Botticelli in Frankfurt

Ich würde ja gerne mal eine Besprechung einer Ausstellung lesen, in der steht: 3 Knaller und viel Müll aus dem Umfeld. Man verstehe mich nicht falsch, im Staedel sind aktuell wirklich drei aussergewöhnlich schöne Hauptwerke von Botticelli zu sehen, und ansonsten ist der Lebenskonflikt des Künstlers nach dem Sturz der Medici und während der Diktatur Savonarolas gut herausgearbeitet.

Aber die Mittel dafür sind nun mal so, wie es aktuell im Leihgabengeschäft bedeutender Werke wohl generell ist: Eher mittelprächtig. Das tut den -ohnehin meist ahnungslosen - Besuchern und ihrem Vergnügen keinen Abbruch, und es ist auch nicht die "Schuld" des Hauses. Aber es ist nicht "die" Botticelliausstellung, die man gesehen haben muss. Es ist mett, es wäre noch netter, wenn es nicht so voll wäre, und das könnte man vermeiden, wenn man solchen Schauen Gerechtigkeit wiederfahren liesse. So habe ich leicht den Eindruck, dass vielleicht etwas weniger eher mehr gewesen wäre, die ganzen Werkstatt- und Umfeldarbeiten - mit zum Teil höchst mutiger Fragezeichenzuschreibung hätte es vielleicht nicht unbedingt gebraucht.

Aber wie schon gesagt: Drei Bilder - allesamt im weltlichen Teil aus der Medicizeit - reissen es heraus. Die alte Frage, ob eine echte, prunkvolle Diktatur kulturell nicht besser ist als eine verkniffene Scheinrepublik, kann daran natürlich neu aufgemacht werden. Boticelli als Frömmler ist uns nun mal so fern, wie er uns als Hofmaler nackter und leicht bekleideter Frauen nah ist.

Mittwoch, 2. Dezember 2009, 12:40, von donalphons | |comment

 
Das Platzproblem vermochte ich vorige Woche ganz einfach zu lösen: Ich musste nur ab und an in mein Taschentuch niesen, schon rückten alle von mir ab. Und so hatte ich sogar manches Bild ganz für mich alleine. :-)

Ich fand den Vergleich mit Bildern aus seiner Werkstatt und seinem Umfeld schon interessant, die Werkstatt-Venus hat vom langen Herumstehen ordentlich Wasser in den Füßen. Und die Cranach-Venus bekäme nie einen Apfel überreicht. Auch den Renaissance-Comic über Zenobius habe ich mir durchaus mit Vergnügen angeschaut, diese Bildergeschichte bekommt man sonst nicht mehr komplett zu sehen.

Allein die drei Hauptwerke waren es mir wert, trotz Erkältung* dorthin zu gehen. Allerdings empfiehlt es sich - wenn man nicht über das kunsthistorische Wissen eines Don Alphonso verfügt -, vier Euro in die Audioführung zu investieren.

* ich hatte die Eintrittskarten online gekauft, sie galten nur an dem Tag

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Ich hatte eigentlich vor nach Ffm in die Ausstellung zu fahren. Nun bin ich aber unschlüssig.
ich kenne nur die in den Uffizien ausgestellten Werke und mein Besuch dort liegt schon lange zurück!

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Fahr lieber nach Florenz.

Die hochbeworbenen Sonderaustellungen in europäischen Museen sind oft überbewertet und extrem überlaufen.

Dagegen kann man im Winter selbst die Uffizien besichtigen, ohne in einem Pulk schwitzender lärmender Touristen von Bild zu Bild geschoben zu werden.

Im Januar war ich in Ravenna mal sogar allein im Mausoleum der Galla Placidia.

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@avantgarde: Da hast du aber Glück gehabt, daß die überhaupt auf hatten! Ich war zuerst in einem ganz harmlosen Oktober in Ravenna, da hatte die Hälfte aller Kirchen schon zu. Im Januar in Ravenna! OMG, das ist mutig!

Meiner Erfahrung nach mögen die Ravennaten Fremde nämlich gar nicht, außer, sie kommen ordentlich in einem kulturtouristischen Reisebus, bleiben auf ihren Routen, geben brav Geld aus, folgen ihren Führern, gucken sich brav alle ausgewiesenen Sehenswürdigkeiten an (nur EINE Sehenswürdigkeit geht gar nicht, selbst, wenn man schwört, daß man die anderen doch von einem früheren Besuch her kennt!), betreten nicht den Rasen oder stören die Blumenrabatten, klettern danach wieder ordentlich in ihren Reisebus und ziehen wieder ab.

Meine Mutter und ich waren allerdings mal Ende August alleine im Grabmal des Theoderich; das lag jedoch daran, daß eigentlich ausgewiesene Siesta-Zeit war, zu der die ordentlichen Touristen alle brav in Restaurants hockten und der Geldausgeben-Teil dran war, anstatt daß sie in der glühenden Sonne in oder auf irgendwelchem alten Monument rumgekraxelt wären. Wir haben sogar einen toten Goten gesehen, aber auch das lag daran, daß die Archäologen, die auf der einen Seite des Grabmals die gesamte Umgebung umgruben, etwas entfernt im Schatten herumhingen und Mittagspause machten, und nicht die Energie hatten, uns daran zu hindern, von oben die Ausgrabung zu betrachten und zu fotografieren.

