegien und die Pressefreiheit beruft.
Als ich auf den Medientagen war, habe ich ein paar Dinge gesagt, die nicht wirklich gut ankamen. Zum einem ungefähr, dass ich eine arme Sau wäre, wenn ich von diesem Beruf und seinen schlechter werdenden Bedingungen leben müsste. Die vierte Hilfsmacht hört es nicht gerne, wenn man sie als arme Schlucker bezeichnet. Und dann war da noch die Frage, wo das Podium in seiner Einschätzung in vier Jahren sein möchte: Ich sagte Meran, und weit weg vom Journalismus, dem ich aus der Ferne beim Niedergang zuschauen möchte. Das war nicht nett, aber ehrlich.

Aber wenn ich dann solche Abmahnirrsinmsgeschichten vom Nordkurier lese, nur weil ein Blogger über die unschönen Zustände in diesem Beruf berichtet, denke ich mir: Dem Journalismus muss man die Verkommenheit seiner Existenz noch viel deutlicher vor Augen führen. Das macht nicht irgendein versiffter Plattenkonzern, das macht ein Medium, das sich ansonsten sicher gern auf Presseprivilegien und die Pressefreiheit beruft.
donalphons, 22:38h
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Fette rote Männer für fette Starnberger Kinder
Nichts ist gleich in einer Klassengesellschaft, alles ist anders. Auch christliche Feste sind davon - trotz theoretisch egalitärer Einstellung der Ideologie - keinesfalls dav0n ausgenommen. Wie auch die Globalisierung ein Stück mitreden möchte. Das alles zusammen findet man in München in bester Lage. Und in den Stützen der Gesellschaft in der FAZ.
donalphons, 09:07h
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Sonntag, 29. November 2009
Das Rentnerrad
Als ich jung war, bin ich im Sommer meistens von München in die heimatstadt mit Gepäck geradelt. Das dauerte keine drei Stunden und führte zum Angebot meiner Eltern, mir ein Auto zu überlassen - die B13 ist jetzt nicht die ungefährlichste aller Strassen dieses Landes. Ich radelte zum Kochelsee und Walchensee, um den Starnberger See, am Isarufer mit dem Mountainbike nach Wolfratshausen, war viel an der frischen Luft und auch reichlich gesund. Dann kam die Arbeit, dazu noch Berlin, aber ich dachte, es würde sicher noch gehen. Ausserdem hatte ich ja immer ein Fahrrad dabei, auch in Berlin, und obwohl diese Stadt der spätberufenen Fahrunfähigen noch gefährlicher als die B13 ist.
Dann ging ich Mitte 2005 zurück nach Bayern, genauer: Ich hatte Verpflichtungen in der bayerischen Provinz. Ich ging gern radeln, und dachte eigentlich nach dem Winter 2006, dass ich nun meine Räder auspacken und wieder viel durch die Donauen oder ins Altmühltal, dem Revier meiner Schulzeit - es war ein harter, langer Winter, und das Frühjahr setzte schlagartig mit voller Wucht ein. Die Bäume waren voller Pollen, ich lag in der Badewanne und wusste nicht, wie ich hier mit meiner zugeschwollenen Lunge rauskommen sollte. Als Kleinkind bin ich deshalb einmal fast gestorben, und an einem schönen Maientag 2006 hatte ich den Eindruck, dass es nun wirklich so weit ist. Dann bin ich in morbider Stimmung nach Italien gefahren, statt, wie eigentlich empfohlen, ins Krankenhaus zu gehen. Und alles war weg. Ich habe keine Allergie in Italien. Das passiert nur im deutschen Flachland, wenn ich nicht in grossen Städten bin.
Das Pfeifen hörte auf, die Nebenhöhlenentzünung verschwand, ich fuhr offen und nahm mir vor, mein Leben noch mehr zu geniessen. Allerdings gab und gibt es da ein kleines Problem mit dem Lüngerl: Das setzt seitdem relativ schnell unter Belastung zu. Nicht schon beim Bergsteigen, aber oft, wenn ich auf dem Rad sitze. Meine Beine sagen: Treten! Mein Hirn denkt: Treten! Meine Lunge schweigt schockiert und fängt nach 10 Minuten das Pfeifen an. Sprich, die Muskeln sind in der Lage erheblich mehr zu leisten, als die Lunge dafür Luft zur Verfügung stellen kann. Gerade, wenn ich tief gebeugt über dem Lenker hänge. Früher war die Lenkerposition so tief wie möglich. Heute ist das anders. Meine extremen Zeitfahrmaschinen kann ich nur noch auf kurze Strecken fahren. Dem Jagdtrieb und dem Wunsch, den Autos davonzufahren, tut die Einsicht übrigens keinen Abbruch. Das schafft dann aber das Pfeifen der Lunge.
Mein Arzt meint, dass wir alle nicht jünger werden, und solange ich noch auf den Hirschberg komme, bräuchte ich mir keine Gedanken zu machen. Am Umstand des Zerfalls lässt sich aber ebenso wenig rütteln wie an seiner Unumkehrbarkeit; ich kann das Problem minimieren, ich kann bis an die Grenzen gehen, aber das ändert nichts daran, dass die Grenzen näher sind als zu meinen Jugendtagen, als ich von 6 bis 11 auf dem Surfboard war und dann um Nachmittag um den Gardasee radelte. Kurz, ich bin alt und krank und komme nicht mehr mit meinen Zeitfahrmaschinen zurecht. Wie gut, dass ich auf der Suche nach einem Ersatzteil ein ganzes Rentnerrad gefunden habe.

(Grossbild)
Es handelt sich dabei, wie man sieht, um ein recht altes Rad, gebaut vor 8 Jahren im Rentnerland Schwaben. Es hat dicke Reifen, und bremst mich durch sein Gewicht. Es hat sich auch gezeigt, dass es für mich lahmen und kranken Mann schon im Haus eine Hilfe ist, denn damit kann ich auch Treppen runterfahren, statt mich am Rad abzuschleppen. Wie alle Oparäder ist es auch gefedert, damit ich auf den kindskopfgrossen Steinen am Aufstieg zum Leonhardstein nicht so durchgeprügelt werde. Aufrecht, sehr aufrecht sitze ich darauf, und dann hat es auch noch zur Sicherheit - die Reaktionen beim Slalom im dichten Wald sind auch nicht mehr das, was sie mal waren - Hope-Downhill-Scheibenbremsen. Überhaupt eignet es sich vor allem zum rentnerkompatiblen Bergabfahren. Man kann den Lenker extra schön weit nach oben stellen. Fehlt eigentlich nur eine Pfeife.
Nun wird mancher sagen, dass es für einen alten Sack wie mich so knapp vor der Bahre rausgeschmissenes Geld ist, einen damals knapp 6000 Mark teuren Rollatorersatz zu kaufen. Ich aber hatte das Glück, es - sparsamer, alter und bescheidener Mann, der ich bin - gebraucht zu erwerben. Es hat den ganzen Weg nach Unten mitgemacht: Erst brutale Renneinsätze, dann als Trainingsrad misshandelt, später als Stadtrad nicht gepflegt und im Winter draussen der Witterung ausgesetzt, Stürze, mangelnde Pflege, defekte Lager... wir werden alle nicht jünger. Aber als alter Opa sitzt man gern auf der Terrasse, repariert altes Zeug und freut sich, wenn es dann wieder funktioniert und mit gemässigten 80 Sachen den Berg runter geht - nur den Helm, den habe ich vergessen. Altersdemenz, nehme ich an.

Aber ansonsten ist es ein wirklich feines, äusserst dezentes Oparad in oliv und schwarz, es war in diesem Zustand sehr günstig, und es wird mir noch viel Spass beim Seniorenluftkurradeln machen: Man kann wirklich einen halben Meter hohe Steinblöcke runterfahren, und man merkt bei der Landung mit 15 Zentimeter Federweg so gut wie nichts. Bei besagtem Italienurlaub besuchte ich mit einem Bekannten auch ein Mountainbikertreffen in Riva, und fand all die überteuerten, vollgefederten Pseudomotorräder blöd - allerdings muss ich sagen, dass sie im fortgeschritteten Alter auf den hiesigen Wurzelteppichen mit 20% Gefälle doch den ein oder anderen Vorteil haben, gerade wenn die Knochen morsch werden. Und mit 16 Kilo an den Pedalen lässt man es auch beim Hochfahren endlich etwas gemütlicher und lungenkompatibler angehen.
Dann ging ich Mitte 2005 zurück nach Bayern, genauer: Ich hatte Verpflichtungen in der bayerischen Provinz. Ich ging gern radeln, und dachte eigentlich nach dem Winter 2006, dass ich nun meine Räder auspacken und wieder viel durch die Donauen oder ins Altmühltal, dem Revier meiner Schulzeit - es war ein harter, langer Winter, und das Frühjahr setzte schlagartig mit voller Wucht ein. Die Bäume waren voller Pollen, ich lag in der Badewanne und wusste nicht, wie ich hier mit meiner zugeschwollenen Lunge rauskommen sollte. Als Kleinkind bin ich deshalb einmal fast gestorben, und an einem schönen Maientag 2006 hatte ich den Eindruck, dass es nun wirklich so weit ist. Dann bin ich in morbider Stimmung nach Italien gefahren, statt, wie eigentlich empfohlen, ins Krankenhaus zu gehen. Und alles war weg. Ich habe keine Allergie in Italien. Das passiert nur im deutschen Flachland, wenn ich nicht in grossen Städten bin.
Das Pfeifen hörte auf, die Nebenhöhlenentzünung verschwand, ich fuhr offen und nahm mir vor, mein Leben noch mehr zu geniessen. Allerdings gab und gibt es da ein kleines Problem mit dem Lüngerl: Das setzt seitdem relativ schnell unter Belastung zu. Nicht schon beim Bergsteigen, aber oft, wenn ich auf dem Rad sitze. Meine Beine sagen: Treten! Mein Hirn denkt: Treten! Meine Lunge schweigt schockiert und fängt nach 10 Minuten das Pfeifen an. Sprich, die Muskeln sind in der Lage erheblich mehr zu leisten, als die Lunge dafür Luft zur Verfügung stellen kann. Gerade, wenn ich tief gebeugt über dem Lenker hänge. Früher war die Lenkerposition so tief wie möglich. Heute ist das anders. Meine extremen Zeitfahrmaschinen kann ich nur noch auf kurze Strecken fahren. Dem Jagdtrieb und dem Wunsch, den Autos davonzufahren, tut die Einsicht übrigens keinen Abbruch. Das schafft dann aber das Pfeifen der Lunge.
Mein Arzt meint, dass wir alle nicht jünger werden, und solange ich noch auf den Hirschberg komme, bräuchte ich mir keine Gedanken zu machen. Am Umstand des Zerfalls lässt sich aber ebenso wenig rütteln wie an seiner Unumkehrbarkeit; ich kann das Problem minimieren, ich kann bis an die Grenzen gehen, aber das ändert nichts daran, dass die Grenzen näher sind als zu meinen Jugendtagen, als ich von 6 bis 11 auf dem Surfboard war und dann um Nachmittag um den Gardasee radelte. Kurz, ich bin alt und krank und komme nicht mehr mit meinen Zeitfahrmaschinen zurecht. Wie gut, dass ich auf der Suche nach einem Ersatzteil ein ganzes Rentnerrad gefunden habe.