Alles in allem: als Individualtourist außerhalb der Saison nach Ravenna zu kommen ist gewagt, weil das eine reiche Stadt ist, die Touristen überhaupt nicht nötig hat, die Bewohner sich eher genervt zeigen, und selbst die Personen, die beruflich mit Touristenbetreuung zu tun haben, große Anstrengungen unternehmen, den unbotmäßigen, anstrengenden Einzelpersonen den Aufenthalt in Ravenna so unangenehm wie möglich zu machen.-

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@sethos:

Das Bild von Ravenna kann ich aber gar nicht bestätigen. Im Herbst war es dort sehr angenehm und es war das meiste offen. Außer natürlich in der Siesta, aber darüber kann man sich nicht wirklich beschweren ...

Ich fand Ravenna noch einen Ticken angenehmer als Florenz und viel angenehmer als Pisa. Es kann aber auch sein, dass unsere Route genau in dieser Reihenfolge statt fand und ich beim Eintreffen in Pisa einfach genug von Städten hatte und mal wieder Berge oder Küste sehen musste.

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Florenz ist leider total überlaufen. Die beste Zeit dafür ist eigentlich nach Weihnachten. Uffizien gehen eigentlich auch im Winter nur noch mit online Kartenvorbestellung.
Von Pisa ist es nicht weit in die Garfagnana oder die Apuanischen Alpen. Dort sind wunderbare Wanderungen ohne Touristenrummel möglich und von den Gipfeln hat man einen herrlichen Meeresblick!
Siena ist im Winter auch sehr gut zu besuchen. Ich glaube DA hat das mal in einem Kommentar bestätigt!

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Die beste Zeit für Florenz ist tatsächlich zwischen Weihnachten und Silvester. Sehr entspannte Einwohner, überschaubare Touristenzahl. Und dann schlendere man einfach bei den Uffizien vorbei und reserviere Tickets für den nächsten Tag.

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...wobei es natürlich - wie in jeder anderen Gegend auch - außerordentlich hilfreich ist, wenn man die Landessprache beherrscht. Italiener sind immer sehr beglückt, wenn da ein straniero daherkommt, der mit ihnen einheimisch parlieren kann. Das sind sie nämlich nicht gewöhnt und fühlen sich dann stets sehr geschmeichelt. Um diesen Effekt zu erzielen, reicht im allgemeinen schon das Grundvokabular "bitte-danke-wo geht es bitte zu **" aus.

Das funktioniert sogar im ansonsten recht arroganten Rom. Wer wie ich dort auch seine italienische Sozialisation erhalten hat, für den ist Ravenna, wie auch überhaupt die Gegend Bologna-Venedig, ein ziemlicher Unterschied zur "heimischen" Prägung. Zum einen sind alle superpünktlich und genau, und die Straßenreinigung verwandelt die Straßen in aseptische Zonen. Täglich. In Italien!

Und dann der Dialekt! Für untrainierte Ohren wie die meinen klingt das immer urkomisch (um Gottes willen, nie grinsen!), als ob jemand betrunken ist und lispelt. Sehr gewöhnungsbedürftig.

In der Tat sind die Ravennaten anfänglich ein bißchen schroff und es braucht ein wenig Zeit, bis sie auftauen. Aber dann ist es eigentlich wie überall in Italien.

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Mailand?
Etwas off-topic, aber wenn hier gerade die Italienfraktion anwesend ist: Ich bin nächste Woche für 2 Tage in Mailand mit ein paar Stunden Wartezeit - was (außer dem Dom und der Galleria) sollte man denn noch sehen?

Wäre für ein paar Tips sehr dankbar!

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@latifundius
auf alle Fälle das letzte Abendmal von da Vinci

http://www.milano24ore.de/sehenswuerdigkeiten/abendmahl/index.php

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OK mein Italienisch ist ganz manierlich und ich kam in Ravenna bestens zurecht.

Wenn man beiläufig fallen lässt, dass Dante in Ravenna gut aufgehoben ist, weil ihn die Fiorentiner nicht verdient haben, ist das Eis sowieso gebrochen.

Für mich gehören die Mosaiken von Ravenna zu den kulturellen Höhepunkten Italien (ok bin Mosaikfan).

Und alle Bauten hatten ganz normal auf. Reisegruppen gibts aber Ende Januar nicht viele.

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@latifundius
Sant'Ambrogio und die Brera. Vorher dürfen Sie Mailand nicht wieder verlassen!

Beides viel interessanter als Dom und Galleria

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@ Maternus: natürlich haben wir es mit Italienisch versucht, zumal beim zweiten Mal, als ich auf den ravennatischen Kulturschock schon vorbereitet war und mit dem festen Vorsatz da hin kam, daß es diesmal nicht wieder so schrecklich werden wird.