(Grossbild)
Es handelt sich dabei, wie man sieht, um ein recht altes Rad, gebaut vor 8 Jahren im Rentnerland Schwaben. Es hat dicke Reifen, und bremst mich durch sein Gewicht. Es hat sich auch gezeigt, dass es für mich lahmen und kranken Mann schon im Haus eine Hilfe ist, denn damit kann ich auch Treppen runterfahren, statt mich am Rad abzuschleppen. Wie alle Oparäder ist es auch gefedert, damit ich auf den kindskopfgrossen Steinen am Aufstieg zum Leonhardstein nicht so durchgeprügelt werde. Aufrecht, sehr aufrecht sitze ich darauf, und dann hat es auch noch zur Sicherheit - die Reaktionen beim Slalom im dichten Wald sind auch nicht mehr das, was sie mal waren - Hope-Downhill-Scheibenbremsen. Überhaupt eignet es sich vor allem zum rentnerkompatiblen Bergabfahren. Man kann den Lenker extra schön weit nach oben stellen. Fehlt eigentlich nur eine Pfeife.
Nun wird mancher sagen, dass es für einen alten Sack wie mich so knapp vor der Bahre rausgeschmissenes Geld ist, einen damals knapp 6000 Mark teuren Rollatorersatz zu kaufen. Ich aber hatte das Glück, es - sparsamer, alter und bescheidener Mann, der ich bin - gebraucht zu erwerben. Es hat den ganzen Weg nach Unten mitgemacht: Erst brutale Renneinsätze, dann als Trainingsrad misshandelt, später als Stadtrad nicht gepflegt und im Winter draussen der Witterung ausgesetzt, Stürze, mangelnde Pflege, defekte Lager... wir werden alle nicht jünger. Aber als alter Opa sitzt man gern auf der Terrasse, repariert altes Zeug und freut sich, wenn es dann wieder funktioniert und mit gemässigten 80 Sachen den Berg runter geht - nur den Helm, den habe ich vergessen. Altersdemenz, nehme ich an.

Aber ansonsten ist es ein wirklich feines, äusserst dezentes Oparad in oliv und schwarz, es war in diesem Zustand sehr günstig, und es wird mir noch viel Spass beim Seniorenluftkurradeln machen: Man kann wirklich einen halben Meter hohe Steinblöcke runterfahren, und man merkt bei der Landung mit 15 Zentimeter Federweg so gut wie nichts. Bei besagtem Italienurlaub besuchte ich mit einem Bekannten auch ein Mountainbikertreffen in Riva, und fand all die überteuerten, vollgefederten Pseudomotorräder blöd - allerdings muss ich sagen, dass sie im fortgeschritteten Alter auf den hiesigen Wurzelteppichen mit 20% Gefälle doch den ein oder anderen Vorteil haben, gerade wenn die Knochen morsch werden. Und mit 16 Kilo an den Pedalen lässt man es auch beim Hochfahren endlich etwas gemütlicher und lungenkompatibler angehen.
donalphons, 17:24h
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