Trotzdem fuhren wir am Ende ausgesprochen angefressen wieder ab. Bologna dagegen (wo man genauso von der Straße essen hätte können) war ganz friedlich, die Leute waren normal, und die öffentlichen Busse waren auch ohne speziellen Einführungskurs verständlich.

In Ravenna gibt es sehr ernsthafte und ausgedehnte Industrie, die Stadt ist reich und vom Tourismus völlig unabhängig. Die Häuser sehen aus wie nirgendwo sonst in Italien, klein und aus Ziegeln und superordentlich und rechtwinklig; alles, was die öffentliche Hand bezahlt, ist vom Feinsten, und man sieht eigentlich nur relativ neue, große, sauber gewaschene und völlig beulenfreie Autos. Es gibt sogar kaum Graffiti! Staubige, kulturbeflissene Touristen, die durch die Straßen latschen und in Cafés herumhocken, stören die Ravennaten eigentlich nur dabei, ihr wohlgeordnetes Leben angemessen zu genießen, denn sie sind das Unordentlichste an der Stadt. Also scheint man kollektiv darauf aus zu sein, diese Plage möglichst zu vertreiben.-

@ avantgarde: Ich bin auch Mosaikenfan; und vor allen Dingen bin ich Gotenfan. Deshalb bin ich überhaupt nur hingefahren, und deswegen bin ich dann auch zum ZWEITEN Mal hingefahren, und habe mich nochmal mit dieser absonderlichen Stadt herumgeschlagen. Anfangs schien auch alles ganz okay; der Mensch am Informationsschalter am Bahnhof reagierte auf mein äußerst gebrochenes aber williges Italienisch sehr entgegenkommend. Aber am Ende war selbst meine eher friedfertige Mutter so genervt von den Unannehmlichkeiten dieses Ortes, daß sie kategorisch erklärte, da fährt sie nie wieder hin.-

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@arboretum
Wie Sie jemandem, dessen Bericht über eine Ausstellung sich in den borniert-populistischen Begriffen "Knaller" und "Müll" erschöpft, "kunsthistorisches Wissen" attestieren können, ist mir schleierhaft. An alle potenziellen Besucher: Lassen Sie sich von derlei Volkstümlichkeit nicht abschrecken! Sollten Sie erwarten, den - wie hinlänglich bekannt ist, ohnehin nicht ausleihbaren - Bestand der Uffizien anzutreffen, können Sie getrost zuhause bleiben. Denjenigen dagegen, deren Interesse an (und Kenntnis von) Botticelli sich nicht auf "La nascita di Venere" und "Primavera" beschränkt, sei ein Besuch in Frankfurt durchaus empfohlen. Allein schon die Zusammenschau von Botticellis Werken mit denen seines Lehrers Filippo Lippi sowie die Vergleiche mit den Zeitgenossen (u.a. Verrocchio und del Garbo) ermöglichen einen detaillierten Blick auf die Entwicklung seines nachgerade avantgardistischen Personalstils. Kurz: Keine Ausstellung für den Best-of-Consumer, alle anderen - laut Herrn A. die "Ahnungslosen" - werden ihre Freude haben.

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@berenike und Don F.
Danke für die Tipps - Das letzte Abendmahl wäre nicht schlecht, allerdings muss ich mich mit meinem Zeitplan nach meinem Kunden richten, von daher weiss ich nicht, ob ich längere Wartezeiten hinbekomme.

und den Dom fand ich auch hauptsächlich "groß", aber das mag auch an meiner evangelischen Erziehung liegen :-)

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@ ueberlinger
Ach, wissen Sie, ich lese hier schon seit einigen Jahren mit und weiß daher auch, mit was sich Don sonst noch befasst.

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Entschuldigung
Werter Don, ich muß mich entschuldigen. Ich hatte Ihre Kritik der Botticelliausstellung, nun ja, für etwas versnobt gehalten und mich trotz Ihrer Warnung nach Frankfurt aufgemacht. Nicht primär der Botticelli-Ausstellung wegen, vielmehr gab Houdon im benachbarten Liebighaus den Ausschlag dafür, warum wir nach Frankfurt und nicht nach München zur Rubensausstellung gefahren sind. Allein Houdons Porträtbusten von Diderot, Voltaire und Napoleon waren den Aufwand allemal wert. Aber danach hätten wir uns gemütlich Kuchen und heiße Schokolade mit viel Sahne reinziehen sollen, bevor wir zum Eddie Angel-Konzert nach Stuttgart weiterfuhren. Aber nein, im Unverstand sind wir 3 1/2 Stunden in der Kälte angestanden, um uns auch noch den Botticelli anzuschauen - und das war die Ausstellung definitiv nicht wert. Ihrer Beurteilung ist völlig zuzustimmen, der Hype um die Ausstellung völlig unnachvollziehbar und ich werde mich in Zukunft nicht mehr als ungläubiger Thomas erweisen und Ihnen auf's Wort glauben.

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